Mitfahrt im Firmenwagen auf Weisung – EuGH erklärt Fahrtzeit zur Arbeitszeit

24. November 2025 -

Laut einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 09.10.2025 (Az. C-110/24) sind Fahrzeiten von Arbeitnehmern im Fahrzeug des Arbeitgebers unter bestimmten Bedingungen als Arbeitszeit anzusehen. Konkret ging es um Mitarbeiter, die auf Weisung des Arbeitgebers gemeinsam von einem Stützpunkt zu wechselnden Einsatzorten fuhren. Bisher zählte diese Pendelzeit zum Einsatzort in vielen Fällen nicht zur vergüteten Arbeitszeit – das EuGH-Urteil stellt nun klar, dass solche auftragsbedingten Fahrten als Arbeitszeit gelten müssen. Im Folgenden beleuchten wir die Kernaussage des Urteils, den arbeitsrechtlichen Kontext sowie die praktischen Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Hintergrund: Wann zählt Reisezeit als Arbeitszeit?

Arbeitszeitbegriff nach EU-Recht: In der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und arbeitet. Wichtig: Die Richtlinie kennt nur zwei Zustände – Arbeitszeit oder Ruhezeit – Zwischenformen gibt es nicht. Das bedeutet, aus EU-Sicht ist eine Zeitspanne entweder voll als Arbeitszeit zu werten oder zählt komplett zur Ruhezeit. Nationale Sonderkategorien wie etwa Bereitschaftszeiten, bei denen die Arbeitsbelastung geringer ist, ändern daran nichts.

Deutsches Verständnis und EuGH-Rechtsprechung: In Deutschland wurde traditionell mit der sogenannten Belastungstheorie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gearbeitet. Vereinfacht gesagt wurden Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht voll gefordert war, als „relative Entspannung“ und nicht als volle Arbeitszeit betrachtet. Beispiel: Ruhige Bereitschaftsdienst-Zeiten oder passives Mitfahren galten nach alter Sichtweise nicht durchgängig als Arbeitszeit, da die Belastung geringer ist als bei der regulären Arbeit. Der EuGH hat dieses gestufte Verständnis jedoch bereits 2005 verworfen. Seitdem betont der EuGH: Entscheidend ist nicht das Ausmaß der Beanspruchung, sondern ob der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit an die Vorgaben des Arbeitgebers gebunden ist. Gibt es fremdbestimmte Vorgaben, die die freie Zeitnutzung verhindern, liegt Arbeitszeit vor – selbst wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit nur wartet oder mitfährt.

Frühere EuGH-Entscheidungen zu Reisezeiten: Das nun ergangene Urteil reiht sich in die bestehende EuGH-Rechtsprechung ein. Bereits 2015 hatte der EuGH (im sogenannten Tyco-Fall) entschieden, dass bei Arbeitnehmern ohne festen Arbeitsort sogar die Wege von der Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause als Arbeitszeit zählen. Begründung: Diese Fahrten gehören untrennbar zu den Aufgaben solcher Arbeitnehmer, die keinen Büroarbeitsplatz haben, sodass auch unterwegs bereits gearbeitet wird. Das heißt, wer keinen festen Arbeitsplatz hat und täglich zu wechselnden Einsatzorten fährt, befindet sich während der Fahrt im Dienst seines Arbeitgebers. Diese Linie setzt der EuGH nun konsequent fort.

EuGH-Urteil vom 09.10.2025: Mitfahrten auf Anweisung sind Arbeitszeit

In dem entschiedenen Fall aus Spanien mussten Mitarbeiter eines Naturschutz-Projekts täglich zu einem zentralen Stützpunkt fahren, um von dort gemeinsam im Firmenwagen mit Arbeitsmaterial zu den jeweiligen Einsatzorten zu gelangen. Die Arbeitgeberin legte Abfahrtszeit, Route, Fahrzeug und Fahrtdauer fest; nach Einsatzende wurden alle wieder zurück zum Stützpunkt gebracht. Bisher wurde nur die Hinfahrt zum Einsatzort als Arbeitszeit gezählt, nicht aber die Rückfahrt – letztere galt als „Freizeit“. Dagegen klagte die Gewerkschaft, da auch auf der Rücktour keine freie Verfügung über die Zeit bestand. Das vorlegende spanische Gericht fragte den EuGH, ob solche Fahrten zwischen Treffpunkt und Einsatzort insgesamt als Arbeitszeit im Sinne der EU-Richtlinie einzustufen sind.

Kernaussage des EuGH: Der EuGH stellte klar, dass die beschriebenen Fahrten als Arbeitszeit zu werten sind. Entscheidend waren folgende Überlegungen des Gerichts:

  • Vollständige Weisungsgebundenheit: Die Arbeitnehmer mussten auf Anordnung des Arbeitgebers zu einer bestimmten Uhrzeit am Stützpunkt sein und durften weder Route noch Fahrtzeit selbst bestimmen. Sie wurden gemeinsam im Firmenfahrzeug zu den Einsatzorten gebracht, ohne dabei über ihre Zeit frei verfügen zu können. In dieser Phase konnten sie keine privaten Tätigkeiten nachgehen – sie standen also bereits voll im Dienst des Arbeitgebers.
  • Untrennbarer Teil der beruflichen Aufgabe: Die Fahrt im Dienstfahrzeug war notwendig, um die arbeitsvertragliche Hauptleistung (Arbeit im jeweiligen Naturschutzgebiet) überhaupt erbringen zu können. Damit gehört die Reise untrennbar zur Tätigkeit dieser Beschäftigten. Das Fahren ist hier kein Privatvergnügen, sondern integraler Bestandteil des Jobs – quasi „arbeitende Fortbewegung“.
  • Organisiert durch den Arbeitgeber: Alle Modalitäten der Fahrt – vom Abfahrtsort über das Verkehrsmittel bis zum Zeitplan – wurden vom Arbeitgeber vorgegeben. Dadurch war die gesamte Reisezeit fremdbestimmt. Für die Mitarbeiter bestand faktisch Arbeitsbereitschaft, da sie jederzeit den Anweisungen (z.B. zu Fahrtunterbrechungen oder Routenänderungen) folgen mussten.

Auf Grundlage dieser Faktoren entschied der EuGH, dass sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt zwischen Stützpunkt und Einsatzort als Arbeitszeit einzustufen sind. Die Beschäftigten üben während dieser Zeit ihre Tätigkeit aus bzw. erfüllen eine Aufgabe im Interesse des Arbeitgebers – nämlich das Erreichen des wechselnden Arbeitsorts. Es liegen alle drei Kriterien des Arbeitszeitbegriffs vor (Arbeiten, Zur-Verfügung-Stehen, Aufgabenerfüllung).

Was ist nicht erfasst? Wichtig zu wissen: Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob der Weg vom Wohnort zum Stützpunkt (und zurück) als Arbeitszeit gilt. Hierzu hat sich der EuGH ausdrücklich nicht geäußert. Im Regelfall bleibt die normale Fahrt von Zuhause zur ersten Arbeitsstelle also Privatsache (Arbeitsweg) und damit Ruhezeit. Im vorliegenden Fall mussten die spanischen Arbeitnehmer zwar keinen festen Betriebssitz aufsuchen, aber der Stützpunkt diente als verabredeter Treffpunkt – die Strecke dorthin wurde wohl als gewöhnlicher Arbeitsweg betrachtet.

Kein Freibrief für alle Fahrten: Der EuGH hat betont, dass seine Entscheidung kontextspezifisch ist. Es handelt sich nicht um die Aussage, dass jede Reisezeit immer als Arbeitszeit gelten muss. Entscheidend sind die Umstände: Fehlt ein fester Arbeitsort und organisiert der Arbeitgeber die Fahrt vollständig, spricht alles für Arbeitszeit. Bei anderen Konstellationen (siehe unten „Grenzfälle“) könnte die Bewertung abweichen. Dennoch setzt das Urteil europaweit einen Maßstab, der vor allem mobilen Beschäftigten zugutekommt.

Praktische Hinweise für Arbeitnehmer

Was bedeutet dieses Urteil konkret für Beschäftigte? Arbeitnehmer sollten aus dem Fall wichtige Lehren ziehen:

  • Reisezeit ist Dienstzeit: Wenn Sie auf Anweisung Ihres Arbeitgebers zu einer Arbeitsstelle unterwegs sind, zählt diese Zeit nun als Arbeitszeit – auch wenn Sie „nur“ Beifahrer sind und im Auto keine aktive Tätigkeit verrichten. Entscheidend ist, dass Sie im Auftrag des Chefs unterwegs sind und nicht frei über diese Zeit verfügen können. Sie müssen also nicht befürchten, dass solche Fahrten als Freizeit gelten – rechtlich stehen Sie im Dienst.
  • Anspruch auf Zeiterfassung und Ausgleich: Achten Sie darauf, dass betrieblich organisierte Fahrzeiten korrekt im Arbeitszeitkonto erfasst werden. Diese Stunden sollten grundsätzlich wie normale Arbeitsstunden behandelt werden – entweder durch Entgeltzahlung oder Freizeitausgleich. Sollte Ihr Arbeitgeber solche Zeiten bislang ignorieren, können Sie ihn jetzt (notfalls mit Hinweis aufs EuGH-Urteil) zur Erfassung auffordern. Im Zweifel beziehen Sie den Betriebsrat mit ein, der auf die korrekte Behandlung der Arbeitszeit achten sollte.
  • Einhaltung der Höchstarbeitszeit: Denken Sie daran, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten auch inklusive Reisezeiten gelten. Beträgt beispielsweise die Fahrzeit zum Einsatzort und zurück insgesamt 4 Stunden, dürfen an dem Tag nicht noch einmal 8 volle Stunden Arbeit zusätzlich verlangt werden, da sonst die zulässige Tagesarbeitszeit überschritten wird. Die normale tägliche Grenze in Deutschland liegt bei 8 Stunden (ausnahmsweise 10 Stunden) – und Fahrten auf Weisung zählen jetzt mit. Sie haben das Recht, nach einer langen dienstlichen Fahrt nicht noch uneingeschränkt weiterarbeiten zu müssen. Sollte es doch einmal länger dauern (z.B. wegen Stau auf der Rückfahrt), beginnt Ihre Ruhezeit erst mit Ankunft am Stützpunkt, und es liegt allenfalls ein zulässiger Ausnahmefall vor, nicht Ihr Verschulden.
  • Nachträgliche Ansprüche prüfen: Wurden in der Vergangenheit regelmäßige Fahrzeiten im Firmenwagen nicht als Arbeitszeit anerkannt oder vergütet, könnte sich ein Blick in den Arbeitsvertrag und die Überstundenabrechnung lohnen. Möglicherweise haben Sie Anspruch auf Nachvergütung von Überstunden oder Reisezeiten. Beachten Sie jedoch etwaige Ausschlussfristen im Arbeits- oder Tarifvertrag – viele Ansprüche verfallen, wenn sie nicht binnen 3 Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Auch die allgemeine Verjährungsfrist (regelmäßig 3 Jahre) setzt Grenzen. Lassen Sie sich im Zweifel rechtlich beraten, bevor Sie alte Ansprüche anmelden.
  • Keine unbezahlte Extra-Arbeit akzeptieren: Durch das Urteil wird klar, dass „freiwillige“ unbezahlte Mitfahrten im Dienste des Arbeitgebers nicht mehr zeitgemäß sind. Sollte Ihr Arbeitgeber von Ihnen verlangen, früher loszufahren oder länger unterwegs zu sein, ohne dies als Arbeitszeit zu werten, können Sie höflich aber bestimmt auf die neue Rechtslage hinweisen. Insbesondere wenn durch die Fahrt Überstunden anfallen oder Ruhezeiten verkürzt würden, haben Sie das Recht, eine Anpassung (Entweder Arbeitszeitgutschrift oder Verkürzung der regulären Arbeitsdauer) zu verlangen.

Praktische Hinweise für Arbeitgeber

Auch Arbeitgeber sollten aus diesem Urteil wichtige Schlüsse ziehen, um Dienstreisen und Einsatzfahrten korrekt zu handhaben:

  • Dienstfahrten als Arbeitszeit einplanen: Ab sofort ist klar: Fahrten von einem vom Unternehmen festgelegten Treffpunkt zum Einsatzort (und zurück) gelten als Arbeitszeit. Planen Sie solche Einsatztage entsprechend. Das heißt, die gefahrene Zeit muss bei der Schichtlänge berücksichtigt werden. Stellen Sie sicher, dass tägliche Höchstarbeitszeiten (i.d.R. 8 Stunden, mit Verlängerung bis 10 Stunden unter Bedingungen) nicht überschritten werden, wenn man die Fahrzeit mitrechnet. Ggf. müssen Sie die eigentliche Arbeitsdauer vor Ort kürzen oder mehr Personal einplanen, um die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Wichtig ist auch, die 11-stündige Ruhezeit nach Feierabend einzuhalten – diese beginnt erst, wenn der Mitarbeiter vom Stützpunkt aus seinen Heimweg antreten kann. Verzögerungen (z.B. durch Stau) liegen in Ihrer Verantwortung und erfordern ggf. eine flexible Schichtplanung am Folgetag, um die Ruhezeit zu gewähren.
  • Interne Regelungen überprüfen: Schauen Sie in Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen und eventuelle Richtlinien Ihres Unternehmens. Gibt es dort Klauseln wie „Fahrzeit gilt nicht als Arbeitszeit“? Solche Regelungen sind nach der aktuellen Rechtslage nicht haltbar. Insbesondere Betriebsvereinbarungen dürfen die gesetzliche Definition von Arbeitszeit nicht unterlaufen – das wäre wegen § 77 Abs.3 BetrVG unwirksam. Passen Sie Verträge und Policies so an, dass sie mit dem EuGH-Urteil im Einklang stehen. Andernfalls riskieren Sie Rechtsstreitigkeiten und Unwirksamkeit solcher Klauseln. Im Zweifel sollten Formulierungen in Absprache mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht geändert werden. Ziel muss sein, klarzustellen, dass vorgeschriebene Fahrtzeiten als Teil der Arbeitszeit gelten.
  • Arbeitszeiterfassung und -konten: Wenn Ihr Betrieb noch keine lückenlose Arbeitszeiterfassung hat, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, dies einzuführen. Spätestens seit dem EuGH-Urteil zur Zeiterfassung (Sep. 2022) ist bekannt, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten systematisch erfassen müssen. Stellen Sie sicher, dass auch Reisezeiten, die unter Ihre Weisung fallen, im System verbucht werden – sei es manuell durch den Mitarbeiter oder automatisiert. Korrekte Zeitkonten schützen Sie letztlich selbst, denn sie helfen, Überstunden und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu vermeiden.
  • Vergütung von Reisezeiten klären: Das EuGH-Urteil betrifft streng genommen nur den arbeitszeitrechtlichen Aspekt (Gesundheitsschutz). Es regelt nicht direkt, ob diese Zeiten auch zu bezahlen sind. In Deutschland gilt jedoch: Was als Arbeitszeit gewertet wird, ist in der Regel auch zu vergüten. Insbesondere wenn die Fahrt zur Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers gehört (wie im EuGH-Fall), muss die Zeit bezahlt werden. Prüfen Sie, ob für Ihre Branche Tarifverträge existieren, die spezielle Vergütungsregelungen für Reisezeiten vorsehen – viele Tarifverträge kennen z.B. Reisekostenpauschalen oder Teilvergütungen. Außerhalb tariflicher Bindung können Sie mit Mitarbeitern individualvertragliche Lösungen vereinbaren. Dabei ist durchaus zulässig, Reisezeiten geringer zu vergüten oder mit Freizeit auszugleichen. Zwei Grenzen dürfen jedoch nicht verletzt werden: (1) Mindestlohn – im Durchschnitt aller gearbeiteten Stunden muss mindestens der gesetzliche Mindestlohn herauskommen. (2) Tarifvorrang – existiert ein einschlägiger Tarifvertrag, dürfen individualvertragliche Regelungen dem nicht widersprechen. Beachten Sie auch, dass Betriebsräte bei Vergütungsfragen eingeschränkt mitbestimmen können, da Entlohnung meist dem Tarifvorbehalt unterliegt.
  • Rückwirkende Forderungen managen: Seien Sie darauf vorbereitet, dass Mitarbeiter oder deren Vertreter nun eventuell Ansprüche für die Vergangenheit anmelden. Sollte Ihr Unternehmen in der Vergangenheit Mitfahr- oder Reisezeiten nicht als Arbeitszeit behandelt haben, könnten Nachforderungen auflaufen (z.B. Überstundenzuschläge oder Zeitgutschriften für zurückliegende Fahrten). Prüfen Sie in Ruhe, ob solche Ansprüche berechtigt sind. Gibt es Ausschlussfristen, die bereits abgelaufen sind? Dann sind ältere Ansprüche eventuell verfallen. Eine transparente Kommunikation kann helfen: Signalisieren Sie Ihren Beschäftigten, dass Sie die neue Rechtslage anerkennen und Lösungen finden wollen. Denkbar wäre z.B. ein freiwilliger Zeitausgleich oder eine Einmalzahlung für kürzlich geleistete, bislang unbezahlte Reisezeiten – dies kann das Betriebsklima entspannen. Holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein, bevor Sie pauschal alle Forderungen begleichen.
  • Grenzfälle und zukünftige Planung: Nicht jede denkbare Reisesituation ist durch das EuGH-Urteil abschließend geklärt. Der Spruch des EuGH bezieht sich vor allem auf Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort, die täglich von einem Treffpunkt aus losfahren müssen. Haben Sie hingegen Mitarbeiter mit festem Büro, die nur gelegentlich dienstlich verreisen, bleibt Raum für Interpretation. Beispiel: Ein Angestellter mit Büroarbeitsplatz fährt abends für eine Fortbildung mit dem Zug zu einem anderen Ort, ohne im Zug zu arbeiten. Ist das Arbeitszeit? Hier meinen einige Arbeitsrechtler, dass diese gelegentliche Reisezeit ohne Arbeitspflicht nicht automatisch Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist. Bis zur endgültigen Klärung sollten Sie solche Fälle vorsichtig handhaben. Vermeiden Sie es, Mitarbeiter durch späte Reisen und frühe Folgetermine übermäßig zu belasten. Praxis-Tipp: Planen Sie bei Dienstreisen Puffer ein, gewähren Sie ggf. am nächsten Morgen späteren Arbeitsbeginn oder zusätzlichen Freizeitausgleich. Unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung gilt: Wenn die Reise ausschließlich im Interesse des Betriebs erfolgt, sollte der Mitarbeiter dafür eine Vergütung erhalten – sei es in Form von Gehalt oder Spesen. Klare interne Regelungen (z.B. eine Reiserichtlinie) können Missverständnisse vorbeugen.

Dieses EuGH-Urteil ist ein deutliches Signal, dass dienstlich veranlasste Fahrzeiten nicht länger als „Grauzone“ gelten können, sondern dem Arbeitsschutz unterfallen. Arbeitnehmer profitieren davon, weil nun klar ist, dass auch passive Mitfahrt im Firmenwagen Arbeitszeit sein kann – ihre gesamte Einsatzzeit wird anerkannt. Arbeitgeber erhalten gleichzeitig Rechtssicherheit, um Arbeitszeiten besser zu planen: Fahrten im Auftrag sind Teil der Arbeitszeit und müssen entsprechend berücksichtigt werden. Beide Seiten sind gut beraten, diese Vorgaben einzuhalten und transparent umzusetzen. So wird gewährleistet, dass Dienstreisen nicht zum Konfliktherd werden, sondern fair und gesundheitsgerecht gestaltet sind – im Sinne einer modernen Arbeitswelt, in der Arbeitszeit mehr ist als nur die Zeit am Schreibtisch.