Der Technologiekonzern Bosch hat im April angekündigt, die Produktion an zwei Standorten seines Geschäftsbereichs Power Tools einzustellen. Konkret betrifft dies den Hauptsitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart (Baden-Württemberg) sowie den Standort Sebnitz in Sachsen, die im kommenden Jahr geschlossen werden sollen. Rund 500 Mitarbeiter stehen vor dem Aus – und ihnen bleibt praktisch nur eine unangenehme Wahl: entweder einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung zu unterschreiben oder die betriebsbedingte Kündigung zu erhalten. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wurde zwar ein Sozialplan mit Transfergesellschaft und Abfindungszahlungen ausgehandelt, doch die Wahlmöglichkeiten sind begrenzt: intern wurde mitgeteilt, dass Mitarbeiter, die das Abfindungsangebot ausschlagen, spätestens zum 31. Dezember 2026 gekündigt werden – und dann zu deutlich schlechteren Konditionen.
Für die betroffenen Arbeitnehmer stellt sich nun die Frage: Was bedeutet diese Situation rechtlich, und wie sollte man darauf reagieren? Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Optionen und Fallstricke. Wir erklären, worauf Sie bei einem angebotenen Aufhebungsvertrag achten müssen und was bei einer Kündigung zu beachten ist. Außerdem beleuchten wir die typischen Fehler in solchen Szenarien – von versäumten Fristen bis hin zu unterschätzten Konsequenzen – und zeigen auf, warum eine fachanwaltliche Beratung jetzt besonders wichtig ist. Ziel ist es, Betroffene verständlich zu informieren und direkt zu motivieren, ihre Rechte zu sichern und keine wichtigen Schritte zu versäumen.
Aufhebungsvertrag vs. Kündigung: Was bedeutet die Wahl?
Bosch Power Tools hat den 230 Fertigungs-Mitarbeitern in Leinfelden bereits den groben Ablauf mitgeteilt: Wer das Abfindungsangebot nicht annimmt, dem wird gekündigt. Eine echte Alternative gibt es kaum, denn bei einer vollständigen Werksschließung kann der Arbeitgeber rein rechtlich allen Mitarbeitern kündigen, ohne Sozialauswahl. Das unterscheidet diese Situation von Teilbetriebsschließungen, bei denen normalerweise nach Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung sozial ausgewählt würde. In Leinfelden müssen jedoch alle Mitarbeiter gehen, sodass eine Sozialauswahl entfällt.
Aufhebungsvertrag mit Abfindung: Entscheiden Sie sich für den angebotenen Aufhebungsvertrag, würde Ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet – voraussichtlich zu einem bestimmten Datum vor oder zum Ende 2026. Im Gegenzug erhalten Sie eine Abfindungszahlung nach den Vorgaben des Sozialplans. Laut Presseberichten richtet sich die Abfindungssumme nach Ihrem Alter, Ihrer Betriebszugehörigkeit und Ihrem Gehalt, ist aber auf maximal 250.000 € gedeckelt. Bosch plant offenbar sogar einen Bonus für schnelles Unterschreiben: Wer besonders zügig zustimmt, bekommt einen Aufschlag auf die sonst vorgesehene Summe. Dieses Angebot soll den Mitarbeitern Mitte November 2025 vorgelegt werden; ab dann hätten sie vier Wochen Bedenkzeit, um zu unterschreiben. Wichtig zu wissen: Unterschreiben Sie den Aufhebungsvertrag, können Sie hinterher nicht mehr gegen die Beendigung vorgehen.
Betriebsbedingte Kündigung: Lehnen Sie das Angebot ab, wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt. Bosch hat angekündigt, dass in diesem Fall die Kündigung zum 31.12.2026 erfolgt – also zum Zeitpunkt der Werksschließung – und dass die Betroffenen dann nur einen Teil der Leistungen erhalten, die im Sozialplan vorgesehen sind. Das deutet darauf hin, dass die Abfindung bei einer erzwungenen Kündigung geringer ausfällt als beim freiwilligen Aufhebungsvertrag. Immerhin: Bis zum Kündigungsdatum wären Sie weiterhin bei Bosch angestellt und würden Gehalt beziehen. Außerdem geht die Initiative zur Beendigung vom Arbeitgeber aus, was bei Arbeitslosengeld-Anträgen vorteilhaft sein kann (siehe unten). Jedoch müssen Sie eine Kündigung innerhalb von drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage angreifen, wenn Sie sie auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen (oder eine höhere Abfindung aushandeln) wollen – sonst wird die Kündigung unumstößlich wirksam.
Keine leichte Entscheidung: Die Wahl zwischen Aufhebungsvertrag und Kündigung hängt von Ihrer individuellen Situation ab. Ein Aufhebungsvertrag gibt finanzielle Planungssicherheit und möglicherweise eine höhere Abfindung sofort, birgt aber Risiken (Sperrzeit, Verzicht auf Klagerechte). Die Kündigung schützt vor einigen Nachteilen des Aufhebungsvertrags (keine Sperre beim ALG, längere Beschäftigung), bedeutet aber unter Umständen eine geringere Abfindung und erfordert aktives Tätigwerden (Klage einreichen, neue Stelle suchen). Im Zweifel sollten Sie professionellen Rat einholen, bevor Sie entscheiden – insbesondere wenn Sie zur Unterschrift gedrängt werden. Im nächsten Abschnitt betrachten wir die typischen Fallstricke der beiden Optionen.
Fallstricke beim Aufhebungsvertrag
Ein Aufhebungsvertrag mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen – schließlich wird eine Abfindung geboten und man trennt sich „einvernehmlich“ vom Arbeitgeber. Doch Vorsicht: Dieses Einvernehmen hat seinen Preis. Hier sind die häufigsten Risiken und Fehlerquellen, auf die betroffene Arbeitnehmer achten sollten:
- Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Wenn Sie von sich aus das Arbeitsverhältnis per Aufhebungsvertrag beenden, stuft die Agentur für Arbeit dies in der Regel als freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes ein. Die Folge: Eine Sperrzeit von 12 Wochen beim Arbeitslosengeld I. Das heißt, Ihr Anspruch auf ALG ruht für fast drei Monate. Zwar beeinflusst die Abfindungszahlung an sich nicht die Höhe oder Dauer des Arbeitslosengeldes, solange die Beendigung aus betrieblichen Gründen erfolgt. Aber: Unterschreiben Sie ohne wichtigen Grund (z.B. eine drohende Kündigung zu demselben Datum), kann die Arbeitsagentur eine Sperrzeit verhängen. Zudem problematisch: Endet das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag früher, als es bei einer Kündigung geendet hätte, ordnet die Arbeitsagentur meist zusätzlich ein Ruhen des ALG-Anspruchs bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist an. Mit anderen Worten beziehen Sie dann erst später Arbeitslosengeld, weil die Abfindung eine vorzeitige Beendigung „erkauft“ hat. Diese Aspekte sollten unbedingt vor Unterzeichnung bedacht werden.
- Kein Widerrufsrecht – endgültige Wirkung: Ein häufiger Irrtum ist, man könne einen Aufhebungsvertrag nach Unterschrift innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Das stimmt nicht – einen Aufhebungsvertrag kann man grundsätzlich nicht widerrufen. Haben Sie erst einmal unterschrieben, ist der Vertrag bindend. Eine Lösung vom Aufhebungsvertrag ist im Nachhinein nahezu unmöglich. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen lässt sich ein bereits geschlossener Aufhebungsvertrag anfechten, etwa wenn er unter arglistiger Täuschung oder unzulässigem Druck zustande kam. Die Hürden dafür sind jedoch sehr hoch. Tipp: Unterschreiben Sie nie vorschnell einen Aufhebungsvertrag, ohne ihn gründlich geprüft zu haben – idealerweise durch einen erfahrenen Anwalt. Ist die Unterschrift erst mal trocken, gibt es in der Regel kein Zurück mehr.
- Verzicht auf Kündigungsschutzklage: Mit dem Aufhebungsvertrag verzichten Sie freiwillig auf den gesetzlichen Kündigungsschutz. Das bedeutet: Es wird gar keine Kündigung ausgesprochen, folglich können Sie auch keine Kündigungsschutzklage erheben, um die Rechtmäßigkeit der Beendigung prüfen zu lassen. Mögliche Ansatzpunkte, die bei einer Kündigung zu Ihren Gunsten geprüft werden könnten – z.B. Fehler bei der Betriebsratsanhörung, Formfehler in der Kündigung oder Versäumnisse bei der Massenentlassungsanzeige – bleiben ungenutzt, weil Sie das Arbeitsverhältnis ja einvernehmlich beenden. Dafür erhalten Sie zwar eine Abfindung, aber Sie sollten sehr genau hinsehen, ob diese Abfindung angemessen ist. Die Abfindungshöhe ist Verhandlungssache – kein Gesetz garantiert eine bestimmte Summe. Lassen Sie sich nicht von einer ersten Zahl blenden. In vielen Fällen kann nachverhandelt werden, gerade wenn Sie eine starke Verhandlungsposition haben (z.B. langjährige Betriebszugehörigkeit oder besondere Unentbehrlichkeit). Faustregel: Nichts ungeprüft unterschreiben! Holen Sie im Zweifel eine zweite Meinung ein.
- Weitere Punkte im Aufhebungsvertrag: Achten Sie darauf, dass alle wichtigen Aspekte im Vertrag geregelt sind. Dazu gehören z.B. ein wohlwollendes Arbeitszeugnis, die Abgeltung offener Urlaubsansprüche und Überstunden, eventuelle Freistellungen bis zum Beendigungstermin und die Abfindungskonditionen (Zahlungszeitpunkt, Höhe, ggf. Bonusregelungen). Klären Sie, ob eine Transfergesellschaft Teil des Angebots ist und ob Sie dafür ebenfalls etwas unterschreiben müssen. Prüfen Sie auch, ob der Vertrag Klauseln enthält, die Ihnen Pflichten auferlegen (z.B. Wettbewerbsverbote oder Verschwiegenheit). Solche Klauseln sollten individuell bewertet werden – ein Fachanwalt kann Ihnen sagen, ob etwas „branchenüblich“ oder nachteilig ist. Fehler oder Unklarheiten im Aufhebungsvertrag gehen später meist zu Lasten des Arbeitnehmers, daher: Vertrag vor Unterschrift juristisch prüfen lassen!
Kündigung erhalten: Rechte, Pflichten und Fallen
Entscheiden Sie sich gegen den Aufhebungsvertrag oder kommt keine Einigung zustande, wird Bosch aller Voraussicht nach eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Auch hierbei gibt es für Arbeitnehmer einiges zu beachten, um keine Fehler zu machen und ihre Rechte zu wahren:
- Kündigungsschutz gilt – aber Gründe sind gegeben: In einem Betrieb der Größe von Bosch Power Tools greift das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das bedeutet, eine Kündigung braucht einen sozial gerechtfertigten Grund. Bei einer vollständigen Betriebsstilllegung ist dieser Grund in der Regel gegeben, denn die Arbeitsplätze fallen dauerhaft weg. Vorübergehende Auftragsflauten würden nicht ausreichen, aber eine echte strukturelle Entscheidung wie hier (Schließung und Produktionsverlagerung ins Ausland) rechtfertigt betriebsbedingte Kündigungen. Wichtig: Normalerweise müsste der Arbeitgeber eine Prüfung von Alternativen vornehmen (z.B. Versetzung auf andere Stellen) und – wenn nicht alle Arbeitnehmer gekündigt werden – eine Sozialauswahl nach bestimmten Kriterien durchführen. Da jedoch in Leinfelden alle Mitarbeiter entlassen werden, entfällt die Sozialauswahl in diesem speziellen Fall. Dennoch genießen Sie vollen Kündigungsschutz nach KSchG – jede Kündigung muss formal korrekt sein und z.B. die gültige Kündigungsfrist einhalten. Fehler bei Form (Schriftform, Originalunterschrift) oder Frist können eine Kündigung unwirksam machen, auch wenn der Kündigungsgrund an sich vorliegt.
- Besonderer Kündigungsschutz: Bestimmte Personengruppen sind auch bei einer Betriebsstilllegung besonders geschützt. Dazu zählen u.a. Schwerbehinderte, Schwangere, Mütter und Väter in Elternzeit sowie Betriebsratsmitglieder. Diese Mitarbeiter kann der Arbeitgeber – selbst wenn der Betrieb vollständig schließt – nur unter strengen Voraussetzungen kündigen. Beispielsweise benötigt die Kündigung eines Schwerbehinderten vorher die Zustimmung des Integrationsamts, andernfalls ist sie unwirksam. Bei Schwangeren und Müttern bis zum Ende der Elternzeit ist eine Kündigung grundsätzlich verboten; nur in absoluten Ausnahmefällen kann die oberste Landesbehörde eine Zustimmung erteilen (§ 17 MuSchG). Betriebsratsmitglieder sind durch § 15 KSchG besonders geschützt und dürfen nur in sehr engen Ausnahmefällen gekündigt werden. Fazit: Gehören Sie zu einer dieser Gruppen, stehen die Chancen sehr gut, sich erfolgreich gegen eine Kündigung zu wehren – eine Kündigung wäre oft unwirksam. In einem solchen Fall sollten Sie sofort rechtlichen Rat suchen, da hier besonders hohe Anforderungen an den Arbeitgeber gelten und ein Fachanwalt Ihre Anspruchsposition erheblich stärken kann.
- Verfahren und Formalien – Augen auf: Jede Kündigung im Arbeitsrecht muss bestimmten Formalien genügen. Dazu gehört insbesondere die Betriebsratsanhörung vor jeder einzelnen Kündigung. Kein Mitarbeiter darf gekündigt werden, ohne dass zuvor der Betriebsrat mit Angabe der Gründe angehört wurde (§ 102 BetrVG). Der Betriebsrat kann eine Kündigung zwar nicht verhindern, aber die Anhörung ist Pflicht – unterbleibt sie oder wird der Betriebsrat nicht korrekt informiert, ist die Kündigung rechtlich unwirksam. In der Praxis holen Arbeitgeber diese Anhörung meist ein; trotzdem sollten Sie darauf achten, dass in Ihrem Kündigungsschreiben ein Vermerk steht, dass der Betriebsrat angehört wurde (oft mit Datum der Anhörung). Fehlt ein solcher Hinweis völlig, könnte das ein Indiz für einen Verfahrensfehler sein. Weiterhin muss Bosch bei einer Entlassungswelle von 500 Mitarbeitern die Massenentlassung vorab der Agentur für Arbeit anzeigen (§ 17 KSchG) – geschieht das nicht oder fehlerhaft, wären die Kündigungen ebenfalls unwirksam. Diese Anzeige soll sicherstellen, dass die Arbeitsagentur frühzeitig eingebunden ist (etwa für Unterstützung bei der Stellensuche oder Förderung einer Transfergesellschaft). Als Arbeitnehmer können Sie diese Dinge nicht immer selbst überprüfen, aber ein Anwalt weiß, welche Stellen er hinterfragen muss.
- Klagefrist – nicht verpassen!: Erhalten Sie eine Kündigung, heißt es schnell handeln. Sie haben nur 3 Wochen Zeit ab Zugang der Kündigung, um Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Wird diese dreiwöchige Frist versäumt, gilt die Kündigung automatisch als wirksam – selbst, wenn sie eigentlich rechtswidrig oder sozial ungerechtfertigt wäre. Viele Arbeitnehmer kennen diese strikte Ausschlussfrist nicht oder hoffen zunächst auf eine gütliche Einigung – und verlieren dadurch ihre Chance, noch etwas gegen die Kündigung zu unternehmen. Typischer Fehler: aus Passivität die Frist verstreichen lassen. Ist die Frist abgelaufen, gibt es nahezu kein Zurück mehr (§ 7 KSchG erklärt die Kündigung dann als „von Anfang an rechtswirksam“). Lassen Sie also keine Zeit verstreichen! Melden Sie sich am besten umgehend bei einem Fachanwalt, sobald Ihnen die Kündigung zugegangen ist. Dieser kann prüfen, ob die Kündigung angreifbar ist, und fristgerecht Klage einreichen. Denken Sie daran: Die Klage kann später immer noch zurückgenommen werden, falls sich doch eine einvernehmliche Lösung ergibt – aber nach Ablauf der 3 Wochen haben Sie keine Verhandlungsposition mehr.
- Kündigungsschutzklage – was bringt das? Viele Betroffene fragen sich, was eine Klage in einer solchen Situation überhaupt bringen kann – der Arbeitsplatz fällt ja objektiv weg. Zwar zielt die Kündigungsschutzklage formal darauf ab, den Arbeitsplatz zu erhalten (Weiterbeschäftigung). In der Praxis enden Prozesse bei vollständigen Betriebsschließungen jedoch häufig mit einem Vergleich: Das Arbeitsverhältnis wird nicht fortgesetzt, sondern man einigt sich auf eine Abfindungszahlung. Für die Arbeitgeberseite geht es dabei um Risikominimierung – sie wird eher bereit sein, eine höhere Abfindung zu zahlen, um einen ungewissen Prozess abzukürzen. Jede Unwirksamkeitschance Ihrer Kündigung erhöht Ihren Druck in den Verhandlungen. So kann es gelingen, über den Sozialplan hinaus eine verbesserte Abfindung herauszuholen. Als Orientierungswert wird oft 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr angesetzt (die bekannte Faustformel). Doch das ist keineswegs verbindlich – je nach Einzelfall und Verhandlungsposition sind auch höhere Zahlungen drin. Beispiel: Wenn der Arbeitgeber Verfahrensfehler begangen hat (fehlende Anhörung, falsche Fristen etc.), wäre Ihre Klage voraussichtlich erfolgreich; um das zu vermeiden, könnte Bosch Ihnen im Vergleich deutlich mehr bieten als ursprünglich im Sozialplan vorgesehen. Wichtig: Ein Gericht spricht von sich aus keine Abfindung zu – es sei denn, § 1a KSchG (Abfindungsangebot im Kündigungsschreiben) käme zur Anwendung, was hier aber nicht bekannt ist. Die Abfindung entsteht meist durch Verhandlung. Mit anwaltlicher Hilfe können Sie diese Verhandlungen professionell führen. In vielen Fällen lohnt sich der Weg zum Gericht finanziell – auch wenn der Job selbst nicht zu retten ist.
- Sozialplan und Transfergesellschaft: Bei einer Werksschließung dieses Ausmaßes gibt es fast immer einen Sozialplan. Tatsächlich wurde auch hier gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart. Ein Sozialplan legt fest, welche finanziellen Leistungen die Mitarbeiter zum Ausgleich erhalten – insbesondere Abfindungen nach einer bestimmten Formel. Er kann außerdem Maßnahmen wie Überbrückungszahlungen, Fortbildungen, Outplacement-Beratung oder die Einrichtung einer Transfergesellschaft vorsehen. Im vorliegenden Fall ist eine Transfergesellschaft Teil des Pakets. Diese ermöglicht es, für einen gewissen Zeitraum (häufig 12 Monate) unter Fortzahlung eines Großteils des bisherigen Gehalts in eine Art Auffanggesellschaft zu wechseln. Dort erhalten Sie Unterstützung bei der Qualifizierung und Stellensuche, während das ursprüngliche Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Wichtig: Der Sozialplan ersetzt nicht den individuellen Kündigungsschutz. Sie können trotz Sozialplan eine Kündigungsschutzklage erheben, wenn Sie glauben, dass Ihre Kündigung unwirksam war oder wenn Sie eine höhere Abfindung erstreiten möchten. Der Sozialplan sichert Ihnen eine Mindestabfindung und gewisse Leistungen zu, schließt aber individuell bessere Lösungen nicht aus. Beachten Sie: Durch die fehlende Betriebsvereinbarung bei Bosch gibt es keine sogenannte Namensliste mit „gesetztlichen“ Kündigungen – d.h. Ihre Kündigung ist nicht quasi vorab immun gegen Klagen. Sie können also verhandeln. Insgesamt bietet der Sozialplan einen Sicherheitsnetzboden, aber keine Decke nach oben: mit guter Verhandlung (oder Klagedruck) ist oft mehr drin. Informieren Sie sich bei Ihrem Betriebsrat über die konkreten Sozialplan-Leistungen (Formel, eventuelle Boni, Transfer-Konditionen) und scheuen Sie sich nicht, parallel dazu einen Anwalt einzuschalten. Beide können Ihnen helfen, das Optimum herauszuholen.
Wichtige Fristen und To-dos für Betroffene
Abschließend die wichtigsten Schritte, die Sie als betroffener Mitarbeiter von Bosch Power Tools jetzt beachten sollten. So stellen Sie sicher, dass Sie keine Rechte verlieren und alle Optionen wahren:
- Abfindungsangebot prüfen und Frist nutzen: Bosch will den Mitarbeitern in Leinfelden Mitte November 2025 ein schriftliches Angebot mit Abfindung vorlegen. Ab diesem Zeitpunkt haben Sie vier Wochen Zeit, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Unser Rat: Nutzen Sie diese Bedenkzeit voll aus. Unterschreiben Sie nicht übereilt, sondern lassen Sie das Angebot prüfen – am besten von einem Fachanwalt. Sie sollten Klarheit haben, ob die angebotene Abfindung fair ist und welche Konsequenzen (z.B. Sperrzeit) eine Unterschrift hätte. Lassen Sie die Frist jedoch nicht einfach verstreichen, ohne eine Entscheidung zu treffen: Wenn Sie bis Ablauf der vier Wochen nicht unterzeichnet haben, gilt das Angebot als abgelehnt und es droht die Kündigung zu den schlechteren Konditionen. Planen Sie also die Beratungsgespräche so ein, dass Sie innerhalb der Frist entscheiden können.
- Schnell bei der Agentur melden: Sobald feststeht, dass Ihr Arbeitsplatz bei Bosch endet – spätestens, wenn Sie die Kündigung erhalten oder einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben – müssen Sie sich innerhalb von 3 Tagen bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Diese gesetzliche Meldepflicht (nach § 38 SGB III) gilt, damit die Arbeitsagentur frühzeitig bei der Stellensuche helfen kann. Sie können die Meldung telefonisch, online oder persönlich vornehmen. Wichtig: Verpassen Sie die 3-Tage-Frist, droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld – die Agentur sanktioniert die verspätete Meldung in der Regel mit einer Woche Leistungsentzug. Melden Sie sich also lieber früher als später arbeitssuchend. Hinweis: Diese Pflicht besteht zusätzlich zur späteren Arbeitslosmeldung.
- Spätestens am ersten Tag ohne Job arbeitslos melden: Neben der frühzeitigen Arbeitssuchend-Meldung ist es erforderlich, sich persönlich arbeitslos zu melden, und zwar spätestens am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit. Das heißt, sobald Ihr Arbeitsverhältnis tatsächlich endet (etwa am 31.12.2026 oder einem anderen Datum), müssen Sie an diesem Tag oder wenige Tage vorher zur Agentur für Arbeit und sich arbeitslos melden, falls Sie bis dahin keine neue Stelle haben. Auch das ist Voraussetzung, um nahtlos Arbeitslosengeld I beziehen zu können. Diese Meldung kann nicht telefonisch oder online erfolgen – hier ist der persönliche Gang (mit Ausweis) nötig. Planen Sie also rechtzeitig einen Termin ein.
- Klagefrist von 3 Wochen beachten: Wie oben erläutert, haben Sie nur drei Wochen Zeit nach Zugang einer Kündigung, um eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Notieren Sie sich das Fristende (21 Kalendertage ab Erhalt des Kündigungsschreibens) am besten sofort. Wenn Sie sich entschieden haben, gegen die Kündigung vorzugehen, sollten Sie umgehend einen Anwalt beauftragen, der die Klage einreicht. Versäumen Sie diese Frist nicht – andernfalls wird die Kündigung rechtsbeständig, und Sie verlieren jede Chance, noch Ansprüche (Weiterbeschäftigung oder Abfindung) geltend zu machen.
Frühzeitig beraten lassen!
Die geplanten Werksschließungen bei Bosch Power Tools stellen die Belegschaft vor schwierige Entscheidungen. Jeder Fall ist individuell – je nach persönlicher Situation (Alter, Betriebszugehörigkeit, Kündigungsschutzstatus, Alternativjob in Aussicht oder nicht) kann die beste Vorgehensweise unterschiedlich sein. Treffen Sie diese Entscheidungen nicht vorschnell oder alleine. Ein Gespräch mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen helfen, Ihre Rechtsposition realistisch einzuschätzen und taktisch klug vorzugehe. Der Anwalt kann den angebotenen Aufhebungsvertrag prüfen, Ihnen aufzeigen, welche Ansprüche Ihnen nach Sozialplan zustehen, und gegebenenfalls in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber eine Verbesserung erzielen. Ebenso kann er im Kündigungsfall zügig die notwendigen Schritte (z.B. Klageeinreichung) einleiten und Formfehler oder Versäumnisse des Arbeitgebers erkennen, die Ihnen nutzen.
Zögern Sie nicht, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen – idealerweise vor Unterschrift unter irgendetwas oder sofort nach Erhalt einer Kündigung. In dieser heiklen Phase gilt es, Fehler zu vermeiden, die im Nachhinein nicht korrigierbar sind. Fachanwalt Dr. jur. Jens Usebach, LL.M. in Köln steht Ihnen hierbei zur Seite. Er ist auf Kündigungsschutz und Aufhebungsverträge spezialisiert und kennt die rechtlichen sowie strategischen Herausforderungen solcher Massenentlassungen. Eine frühe Beratung stellt sicher, dass Ihre Rechte gewahrt bleiben, Sie keine Fristen versäumen und Sie das bestmögliche Ergebnis – sei es eine höhere Abfindung, eine Verlängerung der Beschäftigung oder andere Vorteile – für sich erzielen. Letztlich geht es darum, in einer unsicheren Situation das Optimum für Sie herauszuholen und finanziell wie beruflich bestmöglich abgesichert in die Zukunft zu gehen. Nutzen Sie die Hilfsangebote (Betriebsrat, Transfergesellschaft, Anwalt) aktiv – so sind Sie den Herausforderungen, die die Schließung von Leinfelden und Sebnitz mit sich bringt, nicht schutzlos ausgeliefert.
Ihr gutes Recht: Als Arbeitnehmer haben Sie gerade in dieser Situation mehr Rechte, als man auf den ersten Blick denkt. Informieren Sie sich, handeln Sie rechtzeitig – und holen Sie sich Unterstützung. So stellen Sie sicher, dass Sie am Ende mit der für Sie optimalen Lösung dastehen, trotz der unvermeidbaren Werksschließung.
Rechtstipp: Unterschreiben Sie keine Aufhebungsverträge ungeprüft und akzeptieren Sie keine Kündigung kampflos, bevor Sie sich beraten lassen. Die Erfahrung zeigt, dass durch kluges Vorgehen häufig deutlich bessere Konditionen erreicht werden können, als ursprünglich angeboten wurden. Im Zweifel gilt: Rechtzeitig Rat einholen und nichts überstürzen!