OLG Frankfurt: Kein Verlass auf Postzustellung am nächsten Werktag (Fristversäumnis bei Samstags-Einwurf)

24. September 2025 -

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Beschluss vom 18.09.2025 (Az. 6 UF 176/25) klargestellt, dass ein solches Vertrauen nicht geschützt ist. Hintergrund ist eine geänderte Rechtslage im Postwesen, durch die sich Brieflaufzeiten verlängert haben. Im Ergebnis tragen Absender nun das volle Risiko, wenn sie fristgebundene Schriftsätze zu knapp absenden. Im Folgenden erklären wir praxisnah, was das genau bedeutet und welche Handlungsempfehlungen sich daraus für Anwältinnen, Anwälte und juristische Laien ergeben.

Der Fall: Samstag eingeworfen – Montag zu spät

Eine fristgebundene Rechtsmittelschrift (hier: eine Beschwerde in einer Familiensache) wurde vom Absender erst am Samstag, dem 16. August 2025, per Einwurfeinschreiben zur Post gegeben. Der Absender – ein Vater im Sorgerechtsstreit – ging irr­tüm­lich davon aus, dass sein Schreiben spätestens am folgenden Montag beim Gericht eingehen würde. Genau an diesem Montag endete jedoch die einmonatige Beschwerdefrist. Tatsächlich traf die Beschwerdeschrift erst am Dienstag beim Gericht ein – also einen Tag verspätet, wodurch die Frist versäumt war. Der Vater beantragte daraufhin Wieder­einsetzung in den vorigen Stand (eine nachträgliche Fristverlängerung wegen unverschuldeter Versäumnis), da er sich auf die Zustellung am Montag verlassen habe.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Kein Vertrauen in alte Postlaufzeiten

Das OLG Frankfurt verwehrte dem Mann die Wiedereinsetzung – seine Beschwerde blieb erfolglos. In klaren Worten stellt das Gericht fest, dass mit der neuen Rechtslage im Postrecht das bisherige Vertrauen auf eine Postzustellung am nächsten Werktag nicht länger gerechtfertigt ist.

Orientierungssatz des Gerichts: „Seit der Postrechtsreform 2024 kann angesichts der mittlerweile üblichen Postlaufzeiten niemand mehr erwarten, dass ein erst am Samstag aufgegebener fristgebundener Schriftsatz das Gericht garantiert schon am folgenden Montag erreicht.“

Weil das neue Postrecht deutlich längere Beförderungszeiten vorsieht, konnte dem Vater keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Er hat – so das Gericht – nicht glaubhaft gemacht, ohne eigenes Verschulden an der Fristwahrung gehindert gewesen zu sein. Mitverschulden liegt nämlich darin, dass er den Schriftsatz zu spät abgeschickt hat. Bereits nach früherer Rechtsprechung (auch des Bundesgerichtshofs) galt: Wer fristgebundene Schriftsätze per Post verschickt, muss ausreichend Zeitpuffer einkalkulieren. Einen Brief erst am Samstag für eine Frist, die am Montag abläuft, abzusenden, ist selbst nach der alten Rechtslage „schlicht zu knapp“ gewesen. Erst recht unter der neuen Gesetzeslage trägt der Absender das Risiko – wer sich auf die „alten“ Postlaufzeiten verlässt, handelt auf eigene Gefahr.

Geänderte Rechtslage: Verlängerte Postlaufzeiten seit 2024

Grundlage dieser Entscheidung ist eine wichtige Änderung im Postrecht. Durch die Postrechtsreform 2024 (Postmodernisierungsgesetz 2024) wurden die zulässigen Laufzeiten für Briefe im Universaldienst verlängert. Der neue § 18 Abs. 1 Postgesetz (PostG) schreibt nun vor, dass im Jahresdurchschnitt 95 % der Briefe erst innerhalb von drei Werktagen und 99 % innerhalb von vier Werktagen beim Empfänger sein müssen. Eine Zustellung am nächsten Werktag ist gesetzlich nicht mehr garantiert. Zum Vergleich: Früher galt (nach der alten Post-Universaldienstleistungsverordnung) als Regelfall eine Zustellung bereits am folgenden Werktag, spätestens aber innerhalb von zwei Werktagen. Diese frühere, gesetzlich unterstellte schnelle Postzustellung binnen 1–2 Tagen ist entfallen. Entsprechend wurden sogar amtliche Zustellungsfiktionen angepasst – etwa im Verwaltungsverfahrensrecht wurde die Annahme, ein Brief gelte nach 3 Tagen als zugestellt, auf 4 Tage verlängert.

Für die Praxis bedeutet dies: Die Postlaufzeit kann nun länger dauern, ohne dass ein Fehler des Zustelldienstes vorliegt. Besonders Wochenenden spielen eine Rolle: Briefe, die erst am Samstag aufgegeben werden, werden oft frühestens am Montag oder Dienstag zugestellt. Einen Anspruch darauf, dass ein am Samstag eingeworfener Brief schon am Montag beim Gericht ankommt, gibt es nicht mehr. Wer also knappe Fristen hat, darf sich nicht auf früher übliche Postlaufzeiten verlassen – sonst riskiert man einen Fristablauf.

Konsequenzen und Praxistipps

Angesichts dieser Rechtslage sollten sowohl berufsmäßige Rechtsvertreter als auch Privatpersonen ihre Fristenplanung anpassen. Im Folgenden einige konkrete Handlungsempfehlungen:

Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

  • Elektronischer Rechtsverkehr nutzen: Seit 2022 sind Anwälte verpflichtet, fristgebundene Schriftsätze elektronisch (z.B. über das beA) beim Gericht einzureichen. Nutzen Sie diese Möglichkeit konsequent – so geht der Schriftsatz sofort zu und Postlaufzeiten entfallen. Ein elektronisch übermittelter Schriftsatz kann bis 24:00 Uhr am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht werden, ohne Fristversäumnis.
  • Zeitpuffer einplanen: Wenn ausnahmsweise doch postalisch versandt werden muss (z.B. im Vertretungsfall oder bei technischen Störungen), sorgen Sie für ausreichenden Vorlauf. Planen Sie mit den nun üblichen Laufzeiten von 3–4 Werktagen statt früher 1–2 Tagen. Versand am Donnerstag oder Freitag für einen Fristablauf am Montag ist risikobehaftet – besser einige Tage früher absenden.
  • Alternative Zustellwege im Notfall: In dringenden Fällen, in denen die Frist sonst verstreichen würde, weichen Sie auf Fax aus (sofern zulässig) oder geben Sie Schriftsätze noch am letzten Tag persönlich beim Gericht ab (Notwurf in den Gerichtsbriefkasten bis Mitternacht). Diese Methoden gelten als fristwahrend, wenn richtig durchgeführt. Ein Expressversand der Post (mit garantierter Zustellung am nächsten Werktag) kann ebenfalls erwogen werden – allerdings sollte man sich hier vergewissern, dass dieser Dienst am betreffenden Tag tatsächlich angeboten wird.

Für juristische Laien (Bürgerinnen und Bürger)

  • Fristen ernst nehmen und frühzeitig handeln: Sobald Sie von einer Frist (etwa für Einspruch, Widerspruch oder Berufung) erfahren, sollten Sie sofort aktiv Warten Sie nicht bis zum letzten Moment mit dem Abschicken wichtiger Dokumente. Je mehr Pufferzeit, desto besser.
  • Postlaufzeit einkalkulieren: Wenn Sie Unterlagen per Post ans Gericht schicken müssen, berücksichtigen Sie die verlängerte Laufzeit. Rechnen Sie damit, dass ein Brief bis zu 4 Werktage unterwegs sein kann. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass ein am Wochenende abgeschicktes Schreiben bereits zu Wochenbeginn ankommt. Im Zweifel sollte der Brief spätestens Mitte der Woche vor Fristablauf abgesendet werden.
  • Sichere Zustellmethoden wählen: Alternativ zur normalen Briefpost können Sie – falls verfügbar – Fax benutzen, da ein fristwahrender Faxversand bis Mitternacht des Fristtages möglich ist. Achten Sie aber darauf, einen Sendebericht Auch eine persönliche Abgabe beim Gericht (Einwurf in den Nachtbriefkasten des Gerichts) am letzten Tag ist möglich und rechtlich zulässig. Wichtig: notieren Sie sich Datum und Uhrzeit des Einwurfs, falls später Nachweise nötig sind. Bei besonders wichtigen Fristen können Sie auch per Einschreiben mit Rückschein oder Kurier/Express-Dienst verschicken – allerdings ersetzt das nicht den Zeitpuffer, da auch diese Sendungen Verzögerungen haben können.
  • Im Zweifel Rat einholen: Wenn Sie unsicher sind, wie Sie die Frist wahren können, suchen Sie rechtzeitig rechtlichen Rat. Anwältinnen und Anwälte können Fristen berechnen und dafür sorgen, dass Ihre Anliegen fristgerecht beim richtigen Gericht ankommen. Im Zweifel ist es besser, sich frühzeitig beraten zu lassen, als eine Frist ungenutzt verstreichen zu lassen.

Der Beschluss des OLG Frankfurt vom 18.09.2025 (Az. 6 UF 176/25) macht deutlich, dass man sich nicht mehr auf eine Postzustellung am nächsten Werktag verlassen darf. Die gesetzlichen Änderungen im Postrecht haben die Laufzeiten verlängert und legen die Verantwortung für fristgerechte Einreichung voll auf die Absenderseite. Wer also auf Nummer sicher gehen will, sollte rechtzeitig – und gegebenenfalls auf alternativen Wegen – seine fristgebundenen Schreiben zum Gericht befördern. Andernfalls besteht die Gefahr, dass wichtige Fristen versäumt werden, was im schlimmsten Fall zum Verlust von Rechtsansprüchen führen kann. Bleiben Sie daher wachsam bei Fristen und nutzen Sie die zur Verfügung stehenden modernen Kommunikationswege, um auf der sicheren Seite zu sein.