Eine aktuelle Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) hat die Besetzung eines prestigeträchtigen Senatsvorsitzes am OVG Schleswig vorläufig gestoppt. Das Land Schleswig-Holstein darf die Stelle vorläufig nicht mit dem ursprünglich ausgewählten Bewerber besetzen, wodurch eine unterlegene Mitbewerberin – eine Richterin am OVG – erneut Chancen auf die Stelle erhält. Hintergrund ist ein verwaltungsgerichtliches Konkurrentenstreitverfahren: Die unterlegene Bewerberin hatte die Auswahlentscheidung gerichtlich angegriffen, weil sie Verstöße gegen das Prinzip der Bestenauslese geltend machte.
Das OVG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 02.09.2025 (Az. 2 MB 2/25) tatsächlich festgestellt, dass die Auswahlentscheidung zugunsten des amtierenden Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts rechtsfehlerhaft war und den Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) verletzte. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht (VG) die Auswahl noch gebilligt und argumentiert, beide Bewerber seien in ihren dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil „sehr gut geeignet“ bewertet. Allerdings, so das VG, sei zu berücksichtigen, dass dieses Gesamturteil immer auf die Anforderungen des jeweils innegehabten Amtes bezogen sei – und der Vizepräsident des VG (Besoldungsgruppe R2 mit Amtszulage) bekleide ein höherwertiges Statusamt als die Richterin am OVG (Besoldungsgruppe R2 ohne Zulage). Mit anderen Worten ging man zunächst davon aus, dass der Bewerber aufgrund seines höheren Amtes einen Leistungsvorsprung habe.
Das OVG folgte dieser Einschätzung jedoch nicht. Im Gegenteil beanstandete es bestimmte Regelungen der landesrechtlichen Beurteilungsverordnung, auf deren Grundlage die dienstlichen Beurteilungen erstellt worden waren. Durch diese Regeln würden nämlich Leistungen, die noch in einem niedrigeren Amt erbracht wurden, nach dem Maßstab eines höheren Amtes beurteilt. Konkret hatte der ausgewählte Bewerber Leistungen aus seiner Zeit vor der Beförderung zum VG-Vizepräsidenten (April 2024) in seine aktuelle Beurteilung einfließen lassen, die jedoch bereits am höheren Anforderungsmaßstab gemessen wurden. Darin sah das OVG einen Verstoß gegen die Bestenauslese und das Leistungsprinzip im Beamtenrecht. Der Maßstab für dienstliche Beurteilungen müsse stets die Anforderungen des jeweils ausgeübten Amtes sein – andernfalls werde der Beamte entweder zu gut oder zu schlecht bewertet. Da hier durch die verzerrte Leistungsbewertung nicht zuverlässig festzustellen war, wer der wirklich Bestgeeignete ist, durfte die Stelle nicht besetzt werden. Das OVG betonte, eine fehlerfreie Neuauswahl könne durchaus zugunsten der OVG-Richterin ausfallen; sie sei im erneuten Verfahren nicht chancenlos gegenüber dem bisherigen Konkurrenten. Der Beschluss ist unanfechtbar und erzwingt somit eine neue, rechtskonforme Auswahlentscheidung.
Der Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG
Der oben angesprochene Bestenauslese-Grundsatz ist in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verankert. Dort heißt es, „jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Dieses Verfassungsgebot verpflichtet den Staat, Stellen im öffentlichen Dienst ausschließlich nach Leistungsgesichtspunkten zu vergeben. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern allein nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das heißt, Auswahlentscheidungen müssen strikt an diesen Kriterien ausgerichtet sein und dürfen nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst werden. Historisch soll die Bestenauslese Vetternwirtschaft und die Vergabe von Ämtern an Günstlinge verhindern – stattdessen soll meritokratisch der am besten qualifizierte Bewerber den Zuschlag erhalten.
Was bedeuten die Auswahlkriterien im Einzelnen? Art. 33 Abs. 2 GG nennt drei Maßstäbe, nach denen die „Besten“ ermittelt werden sollen:
- Eignung – damit ist die persönliche Qualifikation des Bewerbers gemeint, also insbesondere charakterliche Integrität, geistige und körperliche Eignung sowie ggf. Führungskompetenz. Beispielsweise fallen darunter Eigenschaften wie Belastbarkeit, Sozialverhalten, gesundheitliche Fitness und Zuverlässigkeit, die für das angestrebte Amt erforderlich sind.
- Befähigung – hierunter versteht man vor allem die fachliche Qualifikation und formale Befähigung. Dazu zählen Bildungsabschlüsse, Examen, Laufbahnbefähigungen und sonstige Kenntnisse und Fähigkeiten, die die Sachkunde des Bewerbers belegen. Im Richterdienst wäre das etwa das Bestehen der Assessorexamina mit entsprechendem Ergebnis, ggf. Zusatzqualifikationen oder Spezialkenntnisse in relevanten Rechtsgebieten.
- (Fachliche) Leistung – dieses Kriterium knüpft an die tatsächlich erbrachten Leistungen und Erfahrungen Im Beamten- und Richterrecht wird die Leistung regelmäßig durch dienstliche Beurteilungen abgebildet, also Einschätzungen der Arbeitsergebnisse, Qualität der Entscheidungsfindung, Arbeitsmenge, Erfolg in bisherigen Verwendungen usw. Auch Erfahrungszeiten und Bewährung auf bisherigen Dienstposten fließen hier mit ein.
Nur diese drei Kriterien – Eignung, Befähigung und Leistung – dürfen die Auswahlentscheidung bestimmen. Andere Gesichtspunkte wie z.B. Lebensalter, Dauer der Dienstzeit oder persönliche Beziehungen dürfen allenfalls nachrangig und nur bei echter Gleichqualifikation zum Tragen kommen, soweit sie gesetzlich vorgesehen sind (z.B. Frauenförderung oder Schwerbehindertenpräferenz bei im Wesentlichen gleicher Eignung, gemäß Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. speziellen Gleichstellungsgesetzen). Im Grundsatz aber gilt: Der oder die Bestqualifizierte soll den Zuschlag erhalten.
Diese Verpflichtung ist für alle öffentlichen Arbeitgeber rechtlich bindend und unmittelbar aus dem Grundgesetz herzuleiten. Verstöße dagegen können von unterlegenen Bewerbern angegriffen werden, denn Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt jedem Bewerber um ein öffentliches Amt einen Bewerbungsverfahrensanspruch – also das Recht, fehlerfrei in die Auswahl einbezogen zu werden. Es handelt sich um ein subjektives Recht der Bewerber, das der Sicherung einer objektiv am Leistungsprinzip orientierten Auswahl dient. Der Staat hat ein Interesse, die am besten geeigneten Personen einzusetzen (Funktionsfähigkeit der Verwaltung/Justiz), und der Bewerber hat ein individuelles Interesse an fairer Konkurrenz. Daher spricht man von einem grundrechtsgleichen Recht, da der Bewerber in ähnlicher Weise wie bei Grundrechten geschützt wird.
Wichtig ist: Art. 33 Abs. 2 GG garantiert keinen Anspruch auf eine bestimmte Stelle, wohl aber einen Anspruch darauf, dass das Auswahlverfahren strikt nach den genannten Maßstäben abläuft. Nur wer im Ergebnis der Beste nach Eignung, Befähigung, Leistung ist, hat ein Recht darauf, ausgewählt zu werden. Umgekehrt kann niemand verlangen ausgewählt zu werden, wenn ein anderer objektiv besser qualifiziert ist. Das Auswahlverfahren soll aber gewährleisten, dass diese Bewertung korrekt und rechtsfehlerfrei erfolgt.
In der Praxis erfolgt die Bestenauslese häufig anhand dienstlicher Beurteilungen der Bewerber. Diese Beurteilungen müssen vergleichbar und aktuell sein. Sofern mehrere Kandidaten dasselbe Spitzenprädikat erhalten (wie im vorliegenden Fall beide Bewerber „sehr gut geeignet“), muss der Dienstherr die feineren Leistungsunterschiede betrachten – etwa Unterschiede in den Beurteilungsnoten der einzelnen Leistungsmerkmale, frühere Beurteilungen, besondere Erfahrung oder sonstige relevante Qualifikationen. Eine bloße Ämtervorrangstellung, also der Umstand, dass jemand bereits ein höherwertiges Amt innehat, darf hingegen nicht pauschal den Ausschlag geben, solange sich dies nicht in einer entsprechenden Leistungsbewertung niederschlägt. Genau hier lag im entschiedenen Fall das Problem: Die methodische Verzerrung in der Beurteilung des Konkurrenten führte dazu, dass sein Leistungsvorsprung nur scheinbar gegeben war. Der Staat darf den Bewerber aus dem höheren Amt nicht allein deswegen bevorzugen, sondern muss objektiv die Leistungskriterien vergleichen.
Bewerbungsverfahrensanspruch: Recht auf ein faires Auswahlverfahren
Aus dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgt der so genannte Bewerbungsverfahrensanspruch. Dieser Begriff bezeichnet den individuellen Rechtsanspruch eines Bewerbers darauf, in ein Stellenbesetzungsverfahren ohne Rechtsfehler einbezogen zu werden. Einfach gesagt: Jeder Bewerber darf vom Dienstherrn erwarten, dass dieser eine korrekte Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung trifft, ohne willkürliche Ablehnung oder Verfahrensfehler.
Dieser Anspruch ist grundrechtsähnlich ausgestaltet. Die Rechtsprechung – einschließlich des Bundesverfassungsgerichts – hat klargestellt, dass Art. 33 Abs. 2 GG dem Bewerber ein „ermessens- und beurteilungsfehlerfreies“ Auswahlverfahren garantiert. Ermessensfehlerfrei bedeutet, dass der Dienstherr keine sachfremden Erwägungen oder Überschreitungen seines Beurteilungsspielraums vornehmen darf; beurteilungsfehlerfrei heißt, dass insbesondere die dienstlichen Beurteilungen fachlich ordnungsgemäß und vergleichbar sein müssen. Der öffentliche Arbeitgeber hat zwar bei der Bewertung der Leistungen einen gewissen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Das Gericht wird also nicht jede Nuance der Einschätzung austauschen, aber offenbare Fehler, sachfremde Kriterien oder Verfahrensverstöße werden beanstandet.
Wichtig zu verstehen: Der Bewerbungsverfahrensanspruch verschafft keinen unmittelbaren Anspruch auf die Stelle, sondern nur auf eine neue fehlerfreie Auswahlentscheidung. Der unterlegene Bewerber kann vor Gericht also nicht direkt seine Ernennung verlangen, sondern nur erreichen, dass die fehlerhafte Auswahl aufgehoben wird. Ist die Klage erfolgreich, muss die Behörde bzw. das zuständige Gremium die Auswahl zwischen den verbliebenen Bewerbern neu treffen, wobei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten ist. In unserem Fall bedeutet das: Das Land muss den Vergleich zwischen dem VG-Vizepräsidenten und der OVG-Richterin erneut durchführen, unter Beachtung der vom OVG aufgezeigten Maßstäbe (korrekte Beurteilung ohne unzulässige Verzerrung). Die Klägerin erhält dadurch eine neue Chance, aber garantiert ist ihre Ernennung natürlich nicht – sie muss sich im neuen Verfahren als die Leistungsstärkere erweisen.
Der Bewerbungsverfahrensanspruch wird in der Praxis durch die sogenannte Konkurrentenklage durchgesetzt. Diese zielt – wie oben erwähnt – darauf ab, die rechtswidrige Auswahlentscheidung aufheben zu lassen. Dabei ist zu beachten, dass das Gericht nur die Rechtmäßigkeit des Verfahrens prüft, nicht aber selbst die Auswahl trifft. Solange kein durchgreifender Fehler festgestellt wird, bleibt die Entscheidung des Dienstherrn unangetastet (Respektierung des Beurteilungsspielraums). Liegt jedoch ein Fehler vor, der die Chancengleichheit der Bewerber verletzt, ist der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers verletzt und die Auswahl muss neu erfolgen. Im OVG-Fall 2025 etwa erkannte das Gericht einen solchen Fehler (falscher Bewertungsmaßstab) – damit war der Anspruch der Mitbewerberin verletzt und der Dienstherr zur Neubescheidung verpflichtet.
Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 VwGO: Sicherung des Anspruchs vor vollendeten Tatsachen
Ein charakteristisches Merkmal von Konkurrentenstreitigkeiten ist die Dringlichkeit. Wird der ausgewählte Bewerber erst einmal ernannt, schafft dies vollendete Tatsachen. Nach einer Ernennung lässt sich die Besetzung der Stelle in der Regel nicht mehr rückgängig machen, da Beamtenernennungen – auch Richter sind statusrechtlich Beamte auf Lebenszeit – mit Bestandsschutz (Ämterstabilität) versehen sind. Ein später obsiegender Konkurrent könnte dann die Stelle nicht mehr erhalten. Deshalb muss der unterlegene Bewerber schnell reagieren, um seine Rechte zu wahren.
Das Mittel der Wahl ist der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei beantragt der unterlegene Bewerber beim zuständigen Gericht eine einstweilige Anordnung, die dem Dienstherrn untersagt, die Stelle vorläufig mit dem Konkurrenten zu besetzen. Ein solcher Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist unbedingt vor der Ernennung des Konkurrenten zu stellen – in der Praxis binnen weniger Tage oder Wochen nach Zugang der Ablehnung – da nach erfolgter Ernennung die Konkurrentenklage nahezu aussichtslos ist. Im entschiedenen Fall hat die unterlegene OVG-Richterin genau diesen Weg beschritten und erreicht, dass die Stelle einstweilen frei gehalten wird.
Die Gerichte prüfen im Eilverfahren zweierlei: (1) den Anordnungsanspruch – also die Frage, ob der Bewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Rechtsanspruch (hier: auf Neubewertung seiner Bewerbung bzw. auf Unterlassung der Ernennung des Mitbewerbers) hat, weil die Auswahlentscheidung fehlerhaft war – und (2) den Anordnungsgrund – also ob besondere Eilbedürftigkeit besteht, um schwere Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 VwGO). Beide Voraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden. Konkret muss der unterlegene Bewerber darlegen, dass das Auswahlverfahren Fehler aufweist und nicht der am besten geeignete Bewerber ausgewählt wurde, sowie dass bei einem rechtmäßigen Ablauf auch er selbst ausgewählt werden könnte. Mit anderen Worten: Es reicht zu zeigen, dass ein echter Verstoß gegen das Bestenausleseprinzip vorliegt, der sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann – etwa weil der Konkurrent bei korrekter Bewertung nicht eindeutig überlegen wäre.
Lässt sich ein solcher Fehler substanziiert aufzeigen, stehen die Chancen für eine einstweilige Anordnung gut. Denn in der Abwägung der Interessen überwiegt dann regelmäßig das Interesse des unterlegenen Bewerbers an der Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs das Interesse des Dienstherrn, die Stelle sofort zu besetzen. Die Nachteile wären irreparabel, wenn der eigentlich bessere Bewerber leer ausginge, während umgekehrt eine Verzögerung der Stellenbesetzung für den Dienstherrn meist hinnehmbar ist. Die Verwaltungsgerichte gewähren daher effektiven Rechtsschutz, indem sie im Zweifel die Ernennung stoppen, solange ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung bestehen. Sie prüfen im Eilverfahren den Sachverhalt summarisch, aber durchaus sorgfältig: Dienstliche Beurteilungen, Auswahlvermerke und Akten werden daraufhin durchgesehen, ob Bewertungsfehler, Verfahrensmängel oder Fehlgewichtungen vorliegen. Eine vollständige Beweisaufnahme findet zwar nicht statt, doch bekannte typische Fehlerkonstellationen (siehe unten) werden von den Gerichten erkannt und können zur Suspendierung der Ernennung führen. So war es auch im Beschluss des OVG Schleswig: Nachdem die Richter dort erhebliche Rechtsfehler im Auswahlvorgang festgestellt hatten, war die einstweilige Anordnung zugunsten der unterlegenen Bewerberin konsequent und notwendig, um deren Rechte bis zur Hauptsacheentscheidung zu sichern.
Zusammengefasst: Einstweiliger Rechtsschutz ist im Beamten- und Richterrecht unerlässlich, um den Bewerbungsverfahrensanspruch praktisch durchzusetzen. Jeder unterlegene Bewerber, der eine Verletzung dieses Anspruchs annimmt, sollte unverzüglich einen Antrag nach § 123 VwGO stellen. Andernfalls riskiert er, dass durch die Ernennung des Konkurrenten sein Anspruch ins Leere läuft. Die Rechtsprechung gewährt diesen Eilrechtsschutz allerdings nur bei substanziellem Vortrag von Auswahlfehlern – reine Unzufriedenheit mit dem Ergebnis genügt nicht.
Typische Fehlerquellen bei Auswahlentscheidungen
Die Praxis der Konkurrentenklagen zeigt immer wieder ähnliche Fehlerquellen, die zu erfolgreichen Anfechtungen von Auswahlentscheidungen führen. Öffentliche Arbeitgeber – und gerade Gerichtsverwaltungen bei Richterstellen – sollten diese Problemfelder kennen und vermeiden, um gerichtliche Beanstandungen zu verhindern:
- Fehlerhafte oder unvergleichbare dienstliche Beurteilungen: Die dienstliche Beurteilung ist das zentrale Instrument der Leistungsbewertung. Häufig ergeben sich Fehler, wenn Beurteilungen nicht aktuell sind, methodisch fehlerhaft erstellt wurden oder zwischen Bewerbern nicht vergleichbar sind. Beispielsweise darf ein Beurteiler nicht parteiisch sein – besteht der Verdacht einer Befangenheit des Erstbeurteilers, muss ggf. eine weitere neutrale Beurteilung (Zweitbeurteilung) eingeholt werden, anstatt darauf „ausnahmsweise“ zu verzichten. Auch müssen alle Bewerber einen gleichen Beurteilungszeitraum und eine vergleichbare Grundlage haben; Unterschiede (z.B. unterschiedliche Dienstherren oder Laufbahnen) sind durch Anpassungen auszugleichen, damit niemand Vor- oder Nachteile hat.
- Unzulässige Auswahlkriterien oder Gewichtungsfehler: Der Dienstherr darf keine sachfremden Kriterien in die Auswahlentscheidung einfließen lassen. Nur Eignung, Befähigung, Leistung sind zulässig. Dennoch schleichen sich in der Praxis mitunter unwirksame Kriterien ein – etwa übermäßige Betonung des Dienstalters, des höheren Amtes oder subjektive Eindrücke aus Vorstellungsgesprächen ohne ausreichende Objektivierung. Ein häufiger Fehler ist es auch, den Maßstab zu verschieben, wie im OVG-Fall geschehen: Wenn Leistungen aus niedrigeren Ämtern fälschlich am Anforderungsprofil höherer Ämter gemessen werden und so ein Kandidat besser dasteht, obwohl er auf seinem bisherigen Dienstposten gar nicht überragender war. Solche Bewertungsmaßstabsfehler führen zur Verletzung der Bestenauslese. Ein weiterer Gewichtungsfehler kann auftreten, wenn bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern einzelne Leistungsaspekte nicht näher verglichen oder willkürlich herangezogen werden. Hier muss der Dienstherr die Auswahl besonders gut begründen.
- Verfahrensfehler im Ausschreibungs- und Auswahlprozess: Auch formelle Mängel können die Auswahlentscheidung kippen. Dazu zählt z.B. eine unterlassene oder fehlerhafte Ausschreibung (wenn gesetzlich vorgeschrieben), die geeignete Bewerber vom Bewerben abgehalten hat. Ebenso kritisch ist ein plötzlicher Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens ohne sachlichen Grund – etwa um einem bestimmten Kandidaten später den Vorzug zu geben. In solchen Fällen kann der Abbruch rechtswidrig sein; wer als Bewerber dadurch benachteiligt wurde, muss allerdings frühzeitig dagegen vorgehen, sonst riskiert er eine Verwirkung dieses Einwands. Weitere Verfahrensfehler sind fehlende Transparenz und Dokumentation: Der Dienstherr ist gehalten, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich festzuhalten. Werden die Entscheidungsgründe nicht ordnungsgemäß dokumentiert oder dem unterlegenen Bewerber nicht mitgeteilt, erschwert dies nicht nur die gerichtliche Überprüfung, sondern kann ein Indiz dafür sein, dass die Entscheidung nicht rein leistungsgerecht getroffen wurde.
- Missachtung gesetzlicher Vorgaben zur Chancengleichheit: In bestimmten Fällen sehen Gesetze vor, dass bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation bestimmte Bewerbergruppen bevorzugt werden (z.B. Frauen nach Maßgabe des Bundesgleichstellungsgesetzes oder schwerbehinderte Menschen nach § 165 SGB IX). Eine häufige Fehlerquelle ist es, solche Vorgaben zu ignorieren oder falsch anzuwenden. Wird etwa eine weibliche Bewerberin übergangen, obwohl sie gleich geeignet ist wie der männliche Konkurrent und Frauen in dem Bereich unterrepräsentiert sind, kann dies ein Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot und zugleich gegen Art. 33 Abs. 2 GG sein. Umgekehrt darf positive Diskriminierung nur im legal vorgesehenen Rahmen stattfinden und nicht zur Benachteiligung besser qualifizierter Konkurrenten führen.
Diese und ähnliche Problempunkte sind regelmäßig Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in Konkurrentenverfahren – so zum Beispiel in einem früheren Beschluss des OVG Schleswig vom 10.02.2025 (Az. 2 MB 6/24), der u.a. Befangenheitsprobleme bei Beurteilern, den Verzicht auf Zweitbeurteilungen, die Vergleichbarkeit von Beurteilungen unterschiedlicher Dienstherren sowie die Bewertung von Leistungsvorsprüngen im höheren Statusamt thematisierte. Die Behörden sind daher gut beraten, Auswahlverfahren sorgfältig vorzubereiten und durchzuführen, um derartige Fehler zu vermeiden. Dies umfasst eine gründliche Schulung der Beurteiler, klare Auswahlrichtlinien, die Einhaltung aller Formvorschriften und eine vollständige Dokumentation der Entscheidungsfindung. So lässt sich gewährleisten, dass am Ende wirklich der oder die Bestgeeignete ausgewählt wird – und die Entscheidung auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält.
Praxis-Tipps
Der Beschluss des OVG Schleswig vom 02.09.2025 zeigt exemplarisch, wie wichtig die strikte Beachtung des Leistungsprinzips bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst ist. Schon scheinbar kleine Bewertungsfehler können die Auswahlentscheidung kippen und dem unterlegenen Bewerber eine zweite Chance eröffnen. Für Dienstherren bedeutet dies: Sorgfalt und Objektivität bei der Erstellung von Beurteilungen und der Auswahlentscheidung zahlen sich aus. Insbesondere in hochrangigen Positionen (wie hier einem Senatsvorsitz) sollte die Vergleichbarkeit der Leistungsnachweise der Bewerber gewährleistet sein. Regelungen und Richtlinien, die der Dienstherr erlässt (wie Beurteilungsverordnungen), müssen gerichtsfest sein und dürfen keine systematischen Verzerrungen bewirken. Andernfalls werden die Gerichte korrigierend eingreifen.
Für Bewerber, die sich übergangen fühlen, gilt: Nicht zögern, sondern handeln. Der Bewerbungsverfahrensanspruch gibt Ihnen ein wirksames Instrument an die Hand, um eine faire Behandlung einzufordern. Lassen Sie eine möglicherweise fehlerhafte Auswahlentscheidung zeitnah rechtlich prüfen. Insbesondere sollten Sie – gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe – umgehend einstweiligen Rechtsschutz beantragen, bevor der Konkurrent ernannt wird. Die Verwaltungsgerichte können dann die Ernennung stoppen, solange begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auswahl bestehen. So wahrt man die eigene Chance auf das Amt.
Abschließend unterstreicht der Fall: Das Prinzip der Bestenauslese ist kein bloßer Formalismus, sondern ein zentrales Gleichheits- und Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst. Es schützt die Bewerber vor Willkür und gewährleistet zugleich, dass wichtige Positionen mit den bestmöglichen Kräften besetzt werden. Dieses Prinzip wird von der Rechtsprechung – gerade in Zeiten, in denen Stellenbesetzungen stärker umkämpft sind – konsequent durchgesetzt. Sowohl Dienstherren als auch Bewerber tun daher gut daran, die daraus folgenden Rechte und Pflichten ernst zu nehmen. Im Idealfall führt ein korrekt durchgeführtes Auswahlverfahren dazu, dass der beste Kandidat ausgewählt wird und alle Beteiligten das Ergebnis als fair akzeptieren können – ohne dass es einer gerichtlichen Intervention bedarf.