Kündigung wegen Krankheit: Diese drei Hürden müssen Arbeitgeber überwinden

03. November 2025 -

Häufig glauben Arbeitnehmer, dass sie während einer Krankheit unkündbar seien. Doch das ist ein Irrtum: Eine Kündigung aufgrund von Krankheit ist grundsätzlich möglich. Krankgeschriebene Arbeitnehmer genießen – anders als z.B. Schwangere oder Eltern in Elternzeit – keinen besonderen Kündigungsschutz. Ein Chef muss also nicht warten, bis der Mitarbeiter wieder gesund ist; eine Kündigung kann dem Arbeitnehmer sogar „an das Krankenbett“ zugestellt werden. Allerdings dürfen Arbeitgeber nicht leichtfertig kündigen, nur weil jemand oft krank ist. Im deutschen Kündigungsschutzrecht gelten strenge Maßstäbe, damit Arbeitnehmer nicht willkürlich ihren Arbeitsplatz verlieren.

Ein Blick auf die Praxis zeigt, wann das Thema brisant wird. Lange oder häufige Ausfallzeiten können den Betriebsablauf erheblich stören und teuer werden. Aktuell sorgt etwa ein Fall bei Amazon für Aufsehen: Ein Mitarbeiter fehlte innerhalb von drei Jahren 243 Tage krankheitsbedingt – Amazon kündigte ihm, nun streiten die Parteien vor Gericht. Solche Fälle werfen die Frage auf: Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn Krankheitszeiten Überhand nehmen? Die Antwort lautet: Ja, aber nur unter strengen Voraussetzungen. Allein eine hohe Zahl an Fehltagen genügt nicht. Arbeitgeber müssen drei Hürden überwinden, damit eine krankheitsbedingte Kündigung rechtmäßig und sozial gerechtfertigt ist.

Gesetzliche Voraussetzungen: Die drei Hürden für eine Kündigung wegen Krankheit

Eine Kündigung aus Krankheitsgründen zählt zu den personenbedingten Kündigungen – der Grund liegt also in der Person bzw. dem Gesundheitszustand des Mitarbeiters, nicht in einem Fehlverhalten. Daher ist in solchen Fällen keine Abmahnung als Vorwarnung erforderlich: Niemand kann willentlich verhindern, krank zu werden. (Eine Abmahnung wäre ohnehin wirkungslos, weil kein steuerbares Fehlverhalten vorliegt. Achtung: Sollte jedoch der Verdacht eines Krankheitsmissbrauchs bestehen – etwa vorgetäuschte Krankheit –, ist das ein anderes Thema. In solchen Fällen droht wegen Vertrauensbruch sogar eine fristlose Kündigung, da das Vortäuschen einer Krankheit als schweres Fehlverhalten gilt.)

Greift der allgemeine Kündigungsschutz (d.h. der Betrieb beschäftigt mehr als 10 Mitarbeiter und das Arbeitsverhältnis besteht länger als 6 Monate), muss jede Kündigung „sozial gerechtfertigt“ sein (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die Arbeitsgerichte – allen voran das Bundesarbeitsgericht (BAG) – haben für Krankheitsfälle ein Prüfschema in drei Stufen entwickelt. Diese drei Voraussetzungen (oder „Hürden“) müssen kumulativ erfüllt sein, damit eine Kündigung wegen Krankheit vor Gericht Bestand hat:

  1. Negative Gesundheitsprognose: Zum Zeitpunkt der Kündigung muss aus Sicht des Arbeitgebers eine anhaltende Erkrankungsneigung zu erwarten sein. Es bedarf objektiver Anhaltspunkte, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft in erheblichem Umfang krankheitsbedingt fehlen wird. Wichtig: Die Kündigung darf keine Bestrafung für vergangene Fehlzeiten sein, sondern muss auf die Zukunft gerichtet sein. Fehlen belastbare Hinweise auf weitere Krankheiten, ist die Prognose positiv – dann scheidet eine Kündigung aus. Einmalige oder ausgeheilte Erkrankungen (z.B. ein komplizierter Beinbruch) dürfen nicht negativ in die Zukunft hochgerechnet werden. Umgekehrt können häufige Kurzerkrankungen ein Indiz für künftige Ausfallzeiten sein. Faustregel: War ein Mitarbeiter über mehrere Jahre hinweg jeweils länger als 6 Wochen pro Jahr krank, lässt sich daraus meist eine negative Prognose ableiten. So wurde etwa bei Krankheitszeiten von jeweils über 6 Wochen in drei aufeinanderfolgenden Jahren eine Kündigung als erwägenswert angesehen. Starre Grenzwerte gibt es aber nicht – entscheidend sind immer der Einzelfall und die Art der Erkrankungen.
  2. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung: Die prognostizierten Fehlzeiten müssen den Betrieb erheblich belasten und zu spürbaren Störungen oder Kosten führen. Es reicht also nicht, dass der Mitarbeiter oft fehlt – seine Abwesenheit muss echte Probleme verursachen, die über normale Vertretungsschwierigkeiten hinausgehen. Beispiele: Hohe Lohnfortzahlungskosten können anfallen, wenn ein Mitarbeiter ständig kurz erkrankt – bei vielen Kurzerkrankungen beginnt die 6-Wochen-Frist der Entgeltfortzahlung immer wieder neu, was die Kosten für den Arbeitgeber in die Höhe treibt. Oder wichtige Projekte geraten durch dauernde Ausfälle ins Stocken, Kollegen müssen regelmäßig Mehrarbeit leisten oder es muss teurer Ersatz organisiert werden. Bei einer Langzeiterkrankung wiederum fehlt eine Fachkraft monatelang ununterbrochen, was zu Kapazitäts- und Qualitätsproblemen führen kann. Kurz gesagt: Die Betriebsabläufe dürfen durch die Erkrankungen auf Dauer nicht mehr zumutbar aufrechterhalten werden können. Konkrete Zeitgrenzen lassen sich schwer ziehen. Doch als Anhaltspunkt gilt: Spätestens wenn – wie oben erwähnt – über mehrere Jahre jeweils deutlich mehr als 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit anfielen, liegt meist eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung vor. Dann ist oft die Grenze des Zumutbaren erreicht, vor allem wenn diese Fehlzeiten immer wieder vom Arbeitgeber aufgefangen werden mussten und entsprechende Kosten oder Organisationsprobleme verursacht haben.
  3. Interessenabwägung: Schließlich ist eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen erforderlich. Dabei wird geprüft, ob dem Arbeitgeber die entstandenen Belastungen vielleicht doch noch zumutbar sind – oder ob sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegt. In diese Abwägung fließen sämtliche Umstände des Einzelfalls ein. Zugunsten des Arbeitnehmers sprechen z.B. eine sehr lange Betriebszugehörigkeit oder ein höheres Lebensalter – wer dem Betrieb viele Jahre treu gedient hat, genießt mehr Schutz als jemand, der erst kurz nach der Probezeit dauernd ausfällt. Auch die Ursachen der Erkrankungen spielen eine Rolle: Handelt es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit? Liegt sogar eine anerkannte Schwerbehinderung vor? In solchen Fällen ist besonders sorgfältig abzuwägen, denn diese Faktoren erhöhen das schützenswerte Interesse des Mitarbeiters am Erhalt seines Jobs. Zugunsten des Arbeitgebers darf hingegen berücksichtigt werden, wie gravierend die betrieblichen Störungen durch die Fehlzeiten sind und ob alle milderen Mittel ausgeschöpft wurden, um die Kündigung zu vermeiden. Hier greift das Ultima-Ratio-Prinzip: Die Kündigung ist nur zulässig, wenn kein anderes zumutbares Mittel mehr bleibt, um die Lage zu verbessern. Der Arbeitgeber muss also vorher prüfen, ob der Mitarbeiter z.B. auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann oder ob durch Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes (technische Hilfen, Anpassung der Arbeitszeit etc.) die Probleme lösbar sind. Erst wenn auch mit solchen Maßnahmen keine Besserung erreichbar ist, kommt die Kündigung als letztes Mittel in Betracht.

Nur wenn alle drei Voraussetzungen – negative Prognose, erhebliche Beeinträchtigung und überwiegendes Arbeitgeberinteresse – erfüllt sind, gilt eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit als sozial gerechtfertigt im Sinne des KSchG. Diese Hürde liegt in der Praxis sehr hoch. Pauschal lässt sich nie genau sagen, ab wann eine krankheitsbedingte Kündigung erlaubt ist; es kommt stets auf eine sorgfältige Betrachtung des Einzelfalls an. So können z.B. 40 Fehltage pro Jahr in einem Großbetrieb verkraftbar sein, während in einem kleinen Unternehmen schon 20 Fehltage kritisch werden können. Es hängt also vom Kontext ab. Entsprechend sollten Arbeitgeber im Zweifelsfall fachkundigen Rat einholen, bevor sie einen solchen Schritt planen. Für Arbeitnehmer bedeutet dies umgekehrt: Eine Kündigung wegen Krankheit ist zwar möglich, aber selten wirklich gerechtfertigt – die Anforderungen sind so streng, dass viele derartige Kündigungen vor Gericht scheitern.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Pflichtschritt vor der Kündigung

Bevor ein Arbeitgeber überhaupt an Kündigung denken darf, verlangt das Gesetz in vielen Fällen einen Versuch, das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Rede ist vom betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Seit 2004 sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, jedem Mitarbeiter ein BEM anzubieten, wenn dieser innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Dieses Verfahren dient dazu herauszufinden, warum es zu den Fehlzeiten kommt und welche Maßnahmen helfen könnten, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen oder weiteren Ausfällen vorzubeugen. Typischerweise wird in einem BEM-Gespräch gemeinsam mit dem Arbeitnehmer, dem Betriebsrat (falls vorhanden) und evt. der Schwerbehindertenvertretung beraten, welche Hilfen oder Anpassungen (z.B. technische Hilfsmittel, Veränderung des Arbeitsplatzes, Teilzeitarbeit, Umschulung etc.) dem betroffenen Mitarbeiter das Weiterarbeiten ermöglichen könnten.

Ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM soll zeigen, dass der Arbeitgeber alles Zumutbare unternommen hat, um die Kündigung zu vermeiden. Unterlässt der Arbeitgeber das BEM-Angebot, ist die Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam, erschwert aber deren Rechtfertigung erheblich. Die Gerichte werten ein fehlendes BEM nämlich als Verstoß gegen das Ultima-Ratio-Prinzip – der Arbeitgeber hat dann offenbar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um den Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Im Kündigungsschutzprozess steigt in diesem Fall die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers deutlich. Er muss dem Gericht detailliert darlegen, warum auch mit zumutbaren Hilfen oder Anpassungen (im Rahmen eines BEM oder durch die Rehabilitationsträger) keine Verbesserung zu erwarten war. Pauschale Behauptungen reichen dann nicht: Der Arbeitgeber muss z.B. konkret aufzeigen, weshalb keine leidensgerechte Weiterbeschäftigung möglich war und warum die Kündigung wirklich unumgänglich war. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, wird die Kündigung als unverhältnismäßig und unwirksam angesehen.

In der Praxis bedeutet das: Arbeitgeber tun gut daran, ein BEM rechtzeitig und ernsthaft durchzuführen – zum einen als Chance, möglicherweise eine Lösung für den Mitarbeiter zu finden, zum anderen um im Ernstfall die Kündigung überhaupt begründen zu können. Das BAG hat die Arbeitgeberpflichten in diesem Bereich jüngst weiter verschärft: Laut BAG-Urteil vom 18.11.2021 (Az.: 2 AZR 138/21) muss der Arbeitgeber sogar ein neues BEM einleiten, wenn innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines BEM erneut ein krankheitsbedingter Ausfall von über sechs Wochen auftritt. Die Pflicht zum BEM ist also kein einmaliger „Haken“, sondern kann bei wiederholter langer Erkrankung mehrfach erforderlich sein. – Für Arbeitnehmer ist wichtig zu wissen: Die Teilnahme am BEM ist freiwillig. Sie müssen ein BEM-Gespräch nicht akzeptieren. Allerdings ist es meist ratsam, daran teilzunehmen, wenn man seine Stelle behalten möchte. Im BEM wird nach Lösungen gesucht – lehnt der Mitarbeiter ohne Grund ab, spielt er dem Arbeitgeber eher in die Karten, da dieser dann vor Gericht einwenden kann, der Arbeitnehmer habe bei der Ursachenforschung nicht mitgewirkt.

Rechte der Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Kündigung

Auch wenn eine Kündigung wegen Krankheit grundsätzlich möglich ist, sind Beschäftigte nicht wehrlos der Situation ausgeliefert. Im Gegenteil: In der Praxis sind krankheitsbedingte Kündigungen relativ selten und meist unwirksam, weil Arbeitgeber die strengen Voraussetzungen oft nicht lückenlos nachweisen können. Als Arbeitnehmer sollte man seine Rechte kennen und im Ernstfall zügig handeln:

  • Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen: Erhält ein Arbeitnehmer eine Kündigung (gleich aus welchem Grund), muss er innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, sonst wird die Kündigung wirksam (§ 4 KSchG)! Diese kurze Frist ist extrem wichtig. Im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung stehen die Chancen einer Klage oft gut, denn vor Gericht muss der Arbeitgeber alle oben genannten Kriterien erfüllt haben – gelingt ihm das nicht, wird die Kündigung aufgehoben. Zögern Sie also nicht, bei einer Kündigung umgehend rechtlichen Rat einzuholen.
  • Kein Sonderkündigungsschutz bei Krankheit: Krankheit an sich bietet – wie erwähnt – keinen absoluten Kündigungsschutz. Viele Arbeitnehmer wiegen sich in falscher Sicherheit, wenn sie lange krank sind. Es gibt zwar besondere Schutzgesetze für z.B. Schwerbehinderte, Schwangere oder Mitarbeiter in Elternzeit, doch eine „normale“ Krankheit stellt keinen vergleichbaren Sonderfall dar. Aber: Sollte Ihre Krankheit eine Schwerbehinderung bedingen (Grad der Behinderung ≥ 50) oder Sie sind einem Schwerbehinderten gleichgestellt, genießen Sie besonderen Schutz – eine Kündigung bedarf dann der Zustimmung des Integrationsamts und ist ohne diese unwirksam. Gleiches gilt für werdende Mütter (hier braucht der Arbeitgeber die Zustimmung der Aufsichtsbehörde nach MuSchG) oder Eltern in Elternzeit (Zustimmung der Behörde nach BEEG).
  • Keine Pflicht zur Meldung oder Besuchsduldung während Krankheit: Als erkrankter Arbeitnehmer müssen Sie weder während der Krankschreibung für den Chef erreichbar sein noch persönlichen Besuch zuhause akzeptieren. Sie sind lediglich verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen und eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Darüber hinaus gehende Kontaktaufnahmen des Arbeitgebers können Sie höflich, aber bestimmt ablehnen. (Ausnahme: Im Rahmen eines BEM-Verfahrens dürfen natürlich Gespräche geführt werden – doch auch daran müssen Sie, wie gesagt, nur auf freiwilliger Basis teilnehmen.)
  • Abmahnung wegen Krankheit unzulässig: Lassen Sie sich nicht verunsichern, falls ein Arbeitgeber Ihnen wegen häufiger Fehlzeiten mit einer Abmahnung droht. Eine Abmahnung kann nur für steuerbares Fehlverhalten ausgesprochen werden, nicht für Gesundheitszustände. Kranksein ist kein Fehlverhalten – Sie können es nicht willentlich ändern. Entsprechend ist eine Abmahnung wegen Krankheit rechtlich gegenstandslos. (Anders sähe es nur aus, wenn man Ihnen einen Missbrauch unterstellt, z.B. „Blaumachen“ oder vortäuschen. Dann wäre es aber kein krankheitsbedingtes Problem mehr, sondern ein verhaltensbedingtes – mit der Möglichkeit einer Kündigung wegen Vertrauensbruch, siehe oben.)
  • Anspruch auf Zeugnis und ggf. Abfindung: Falls sich im Kündigungsschutzprozess abzeichnet, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird (etwa durch Vergleich), haben Arbeitnehmer oft die Möglichkeit, eine Abfindung auszuhandeln oder zumindest ein wohlwollendes Arbeitszeugnis zu erhalten. Fachanwälte für Arbeitsrecht können hierbei helfen, eine angemessene Lösung zu erzielen.

Handlungstipps für Arbeitgeber

Für Arbeitgeber bedeutet eine krankheitsbedingte Kündigung erheblichen Aufwand und Risiko. Nachfolgend einige Empfehlungen, worauf zu achten ist, damit eine solche Kündigung – wenn sie unvermeidbar erscheint – rechtssicher und fair abläuft:

  • Geduld und sorgfältige Prüfung: Kündigen Sie nicht vorschnell! Ein einzelnes krankheitsreiches Jahr genügt in der Regel nicht. Beobachten Sie die Entwicklung über einen längeren Zeitraum (mind. 2–3 Jahre bei häufigen Kurzerkrankungen). Nutzen Sie ggf. den Betriebsarzt oder medizinische Gutachten, um eine fundierte Prognose über die künftige Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Fragen Sie den Mitarbeiter im BEM-Gespräch oder in vertrauensvoller Runde, ob mit einer Besserung zu rechnen ist oder ob Anpassungen helfen könnten.
  • Dokumentation der Fehlzeiten und Auswirkungen: Führen Sie penibel Buch über die Krankheitszeiten und deren betriebliche Folgen. Vor Gericht tragen Sie die volle Darlegungs- und Beweislast, dass zum Kündigungszeitpunkt eine negative Prognose bestand und warum die betrieblichen Belastungen untragbar wurden. Dokumentieren Sie also Ausfalltage, Lohnfortzahlungskosten, eingesetzte Vertretungen, Produktionsausfälle etc. Nur mit konkreten Belegen können Sie später die Notwendigkeit der Kündigung untermauern.
  • BEM konsequent durchführen: Kommt ein Mitarbeiter innerhalb von 12 Monaten über 6 Wochen krankheitsbedingt abwesend, bieten Sie ihm unaufgefordert ein BEM an. Führen Sie dieses mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Offenheit durch. Protokollieren Sie das Angebot und gegebenenfalls die Ablehnung durch den Arbeitnehmer. Ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM zeigt, dass Sie alles Zumutbare versucht haben, um die Kündigung abzuwenden. Unterlassen Sie es, steht Ihnen dieser Trumpf vor Gericht nicht zur Verfügung – im Gegenteil, ein fehlendes BEM erhöht die Hürden für eine rechtmäßige Kündigung erheblich.
  • Ultima Ratio beachten – milderes Mittel vor Kündigung prüfen: Fragen Sie sich vor der Kündigung: Gibt es eine Alternative? Könnte der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden, der seiner gesundheitlichen Situation besser entspricht? Wären Anpassungen der Tätigkeit oder Arbeitszeit denkbar, um weitere Ausfälle zu vermeiden? Eine Kündigung muss wirklich letztes Mittel sein. Wenn irgendein milderes Mittel Erfolg verspricht, sollten Sie dies zumindest versucht oder ernsthaft geprüft haben – andernfalls wird Ihnen das im Prozess als unverhältnismäßig ausgelegt.
  • Beteiligungsrechte und Formalien einhalten: Beachten Sie die formellen Anforderungen. Bei einem bestehenden Betriebsrat ist dieser vor jeder Kündigung ordnungsgemäß anzuhören (§ 102 BetrVG), sonst ist die Kündigung unwirksam. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern muss vor der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt werden (§ 168 SGB IX). Ähnliche Sonderregeln gelten für Kündigungen während Schwangerschaft oder Elternzeit – hier braucht der Arbeitgeber behördliche Zulassungen. Halten Sie zudem die korrekten Kündigungsfristen ein. In der Regel wird eine krankheitsbedingte Kündigung ordentlich mit der vertraglichen oder gesetzlichen Frist ausgesprochen. Fristlos kündigen wegen Krankheit kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht – etwa wenn feststeht, dass der Mitarbeiter dauerhaft nie mehr arbeiten kann und selbst die kurze Wartezeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist dem Arbeitgeber unzumutbar ist. In der Praxis passiert das extrem selten.
  • Risiko eines Kündigungsschutzprozesses bedenken: Rechnen Sie praktisch immer damit, dass der gekündigte Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhebt – und das Ergebnis vor Gericht ist ungewiss. Die Arbeitsgerichte prüfen krankheitsbedingte Kündigungen äußerst streng. Wenn die Kündigung gekippt wird, müssen Sie den Mitarbeiter weiterbeschäftigen und rückwirkend Lohn nachzahlen für die Prozessdauer. Nicht selten enden solche Verfahren mit einem Vergleich, bei dem Sie eine Abfindung zahlen, um den Rechtsstreit zu beenden. Jeder Fehler – etwa ein ignoriertes BEM oder eine vorschnelle Kündigung ohne ausreichende Faktenbasis – kann für Sie teuer werden. Daher gilt: Lieber höchste Sorgfalt walten lassen und im Zweifel frühzeitig den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht einholen, bevor eine Kündigung wegen Krankheit ausgesprochen wird.

Eine Kündigung wegen Krankheit ist rechtlich möglich, aber nur als allerletztes Mittel und unter strikter Einhaltung mehrerer Voraussetzungen. Arbeitgeber müssen eine negative Gesundheitsprognose, schwerwiegende betriebliche Störungen und eine Interessenabwägung zugunsten der Kündigung überzeugend darlegen – was in der Praxis nur selten lückenlos gelingt. Arbeitnehmer sind also nicht schutzlos: Die Hürden für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung sind so hoch, dass sie vor Gericht häufig zu Fall gebracht werden können. Wichtig ist jedoch, dass sich gekündigte Arbeitnehmer schnell wehren (Klage binnen 3 Wochen) und ihre Rechte geltend machen. Umgekehrt sollten Arbeitgeber eine Kündigung aus Krankheitsgründen nur mit größter Umsicht und nach Ausschöpfung aller Alternativen aussprechen – andernfalls drohen Niederlagen vor Gericht und unnötige Kosten. Kurz gesagt: Krankheit schützt vor Kündigung nicht absolut, aber Kündigungen sind nur bei überwiegendem berechtigtem Interesse des Arbeitgebers und strenger Beachtung der Regeln zulässig.