Erreichbarkeit während der Krankschreibung – Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

04. September 2025 -

Krankgemeldet – und jetzt?

Wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und sich ordnungsgemäß krankmeldet, stellt sich häufig die Frage: Muss ich trotz Krankschreibung für meinen Arbeitgeber erreichbar sein? Darf der Chef anrufen, E-Mails schicken oder sogar ein Gespräch im Betrieb verlangen? Was ist mit Urlaub oder Reisen während einer Krankschreibung – ist das erlaubt? Dieser Rechtstipp gibt einen umfassenden Überblick über die arbeitsrechtliche Praxis in Deutschland zu diesen Fragen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber erfahren hier leicht verständlich, welche Rechte und Pflichten im Krankheitsfall gelten, was gesetzlich vorgeschrieben ist und welche Urteile – insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – bei typischen Konflikten Orientierung bieten.

Arbeitsunfähigkeit: Rechtliche Grundlagen und Folgen

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, entfällt zunächst seine Hauptleistungspflicht – also die Pflicht zur Arbeitsleistung. Das bedeutet: Wer krankgeschrieben ist, muss nicht arbeiten. Nach deutschem Recht ist die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ein Grund, der die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht bzw. unzumutbar werden lässt (vgl. § 275 Abs. 1, Abs. 3 BGB). In dieser Zeit ruht die Arbeitspflicht und der Arbeitnehmer hat bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (für bis zu sechs Wochen, § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG) und danach ggf. auf Krankengeld von der Krankenkasse. Wichtig: Trotz Krankschreibung bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen – es verschieben sich nur die Pflichten: Die Hauptpflicht (Arbeit) ruht, aber Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis können weiter gelten. Dazu gleich mehr. Zunächst muss der Arbeitnehmer einige Melde- und Nachweispflichten beachten.

Anzeigepflicht und Nachweispflicht bei Krankheit

Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, dass sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, und wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich dauert (so verlangt es § 5 Abs. 1 EFZG). „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern – der Arbeitgeber soll so früh wie möglich informiert werden, um disponieren zu können, etwa eine Vertretung zu organisieren. Diese Krankmeldung sollte zu Dienstbeginn am ersten Fehltag erfolgen – notfalls kann auch eine vom Arbeitnehmer beauftragte Person den Arbeitgeber informieren, wenn man selbst z.B. im Krankenhaus liegt. Die Mitteilung kann formlos erfolgen (telefonisch, per E-Mail etc.), wichtig ist aber, dass sie tatsächlich den richtigen Empfänger im Betrieb erreicht (Vorgesetzter oder die zuständige Stelle). Zusätzlich muss der Arbeitnehmer laut Gesetz spätestens ab dem 4. Krankheitstag ein ärztliches Attest (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, „gelber Schein“) vorlegen, das die Dauer der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG) – viele Arbeitgeber verlangen dieses Attest sogar schon ab dem ersten Fehltag. Seit 2023 wird die AU-Bescheinigung bei gesetzlich Versicherten in der Regel elektronisch an die Krankenkasse übermittelt; der Arbeitgeber ruft die Daten von dort ab. Wichtig: Diese Anzeige- und Nachweispflichten gelten unabhängig davon, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht – also auch in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit) oder nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung sowie bei wiederholter Erkrankung. Kommt der Arbeitnehmer seinen Pflichten nicht nach (etwa keine Krankmeldung oder kein Attest rechtzeitig), darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung vorläufig verweigern, bis der Nachweis erbracht ist.

Der Arbeitnehmer muss in der Krankmeldung nicht die Diagnose oder Art der Erkrankung mitteilen – diese Information ist privat und durch den Datenschutz geschützt. Es reicht die Angabe „krankheitsbedingt arbeitsunfähig“ und die voraussichtliche Dauer. Allerdings sollte der Arbeitnehmer mitteilen, wie lange er voraussichtlich ausfällt und diese Prognose ggf. aktualisieren, falls sich herausstellt, dass die Krankheit länger dauert oder früher endet. So kann der Arbeitgeber besser planen.

Nebenpflichten trotz Krankschreibung: Loyalität und Mitwirkung

Auch wenn die Arbeitspflicht ruht – einige Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen während der Krankheit fort. Arbeitnehmer bleiben Teil des Betriebs und haben auch während der Arbeitsunfähigkeit Rücksichtnahmepflichten und Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber (vgl. § 241 Abs. 2 BGB). Konkret heißt das: Alles, was dem Arbeitgeber zumutbar dabei hilft, den Arbeitsausfall zu überbrücken, sollte der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen. Natürlich geht die Genesung vor – keinesfalls muss der Arbeitnehmer etwas tun, was seine Gesundheit gefährdet oder den Heilungsprozess verzögert. Aber sofern eine leichte Mitwirkung ohne gesundheitliche Nachteile möglich ist, kann sie aus Treuepflicht geboten sein.

Beispiele: Ein erkrankter Mitarbeiter sollte vermeidbare Schäden vom Arbeitgeber fernhalten. Dazu zählt etwa, dass er dienstliche Unterlagen, Zugangsdaten oder Passwörter nicht zurückhält, wenn Kollegen sie dringend benötigen, um die Arbeit fortführen zu können. Hat nur der kranke Mitarbeiter eine bestimmte Information (z. B. ein Passwort oder den Stand eines Projekts), sollte er diese – wenn es ihm gesundheitlich möglich ist – kurz weitergeben. Ebenso kann es unter die Nebenpflicht fallen, auf Bitte des Arbeitgebers Auskunft über den Status wichtiger Vorgänge zu geben oder Hinweise zu hinterlassen, damit der Betrieb nicht leidet. Nicht verpflichtet ist ein Arbeitnehmer hingegen, dem Arbeitgeber Details über seine Krankheit oder sein Privatleben zu offenbaren – die ärztliche AU-Bescheinigung genügt als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit.

Ein wichtiger Aspekt der Loyalitätspflicht ist auch, dass Arbeitnehmer während der Krankheit alles unterlassen müssen, was die Genesung verzögert oder gefährdet. Wer krankgeschrieben ist, soll sich also so verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird. Dieses Gebot ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und auch aus dem eigenen Interesse des Arbeitnehmers, seine Entgeltfortzahlung nicht zu riskieren. Genesungswidriges Verhalten – also Handlungen, die der Heilung zuwiderlaufen – kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Beispielsweise darf ein Arbeitnehmer mit Grippe durchaus spazieren gehen, aber exzessiver Sport oder anstrengende körperliche Arbeit wären kontraproduktiv. In einem Fall hat ein Landesarbeitsgericht sogar die fristlose Kündigung eines Masseurs bestätigt, der während seiner Krankschreibung körperlich belastende Renovierungsarbeiten für Dritte erledigte – ein eklatant nicht genesungsförderliches Verhalten. Arbeitnehmer sollten also Aktivitäten vermeiden, die im Widerspruch zur attestierten Arbeitsunfähigkeit stehen (z. B. die Krankmeldung „Rückenbeschwerden“ und dann schweres Heben beim Umzug eines Freundes).

Zusammengefasst: Erholung und Gesundheit gehen vor, aber der Mitarbeiter sollte im Krankheitsfall mit Augenmaß mit dem Arbeitgeber kooperieren, soweit ihm das ohne Nachteile für die Genesung möglich ist. Im Zweifel kann man sich ärztlich bestätigen lassen, was man tun darf und was nicht.

Erreichbarkeit per Telefon und E-Mail – was ist zumutbar?

Muss ein Arbeitnehmer ans Telefon gehen oder E-Mails lesen, wenn der Chef während der Krankschreibung anruft? Grundsätzlich nein – während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit besteht keine Pflicht, für den Arbeitgeber ständig erreichbar zu sein. Der kranke Mitarbeiter darf sich auf seine Genesung konzentrieren und muss weder dienstliche Anrufe entgegennehmen noch Mails beantworten. Ebenso wenig muss er unangekündigte Besuche des Chefs zu Hause empfangen. Das gilt selbst dann, wenn im Betrieb gerade viel zu tun ist oder ein dringendes Projekt läuft. Der Arbeitgeber hat die Krankheit zunächst zu akzeptieren – er kann den Ausfall nicht dadurch kompensieren, dass er den Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten lässt oder permanent kontaktiert.

Allerdings gibt es Ausnahmefälle, in denen eine kurze Rückmeldung des kranken Mitarbeiters aus Loyalität sinnvoll und zumutbar ist. Kein Gesetz verbietet dem Arbeitgeber, überhaupt den Kontakt zu suchen – und es kann Situationen geben, in denen ein Notfall vorliegt, der sich nur durch eine kurze Auskunft des Arbeitnehmers klären lässt. Beispiel: Ohne eine bestimmte Information oder Datei des erkrankten Mitarbeiters steht ein wichtiger Geschäftsprozess still. In solch einem Fall darf der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitnehmer zu kontaktieren, und der Arbeitnehmer sollte – sofern es ihm gesundheitlich möglich ist – kurz helfen. Wichtig: Selbst in solchen Ausnahmefällen muss der Arbeitgeber Rücksicht nehmen. Das Bundesarbeitsgericht betont, dass der Arbeitgeber wegen der Gefahr der Genesungsbeeinträchtigung nur aus dringendem betrieblichen Anlass Kontakt aufnehmen oder Weisungen erteilen darf und dabei Art, Häufigkeit und Dauer der Inanspruchnahme auf das nötigste Minimum beschränken muss. Liegt kein wirklich dringender Anlass vor, hat der Arbeitgeber jede Störung während der Krankheit zu unterlassen.

Für die Praxis bedeutet das: Arbeitnehmer müssen nicht permanent telefonisch oder online bereitstehen, wenn sie krank sind. Es empfiehlt sich aber, z. B. eine Abwesenheitsnotiz im E-Mail-Postfach zu hinterlassen oder eine Kollegin zu bitten, dringende Vertretungsfragen zu klären. So wird der Chef gar nicht erst in Versuchung kommen, den Erkrankten direkt zu stören. Versucht der Arbeitgeber dennoch, Druck aufzubauen – etwa indem er tägliche Updates verlangt oder gar ein Ultimatum setzt, bis wann der Mitarbeiter wieder gesund zu sein hat – so überschreitet er seine Befugnisse. Ein solches Verhalten müssen Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Der Arbeitgeber darf keine Frist zur Genesung diktieren und keine Nachteile androhen, nur weil jemand krankheitsbedingt ausfällt.

Arbeitnehmer brauchen also kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie während der Krankschreibung nicht ans Telefon gehen. Rechtlich zulässig ist es, Anrufe und Mails zu ignorieren, um sich zu schonen. Sollte wirklich etwas absolut Dringendes nur mit ihrer Hilfe zu lösen sein, dürfen Arbeitgeber höchstens um eine kurze Rückmeldung bitten – und auch nur, wenn der Zustand des Mitarbeiters dies zulässt. Hier ist beiderseitige Rücksicht gefragt: Arbeitgeber sollten die Privatsphäre und Gesundheit des Mitarbeiters respektieren, Arbeitnehmer im Gegenzug im Notfall helfen, den Betriebsablauf mit minimalem Aufwand aufrechtzuerhalten.

Muss man während Krankheit an Personalgesprächen teilnehmen?

Arbeitgeber laden erkrankte Mitarbeiter manchmal zu einem Personalgespräch ein – etwa um über die weitere Einsatzplanung, ein laufendes Projekt oder die berufliche Zukunft zu sprechen. Darf der Arbeitgeber ein Erscheinen verlangen, und muss der Arbeitnehmer dem folgen? Die klare Antwort des Bundesarbeitsgerichts dazu lautet: In der Regel nein. Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, während der laufenden Arbeitsunfähigkeit im Betrieb zu erscheinen, um dort Gespräche zu führen. Ausnahmen gelten nur in äußersten Fällen.

In einem wichtigen Grundsatzurteil von 2016 stellte das BAG klar: Während einer Krankschreibung darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann zu einem Personalgespräch in den Betrieb bestellen, wenn ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der keinen Aufschub bis nach der Genesung duldet, und die persönliche Anwesenheit im Betrieb dringend erforderlich und zumutbar ist. Beispiel: Ein Unternehmen steht vor sofortigen organisatorischen Änderungen, die den erkrankten Mitarbeiter direkt betreffen (etwa eine betriebsbedingte Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz), und es muss noch vor seiner Rückkehr mit allen Betroffenen gemeinsam besprochen werden, um schwere Störungen im Betriebsablauf zu vermeiden. In solch einem Ausnahmefall könnte ein Arbeitgeber ausnahmsweise ein Erscheinen verlangen – vorausgesetzt, der Arbeitnehmer ist gesundheitlich dazu in der Lage (also z. B. mobil genug, das Büro aufzusuchen). Andernfalls gilt: Der Chef muss warten, bis der Mitarbeiter wieder gesund ist.

Im Normalfall lassen sich selbst wichtige Themen telefonisch, schriftlich oder zu einem späteren Zeitpunkt klären. Genau das hat das BAG im genannten Urteil betont: Im entschiedenen Fall wollte der Arbeitgeber mit dem Mitarbeiter über dessen weitere Beschäftigung nach einer längeren Krankheit sprechen. Das Gericht monierte, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend dargelegt hatte, warum dieses Gespräch unbedingt persönlich im Büro stattfinden musste und nicht z. B. telefonisch oder nach der Rückkehr geführt werden konnte. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung gegen den Mitarbeiter, weil dieser die Termine krankheitsbedingt nicht wahrgenommen hatte, wurde daher aus der Personalakte entfernt. Auch der pauschale Hinweis des Arbeitgebers, der Mitarbeiter solle ein spezielles Attest vorlegen, das seine Unfähigkeit zur Teilnahme am Gespräch bestätigt (zusätzlich zur normalen Krankmeldung), hatte keine rechtliche Grundlage. Solche Forderungen sind unzulässig. Es kommt nach dem BAG auf die objektive Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit des Gesprächs an – nicht darauf, ob der Arzt explizit „Bettlägerigkeit“ attestiert hat.

Praxis-Tipp: Arbeitnehmer dürfen eine Einladung zum Personalgespräch während der Krankheit freundlich, aber bestimmt ablehnen, solange kein außergewöhnlicher Notfall vorliegt. Man kann dem Arbeitgeber mitteilen, dass man gerne bereit ist, das Anliegen auf anderem Wege (telefonisch, per E-Mail) zu besprechen oder nach der Genesung nachzuholen. Arbeitgeber sollten sehr zurückhaltend mit solchen Einladungen sein – außer in echten Notfällen wirkt eine Aufforderung zum Erscheinen während der Krankheit schnell wie Misstrauen oder Druck und ist rechtlich riskant. Im Zweifel sollte der Arbeitgeber belegen können, dass das Gespräch unaufschiebbar und die persönliche Anwesenheit wirklich nötig war. Andernfalls verstößt er gegen seine Rücksichtnahmepflicht, die ihn verpflichtet, die Genesung des Mitarbeiters nicht durch überflüssige Anforderungen zu gefährden.

Noch ein Sonderfall: Geht es beim Gespräch eigentlich um das gesetzliche Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach längerer Krankheit (vgl. § 167 Abs. 2 SGB IX), darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ebenfalls nicht zwingen, im Krankheitsfall zu erscheinen. Ein BEM-Gespräch ist freiwillig und setzt die Zustimmung des Arbeitnehmers voraus. Der Arbeitgeber kann es also frühestens anbieten, wenn der Mitarbeiter dazu bereit ist – meist nach der Rückkehr oder in einer stabilen Phase.

Urlaub und Reisen während der Krankschreibung

Darf ein Arbeitnehmer, der krankgeschrieben ist, verreisen oder sogar in den Urlaub fliegen? Diese Frage führt oft zu Streit, da manche Arbeitgeber automatisch Misstrauen schöpfen, wenn ein Mitarbeiter trotz Krankschreibung z. B. am Strand im Ausland gesehen wird. Rechtlich gilt: Arbeitsunfähigkeit ist kein Hausarrest. Grundsätzlich darf sich ein erkrankter Arbeitnehmer außerhalb der eigenen vier Wände bewegen und auch verreisen, solange die Tätigkeit oder Reise der Genesung nicht entgegensteht. Es gibt kein generelles Verbot, während einer Krankschreibung z. B. einen Kurzurlaub oder Erholungsaufenthalt anzutreten – im Gegenteil: manchmal kann ein Tapetenwechsel die Gesundung sogar fördern (etwa bei Burnout oder einer leichten Depression). Entscheidend ist, dass die Reise oder Aktivität den Erholungszweck unterstützt oder zumindest nicht beeinträchtigt.

Beispiel: Jemand ist aufgrund einer Grippe arbeitsunfähig. Ein entspannendes Wochenende in einem Wellnesshotel könnte der Genesung zuträglich sein, während eine anstrengende Bergwanderung im Regen die Genesung wohl verzögern würde. Oder: Ein Mitarbeiter mit einem Bandscheibenvorfall sollte nicht stundenlang am Strand Beach-Volleyball spielen, aber ein Spaziergang am Meer mit schonender Gymnastik kann förderlich sein. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht pauschal verbieten zu verreisen. Allerdings kann er verlangen – und der Arbeitnehmer ist selbst verpflichtet –, während der Arbeitsunfähigkeit alle Tätigkeiten zu unterlassen, die den Heilungsprozess verzögern könnten. Verstößt der Arbeitnehmer dagegen, riskiert er eine Abmahnung oder sogar Kündigung.

Auslandsreisen: Ist der Arbeitnehmer vorübergehend arbeitsunfähig, aber möchte ins Ausland reisen, sollte er einige Punkte beachten. Innerhalb der EU ist eine Reise während Krankheitszeiten im Prinzip erlaubt und führt nicht automatisch zum Verlust von Entgeltfortzahlung oder Krankengeld. Das Bundessozialgericht hat 2019 klargestellt, dass Krankenkassen einen Auslandsaufenthalt in der EU nicht einfach verweigern oder Krankengeld streichen dürfen, nur weil sie negative Auswirkungen auf die Gesundheit befürchten – allerdings muss man sich eine solche Reise vorher genehmigen lassen, wenn man bereits Krankengeld bezieht. Außerhalb der EU können Krankenkassen die Leistung ruhen lassen, solange der Erkrankte im Ausland ist. In jedem Fall ist es ratsam, sich vom behandelnden Arzt bescheinigen zu lassen, dass die geplante Reise aus medizinischer Sicht unbedenklich ist. So hat man einen Nachweis, falls später Fragen aufkommen.

Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, den Arbeitgeber zu informieren, wenn sie während der Arbeitsunfähigkeit ins Ausland gehen (vgl. § 5 EFZG Abs. 2 für im Ausland Erkrankte). Der Mitarbeiter muss dann neben der normalen Krankmeldung zusätzlich die Adresse im Ausland und die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts mitteilen. Geschieht dies nicht, kann das Unternehmen im Extremfall arbeitsrechtliche Schritte einleiten (etwa weil der Arbeitnehmer sich unerlaubt entfernt hat). Es gab Fälle, in denen Gerichte Kündigungen bestätigt haben, weil Arbeitnehmer während Krankheit einfach in den Urlaub geflogen sind, ohne den Arbeitgeber zu informieren und ohne sicherzustellen, dass die Reise die Genesung nicht beeinträchtigt.

Praxistipp: Wer krankgeschrieben ist und reisen möchte – ob innerhalb Deutschlands oder ins Ausland – sollte offen mit dem Arbeitgeber kommunizieren. Zwar besteht keine Pflicht, jede Bewegungen offenzulegen, aber proaktive Information schafft Vertrauen. Teilen Sie mit, dass Ihr Arzt keine Einwände gegen die Reise hat und Sie z.B. in einer Woche zur Kontrolle wieder da sind. So beugen Sie dem Verdacht des „Krankfeierns“ vor. Arbeitgeber sollten im Gegenzug fair abwägen: Nicht jede Urlaubsreise während einer Krankschreibung ist Missbrauch – oft dient sie der Gesundheit. Im Zweifel kann der Arbeitgeber ein ärztliches Attest verlangen, das die Unbedenklichkeit der Reise bestätigt. Wichtig ist, dass keine Pflicht zur ständigen Erreichbarkeit am Urlaubsort besteht – das wäre mit der Genesungsruhe nicht vereinbar.

Typische Konfliktfälle und wie man sie vermeidet

Erreichbarkeit per Handy: Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die oben genannten Grundsätze kennen, lassen sich Konflikte meist vermeiden. Arbeitgeber sollten nur in echten Notlagen versuchen, einen kranken Mitarbeiter zu kontaktieren, und dies behutsam tun. Arbeitnehmer müssen keine Angst haben, das Klingeln auch mal zu ignorieren – sie dürfen sich ausruhen. Um Missverständnisse zu vermeiden, kann der Mitarbeiter vorsorglich wichtige Infos übergeben (z.B. „Hier sind die Zugangsdaten für Projekt X, falls ihr die braucht, solange ich ausfalle.“). So muss der Chef gar nicht erst anrufen. Wenn ein Vorgesetzter dennoch die Regelmäßigkeit übertreibt (z.B. tägliche Anrufe „nur um zu schauen, wie es geht“), sollte der Arbeitnehmer in einem ruhigen Moment – ggf. nach Rückkehr – das Gespräch suchen oder den Betriebsrat einschalten, um Grenzen zu klären.

Einbestellen zum Gespräch: Ein häufiger Streitpunkt ist die Teilnahme an Personalgesprächen oder Meetings während der Krankheit. Hier ist die Rechtslage auf Arbeitnehmerseite relativ klar (wie oben dargestellt durch das BAG-Urteil): Solange kein wirklich dringender betrieblicher Grund vorliegt, muss der Arbeitnehmer nicht erscheinen. Arbeitgeber, die dies ignorieren, riskieren gerichtliche Niederlagen und Vertrauensverlust. In der Praxis sollte ein Arbeitgeber lieber telefonisch oder schriftlich Kontakt aufnehmen, wenn etwas Wichtiges zu klären ist – und akzeptieren, wenn der Mitarbeiter signalisiert, dass es ihm gerade nicht möglich ist. Für Arbeitnehmer gilt: Fühlt man sich trotz Krankschreibung in der Lage, ein kurzes telefonisches Update zu geben, spricht nichts dagegen – verpflichtet ist man jedoch nicht, vor Ort im Büro zu erscheinen. Im Zweifel kann man verlangen, dass ein solches Gespräch auf die Zeit nach der Genesung verschoben wird oder dass ein Betriebsratsmitglied beim Gespräch (am Telefon oder persönlich) zugegen ist, falls man zustimmt.

Urlaub während AU: Um Streit über Reisen während der Krankschreibung zu vermeiden, sollten Arbeitnehmer offen Karten spielen. Wer z.B. bei längerer Krankheit überlegt, ein paar Tage zu Verwandten ans Meer zu fahren, kann dies dem Arbeitgeber formlos ankündigen („Mein Arzt befürwortet den Tapetenwechsel, ich werde für eine Woche bei meiner Familie in Spanien sein, bin aber weiterhin krankgeschrieben.“). So weiß der Arbeitgeber Bescheid und wird nicht durch Urlaubsfotos in sozialen Medien überrascht. Arbeitgeber sollten solche Mitteilungen sachlich zur Kenntnis nehmen. Ein Generalverdacht, der Mitarbeiter nutze die Krankheit aus, ist erst angebracht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen (z.B. der Arbeitnehmer hat ursprünglich Urlaub beantragt, der abgelehnt wurde, und meldet sich dann genau für diesen Zeitraum krank). In solchen Fällen kann der Arbeitgeber tatsächlich Maßnahmen ergreifen: Er darf bei der Krankenkasse eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst anregen oder – wenn wirklich handfeste Verdachtsmomente bestehen – sogar die Entgeltfortzahlung vorläufig verweigern, bis der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit plausibel nachweist. Vorsicht: Die Hürden dafür sind hoch, der Arbeitgeber muss den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern können (etwa durch objektive Widersprüche). Im Zweifel sollte rechtlicher Rat eingeholt werden, bevor zu solch drastischen Mitteln gegriffen wird.

Überwachung und Kontrollbesuche: Unangekündigte Hausbesuche des Chefs oder das Einschalten eines Detektivs sind heikle Maßnahmen. Grundsätzlich gilt: Ohne konkreten Verdacht einer Pflichtverletzung sind solche Kontrollen unzulässig. Arbeitnehmer müssen den Chef nicht hereinbitten, wenn dieser plötzlich vor der Tür steht. Eine Überwachung durch einen Detektiv ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt – nämlich dann, wenn der berechtigte Verdacht auf schweren Missbrauch besteht und keine milderen Mittel zur Aufklärung zur Verfügung stehen. Andernfalls macht sich der Arbeitgeber wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts schadensersatzpflichtig. Arbeitgeber sollten daher sehr zurückhaltend mit Kontrollen umgehen. Ein besserer Weg, um hohe Krankenstände zu reduzieren, ist es – so die Erfahrung von Arbeitsrechtsexperten – die Arbeitsbedingungen im Betrieb zu verbessern, anstatt misstrauisch die Mitarbeiter zu überwachen.

Rechtssicheres Verhalten für beide Seiten

Arbeitnehmer: Melden Sie sich im Krankheitsfall sofort krank und reichen Sie die AU-Bescheinigung rechtzeitig ein – das ist Ihre Pflicht und erspart Ärger. Danach dürfen Sie sich auf die Genesung konzentrieren, ohne ständig ans Telefon gehen zu müssen. Sie müssen nicht rund um die Uhr erreichbar sein oder gar arbeiten. Kommt Ihr Arbeitgeber mit einer Bitte auf Sie zu, prüfen Sie, ob Sie gesundheitlich in der Lage sind, kurz zu helfen – sei es durch eine Information oder ein kurzes Telefonat. Aus Kollegialität und Loyalität ist das in Notfällen sinnvoll, aber zwingen kann man Sie nicht. Lassen Sie nichts anbrennen: Vermeiden Sie alles, was Ihre Genesung verzögert. Fragen Sie im Zweifel Ihren Arzt, was Sie tun dürfen. Wenn Sie verreisen möchten, holen Sie grünes Licht vom Arzt und informieren Sie Ihren Arbeitgeber vorab, um Missverständnisse zu vermeiden. Und sollten Sie sich vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt oder kontrolliert fühlen, scheuen Sie sich nicht, den Betriebsrat oder einen Rechtsbeistand einzuschalten. Sie haben Rechte – nutzen Sie sie bei Bedarf.

Arbeitgeber: Schaffen Sie im Betrieb klare Routinen für Krankmeldungen, damit Mitarbeiter wissen, an wen sie sich wenden sollen. Akzeptieren Sie eine Krankmeldung zunächst und unterstellen Sie nichts Unlauteres, solange keine konkreten Hinweise vorliegen. Organisieren Sie wenn nötig eine Vertretung und wünschen Sie gute Besserung – damit ist beiden Seiten am meisten geholfen. Versetzen Sie sich in die Lage des erkrankten Mitarbeiters: Ständige Anrufe oder Forderungen können kontraproduktiv sein und sogar den Heilungsprozess stören. Kontaktieren Sie den Mitarbeiter also wirklich nur, wenn es unumgänglich dringend ist, und selbst dann möglichst schonend (z.B. per SMS oder E-Mail, sodass der Mitarbeiter antworten kann, wenn es ihm passt, anstatt durch einen Anruf geweckt zu werden). Unterlassen Sie Weisungen, zu Meetings oder Arbeiten zu erscheinen, solange kein Notfall im oben genannten Sinne vorliegt. Das Risiko von Rechtsstreit und Verärgerung ist andernfalls hoch. Wenn Sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit haben, gehen Sie rechtssicher vor: Sprechen Sie den Mitarbeiter auf etwaige Widersprüche an, ziehen Sie den Betriebsrat hinzu oder schalten Sie – bei sehr konkretem Verdacht – den Medizinischen Dienst der Krankenkasse ein. Vermeiden Sie übereilte Kündigungen; eine krankheitsbedingte Kündigung setzt hohe Hürden voraus und ist nur bei langfristig negativer Gesundheitsprognose und erheblichen Betriebsbeeinträchtigungen zulässig. Kurzfristige Unmutsreaktionen schaden meist mehr, als sie nützen.

Zusammengefasst: Ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, muss nicht für den Arbeitgeber erreichbar sein, außer in absoluten Ausnahme- und Notfällen – und auch dann nur in zumutbarem Rahmen. Die Pflicht zur Arbeit ruht, aber Mitwirkungspflichten wie die Krankmeldung, das Nachreichen der Bescheinigung und loyales Verhalten (keine Genesungsvereitelung, bei Bedarf wichtige Infos liefern) bleiben bestehen. Der Arbeitgeber darf keine überzogenen Anforderungen stellen und muss die Grenzen des Zumutbaren wahren. Hält sich jede Seite an ihre Pflichten und nimmt Rücksicht auf die jeweils andere, lassen sich Konflikte rund um das Thema Erreichbarkeit bei Krankheit in den meisten Fällen vermeiden – und der Fokus kann darauf liegen, dass der Mitarbeiter gesund wird und bald wieder einsatzfähig ist.