Sonderurlaub bei Todesfall eines nahen Angehörigen

14. Oktober 2025 -

Gesetzliche Grundlage: § 616 BGB (vorübergehende Verhinderung)

Nach deutschem Arbeitsrecht müssen Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen, wenn sie vorübergehend und unverschuldet aus persönlichen Gründen verhindert sind. Diese Regelung ergibt sich aus § 616 BGB. Darin heißt es sinngemäß, dass der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht verliert, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus einem in seiner Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Ein familiärer Todesfall – insbesondere der Tod eines engen Familienmitglieds – stellt einen solchen persönlichen Grund dar, der nicht vom Arbeitnehmer verschuldet ist. In der Praxis bedeutet dies: Stirbt ein naher Angehöriger, ist dem Arbeitnehmer das Erscheinen zur Arbeit in dieser Situation regelmäßig nicht zuzumuten, und er hat Anspruch auf bezahlte Freistellung für kurze Zeit.

Allerdings macht § 616 BGB keine genauen Vorgaben zur Dauer dieser bezahlten Freistellung. Die Formulierung „nicht erhebliche Zeit“ wird von Gerichten als kurzer Zeitraum ausgelegt. Die aktuelle Rechtsprechung – insbesondere die des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – geht davon aus, dass höchstens wenige Arbeitstage unter § 616 BGB als Sonderurlaub fallen. In der Regel sind das ein bis höchstens fünf Arbeitstage, je nach Umständen des Einzelfalls. Ist eine längere Auszeit nötig, greift § 616 BGB nicht mehr; der Arbeitnehmer müsste dann entweder regulären Urlaub nehmen oder mit dem Arbeitgeber eine unbezahlte Freistellung vereinbaren.

Wichtig ist: § 616 BGB gewährt keinen zusätzlichen Urlaubsanspruch, sondern einen Anspruch auf Fortzahlung des Lohns bei einer kurzfristigen Verhinderung. Die gesetzlichen Vorgaben sprechen zwar nicht ausdrücklich von „Sonderurlaub“, aber in der Praxis wird die bezahlte Freistellung in solchen Fällen als Sonderurlaub bezeichnet.

Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen

§ 616 BGB ist dispositiv, das heißt, Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge können die gesetzlichen Bestimmungen konkretisieren, erweitern oder auch ausschließen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten also zuerst in den eigenen Arbeitsvertrag oder einen geltenden Tarifvertrag schauen. Häufig finden sich dort Sonderurlaubsregelungen, die genau festlegen, in welchen Fällen und wie lange bezahlter Sonderurlaub gewährt wird.

Beispielsweise enthält § 29 TVöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) eine detaillierte Auflistung von Anlässen für Sonderurlaub. Für den Todesfall naher Angehöriger sieht der TVöD zwei Arbeitstage bezahlten Sonderurlaub vor – konkret beim Tod des Ehegatten, Lebenspartners, eines Kindes oder eines Elternteils. Andere Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gestalten ähnliche Ansprüche, teils mit kleinen Abweichungen in der Dauer. Diese tariflichen Regelungen dienen auch außerhalb des Tarifbereichs oft als Orientierung, was als angemessener Sonderurlaub gilt.

Arbeitgeber können im Arbeitsvertrag den Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub beschränken oder sogar vollständig ausschließen, soweit kein Tarifvertrag entgegensteht. Eine solche Klausel ist rechtlich zulässig, solange keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften verletzt werden. Ist der Anspruch nach § 616 BGB vertraglich ausgeschlossen, bedeutet dies: Kein Anspruch auf bezahlte Freistellung im Todesfall. Dennoch bleibt in Extremsituationen das allgemeine Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB als Auffanglösung – der Arbeitnehmer kann dann die Arbeit verweigern, wenn ihm das Arbeiten objektiv unzumutbar ist. In der Praxis wird in einem solchen Fall häufig eine unbezahlte Freistellung oder die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub vereinbart, damit der Arbeitnehmer der Trauer nachgehen und organisatorische Aufgaben (Beerdigung etc.) erledigen kann.

Naher Angehöriger: Welche Todesfälle sind abgedeckt?

Der Anspruch auf Sonderurlaub bei Todesfall besteht nur bei bestimmten nahestehenden Personen, gemeinhin „nahen Angehörigen“ genannt. Das Gesetz selbst definiert diesen Begriff nicht abschließend, aber Rechtsprechung und Praxis haben einen klaren Rahmen abgesteckt. Naher Angehöriger ist in erster Linie die engste Familie des Arbeitnehmers. Dazu zählen insbesondere:

  • Ehegatte oder Lebenspartner (auch eingetragene Lebenspartnerschaft oder vergleichbare Lebensgemeinschaft),
  • Eigene Kinder – leibliche, adoptierte, Pflege- oder Stiefkinder,
  • Eltern (Mutter und Vater) des Arbeitnehmers,
  • Geschwister (Bruder oder Schwester).

Beim Tod einer dieser Personen wird in der Regel Sonderurlaub gewährt. Der Gesetzgeber und die Gerichte betrachten es als selbstverständlich, dass in solchen Fällen die Anwesenheit des Arbeitnehmers bei der Trauer und der Beerdigung gesellschaftlich erwartet wird, sodass ein Fernbleiben von der Arbeit aus moralischen Gründen geboten ist.

Nicht automatisch erfasst sind dagegen entferntere Verwandte oder angeheiratete Verwandte. Beispielsweise begründet der Tod von Großeltern, Schwiegereltern, Onkel, Tante, Cousine oder Cousin in der Regel keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub. Diese Personen gelten als Verwandte zweiten Grades oder entfernter, für die arbeitsrechtlich kein zwingender Freistellungsanspruch besteht. Dennoch können Arbeitgeber hier kulant sein und freiwillig Sonderurlaub gewähren. In besonderen Konstellationen – etwa wenn die Großeltern die Erziehung übernommen haben oder die Schwiegermutter im selben Haushalt gelebt hat – mag ein Todesfall auch dieser Personen ausnahmsweise wie ein persönlicher Grund im Sinne des § 616 BGB behandelt werden. Generell gilt aber: je entfernter das Verwandtschaftsverhältnis, desto weniger eindeutig besteht ein Anspruch. Im Zweifel sollte das Gespräch mit dem Arbeitgeber gesucht werden, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Dauer des Sonderurlaubs je nach Verwandtschaftsgrad

Die Dauer des bezahlten Sonderurlaubs bei einem Todesfall ist gesetzlich nicht festgeschrieben und hängt vom Einzelfall ab. Üblich sind jedoch ein bis drei Arbeitstage Sonderurlaub bei Todesfällen in der nahen Familie. Nach verbreiteter Praxis erhalten Arbeitnehmer meist zwei Tage frei, nämlich den Tag der Beerdigung (oder der Trauerfeier) und oft auch den Todestag bzw. den unmittelbar darauf folgenden Arbeitstag.

Der genaue Umfang kann vom Verwandtschaftsgrad und den Lebensumständen abhängen. So wird bei besonders engen Angehörigen tendenziell mehr Sonderurlaub gewährt. Ein Beispiel: Verstirbt der Ehepartner oder Lebensgefährte, sind in vielen Fällen zwei bis drei Tage Sonderurlaub angemessen. Einige arbeitsrechtliche Leitfäden nennen hier bis zu drei Arbeitstage, da neben der eigentlichen Beerdigung häufig weitere dringende Angelegenheiten zu regeln sind. Verstirbt ein anderer naher Angehöriger, der im gemeinsamen Haushalt mit dem Arbeitnehmer lebte (z. B. ein Elternteil, das im selben Haus wohnte), werden oft zwei Tage zugestanden. Kommt es zum Tod eines nahen Familienmitglieds, das nicht im Haushalt des Arbeitnehmers lebte (etwa ein außerhalb wohnendes erwachsenes Kind oder Geschwister), ist in der Regel ein Tag Sonderurlaub vorgesehen.

Diese Staffelung ist keine starre gesetzliche Vorschrift, sondern ergibt sich aus üblicher Handhabung und einzelvertraglichen Vereinbarungen. So differenziert das Gesetz nicht ausdrücklich nach Verwandtschaftsgrad, aber Tarifverträge oder betriebliche Regelungen können hier konkret werden. Der TVöD macht zum Beispiel keine Unterschiede zwischen verschiedenen nahen Angehörigen und gewährt für jeden dort genannten Fall zwei Tage Sonderurlaub. In anderen Unternehmen gilt möglicherweise eine interne Richtlinie (z. B. „bei Tod von Eltern, Kindern, Ehegatten: 2 Tage; bei Geschwistern: 1 Tag“ usw.). Arbeitnehmer sollten daher immer prüfen, ob im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung genaue Tage festgelegt sind.

Wichtig zu beachten: Die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne von § 616 BGB wird durch die Rechtsprechung begrenzt. Nach geltender Auffassung umfasst der bezahlte Freistellungsanspruch maximal etwa fünf Arbeitstage – in Ausnahmefällen, wenn z. B. weite Anreisen oder besondere Umstände vorliegen. Benötigt ein Arbeitnehmer mehr Zeit zur Trauerbewältigung oder für die Abwicklung von Formalitäten, besteht kein automatischer Vergütungsanspruch mehr für diese zusätzlichen Fehltage. Hier muss im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber entweder Erholungsurlaub oder unbezahlter Urlaub in Anspruch genommen werden. Viele Arbeitgeber zeigen sich aber insbesondere bei Schicksalsschlägen kulant und ermöglichen über die Pflicht hinaus einige zusätzliche freie Tage, um das Betriebsklima positiv zu beeinflussen.

Voraussetzungen und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Damit ein Anspruch auf Sonderurlaub bei Todesfall greift, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Nach § 616 BGB sind dies im Wesentlichen drei Punkte:

  1. Persönlicher Verhinderungsgrund: Der Grund der Abwesenheit muss in der Person des Arbeitnehmers liegen – ein Todesfall in der engsten Familie erfüllt dieses Kriterium eindeutig. Es handelt sich um ein privates Ereignis von solcher Bedeutung, dass es die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht.
  2. Kein Verschulden des Arbeitnehmers: Die Verhinderung darf nicht vom Arbeitnehmer selbst verschuldet sein. Bei einem Todesfall ist das selbstverständlich gegeben – der Arbeitnehmer hat an dem tragischen Ereignis keine Verantwortung.
  3. Kurze Dauer (Verhältnismäßigkeit): Die Abwesenheit muss gemessen an der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses geringfügig sein. Wie oben dargelegt, geht es um wenige Tage. Solch ein kurzer Zeitraum wird als verhältnismäßig angesehen, um die unmittelbar notwendigen Angelegenheiten (Trauerfeier organisieren, Beerdigung, Behördengänge) zu erledigen.

Sind diese Bedingungen erfüllt, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf bezahlte Freistellung. Der Arbeitnehmer sollte unverzüglich den Arbeitgeber informieren, sobald er vom Todesfall erfährt und absehen kann, dass er deshalb nicht zur Arbeit kommen kann. In der Praxis wird ein formloser Antrag gestellt – mündlich oder schriftlich teilt der Arbeitnehmer mit, welcher Angehörige verstorben ist und wann die Beerdigung stattfindet. Häufig wird unter Bezug auf § 616 BGB um Freistellung an bestimmten Tagen gebeten. Arbeitgeber sind gut beraten, solchen Anfragen zügig und mit Verständnis zu entsprechen.

Der Arbeitgeber darf einen Nachweis für den Anlass verlangen. Es ist üblich und zulässig, dass der Arbeitgeber z. B. die Vorlage einer Sterbeurkunde oder eines anderen Belegs fordert. Hintergrund sind leider auch Missbrauchsfälle, in denen Arbeitnehmer fälschlich einen Trauerfall vortäuschten, um Sonderurlaub zu erhalten. Der Arbeitnehmer ist in der Beweispflicht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen – im Falle des § 616 BGB also insbesondere den Tod eines nahen Angehörigen. Die Sterbeurkunde ist hierfür das einfachste und überzeugendste Mittel. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen, da personenbezogene Daten Verstorbener nicht unter die DSGVO fallen und die Vorlage im Einklang mit dem sogenannten „Beibringungsgrundsatz“ der ZPO zulässig ist. Sollte der Arbeitnehmer den Todesfall anderweitig glaubhaft machen können (etwa durch Vorlage einer Traueranzeige oder eines Schreibens des Bestattungsinstituts), muss die Sterbeurkunde nicht zwingend verlangt werden. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber einen verlässlichen Nachweis erhält.

Für Arbeitnehmer wichtig: Nicht eigenmächtig der Arbeit fernbleiben! Wenn der Arbeitgeber die Freistellung (zunächst) verweigert oder zögert, darf der Arbeitnehmer nicht einfach ohne Zustimmung der Arbeit fernbleiben. Ein solches Vorgehen könnte als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In einer solchen Situation sollte man das Gespräch suchen und notfalls rechtlichen Rat einholen. Meist lässt sich aber eine Lösung finden, da Arbeitgeber in Todesfall-Situationen erfahrungsgemäß Verständnis zeigen.

Aktuelle Rechtsprechung zum Sonderurlaub bei Todesfall

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte – allen voran die des BAG – hat den Rahmen für Sonderurlaub aus persönlichen Gründen mitgestaltet. Eine zentrale Aussage des Bundesarbeitsgerichts ist, dass § 616 BGB nur kurze Abwesenheitszeiten abdeckt. „Ein paar Tage“ Sonderurlaub gelten als angemessen; alles darüber hinaus fällt nicht mehr unter den bezahlten Freistellungsanspruch. So hat das BAG in verschiedenen Entscheidungen durchblicken lassen, dass maximal fünf Arbeitstage im äußersten Fall als Obergrenze anzusehen sind. Dieses Verständnis spiegelt sich auch in vielen Ratgebern und Kommentierungen wider.

Einzelfallentscheidungen des BAG haben zudem bestimmte Anlässe als berechtigten Grund für Sonderurlaub bestätigt. Zwar gibt es kein neues höchstrichterliches Urteil, das spezifisch die Tagezahl bei Todesfällen festlegt – die Gerichte betrachten hier stets den konkreten Fall und die Umstände. Aber es ist unbestritten, dass der Tod naher Familienmitglieder (Eltern, Ehegatte, Kind etc.) einen wichtigen persönlichen Grund im Sinne des § 616 BGB darstellt. Das BAG hat beispielsweise schon in älteren Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass auch persönliche Ereignisse wie die eigene Hochzeit oder die Hochzeit nächster Angehöriger einen Tag Sonderurlaub rechtfertigen können (so bei der goldenen Hochzeit der Eltern: BAG-Urteil von 1973). Im Vergleich dazu wiegt ein Trauerfall mindestens ebenso schwer – hier wird regelmäßig mindestens der Tag der Beerdigung als freier Tag zugestanden.

Aktuellere Entscheidungen beschäftigen sich oft mit der Frage, inwieweit Arbeitgeber den Sonderurlaub ausschließen oder konditionieren dürfen. Dabei hat das BAG klargestellt, dass eine vertragliche Abbedingung von § 616 BGB grundsätzlich zulässig ist. Arbeitgeber können also per Arbeitsvertrag vereinbaren, dass kein bezahlter Sonderurlaub gewährt wird – dann muss der Arbeitnehmer im Todesfall entweder Urlaub nehmen oder auf unbezahlt frei hoffen. Allerdings bleibt auch in solchen Fällen das billige Ermessen des Arbeitgebers gefragt (§ 315 BGB) und die allgemeine Fürsorgepflicht. In der Praxis wird ein völliger Ausschluss selten rigoros durchgezogen, da dies der Personalsituation und Motivation abträglich sein kann. Neuere Urteile betonen zudem, dass bei Fehlen ausdrücklicher Regelungen gerichtliche Maßstäbe herangezogen werden: Was als üblich und zumutbar gilt (z. B. 1–2 Tage bei Todesfall eines Elternteils), wird dann herangezogen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Arbeitnehmer müssen bei einem familiären Todesfall nicht gegen jede Vernunft zur Arbeit erscheinen. Sie haben nach deutschem Arbeitsrecht in den meisten Fällen einen Anspruch auf einige Tage bezahlte Freistellung, sofern es sich um einen nahen Angehörigen handelt und keine entgegenstehende Vereinbarung existiert. Arbeitgeber wiederum sind angehalten, diese Rechtslage zu beachten und in derartigen Ausnahmesituationen mit Menschlichkeit und Flexibilität zu reagieren – nicht zuletzt, weil eine großzügige Handhabung bei Trauerfällen auch dem Betriebsklima und der Loyalität der Mitarbeiter zugutekommt. Letztlich sollten beide Seiten das Gespräch suchen und gemeinsam eine praktikable Lösung finden, damit der Arbeitnehmer die nötige Zeit für Trauer und organisatorische Pflichten erhält, ohne dass der Arbeitsplatz unnötig gefährdet wird.