Hintergrund: Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom 16.09.2025 (3 K 3179/24)
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hatte erneut über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Rechtsanwalt in eigener Sache Klage erhoben hat, ohne das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu nutzen. In dem Gerichtsbescheid vom 16.09.2025 stellte das FG klar, dass die beA-Nutzungspflicht für Rechtsanwälte grundsätzlich gilt – auch dann, wenn ein Anwalt als Partei in eigener Angelegenheit auftritt. Ausnahmen von dieser Pflicht sind nur in eng begründeten Sonderfällen anerkannt; eine bloße Überforderung mit moderner Technik zählt ausdrücklich nicht zu solchen Ausnahmen. Im konkreten Fall erklärte das FG die Klage eines 71-jährigen Rechtsanwalts wegen Verstoßes gegen die beA-Pflicht als unzulässig und versagte ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Kernaussage des Gerichts: Alter oder fehlende technische Routine entbinden nicht von der Pflicht zur elektronischen Einreichung.
Keine Ausnahme wegen Überforderung mit Technik
Der Kläger – selbst Rechtsanwalt im Ruhestand bzw. mit stark reduzierter Tätigkeit – hatte im November 2024 fristwahrend per Post Klage gegen Steuerbescheide (Grundsteuerwertbescheide für seine Eigentumswohnungen) erhoben. Er gab an, er sei nur noch in geringem Umfang tätig, führe keine Gerichtsverfahren mehr und habe sich mit dem beA „noch gar nicht auseinandergesetzt“. Mit anderen Worten berief er sich darauf, von der modernen Technik überfordert zu sein. Das Finanzgericht ließ dieses Argument nicht gelten: Eine Überforderung mit neuer Technik befreit nicht von der beA-Pflicht. Im Sinne eines „entschlackten“ (verschlankten) Rechtsverkehrs hätte der Anwalt das beA nutzen müssen. Dass er sich aufgrund seines Alters (71 Jahre) und seines Ruhestandsstatus bisher nicht mit dem beA vertraut gemacht hatte, stellte für das Gericht keinen Rechtfertigungsgrund dar. Jeder Rechtsanwalt – gleich welchen Alters oder technischen Kenntnisstands – ist gehalten, die notwendigen technischen Vorkehrungen zu treffen, um am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Die Entscheidung betont, dass es nicht im Belieben einzelner Anwälte stehen kann, sich der Digitalisierung zu verweigern: Wer als Anwalt zugelassen ist, muss mitziehen – es gibt „keinen Raum für Fortschrittsverweigerer“ im elektronischen Rechtsverkehr.
Bemerkenswert ist, dass das FG Berlin-Brandenburg in einem früheren Fall (Urteil vom 10.06.2025 – 3 K 3005/23) durchaus eine Ausnahme von der beA-Pflicht zugelassen hatte, allerdings unter völlig anderen Umständen. In jenem Fall durfte ein Sozietätspartner ausnahmsweise auf die elektronische Klageeinreichung verzichten, um sensible Kanzleiinterna zu schützen. Dort hätten bei Nutzung des beA mehrere Kanzleimitarbeiter Einblick in die persönlichen Steuerdaten und Gewinnanteile des Anwalts erhalten, was gegen seine vertraglichen Verschwiegenheitspflichten aus dem Sozietätsvertrag verstoßen hätte. Eine solche besondere Unzumutbarkeit der beA-Nutzung lag im aktuellen Fall jedoch nicht vor. Allein das fortgeschrittene Alter und mangelnde technische Befassung begründen keine Befreiung von der Nutzungspflicht. Der Anwalt hätte die elektronische Einreichung vornehmen müssen – notfalls mit Hilfe eines Kollegen oder durch entsprechende technische Aufrüstung – da die gesetzliche Pflicht für alle Berufsträger gilt.
Rechtslage: beA-Nutzungspflicht nach § 52d FGO und § 130d ZPO
Die Verpflichtung für Rechtsanwälte, Schriftsätze bei Gericht elektronisch über das beA einzureichen, beruht auf § 52d Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bzw. – in der Zivilgerichtsbarkeit – auf § 130d Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Vorschriften wurden im Zuge der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs geschaffen und sind seit dem 1. Januar 2022 in Kraft. Seitdem müssen Rechtsanwälte, Behörden sowie andere Vertretungsberechtigte ihre Klagen, Anträge und Schriftsätze als elektronische Dokumente einreichen. In Finanzgerichtsverfahren bedeutet das konkret: Ein Rechtsanwalt, der beim FG auftritt, ist zur aktiven Nutzung des beA verpflichtet, unabhängig davon, ob er als Vertreter eines Mandanten oder in eigener Sache agiert. Parallel gilt in Zivilverfahren (§ 130d ZPO) das Gleiche – hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die Regelung dem Ziel einer vollständig elektronischen Kommunikation zwischen Gerichten und Anwaltschaft dien. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn die gesamte Anwaltschaft mitzieht und nicht einzelne sich entziehen können.
Nach den gesetzlichen Vorgaben sind Anwälte auch berufsrechtlich angehalten, die technische Infrastruktur vorzuhalten, um am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Dazu zählt nicht nur die aktive Versendung von Schriftsätzen über das beA, sondern auch die passive Nutzungspflicht – also die Verpflichtung, Zustellungen des Gerichts über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Anders ausgedrückt: Jeder Rechtsanwalt muss ein funktionsfähiges beA besitzen, es regelmäßig kontrollieren und für den Versand nutzen können. Seit Ablauf der Übergangsfristen (spätestens ab 2022) sind Papier- oder Faxschriftsätze von Anwälten grundsätzlich unwirksam, sofern nicht ausnahmsweise ein gesetzlich anerkannter Notfall (etwa ein längerer beA-Systemausfall) vorliegt. In der Finanzgerichtsbarkeit wurden vergleichbare Pflichten schrittweise erweitert: So müssen etwa seit 2023 auch Steuerberater über ihr besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) elektronisch einreichen, und ab 2026 wird sogar für bestimmte weitere professionell Vertretungsberechtigte mit sog. eBO (besonderes elektronisches Behörden-/Organisationspostfach) eine Nutzungspflicht bestehen. Für Rechtsanwälte jedenfalls gilt inzwischen ohne Einschränkung die Devise: elektronische Einreichung ist der vorgeschriebene Normalfall.
Status- oder rollenbezogene Pflicht? (Debatte in Rechtsprechung und Literatur)
Die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg vom September 2025 beleuchtet auch die juristische Diskussion, ob die beA-Pflicht statusbezogen oder rollenbezogen auszulegen ist. Hintergrund dieser Debatte ist die Formulierung des Gesetzes, das von „Schriftsätzen von Rechtsanwälten“ spricht. Fraglich ist, ob damit alle Personen, die die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt tragen (statusbezogen) gemeint sind – also auch dann, wenn sie privat handeln – oder ob die Pflicht nur greift, wenn jemand in seiner Rolle als Rechtsanwalt auftritt (rollenbezogen), etwa als Prozessbevollmächtigter eines Dritten.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat diese Frage in seiner früheren Entscheidung vom Juni 2025 zunächst offen gelassen. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) als oberstes Fachgericht hat sich bislang nicht endgültig festgelegt. In einem Fall hatte der BFH die Nutzungspflicht bejaht, als ein Anwalt in eigener Sache und zugleich als Prozessbevollmächtigter einer dritten Person einen Rechtsbehelf (Anhörungsrüge) erhoben hatte. Da er teilweise als Vertreter handelte, war die Pflicht dort unstreitig einschlägig. Ein rein privates Auftreten eines Anwalts ohne Mandatsfunktion hat der BFH jedoch noch nicht höchstrichterlich entschieden.
In der Instanzrechtsprechung und Literatur zeigt sich ein geteiltes Bild. Einige Stimmen befürworten ein rollenbezogenes Verständnis: So hat etwa das Finanzgericht Hessen Ende 2024 entschieden, dass eine generelle Nutzungspflicht in eigener Sache nicht bestehe. Begründet wurde dies damit, dass der Gesetzgeber mit der Pflicht vor allem die Verfahrensabläufe vereinfachen wollte – was primär relevant sei, wenn Anwälte als Anwälte handeln. Wäre die Pflicht statusbezogen, müssten Gerichte bei jeder klagenden Privatperson von Amts wegen prüfen, ob diese zufällig eine zugelassene Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt ist. Dieses Ergebnis erscheine wenig praktikabel.
Demgegenüber weist die herrschende Meinung sowie die Rechtsprechung höherer Gerichte eher in Richtung eines statusbezogenen Verständnisses. Insbesondere der Bundesgerichtshof hat zum analog geregelten § 130d ZPO unter Verweis auf Sinn und Zweck der Norm betont, dass ein statusbezogener Ansatz geboten ist. Die vollständige Digitalisierung des Rechtsverkehrs könne nur erreicht werden, wenn sämtliche Angehörige der Anwaltschaft eingebunden werden. Würde man Anwälten erlauben, sich durch Auftreten als Privatperson der elektronischen Kommunikation zu entziehen, liefe dies dem Normzweck zuwider und würde die erheblichen Investitionen in die digitale Infrastruktur untergraben. Dieser Ansicht hat sich das FG Berlin-Brandenburg nun ausdrücklich angeschlossen. Mit dem Gerichtsbescheid vom 16.09.2025 tendiert der 3. Senat also klar dazu, dass der Status als Rechtsanwalt genügt, um die beA-Pflicht auszulösen – unabhängig von der konkreten Rolle im Prozess.
Praxisrelevant bedeutet dies: Jeder, der als Rechtsanwalt zugelassen ist, soll vor Gericht immer elektronisch einreichen, egal ob er sich selbst oder jemand anders vertritt. Damit stärkt das FG Berlin-Brandenburg die Linie, die auch der BGH im Zivilprozess zieht: Die Digitalisierungspflicht gilt für die gesamte Anwaltschaft und lässt sich nicht durch „Rollenwechsel“ umgehen.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis der Anwaltschaft
Die Entscheidung ist ein deutliches Signal an alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, auch an solche, die nur noch selten oder ausschließlich in eigener Sache vor Gericht auftreten. Die beA-Nutzungspflicht greift in allen Verfahrensarten, in denen sie gesetzlich vorgesehen ist – also z.B. im Zivilprozess, im Finanzgerichtsverfahren, in Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsverfahren analog – und sie gilt unabhängig von der Postulationsfähigkeit im konkreten Verfahren. Selbst wenn in bestimmten Gerichtsverfahren eigentlich kein Anwaltszwang besteht (wie im finanzgerichtlichen Verfahren erster Instanz, wo Steuerpflichtige sich grundsätzlich selbst vertreten dürfen), unterliegt ein zugelassener Anwalt, der als Partei agiert, dennoch der beA-Pflicht. Praktisch heißt das: Ein Rechtsanwalt kann sich nicht darauf berufen, er handle als „normaler Bürger“, um auf klassische Schriftform auszuweichen – die Gerichte werden ihn aufgrund seines Berufsstands trotzdem als beA-pflichtig behandeln.
Für die anwaltliche Praxis – gerade auch in Steuer- und Finanzgerichtsverfahren – ist die Klarstellung wichtig. In den letzten Jahren sind Fälle bekannt geworden, in denen Anwälte versuchten, durch privates Auftreten die elektronische Einreichung zu umgehen. Diese Strategie ist mit erheblichen Risiken verbunden: Sobald das Gericht erkennt, dass die klagende Person Anwalt ist (etwa durch Hinweise im Verfahren oder Akteninhalte), wird die Versäumnis der elektronischen Form problematisch. Das FG Berlin-Brandenburg hat in seinem aktuellen Gerichtsbescheid unmissverständlich darauf hingewiesen, dass Anwälte ihre beA-Infrastruktur ständig betriebsbereit halten müssen und diese Pflicht nicht temporär „abschütteln“ können. Auch ein Anwalt, der nur noch geringfügig praktiziert oder formell im Ruhestand ist, muss also organisatorisch sicherstellen, dass er beA-Nachrichten senden und empfangen kann. Wer dies versäumt, läuft Gefahr, im Ernstfall wichtige Fristen zu versäumen oder seine eigenen Prozesse zu gefährden.
Zugleich bestätigt das Urteil, dass Ausnahmen von der beA-Pflicht nur in eng begrenzten Konstellationen in Betracht kommen. Die einzige anerkannte Ausnahme bislang betraf einen Konflikt mit berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten innerhalb einer Sozietät. Solche besonderen Umstände dürften selten sein. Für die allgemeine Praxis bedeutet das: Anwälte sollten nicht auf Sonderregelungen hoffen, sondern vielmehr die Nutzung des elektronischen Postfachs als selbstverständlichen Teil des Prozesses ansehen. Das Urteil aus Berlin-Brandenburg hat Signalwirkung: Es untermauert den Kurs hin zu einem vollständig elektronischen Rechtsverkehr und warnt davor, auf persönliche Befindlichkeiten oder technische Abneigungen zu setzen.
Folgen bei Nichtverwendung des beA trotz Pflicht
Die Konsequenzen einer Missachtung der beA-Pflicht können gravierend sein. Der wichtigste Effekt: Ein schriftlicher Schriftsatz, der von einem beA-pflichtigen Beteiligten (z.B. einem Rechtsanwalt) nicht auf elektronischem Weg eingereicht wird, gilt als nicht wirksam bei Gericht eingegangen. Im Klartext: Die Klage oder der Antrag sind prozessual so zu behandeln, als wären sie gar nicht erhoben worden. Genau das ist im entschiedenen Fall geschehen – das FG Berlin-Brandenburg hat die per Post eingereichte Klage des Anwalts wegen Verstoßes gegen § 52d FGO als unzulässig verworfen. Damit waren die Klagefristen versäumt und der Kläger verlor allein aus formellen Gründen die Möglichkeit, eine Sachentscheidung zu erreichen.
Eine solche formale Zurückweisung ist insbesondere deshalb gefährlich, weil Fristen unwiederbringlich verstreichen können. Reicht ein Anwalt kurz vor Ablauf der Klage- oder Berufungsfrist „vorsorglich“ einen Schriftsatz in Papierform ein, wird diese Frist nicht gewahrt, wenn die elektronische Form vorgeschrieben war. Ein Nachschieben über beA nach Fristablauf kommt zu spät. Im Nachhinein bleibt dann nur der Versuch, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen – also die Fristversäumung zu entschuldigen. Doch wie der vorliegende Fall zeigt, stehen die Chancen dafür schlecht, wenn die Versäumung auf einem bewussten oder fahrlässigen Verstoß gegen die bekannte Nutzungspflicht beruht. Das FG Berlin-Brandenburg hat dem Kläger die Wiedereinsetzung verweigert und ausdrücklich betont, dass er bzw. sein anwaltlicher Vertreter (in dem Fall sein Sohn) die Rechtslage und die strikte Linie des Senats hätten kennen müssen. Bereits im März 2022 hatte derselbe Senat nämlich entschieden, dass § 52d FGO als statusbezogene Pflicht zu verstehen sei. Ein Anwalt, der trotzdem auf Papier klagt, handelt also schuldhaft im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften, sodass die versäumte Frist nicht nachträglich geheilt wird.
Neben der Unwirksamkeit von Klagen oder Rechtsmitteln drohen auch andere Schriftsätze (z.B. Rechtsmittelbegründungen, Anträge etc.) bei Nichtbeachtung der elektronischen Form unwirksam zu sein. Dies kann dazu führen, dass ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird oder dass ein wichtiger Antrag nicht berücksichtigt wird, weil er formnichtig war. Die Gerichte sind nicht verpflichtet – und aufgrund der Rechtslage auch nicht befugt – solche Mängel zu tolerieren oder die Anwälte zur Nachbesserung aufzufordern. Vielmehr gilt: Form ist Form. Wer als Anwalt einen Schriftsatz einreicht, muss die gesetzliche Form einhalten, sonst entfaltet das Schriftstück keine Rechtswirkung.
Ergänzend sei angemerkt, dass die passive Verletzung der beA-Pflicht ebenso problematisch sein kann. Wenn Gerichte Dokumente (Urteile, Beschlüsse, Ladungen) an das beA eines Anwalts zustellen, gilt die Zustellung in dem Moment als erfolgt, in dem das Dokument im Postfach abrufbar ist (§ 174 ZPO i.V.m. den elektronischen Zustellungsregeln). Ein Anwalt, der sein beA nicht regelmäßig kontrolliert, läuft Gefahr, Zustellungen und damit Fristen zu übersehen. Auch das kann zu Fristversäumnissen und Rechtsnachteilen führen – etwa, wenn ein Urteil rechtskräftig wird, weil die Berufungsfrist ablief, ohne dass der Anwalt die digital zugestellte Entscheidung gelesen hat. In Summe unterstreicht die aktuelle Entscheidung die vielfältigen Risiken, die Anwälte eingehen, wenn sie die Verwendung des beA trotz bestehender Pflicht unterlassen.
Fazit: Was bedeutet das für Anwälte in eigener Sache?
Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in eigener Sache vor Gericht auftreten, liefert der Gerichtsbescheid aus Berlin-Brandenburg ein klares Fazit: Der Anwaltsstatus „reist mit“ – und damit auch die Pflicht zur elektronischen Kommunikation. Ein Anwalt kann nicht darauf hoffen, vor Gericht als technikfremder Privatmann behandelt zu werden. Wer die Zulassung als Rechtsanwalt hat, muss die daraus folgenden Pflichten erfüllen, will er keine schweren Nachteile im Prozess riskieren.
Konkret sollten Anwälte, die sich selbst vertreten, folgende Lehren ziehen:
- BeA immer nutzen: Reichen Sie Klagen, Anträge, Rechtsmittel usw. konsequent über das beA ein, auch wenn Sie persönlich betroffen sind. Andernfalls droht die Unwirksamkeit der Einreichung und damit der Verlust des Rechtsschutzes.
- Technische Vorbereitung: Sorgen Sie dafür, dass Ihr beA eingerichtet und funktionstüchtig ist. Wenn Sie es selbst nicht bedienen können oder wollen, ziehen Sie rechtzeitig Unterstützung hinzu – etwa Kanzleimitarbeiter, Kollegen oder Familienangehörige mit Kanzleizugriff. Die Pflicht zur Vorhaltung der technischen Einrichtungen obliegt Ihnen persönlich. Ein Anwalt darf nicht einfach sagen, er habe sich mit dem beA „noch nie beschäftigt“ – das ist berufsrechtlich nicht zulässig.
- Kenntnis der aktuellen Rechtslage: Halten Sie sich über die Entwicklungen zur elektronischen Verfahrensführung informiert. Die Gerichte – wie hier das FG Berlin-Brandenburg – machen deutlich, dass Anwälte die digitale Transformation ernst nehmen müssen. Argumente wie „Alter“ oder „fehlende IT-Affinität“ stoßen auf wenig Verständnis. Stattdessen wird erwartet, dass Sie sich entweder selbst fortbilden oder organisatorische Vorkehrungen treffen, um die elektronische Kommunikation zu bewältigen.
- Ausnahmefälle realistisch einschätzen: Verlassen Sie sich nicht auf Ausnahmeregelungen. Nur in äußerst seltenen Konstellationen – z.B. wenn die beA-Nutzung im konkreten Einzelfall objektiv unzumutbar wäre – könnte eine analoge Einreichung toleriert werden. Solche Fälle müssen jedoch substantiiert begründet werden und betreffen nicht persönliche Präferenzen, sondern erhebliche Rechtsgüterkonflikte (wie im Sozietätsfall, wo Vertrags- und Datenschutzpflichten kollidierten). Im Zweifel ist es sicherer, immer den elektronischen Weg zu wählen.
Zusammenfassend stärkt die Entscheidung vom 16.09.2025 die Linie, dass die beA-Pflicht für Anwälte umfassend und grundsätzlich gilt. Für Anwälte, die „in eigener Sache“ vorgehen, bedeutet das eine klare Warnung: Ihre Schriftsätze müssen denselben Formanforderungen genügen wie die von Anwälten, die fremde Mandanten vertreten. Andernfalls setzen sie ihren Prozess auf Spiel. Die Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs und der elektronischen Gerichtskommunikation insgesamt verfolgt das große Ziel, das Verfahren effizienter, schneller und moderner zu gestalten. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn alle Rechtsanwender – insbesondere die berufsmäßigen – mitziehen. Das FG Berlin-Brandenburg hat unmissverständlich klargemacht, dass kein Anwalt sich dieser Entwicklung entziehen darf, ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen.