Ein Sicherheitsmitarbeiter wollte während der Probezeit in seinem Unternehmen einen Betriebsrat gründen. Kurz darauf erhielt er die Kündigung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) München entschied in seinem Urteil vom 20.08.2025 (Az. 10 SLa 2/25), dass weder ein Sonderkündigungsschutz besteht noch eine unzulässige Behinderung der Betriebsratswahlvorbereitung vorliegt. Dieses Ergebnis wirft wichtige Fragen für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber auf: Welche Kündigungsschutzrechte gibt es bei der Initiierung einer Betriebsratswahl, und wo liegen rechtliche Grauzonen? Im Folgenden erklären wir verständlich die rechtlichen Hintergründe, geben konkrete Handlungsempfehlungen für beide Seiten und beleuchten Risiken sowie offene Fragen.
Der Fall LAG München: Kündigung in der Probezeit nach Betriebsrats-Initiative
Ein praktischer Hintergrund: Ein Mitarbeiter, angestellt als Sicherheitskraft ab dem 7. März 2024, beschloss nach wenigen Tagen, im bislang betriebsratslosen Unternehmen einen Betriebsrat zu initiieren. Bereits nach sechs Tagen im Job ließ er seine Absicht zur Betriebsratsgründung notariell beglaubigen. Am 20. März 2024 informierte er den Arbeitgeber per E-Mail über seinen Plan, eine Betriebsratswahl einzuleiten (für den Fall, dass noch kein Betriebsrat existiere) und forderte ein Verzeichnis der Wahlberechtigten an. Nur einen Tag später, am 21. März 2024, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgerecht innerhalb der Probezeit. Der Mitarbeiter erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.
Die Argumente vor Gericht: Zunächst berief sich der gekündigte Arbeitnehmer auf das gesetzliche Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl gemäß § 20 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Später – erst mehrere Monate nach der Kündigung – machte er zusätzlich den besonderen Kündigungsschutz für Wahlinitiatoren nach § 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geltend. In erster Instanz gab das Arbeitsgericht München der Klage statt, da es die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG als erfüllt ansah und keine gesetzliche Frist für dessen Geltendmachung erkannte.
Die Entscheidung des LAG München: In zweiter Instanz wies das LAG München die Kündigungsschutzklage jedoch ab. Das Gericht stellte klar, dass § 15 Abs. 3b KSchG in der sechsmonatigen Wartezeit des allgemeinen Kündigungsschutzes keine Anwendung findet. Mit anderen Worten: Wer in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses (also während der üblichen Probezeit) einen Betriebsrat initiieren möchte und daraufhin gekündigt wird, kann sich nach Ansicht des LAG München nicht auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Zudem sah das Gericht den Sonderkündigungsschutz im konkreten Fall als verwirkt an, weil der Mitarbeiter seinen Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung über seine Initiatorrolle bzw. die notarielle Absichtserklärung informiert hatte – der Kläger brachte dieses Argument erst rund sieben Monate später vor. Einen Verstoß gegen das Verbot der Wahlbehinderung (§ 20 BetrVG) verneinte das LAG ebenfalls. Die Kündigung in der Probezeit sei – jedenfalls nach Auffassung des Gerichts – keine unzulässige Behinderung der Wahlvorbereitung, da der spezielle Kündigungsschutz hier (in der Probezeit mangels KSchG-Anwendbarkeit) nicht greife. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; das LAG München hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Kernthesen des Urteils: Kein Sonderkündigungsschutz in der Probezeit und keine sanktionierbare Wahlbehinderung durch die Probezeitkündigung. Im Folgenden beleuchten wir, was das juristisch bedeutet und welche Lehren daraus für Praxis gezogen werden können.
Rechtlicher Hintergrund: Kündigungsschutz bei Betriebsratswahlen
Die Gründung und Wahl eines Betriebsrats genießen besonderen gesetzlichen Schutz. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verbietet ausdrücklich, die Wahl des Betriebsrats zu beeinträchtigen: “Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern.” (§ 20 Abs. 1 BetrVG). Insbesondere darf kein Arbeitnehmer wegen der Ausübung seines Wahlrechts benachteiligt werden. Ein klassisches Beispiel für Wahlbehinderung ist laut Fachkommentierung etwa, einem Arbeitnehmer zu kündigen, um ihn an einer Kandidatur für den Betriebsrat zu hindern oder ihn für seine Initiativen zu bestrafen. Solche Handlungen können sogar strafrechtliche Konsequenzen haben: Wer die Bildung eines Betriebsrats vorsätzlich behindert, macht sich strafbar (§ 119 BetrVG) und riskiert Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Allerdings zeigt die Praxis, dass Strafverfahren wegen Betriebsratsbehinderung nur selten zu Verurteilungen führen – viele Verfahren werden eingestellt. Arbeitnehmer sind daher in der Realität oft auf den zivilrechtlichen Kündigungsschutz angewiesen, um sich gegen Benachteiligungen zu wehren.
Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG: Wer ist geschützt?
Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz (der erst nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit und in Betrieben über 10 Mitarbeitern greift, siehe § 1 KSchG) gibt es besonderen Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen im Rahmen von Betriebsratswahlen. Diese sind im Kündigungsschutzgesetz (§ 15 KSchG) geregelt und sollen sicherstellen, dass Akteure einer Betriebsratswahl nicht wegen ihres Engagements gekündigt werden. Zu den geschützten Personenkreisen gehören insbesondere:
- Mitglieder des Wahlvorstands (Wahlorganisatoren) – ab Bestellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses geschützt.
- Wahlbewerber (Kandidaten) – ab Aufstellung des Wahlvorschlags bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, und nach der Wahl noch 6 Monate nachwirkend vor ordentlichen Kündigungen geschützt.
- Gewählte Betriebsratsmitglieder – während ihrer Amtszeit und ein Jahr nach Ende der Amtszeit vor ordentlicher Kündigung geschützt (§ 15 Abs. 1 KSchG); eine Kündigung ist hier nur mit außerordentlichem Grund und vorheriger Zustimmung des Betriebsrats oder Arbeitsgerichts zulässig (vgl. § 103 BetrVG).
Seit 2021 umfasst § 15 KSchG aber zusätzlich zwei Gruppen von Wahlinitiatoren:
- Initiatoren der Betriebsratswahl im engeren Sinne: Damit sind die Beschäftigten gemeint, die in einem betriebsratslosen Betrieb zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen bzw. die Bestellung eines Wahlvorstands offiziell beantragen. Typischerweise sind dies die ersten drei (bei Antrag) bis sechs (bei Einladung) Arbeitnehmer, die die Betriebsratswahl initiieren. Sie genießen gemäß § 15 Abs. 3a KSchG Kündigungsschutz vom Zeitpunkt der Einladung/Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Wird kein Betriebsrat gewählt, endet ihr Schutz spätestens drei Monate nach der Einladung/Antragstellung. Ordentliche Kündigungen sind in diesem Zeitraum unzulässig (außer es liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor). Dies schützt also die offiziellen „Einladenden“ der Wahlversammlung.
- „Vorfeld-Initiatoren“ (Vorbereitende): Diese neue geschützte Gruppe wurde durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz 2021 eingeführt. § 15 Abs. 3b KSchG erfasst Arbeitnehmer, die bereits Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats vornehmen und eine öffentlich beglaubigte (notariell beglaubigte) Erklärung abgegeben haben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu gründen. Als Vorbereitungshandlungen gelten z.B. für Dritte erkennbare Aktivitäten wie Gespräche mit Kollegen über eine Betriebsratsgründung, das Einholen von Infos (z.B. bei Gewerkschaften) oder das Organisieren einer Wahlversammlung. Der Kündigungsschutz für solche Vorfeld-Initiatoren gilt ab Abgabe der notariell beglaubigten Erklärung bis zur Einladung zur Wahlversammlung, maximal jedoch für drei Monate. Innerhalb dieser kurzen Schutzfrist sind ordentliche Kündigungen aus personenbedingten oder verhaltensbedingten Gründen unzulässig, solange kein betriebsbedingter Grund vorliegt und keine Umstände für eine fristlose Kündigung gegeben sind. Einfacher ausgedrückt: Wer offiziell (per notarieller Erklärung) kundtut, dass er einen Betriebsrat vorbereiten will, soll für bis zu drei Monate nicht aus persönlichen oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden dürfen, damit Arbeitgeber etwa nicht vorgeschobene Leistungs- oder Verhaltensgründe nutzen können, um die Initiative im Keim zu ersticken. Kündigungen aus dringenden betrieblichen Gründen (z.B. Abteilungsschließung) bleiben in dieser Zeit aber möglich, und außerordentliche Kündigungen bei gravierenden Pflichtverstößen ebenso.
Wichtig: Dieser neue Schutz nach § 15 Abs. 3b KSchG soll unabhängig von der allgemeinen Anwendbarkeit des KSchG gelten, also auch in Kleinbetrieben und während der Wartezeit (Probezeit). So zumindest der Wille des Gesetzgebers und die h.M. in der Literatur. In der Praxis stellt sich jedoch die Frage, ob Gerichte diese Unabhängigkeit anerkennen – genau dieser Punkt wurde im Fall des LAG München strittig.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Schutzrechte für Wahlinitiatoren und andere Wahlbeteiligte im Kündigungsschutz:
Personenkreis | Sonderkündigungsschutz (Zeitraum) | Umfang des Kündigungsschutzes | Rechtsgrundlage |
Vorfeld-Initiator (bereitet BR-Wahl vor, mit notarieller Erklärung) | Ab Abgabe der notariell beglaubigten Absichtserklärung bis zur Einladung zur Wahlversammlung (max. 3 Monate) | – Keine ordentliche Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen zulässig (betriebsbedingte Kündigungen und fristlose Kündigungen bei wichtigem Grund bleiben möglich).<br>– Gilt auch in der Probezeit und in Kleinbetrieben (strittig, vgl. LAG München Urteil). | § 15 Abs. 3b KSchG |
Wahlinitiator (lädt zur Betriebs-/Wahlversammlung ein oder beantragt Wahlvorstand) | Ab Einladung zur Wahlversammlung oder formeller Antragstellung bis zum Wahlergebnis (bei Nichtzustandekommen max. 3 Monate ab Einladung/Antrag) | – Keine ordentliche Kündigung während dieser Zeit (außer aus wichtigem Grund fristlos).<br>– Schutz für die ersten 6 Arbeitnehmer der Einladung bzw. ersten 3 Antragsteller (so ist gewährleistet, dass eine kleine Initiativgruppe geschützt ist). | § 15 Abs. 3a KSchG |
Mitglied des Wahlvorstands (Wahlleiter/Wahlhelfer) | Ab Bestellung zum Wahlvorstand bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses geschützt. | – Keine ordentliche Kündigung während dieser Zeit (außer aus wichtigem Grund mit Zustimmung des Gerichts).<br>– (Kein nachwirkender Schutz, außer im Falle später Übernahme in Betriebsrat). | § 15 Abs. 3 KSchG; § 103 BetrVG (Zustimmungserfordernis bei fristloser Kündigung) |
Wahlbewerber (Kandidat) | Ab Aufstellung des Wahlvorschlags bis 6 Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. | – Keine ordentliche Kündigung in diesem Zeitraum (außer wichtigem Grund mit Zustimmung).<br>– Der nachwirkende Schutz von 6 Monaten soll verhindern, dass Kandidaten direkt nach der Wahl „aus Rache“ entlassen werden, wenn sie nicht gewählt wurden. | § 15 Abs. 3 KSchG (Satz 2 regelt 6-Monats-Nachschutz) |
Betriebsratsmitglied (gewählt) | Während der Amtszeit (regelmäßig 4 Jahre) und 1 Jahr nach Ende der Amtszeit geschützt. | – Ordentliche Kündigung unzulässig während Schutzzeit.<br>– Außerordentliche Kündigung nur mit wichtigem Grund und vorheriger Zustimmung des Betriebsrats oder des Arbeitsgerichts (§ 103 BetrVG-Verfahren). | § 15 Abs. 1 KSchG; § 103 BetrVG |
(Quelle: Kündigungsschutzgesetz § 15; BetrVG § 103. Anmerkung: Die genannten Schutzvoraussetzungen gelten unabhängig von der Größe des Betriebs; für allgemeinen Kündigungsschutz nach KSchG müssen allerdings >10 Mitarbeiter und >6 Monate Beschäftigung vorliegen.)
Wie ersichtlich, genießen vor allem die offiziellen Träger einer Wahl (Wahlvorstände, Kandidaten, Einladende) starken Kündigungsschutz. Neu hinzugekommen ist der kurzzeitige Schutz der „Vorfeld-Initiatoren“, der engagierte Arbeitnehmer bereits in der frühen Phase einer Betriebsratsgründung absichern soll. Allerdings zeigt der Fall des LAG München, dass es hierbei Auslegungsspielraum und Streitpunkte gibt.
LAG München: Kein Sonderkündigungsschutz in der Probezeit?
Das Urteil des LAG München vom 20.08.2025 sorgt für Diskussion, weil es den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3b KSchG einschränkt. Die Münchener Richter entschieden, dass dieser Sonderkündigungsschutz für Wahlinitiatoren in den ersten sechs Monaten (Probezeit) nicht greift. Begründet wurde dies mit der Auslegung, der Schutz gelte nur für Kündigungen, die in den zeitlichen Anwendungsbereich des KSchG fallen – sprich ab Ablauf der Wartezeit. Der Arbeitgeber argumentierte im Prozess ähnlich: Der Wortlaut von § 15 Abs. 3b KSchG erfasse nur Kündigungen aus Gründen „in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers“ – in der Probezeit bedürfe es aber keines expliziten Grundes für eine Kündigung, so dass die Vorschrift ins Leere laufe. Außerdem hatte die Arbeitgeberseite geltend gemacht, man habe den Kläger wegen fehlender Eignung als Sicherheitsmitarbeiter entlassen (personenbedingter Grund) – also ein Grund, der zwar eigentlich unter das Verbot des § 15 Abs. 3b KSchG fällt, jedoch in der Probezeit nicht justiziabel sei, wenn § 15 Abs. 3b nicht gilt.
Konflikt mit dem Schutzzweck: Diese Sichtweise steht im Spannungsverhältnis zum gesetzgeberischen Ziel, Wahlinitiatoren unabhängig von Wartezeit und Betriebsgröße zu schützen. Tatsächlich wurde § 15 Abs. 3b KSchG geschaffen, um gerade Lücken im Kündigungsschutz (Probezeit, Kleinbetrieb) zu schließen. Einige Gerichte und Stimmen in der Literatur vertreten daher die Auffassung, dass § 15 Abs. 3b KSchG sehr wohl unabhängig von der 6-Monats-Frist gilt. Das LAG München hat dem jedoch in seinem Urteil widersprochen. Diese abweichende Auslegung ist brisant: Sollte sie sich durchsetzen, wären Betriebsratsinitiatoren während der Probezeit praktisch wieder schutzlos gestellt – entgegen der Intention des Gesetzes. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der zugelassenen Revision entscheiden wird.
Verwirkung des Schutzes: Zusätzlich hat das LAG München eine Art zeitliche Schranke durch die Hintertür etabliert. Obwohl das Gesetz keine ausdrückliche Frist nennt, binnen derer sich Arbeitnehmer auf § 15 Abs. 3b KSchG berufen müssen, sah das Gericht den Anspruch hier als verwirkt an. Der Initiator hatte den Sonderkündigungsschutz erst sieben Monate nach der Kündigungserklärung aktiv im Prozess eingebracht – aus Sicht des Gerichts zu spät. Arbeitnehmer sollten daher umgehend – am besten innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung (dies entspricht der Klagefrist des KSchG) – ihren Status als Wahlinitiator offenlegen und sich auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass Gerichte ihnen ein unzulässiges Zögern vorhalten und den Schutz nicht mehr gewähren. (Im Münchener Fall wusste die Arbeitgeberin zwar von der Initiative – der Kläger hatte sie per E-Mail informiert – jedoch nicht explizit von der notariellen Erklärung, und der Kläger hatte den rechtlichen Schutz zunächst nicht ins Feld geführt.)
Keine unzulässige Behinderung der Wahlvorbereitung? Dass das LAG München keinen Verstoß gegen § 20 BetrVG (Wahlbehinderung) gesehen hat, dürfte vor allem an der Rechtslage in der Probezeit liegen. In den ersten sechs Monaten können Arbeitgeber grundsätzlich ohne Angabe von Gründen kündigen. Diese Kündigungsfreiheit in der Wartezeit kollidiert hier mit dem Gedanken des Wahlbehinderungsverbots. Theoretisch ist eine Kündigung allein aus dem Motiv, eine Betriebsratsgründung zu vereiteln, eine verbotene Behinderung. Praktisch lässt sie sich aber schwer nachweisen, wenn der Arbeitgeber formal keinen Grund angeben muss oder einen plausiblen Grund (wie „mangelnde Eignung“) vorschiebt. In solchen Konstellationen bleibt Arbeitnehmern nur der Sonderkündigungsschutz als wirksame Waffe – und genau der wurde ihnen hier verwehrt.
Zum Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) sei angemerkt: Dieses verbietet Benachteiligungen von Arbeitnehmern, weil sie ihre Rechte ausüben. Die Gründung eines Betriebsrats ist zweifellos die Ausübung eines Rechts. Eine Kündigung aus diesem Grund verstößt gegen § 612a BGB. Doch auch hier steht das Nachweisproblem im Raum – und ohne allgemeines Kündigungsschutzgesetz kann der Arbeitnehmer die Kündigung nur dann erfolgreich anfechten, wenn er den Benachteiligungszweck glaubhaft machen kann. Im LAG München-Fall konnte der Arbeitgeber den Anschein erwecken, es gehe um fachliche Eignung, sodass weder § 612a BGB noch § 20 BetrVG dem Gericht zufolge zum Tragen kamen.
Zwischenfazit: Die Entscheidung zeigt eine Grauzone auf: Das gesetzliche Verbot, Betriebsratswahlen zu behindern, schützt zwar auf dem Papier vor Vergeltungsmaßnahmen – in der Probezeit fehlt jedoch ein effektiver zivilrechtlicher Hebel, solange Sonderkündigungsschutz nicht greift. Arbeitnehmer in der Wartezeit sind daher weitgehend ungeschützt, wenn Gerichte § 15 Abs. 3b KSchG hier nicht anwenden. Für Arbeitgeber bedeutet dies aber nicht automatisch Entwarnung, denn die Rechtsentwicklung ist im Fluss.
Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer (Wahlinitiatoren)
- Rechte kennen und formal absichern: Wenn Sie planen, einen Betriebsrat zu gründen, sollten Sie sich frühzeitig über Ihre Rechte informieren. Nutzen Sie die gesetzlichen Schutzmechanismen zu Ihren Gunsten: – Notarielle Absichtserklärung abgeben: Überlegen Sie, Ihre Absicht zur Betriebsratsgründung öffentlich beglaubigen zu lassen, sobald Sie konkrete Schritte einleiten. Dieses formale Schriftstück (Beglaubigung kostet ca. 20–70 €) ist Voraussetzung, um in den Genuss des § 15 Abs. 3b KSchG zu kommen. Ohne Notar-Erklärung kein Vorfeld-Kündigungsschutz! – Mindestanzahl Mitstreiter finden: Für die Einladung zu einer Wahlversammlung (§ 17 BetrVG) sind in der Regel mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer erforderlich (sofern keine Gewerkschaft die Versammlung einberuft). Versuchen Sie, ein kleines Initiatorenteam zu bilden. Die ersten drei bzw. sechs Einladenden sind dann über § 15 Abs. 3a KSchG geschützt. Allein auf weiter Flur zu agieren, ist riskanter. – Gewerkschaft einschalten: Ziehen Sie in Betracht, eine Gewerkschaft um Unterstützung zu bitten. Gewerkschaften dürfen in betriebsratslosen Betrieben selbst zur ersten Betriebsversammlung einladen. Das kann den Druck von einzelnen Initiatoren nehmen. Außerdem können Gewerkschaften rechtlichen Beistand leisten, falls es zum Konflikt kommt.
- Timing beachten – Probezeit möglichst abwarten: Die ersten sechs Monate im Betrieb sind heikel. Wenn irgend möglich, warten Sie mit der offiziellen Betriebsratsinitiative bis nach Ablauf der Probezeit. Dann greifen das Kündigungsschutzgesetz und mit größerer Wahrscheinlichkeit auch die Sonderkündigungsregeln uneingeschränkt. Natürlich lässt sich das nicht immer planen – Missstände im Betrieb oder akuter Handlungsbedarf können frühere Initiativen erfordern. Seien Sie sich aber bewusst: Innerhalb der Probezeit besteht nach aktueller LAG-Rechtsprechung ein hohes Kündigungsrisiko, da der Sonderkündigungsschutz hier unsicher ist. Ab Monat 7 sind Sie jedenfalls durch das allgemeine KSchG besser abgesichert (sofern der Betrieb >10 Mitarbeiter hat).
- Im Kündigungsfall schnell reagieren: Sollten Sie dennoch während der Initiativphase eine Kündigung erhalten: – Unverzüglich Kündigungsschutzklage erheben: Zögern Sie nicht – Sie haben nur 3 Wochen Zeit, um beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage einzureichen (§ 4 KSchG)! Auch wenn das KSchG formal nicht gilt (Probezeit/Kleinbetrieb), muss die Sonderkündigungsschutz-Thematik in diesem Rahmen geltend gemacht werden. – Sonderkündigungsschutz sofort geltend machen: Informieren Sie den Arbeitgeber schriftlich und nachweisbar, sobald wie möglich, dass Sie Wahlinitiator mit notarieller Erklärung sind und berufen Sie sich ausdrücklich auf § 15 Abs. 3a oder 3b KSchG. Weisen Sie darauf hin, dass die Kündigung Ihrer Ansicht nach unwirksam ist. So vermeiden Sie eine mögliche Verwirkung Ihres Rechts. – Beweise sichern: Heben Sie alle relevanten Unterlagen und Kommunikationen auf – z.B. die notarielle Erklärung, E-Mails, in denen Sie Kollegen oder den Arbeitgeber über die Wahl informiert haben, etc. Diese können vor Gericht helfen, Ihre Rolle und möglicherweise eine Motivation des Arbeitgebers zu belegen. – Rechtsbeistand suchen: Holen Sie sich umgehend Rat von einer Fachgewerkschaft oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Fälle dieser Art sind komplex. Experten (etwa DGB Rechtsschutz oder spezialisierte Anwälte) kennen aktuelle Urteile und wissen, welche Argumentation erfolgversprechend ist.
- Auf psychologische Sicherheit achten: Eine Betriebsratsgründung erfordert Mut – insbesondere, wenn das Verhältnis zur Geschäftsführung angespannt ist. Suchen Sie sich Mitstreiter und Verbündete im Betrieb. Dokumentieren Sie Vorfälle, in denen Sie ggf. unter Druck gesetzt werden. Sollte die Situation eskalieren, kann es sinnvoll sein, früh die Öffentlichkeit (z.B. Betriebsrats-Blogs, soziale Medien oder Presse) zu informieren – negative Publizität scheuen viele Arbeitgeber. Bedenken Sie aber, dies wohlüberlegt zu tun und stimmen Sie sich ggf. mit der Gewerkschaft ab, um keinen Anlass für eine (andere) Kündigung zu bieten.
- Keine Resignation: Selbst wenn das LAG München in diesem Fall zugunsten des Arbeitgebers entschieden hat – lassen Sie sich nicht entmutigen! Viele Betriebsratsgründungen verlaufen erfolgreich, und etliche Gerichte haben in der Vergangenheit Kündigungen von Wahlinitiatoren für unwirksam erklärt. Nutzt der Arbeitgeber rechtswidrige Mittel, stehen die Chancen nicht schlecht, vor Gericht Recht zu bekommen oder zumindest eine Abfindung zu erstreiten. Und denken Sie daran: Betriebsratsarbeit ist ausdrücklich vom Gesetz gewollt und geschützt. Ihr Engagement ist legitim und wichtig.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Auch für Arbeitgeber gilt es, umsichtig zu agieren, sobald sich eine Betriebsratsgründung abzeichnet. Hier einige Empfehlungen aus Arbeitgebersicht:
- Rechtliche Grenzen kennen und ernst nehmen: Die Bildung eines Betriebsrats ist ein gesetzlich geschützter Prozess. Maßregelungen oder Einschüchterungen gegenüber initiierenden Mitarbeitern sind unzulässig. Insbesondere sollten Sie folgende Punkte beachten: – Wahl nicht behindern (§ 20 BetrVG): Jegliches Verhalten, das als Behinderung der Betriebsratswahl gewertet werden könnte, kann rechtliche Konsequenzen haben. Beispielsweise darf Mitarbeitern nicht verboten werden, über die Betriebsratswahl zu sprechen oder an Wahlversammlungen teilzunehmen. Auch das Vorenthalten von Informationen (z.B. der Wählerliste) oder die Verweigerung der notwendigen Infrastruktur kann eine verbotene Behinderung darstellen. – Kündigungen gut überlegen: Überstürzte Kündigungen von Wahlinitiatoren sind riskant. Zwar erlaubt das Gesetz Kündigungen in der Probezeit relativ formlos – doch wenn der Verdacht nahe liegt, dass der wahre Grund die Betriebsratsinitiative war, könnte dies später als rechtswidrig eingestuft werden. Sie machen sich unter Umständen sogar strafbar, wenn nachweisbar ist, dass die Kündigung der Verhinderung einer Betriebsratswahl diente. Auch § 612a BGB (Maßregelungsverbot) verbietet solche Kündigungen aus Vergeltung für die Rechtsausübung des Arbeitnehmers. – Sonderkündigungsschutz beachten: Sollte ein Mitarbeiter bereits formal als Wahlinitiator agieren (z.B. Einladung zur Wahlversammlung verschickt oder notariell erklärte Absicht), genießen diese Personen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG. Selbst wenn – wie im LAG München-Fall – umstritten ist, ob dieser in der Probezeit greift, sollten Sie vorsichtshalber davon ausgehen, dass er gilt. Andere Gerichte oder das BAG könnten eine Kündigung in dieser Phase als unwirksam erachten. Nach Ablauf der Probezeit gilt der Schutz ohnehin und Kündigungen gegen geschützte Personen sind dann praktisch chancenlos vor Gericht (außer es liegt ein extremer Ausnahmefall vor).
- Besonnen reagieren statt konfrontieren: Wenn Mitarbeiter eine Betriebsratswahl initiieren, ist eine besonnene, rechtstreue Reaktion wichtig: – Dialog suchen: Signalisieren Sie Gesprächsbereitschaft. Erkundigen Sie sich nach den Anliegen der Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gründen wollen. Oftmals entstehen solche Initiativen aus Unzufriedenheit oder Kommunikationsdefiziten. Durch frühzeitigen Dialog kann das Betriebsklima verbessert werden. Eine konfrontative Haltung oder Drohgebärden sind dagegen kontraproduktiv und spielen den Initiatoren nur in die Karten (ggf. bekommen diese dann erst recht Unterstützung von Kollegen oder Gewerkschaften). – Neutralität wahren: Auch wenn Sie innerlich wenig Begeisterung für einen Betriebsrat empfinden – vermeiden Sie offene Ablehnung. Keine abfälligen Kommentare oder Warnungen gegenüber Beschäftigten ausstoßen. Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, bei Betriebsratswahlen Neutralität zu wahren und den Wahlablauf zu unterstützen (z.B. Bereitstellung von Räumen, Listen etc.). Jede negative Äußerung kann später als Indiz für eine Behinderung gewertet werden. – Juristische Beratung einholen: Bevor Sie drastische Schritte wie Kündigungen, Versetzungen oder Änderungen von Arbeitsbedingungen gegenüber Initiatoren ergreifen, konsultieren Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Lassen Sie die Lage einschätzen: Gibt es tatsächlich Leistungs- oder Verhaltensdefizite, die eine Kündigung tragen könnten? Gibt es Alternativen (Abmahnung, klärendes Gespräch)? Ein Anwalt kann helfen, das Risiko eines Rechtsstreits abzuwägen. Bedenken Sie: Ein verlorener Kündigungsschutzprozess kann teuer werden und dem Betriebsfrieden noch mehr schaden.
- Echtes Problem oder „Hausgemachtes“? Fragen Sie sich ehrlich, warum Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen wollen. Betriebsräte entstehen selten ohne Grund. Häufig sind fehlende Mitsprache, Unzufriedenheit mit Arbeitsbedingungen oder Führungsausübung der Nährboden. Anstatt die „Boten“ (Initiatoren) zu bekämpfen, könnten Sie die Gelegenheit zur Selbstreflexion nutzen: – Gibt es betriebliche Missstände, die man freiwillig abstellen könnte? – Kann man durch freiwillige Zugeständnisse oder bessere Kommunikation den Wunsch nach einem Betriebsrat entkräften? (Z.B. Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungen, regelmäßige Meetings, Beschwerdestelle schaffen etc.) – Selbst wenn der Betriebsrat kommt: Eine konstruktive Zusammenarbeit ist möglich und oft zum Wohle des Betriebs. Betriebsräte können zur Befriedung beitragen und frühzeitig Konflikte lösen helfen.
- Worst-Case-Szenario managen: Sollte dennoch ein Konflikt eskalieren (z.B. öffentliche Vorwürfe, Beteiligung der Presse oder Gewerkschaft): – Kühlen Kopf bewahren: Äußern Sie sich mit Bedacht. Vermeiden Sie Aussagen, die Ihnen als Anti-Betriebsrats-Haltung ausgelegt werden können. – Interne und externe Kommunikation: Bereiten Sie eine sachliche Kommunikationslinie vor. Intern sollten Führungskräfte instruiert sein, keine Vergeltungsakte zu setzen (wie plötzliche Entziehung von Aufgaben der Initiatoren o.Ä.). Extern (falls Medien berichten) betonen Sie, dass man selbstverständlich die Bildung eines Betriebsrats respektiert und unterstützen wird. – Keine weiteren Rechtsverstöße: Wenn bereits ein Verfahren läuft (etwa Kündigungsschutzklage eines Initiators), unterlassen Sie alles, was als weitere Benachteiligung gewertet werden könnte (z.B. ein Hausverbot ohne triftigen Grund, schlechte Beurteilungen, Ausschluss von Projekten etc.). Solche Aktionen könnten vor Gericht als Indiz für eine unzulässige Behinderung dienen und Ihre Position schwächen.
- Vorbereitung auf einen möglichen Prozess: Wenn Sie – trotz aller Risiken – eine Kündigung ausgesprochen haben und es zum Rechtsstreit kommt, ist eine sorgfältige Vorbereitung essentiell: – Dokumentation der Kündigungsgründe: Legen Sie schlüssig dar, weshalb die Kündigung betriebs- oder personen-/verhaltensbedingt notwendig war. Insbesondere wenn Sie personenbedingte Gründe (Leistung, Eignung) anführen, sollten Sie konkrete Beispiele und möglichst schriftliche Nachweise (Berichte, Feedback, Abmahnungen) parat haben. Denken Sie daran: Das Gericht wird genau prüfen, ob dieser Grund nur vorgeschoben sein könnte wegen der gleichzeitigen Betriebsratsinitiative. – Beweislast und Indizien: Im Kündigungsschutzprozess trägt zwar grds. der Arbeitnehmer die Beweislast für eine rechtswidrige Motivanknüpfung. Aber Indizien können diese Last umkehren. Die zeitliche Nähe zwischen Betriebsratsinitiative und Kündigung ist bereits ein starkes Indiz. Seien Sie also darauf vorbereitet, hierzu Stellung zu nehmen. Eine gute Taktik kann sein, alternative plausible Gründe für den Timing-Zusammenfall darzulegen (z.B.: „Kündigung war seit Wochen aus anderen Gründen in Planung, überschnitt sich zufällig mit der Initiative“ – falls belegbar). – Vergleichslösung erwägen: Ziehen Sie in Betracht, den Konflikt durch einen vergleichsweisen Ausgang zu bereinigen. Gerichtliche Vergleiche – etwa Weiterbeschäftigung des Initiators bis zum Ende der Wahl oder eine Abfindungslösung – können finanziell und reputationsmäßig klüger sein als ein öffentlich ausgetragener Streit um Betriebsratsbehinderung. Bedenken Sie, dass ein Prozess auch öffentliche Aufmerksamkeit erregen könnte, was Ihrem Unternehmensimage schaden kann.
Grauzonen, Risiken und Ausblick
Der Fall in München beleuchtet einige Grauzonen im Arbeitsrecht bei Betriebsratsgründungen, auf die beide Seiten ein Auge haben sollten:
- Anwendung von § 15 Abs. 3b KSchG in Probezeit/Kleinbetrieb: Hier herrscht derzeit Rechtsunsicherheit. Während der Gesetzeswortlaut und einige Juristen meinen, der Schutz gilt uneingeschränkt (auch <6 Monate und bei <10 Mitarbeitern), hat das LAG München gegenteilig entschieden. Bis zur höchstrichterlichen Klärung bleibt ein Restrisiko: Arbeitnehmer können nicht sicher sein, geschützt zu sein – Arbeitgeber können nicht sicher sein, ungeschoren davon zu kommen. Risikoabschätzung: Arbeitgeber sollten eher vorsichtig sein und vom Geltung des Schutzes ausgehen (im Zweifel Kündigung unterlassen oder auf später verschieben), Arbeitnehmer sollten aber damit rechnen, dass sie ihren Schutz unter Umständen erst vor Gericht erstreiten müssen.
- Verwirkung und taktisches Verhalten: Die Annahme, dass ein Sonderrecht „verfallen“ kann, wenn man es nicht sofort reklamiert, ist für Arbeitnehmer tückisch. Viele wissen nicht, dass sie rasch auf ihre Initiatorrolle hinweisen sollten. Hier besteht Aufklärungsbedarf. Arbeitgeber wiederum könnten versucht sein, auf Zeit zu spielen – etwa indem sie hoffen, der Mitarbeiter erwähnt den notariellen Schutz nicht fristgerecht. Solche Taktiken sind jedoch riskant: Im Zweifel wird ein Gericht zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden, wenn er erkennbar unverschuldet von seinem Recht keinen Gebrauch machte (etwa aus Unkenntnis). Klar ist aber: Initiatoren sollten proaktiv alle Karten auf den Tisch legen, um nicht in Verwirkungsfallen zu tappen.
- Beweisproblematik bei Wahlbehinderung: Der Vorwurf, eine Kündigung diene der Wahlbehinderung, lässt sich oft schwer beweisen. Es handelt sich um die innere Motivation des Kündigenden. Nur in seltenen Fällen gibt es „Smoking Gun“-Beweise (z.B. E-Mails, in denen die Geschäftsleitung intern die Kündigung mit der BR-Gründung begründet). Daher verlaufen Strafanzeigen nach § 119 BetrVG meist im Sande. Zivilgerichte verlangen zumindest starke Indizien, um eine Kündigung als sittenwidrig (§ 138 BGB) oder als Maßregelung (§ 612a BGB) einzuordnen. Für Arbeitnehmer bedeutet das: so viele Indizien wie möglich sammeln (Timing, Aussagen von Vorgesetzten, Behandlung anderer Mitarbeiter etc.). Für Arbeitgeber heißt es: vorsichtig kommunizieren und dokumentieren, dass andere Gründe vorliegen. Diese Grauzone der Beweislast kann im Ernstfall prozessentscheidend sein.
- Revision beim Bundesarbeitsgericht anhängig: Das LAG München hat die Revision zugelassen. Es ist also wahrscheinlich, dass das BAG sich in naher Zukunft mit der Frage beschäftigen wird, ob § 15 Abs. 3b KSchG während der Wartezeit gilt und wie schnell ein Initiator seinen Status offenbaren muss. Ein Urteil des BAG würde für Klarheit sorgen und die Linie für die Zukunft vorgeben. Beide Seiten sollten die Entwicklung verfolgen. Für Arbeitnehmer könnte eine BAG-Entscheidung pro Initiator bedeuten, dass Kündigungen in der Probezeit wegen BR-Initiative unzulässig sind – ein wichtiges Signal. Arbeitgeber müssten dann ihre Strategien definitiv anpassen. Bis dahin ist jedoch Vorsicht geboten und im Zweifel Rechtsrat einzuholen.
Die Gründung eines Betriebsrats ist ein vom Gesetz ausdrücklich geschützter Vorgang, doch es gibt praktische Hürden und taktische Finessen, die beachtet werden müssen. Arbeitnehmer sollten die vorhandenen Schutzinstrumente (Notar-Erklärung, Klage etc.) konsequent nutzen und sich bewusst sein, dass sie insbesondere in der frühen Phase verwundbar sind. Arbeitgeber sind gut beraten, die rechtlichen Grenzen strikt einzuhalten und eher auf Zusammenarbeit statt Konfrontation zu setzen – nicht nur, um Rechtsnachteile zu vermeiden, sondern auch im Interesse eines fairen Betriebsfriedens. Der Fall des LAG München zeigt exemplarisch: Das Arbeitsrecht entwickelt sich weiter, Grauzonen werden nach und nach geschlossen. Es bleibt spannend, wie sich die Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz für Wahlinitiatoren in Zukunft gestaltet – bis dahin sollten alle Beteiligten umsichtig agieren und im Zweifel professionelle Beratung in Anspruch nehmen.
Dr. Usebach, Fachanwalt für Arbeitsrecht, empfiehlt: Bei Fragen rund um Betriebsratswahlen und Kündigungsschutz frühzeitig juristischen Rat einholen. Jeder Fall liegt anders – eine fundierte Beratung kann helfen, schwerwiegende Fehler oder Rechtsnachteile zu vermeiden. Letztlich gilt: Das Recht schützt engagierte Arbeitnehmer – aber man muss es auch strategisch klug für sich einsetzen. Arbeitgeber sollten den gesetzlichen Schutz respektieren, denn ein fair gewählter Betriebsrat muss kein Gegner sein, sondern kann zum konstruktiven Partner werden, der Konflikte entschärft. In diesem Sinne: Bleiben Sie informiert, handeln Sie besonnen – dann lassen sich auch heikle Situationen wie eine Betriebsratsgründung in der Probezeit im Rahmen des Rechts sicher navigieren.