Führerschein mit falschem Ausbildungsnachweis erweitert – Keine mittelbare Falschbeurkundung

10. September 2025 -

Eine Autofahrerin wollte mit ihrem Pkw-Führerschein (Klasse B) auch leichte Motorräder bis 125 ccm fahren dürfen. Hierfür gibt es seit 2020 die Schlüsselzahl 196 („B196“): Nach Teilnahme an einer speziellen Fahrerschulung darf man Leichtkrafträder der Klasse A1 (bis 125 ccm, max. 11 kW) in Deutschland führen. Erforderlich sind mindestens vier Theorie- und fünf Praxisunterrichtseinheiten à 90 Minuten (§ 6b Abs. 4 FeV) sowie ein Mindestalter von 25 Jahren und fünfjähriger Vorbesitz der Klasse B. Anstelle dieser Schulung beschaffte sich die Frau jedoch einen gefälschten Ausbildungsnachweis über die angeblich absolvierte Motorrad-Fortbildung und legte diese Bescheinigungen der Fahrerlaubnisbehörde vor. Die Behörde ließ sich täuschen und erweiterte daraufhin ihre Fahrerlaubnis um die Schlüsselzahl 196, ohne dass die Frau eine Prüfung ablegen musste. Später fiel bei Ermittlungen auf, dass die angegebene Fahrschule diese Schulungen tatsächlich nicht durchgeführt hatte und die Teilnahmebescheinigungen gefälscht waren – der Nachweis der Frau wies Widersprüche in den Theorie- und Praxisdaten auf. In ihrer Anhörung konfrontiert mit dem Vorwurf räumte die Beschuldigte die Täuschung ein.

Strafrechtlicher Vorwurf: Mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB?

Nach Bekanntwerden des Vorfalls stellte sich die Frage, ob das strafbar ist und wenn ja, nach welchem Tatbestand. Die Staatsanwaltschaft sah hierin den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) erfüllt und beantragte gegen die Frau einen Strafbefehl. Mittelbare Falschbeurkundung begeht vereinfacht gesagt, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein zuständiger Amtsträger eine rechtlich erhebliche Tatsache in einer öffentlichen Urkunde oder einem Register falsch beurkundet. Hier war die Idee der Anklagebehörde, dass die Frau durch den falschen Ausbildungsnachweis die Führerscheinstelle veranlasst hatte, eine unrichtige Eintragung in einem öffentlichen Dokument vorzunehmen – nämlich die Erweiterung des Führerscheins um eine Berechtigung (Klasse A1 bzw. Schlüsselzahl 196), für die die echten Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Führerschein gilt als öffentliche Urkunde, die Fahrerlaubnisklassen und Berechtigungen mit Beweiswirkung dokumentiert. Indem die Behörde aufgrund der vorgelegten Scheindokumente eine zusätzliche Fahrberechtigung eintrug, schien auf den ersten Blick der Tatbestand erfüllt: Ein amtliches Dokument mit scheinbar falschem Inhalt (der Führerschein der Frau weist nun eine Berechtigung aus, die sie eigentlich mangels Ausbildung nicht hätte).

Allerdings lehnte bereits das Amtsgericht Vaihingen den Erlass eines Strafbefehls wegen § 271 StGB ab. Die Staatsanwaltschaft gab sich damit nicht zufrieden und legte Beschwerde ein. So gelangte der Fall vor das Landgericht Heilbronn, das nun in zweiter Instanz entscheiden musste. Das Landgericht bestätigte letztlich die Auffassung des Amtsgerichts und stellte klar: Eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Falschbeurkundung scheidet aus. Trotz der Täuschung und der unrechtmäßig erlangten Fahrberechtigung liege keine „falsche“ öffentliche Urkunde im Sinne des Strafgesetzbuches vor.

Entscheidung des LG Heilbronn: Warum liegt keine falsche Urkunde vor?

Das LG Heilbronn hat fast schon lehrbuchmäßig begründet, warum hier kein Fall des § 271 StGB gegeben ist. Entscheidend ist der Unterschied zwischen einer materiell rechtswidrigen Entscheidung und ihrer formellen Wirksamkeit. Zwar hätte die Fahrerlaubnis-Erweiterung bei korrekter Prüfung nie erteilt werden dürfen, denn die Voraussetzung (echte Teilnahme an der Fahrerschulung) fehlte. Dennoch wurde die Berechtigung durch die Behörde erteilt – wenn auch aufgrund Täuschung – und damit liegt ein Verwaltungsakt vor. Dieser Verwaltungsakt ist wirksam, solange er nicht aufgehoben oder wegen schwerwiegenden Fehlers als nichtig angesehen wird. Das Gericht betonte, dass auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt gültig bleibt, bis er zurückgenommen oder aufgehoben wird. Nur in Ausnahmefällen extremer, offenkundiger Rechtsverstöße ist ein Verwaltungsakt von Anfang an nichtig (§ 44 LVwVfG BW). Die unrechtmäßig erteilte Schlüsselzahl 196 im Führerschein der Frau war jedoch nicht nichtig – ein erheblicher, jedermann sofort auffallender Fehler lag nicht vor, sondern „nur“ eine erschlichene Leistung. Folglich blieb die Fahrerlaubnis-Erweiterung zunächst rechtswirksam, bis die Behörde sie ggf. durch Verwaltungsakt wieder entzieht.

Für die strafrechtliche Bewertung bedeutet das: Die Eintragung im Führerschein ist formell korrekt, da sie auf einem (wenn auch rechtswidrigen) Verwaltungsakt beruht. Der Führerschein mit der eingetragenen Klasse A1 (Schlüsselzahl 196) ist eine echte amtliche Urkunde, ausgestellt von der zuständigen Behörde. Ihr Inhalt ist – formal betrachtet – nicht objektiv falsch. Er bescheinigt, dass die Inhaberin berechtigt ist, bestimmte Krafträder zu führen, und das stimmte zum Zeitpunkt der Ausstellung tatsächlich, weil die Behörde diese Berechtigung ja erteilt hat. Dass die Behörde bei Erlass des Führerscheins getäuscht wurde und den Bescheid eigentlich nicht hätte erteilen dürfen, ändert nichts am Inhalt der Urkunde selbst. Maßgeblich ist, dass die öffentliche Urkunde (der Führerschein) keine falsche Tatsache beurkundet, sondern eine rechtliche Berechtigung dokumentiert, die zum Ausstellungszeitpunkt gültig bestand. Kurz gesagt: Die Fahrerlaubnisbehörde hat sich zwar täuschen lassen und einen Fehler gemacht, aber der ausgestellte Führerschein ist trotzdem zunächst gültig – er ist keine Fälschung, sondern ein echter Führerschein.

Das Landgericht unterscheidet somit zwischen der materiellen Rechtslage und der formellen Urkundenlage. Materiell-rechtlich hatte die Frau keinen Anspruch auf die Erweiterung – sie erschlich sie sich durch Täuschung. Formell jedoch existiert eine gültige Urkunde, die diese Erweiterung ausweist. In diesem Licht fehlt es an der zentralen Voraussetzung für § 271 StGB: einer objektiv unwahren Beurkundung. Weder wurden falsche Tatsachen durch den Beamten beurkundet noch ein Registereintrag inhaltlich unrichtig veranlasst – die Tatsache „Fahrerlaubnis der Klasse A1 (beschränkt) erteilt am Datum X” ist ja in der öffentlichen Urkunde gerade nicht falsch, sondern entspricht dem erlassenen (wenn auch rechtswidrigen) Verwaltungsakt.

Rechtlicher Hintergrund: Wann liegt „Falschbeurkundung“ vor?

Der Beschluss des LG Heilbronn entspricht der gefestigten Rechtsprechung und gängigen Lehrmeinung. Eine falsche Beurkundung liegt im Bereich des Fahrerlaubnisrechts nur vor, wenn das amtliche Dokument selbst eine unwahre Tatsache enthält. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein Beamter vorsätzlich in einen Führerschein Klassen einträgt, die der Betroffene in Wahrheit nicht erworben hat, etwa um diesem einen Gefallen zu tun – dann wird eine unwahre Tatsache beurkundet (die behauptete Fahrerlaubnis besteht tatsächlich nicht) und der Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) oder der mittelbaren Falschbeurkundung kann erfüllt sein. So hat der BGH entschieden, dass ein Amtsträger, der wissentlich zusätzliche Fahrzeugklassen in einen neuen Führerschein einträgt, für die keine Prüfung bestanden wurde, sich der Falschbeurkundung im Amt schuldig machen kann.

Im umgekehrten Fall, wenn ein Führerschein formal ordnungsgemäß – aber rechtswidrig – erteilt wird, liegt hingegen keine falsche Urkunde vor. Der Bundesgerichtshof stellte bereits 1990 klar, dass die bloße rechtswidrige Erteilung einer Fahrerlaubnis (z.B. durch Bestechung oder Täuschung) “in der Regel keine Falschbeurkundung” darstellt. Entscheidend ist wiederum, dass der Führerschein selbst – solange der Verwaltungsakt nicht als nichtig anzusehen ist – ein rechtlich existierendes Dokument ist, das eine gültige (wenn auch unrechtmäßig erworbene) Berechtigung ausweist. Nur wenn die Erteilung derart fehlerhaft wäre, dass sie als nichtig betrachtet werden muss (besonders schwerwiegender und offensichtlicher Rechtsverstoß, § 44 VwVfG), könnte man diskutieren, ob dann das Dokument inhaltlich unwahr wäre. Im vorliegenden Fall betonte das LG Heilbronn, dass von Nichtigkeit keine Rede sein konnte, da kein derart extremer Ausnahmefall vorlag. Die Fahrerlaubnis wurde „nur“ rechtswidrig erschlichen, war aber nicht nichtig. Somit blieb es dabei: keine falsche Beurkundung im Sinne des Strafrechts.

Konsequenzen und Fazit für die Praxis

Für die betroffene Frau bedeutet der Beschluss: Sie macht sich nicht wegen mittelbarer Falschbeurkundung strafbar. Allerdings ist dies kein Freispruch in jeder Hinsicht – strafbar war ihr Verhalten dennoch, nur unter einem anderen Delikt. Das Beschaffen und Vorlegen gefälschter Bescheinigungen erfüllt den Tatbestand der Urkundenfälschung bzw. des Gebrauchs unechter Urkunden (§ 267 StGB), der mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist. In der Praxis wird die Fahrerlaubnisbehörde außerdem die rechtswidrig erteilte Schlüsselzahl 196 nachträglich rückgängig machen (Verwaltungsakt aufheben bzw. Fahrerlaubnis entziehen), sobald der Schwindel auffliegt – die Frau verliert also die erschlichene Berechtigung wieder. Der „Freispruch“ bezieht sich allein auf § 271 StGB, weil dieser spezielle Strafvorwurf vorliegend nicht passt. Wer in ähnlicher Weise versucht, sich durch Täuschung Vorteile beim Führerschein zu verschaffen, entgeht keinesfalls einer Bestrafung – er wird lediglich für das eigentlich passende Delikt zur Rechenschaft gezogen (hier die Urkundenfälschung, nicht die Falschbeurkundung).

Das Landgericht Heilbronn hat klargestellt, dass ein durch Täuschung erwirkter Verwaltungsakt zwar materiell rechtswidrig, aber formell gültig ist. Ein darauf basierender Führerschein-Eintrag ist keine „falsche Urkunde“ im Sinne des Strafrechts. Diese Entscheidung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und verdeutlicht die Grenze zwischen verwaltungsrechtlicher Fehlerhaftigkeit und strafrechtlicher Urkundenfälschung. Für die Praxis heißt das: Auch wenn die mittelbare Falschbeurkundung hier ausschied, bleibt Dokumentenfälschung ein ernstes Vergehen. Behördenirrtümer oder durch Täuschung erlangte Verwaltungsakte müssen auf anderem Wege korrigiert werden – im Strafrecht wird erst dann eingegriffen, wenn echte oder inhaltlich unwahre Urkunden im Spiel sind. Wer also mit dem Gedanken spielt, seinem Führerschein unberechtigt ein Upgrade zu verschaffen, sollte gewarnt sein: Die Gerichte erkennen den feinen Unterschied und sorgen dafür, dass der Täter für das richtige Delikt bestraft wird, und der unrechtmäßig erworbene Vorteil schnell wieder verloren geht.

LG Heilbronn (Beschluss vom 08.09.2025 – Az. 2 Qs 13/25)