Äußerungen im politischen Diskurs dürfen zugespitzt und plakativ sein

30. Mai 2020 -

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 21.04.2020 zum Aktenzeichen 31 O 220/19 entschieden, dass die Äußerungen eines Verbandes der Handwerkskammer auch in zugespitzter und plakativer Form vor dem Hintergrund der politischen Diskussion zulässig waren.

Aus der Pressemitteilung des LG Köln vom 29.05.2020 ergibt sich:

Eine soloselbständige Tischlerin wehrte sich gegen Äußerungen eines Verbandes der Handwerkskammern in einer Presseerklärung. Die Klägerin ist als reisende Tischlerin tätig und arbeitete bis vor kurzem als Kleinstunternehmerin, die wegen des geringen Umfangs ihrer Tätigkeit keine Umsatzsteuer zahlen musste. Der beklagte Verband vertritt die Interessen von über 50 Handwerkskammern und anderen Institutionen. Der Präsident des beklagten Verbandes gab Anfang 2019 eine Presseerklärung heraus, in der er sich für die Wiedereinführung der vor einigen Jahren abgeschafften Meisterpflicht für verschiedene Gewerke aussprach. Über die Wiedereinführung wurde im Dezember 2018 auch im Deutschen Bundestag und in der Öffentlichkeit diskutiert. Der Präsident des beklagten Verbandes setzte sich unter anderem in kritischer Weise mit den Soloselbständigen auseinander und seiner Befürchtung vor Wettbewerbsverzerrungen. Die Kleinstunternehmer könnten ihre Leistungen deutlich günstiger anbieten, weil sie sich sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Abgaben entzögen. Die Klägerin war der Meinung, diese Äußerungen setze auch sie als Soloselbstständige herab. Der Präsident des Verbandes habe dadurch auch der Klägerin unterstellt, sie handele unseriös, indem sie ebenfalls falsche Angaben über ihren Umsatz machen würde, um keine Umsatzsteuer bezahlen zu müssen. Sie verlangte von dem beklagten Verband die Unterlassung der Äußerungen, so wie sie in der Presseerklärung wiedergegeben worden sind, sowie die Gebühren ihrer vorhergehenden Abmahnung. Der Verband verteidigte die Äußerungen seines Präsidenten in der Presseerklärung. Die Klägerin sei nicht persönlich angegriffen worden. Presseerklärungen seien Teil der politischen Auseinandersetzung.

Das LG Köln hat entschieden, dass die Äußerungen des Verbandes die Klägerin nicht herabgesetzt hätten.

Nach Auffassung des Landgerichts ist der Präsident berechtigt gewesen, mit der Presseerklärung einen Beitrag zum politischen Diskurs zu leisten. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Herabsetzung der Klägerin habe die Presseerklärung in der erforderlichen Gesamtwürdigung gerade nicht enthalten. Dabei sei vor allem die Form der Äußerungen, der Anlass und der Zusammenhang, in dem sie erfolgt sind, maßgeblich. Außerdem müssten die betroffenen Grundrechtspositionen der Parteien Berücksichtigung finden. Der Verband könne sich insoweit auf das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG berufen. Für die Klägerin streite u.a. der Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.

Das Landgericht kam in der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung dazu, dass die so geäußerte Einschätzung des Präsidenten vor dem Hintergrund der politischen Diskussion um die Wiedereinführung der Meisterpflicht zu sehen sei und er sich deswegen auch plakativer und zugespitzter Formulierungen bedienen durfte. Die beanstandeten Äußerungen dürften zudem nicht isoliert, sondern müssten im Kontext der Presseerklärung und der politischen Diskussion gewertet werden. Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin liege nicht vor, weil sie in der Erklärung nicht persönlich angegriffen worden sei.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.