Keine volle Bonuszahlung bei Elternzeit

24. November 2025 -

In dem am 2. Juli 2025 verkündeten Urteil (BAG – 10 AZR 119/24) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass Beschäftigte während einer Elternzeit keinen Anspruch auf die volle variable Vergütung (Bonus) haben, selbst wenn die vereinbarten Jahresziele erreicht oder übertroffen wurden. Im entschiedenen Fall ging es um eine langjährig beschäftigte Außendienst-Führungskraft im Versicherungsbereich, deren Team 2022 sogar 148 % des Produktionsziels erzielte. Trotzdem kürzte der Arbeitgeber der Klägerin aufgrund ihrer zwei Monate Elternzeit einen Teil der Bonizahlung (ca. 7.416 €), was diese gerichtlich anfocht. Das BAG bestätigte jedoch die Kürzungspflicht: Variable Vergütungsbestandteile stehen in einem synallagmatischen Entgelt-Gegengeschäft und folgen somit dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.

Fallhintergrund und Streitgegenstand

Der Kläger war als „Orga-Führungskraft“ im Außendienst tätig, zuständig für die Betreuung von etwa 20 Vertriebspartnern (ohne eigene Vermittlung). Im Arbeitsvertrag sowie einer anwendbaren Manteltarifregelung (§ 18 MTV) war keine feste Arbeitszeit vorgesehen, die Vergütung wurde vielmehr in einem gemeinsamen Zieleinkommen (60 % Fixum, 40 % Variable) festgelegt. Grundlage war eine Betriebsvereinbarung („GBV 2019“), wonach das Jahresziel mit Fixum und Prämie vergütet wird und ein Mindesteinkommen sowie eine Mindestabsicherung von 80 % des Zieleinkommens bei Zielverfehlung vorgesehen waren. Eine explizite Regelung zum anteiligen Ausscheiden oder Elternzeit fehlte in der aktuellen Vereinbarung – anders als in früheren Versionen.

Der Kläger beantragte ab Juli 2022 Elternzeit für insgesamt 62 Kalendertage. Für 2022 vereinbarten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Produktionsziel (Annual Premium Equivalent) von ca. 1,89 Mio. €. Tatsächlich erzielte sein Team 2,47 Mio. €, was einer Zielerreichung von 148,1 % entsprach. Die darauf fällige Produktionsprämie betrug rechnerisch € 43.062,74 brutto. Die Beklagte behielt jedoch von dieser Prämie € 7.416,36 ein und zahlte nur den verbleibenden Anteil aus. Der Kläger hielt dies für unzulässig und pochte auf den vollen Bonus – schließlich sei das Ziel voll erreicht worden und die Betriebsvereinbarung enthalte keine Kürzungsklausel für Elternzeit.

BAG-Entscheidung: “Ohne Arbeit kein Lohn” gilt uneingeschränkt

Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Es folgte der Arbeitgeberseite und bestätigte, dass die variable Vergütung Teil des synallagmatischen Entgelts ist. Damit gilt der arbeitsvertragliche Austausch von Leistung und Lohn uneingeschränkt – auch für Prämien. Konkret führt das Gericht aus, dass die Produktionsvergütung in dem Gehaltspaket enthalten ist und während der Elternzeit nicht geschuldet sei, weil das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ruht. Selbst wenn das Sollziel formal erreicht wird, entfällt für die Zeit der bezahlten Freistellung automatisch der Vergütungsanspruch. Hierauf beruht der seit langem geltende Grundsatz “ohne Arbeit kein Lohn” (§§ 611a, 326 BGB): Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gar nicht erbringen kann, verliert er grundsätzlich auch den Anspruch auf den Lohn dafür.

Dabei betonte der 10. Senat, dass es keiner ausdrücklichen Kürzungsklausel bedarf. Auch wenn in älteren Betriebsvereinbarungen solcher Passus enthalten waren, begründet sich der Vergütungsentfall bereits automatisch aus dem Gesetz (vgl. § 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB). Die aktuelle GBV 2019 hat bewusst keine spezielle Regel zum Elternzeitausfall mehr, aber dieses Schweigen legt nach Auffassung des Gerichts nahe, dass es keine abweichende Vergütungsabsicht gab. Für den Kläger bedeutet das: Fehlt wegen Elternzeit die Entgeltfortzahlungspflicht, kann er für diese Zeit keine Bonuszahlung verlangen. Selbst auf das sonst „vollständig“ erreichte Ziel wird nur der anteilige Teil vergütet, den er für die tatsächlich gearbeiteten Monate verdient hat.

Kernpunkte des Urteils

  • Synallagma von Leistung und Vergütung: Die variable Vergütung ist synallagmatisch ausgestaltet. Ruht das Arbeitsverhältnis (Elternzeit, Krankheit ohne Entgeltfortzahlung etc.), entfällt der Anspruch auf die entsprechende Entgeltkomponente.
  • No-pay-no-work-Prinzip: Auch leistungsbezogene Prämien unterliegen dem Prinzip „ohne Arbeit kein Lohn“. Das BAG stellt klar, dass betrieblich vereinbarte Zielprämien dies nicht grundsätzlich durchbrechen.
  • Kein Sonderfall durch Betriebsvereinbarung: Fehlt in der aktuellen Vergütungsvereinbarung eine ausdrückliche Kürzungsregelung, so ändert das nichts am gesetzlichen Grundsatz. Eine gesonderte Regelung war nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich.
  • Andere Fehlzeiten: Gleiches gilt für andere Zeiten ohne Entgelt (z.B. Langzeiterkrankung ohne Lohnfortzahlung). Das BAG entschied am gleichen Tag ebenfalls zu einem Krankheitsfall (10 AZR 193/24) nach demselben Grundsatz.

Für Arbeitgeber: Das Urteil bestätigt ausdrücklich, dass die anteilige Kürzung von Bonuszahlungen bei unterjährigen Ruhenszeiten rechtmäßig ist. Betriebsräte und Unternehmen können ihre Vergütungssysteme künftig im Licht dieser Entscheidung gestalten: Lückenlose Klarheit sollte durch klare Formulierungen in Zielvereinbarungen oder Betriebsvereinbarungen hergestellt werden. Wichtig ist nur, dass kein “versicherungsförmiger” Anspruch erweckt wird, wenn Beschäftigte zeitweise nicht leisten. Arbeitgeber dürfen sich darauf verlassen, dass sie – ohne Verstoß gegen Gleichbehandlungsrecht – nur die anteilig erbrachte Leistung vergüten. Steuerliche und lohnabrechnungstechnische Unsicherheit wird durch das Urteil verringert, da Boni bei Teilmonaten nun eindeutig nach Leistungserbringung zu behandeln sind.

Für Arbeitnehmer: Das Urteil schafft Klarheit über die Grenzen des Vergütungsanspruchs. Es bedeutet, dass Elternzeit (wie jede andere unbezahlte Freistellung) zu einem anteiligen Vergütungsverlust führt, auch wenn das Ziel überschritten wurde. Arbeitnehmer wissen nun, dass Anspruchsgrundlage für Bonuszahlungen ihre tatsächliche Arbeitsleistung ist. Wird ausnahmsweise eine Abmachung getroffen, die hiervon abweicht, muss diese ausdrücklich vereinbart sein. Ansonsten gilt der gesetzliche Grundsatz ungebrochen.

Tipps: Arbeitgeber sollten ihre Vergütungsregelungen dahingehend überprüfen und ggf. anpassen, dass sie klar den zeitanteiligen Entgeltanspruch festlegen. Für Betriebsräte empfiehlt es sich, etwaige Kürzungsfälle (Elternzeit, Sonderurlaub, unbezahlt freigestellte Zeiten) transparent zu regeln. Arbeitnehmer können sich darauf einstellen, dass Boni in analoger Weise behandelt werden wie andere Gehaltsbestandteile bei Fehlzeiten. Insgesamt stärkt das BAG-Urteil die Planbarkeit von Vergütungssystemen und unterstreicht, dass Arbeitserfolg nur vergütet wird, soweit tatsächlich Arbeit geleistet wurde.

Das BAG-Urteil vom 02.07.2025 bringt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine klare Rechtslage: Variable Vergütungen sind Teil des synallagmatischen Lohns. Ohne erbrachte Arbeitsleistung während des Bemessungszeitraums entfällt insoweit der Anspruch auf Bonusanteile. Damit können Arbeitgeber berechtigte Kürzungen vornehmen, und auch Arbeitnehmer wissen, dass die volle Bonuszahlung nur bei durchgängiger Zielarbeit fällig wird.