150 Strafanzeigen wegen der „taz“-Kolumne: „Abschaffung der Polizei. All cops are berufsunfähig.“ – Verfahren ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat 150 Strafanzeigen „taz“-Kolumne: „Abschaffung der Polizei. All cops are berufsunfähig.“ das Verfahren ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt

Aus der Pressemitteilung der GStA Berlin vom 25.09.2020 ergibt sich:

Aufgrund von über 150 Strafanzeigen hat die Staatsanwaltschaft Berlin geprüft, ob die am 15.06.2020 in der TAZ erschienen Kolumne „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“ den Anfangsverdacht einer Straftat begründet.

Die Prüfung hat im Ergebnis ergeben, dass ein solcher Anfangsverdacht nicht besteht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Verfahren deshalb ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt. 145 Personen, die Strafanzeigen in dieser Sache erstattet haben, sind die Gründe dieser Entscheidung im Einzelnen dargelegt worden, wobei dies im Fall von durch die Kolumne direkt angesprochenen und betroffenen Polizeibeamten mit besonderer Ausführlichkeit geschehen ist.

Es musste geklärt werden, ob die zweifellos „äußerst abschätzige Bewertung der deutschen Polizei bzw. deren Mitarbeiter“ in der Kolumne vom verfassungsrechtlich garantierten Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt und deshalb nicht strafbar ist oder ob sie die Grenze strafbaren Verhaltens überschreitet und die Tatbestände der Volksverhetzung oder der Kollektivbeleidigung erfüllt.

Das verfassungsrechtlich garantierte Recht der freien Meinungsäußerung gewährleistet grundsätzliche jedem, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Trotz ihrer „äußerst abschätzigen Bewertung“ sind die Ausführungen der Kolumne der Einstellungsentscheidung zufolge noch vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt.

Eine Meinungsäußerung wäre danach nur als strafbare Volksverhetzung zu bewerten, wenn nicht eine Auseinandersetzung in der Sache – sei es auch in satirischer Form – sondern alleine die Beleidigung und die Schmähung im Vordergrund stehen und die Meinungsäußerung deshalb als Angriff auf die Menschenwürde zu werten ist. Dabei ist entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, dass auch scharfe und überspitzte Formulierungen eine Äußerung noch nicht unzulässig machen. Vielmehr spricht gerade, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht, die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 7, 198 (212)).

Insofern ist die Kolumne als zugespitzter Beitrag im Kontext der aktuellen öffentlichen Diskussion zu „Polizeigewalt“ und Rassismus innerhalb der Polizei zu sehen. Eine strafrechtlich relevante Schmähung läge danach nur dann vor, wenn der Inhalt der Kolumne keinen „irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Personen als solcher geht.“ (BVerfG, Beschl. V. 19.05.20 – 1 BvR 2397/19).

Der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin zufolge ist das nicht der Fall. Vor dem Hintergrund der genannten aktuellen politischen und öffentlichen Diskussion zur Rolle von Polizei und Polizisten in der Gesellschaft hat die Autorin deshalb die Grenze der Strafbarkeit nicht überschritten.