Angaben im Internetprofil des Arbeitnehmers zu Konkurrenztätigkeit können fristlose Kündigung zur Folge haben

17. Februar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 07.02.2017 zum Aktenzeichen 12 Sa 745/16 entschieden, dass die fehlerhafte Angabe im privaten XING-Profil eines Arbeitnehmers einer Steuerberaterkanzlei, dieser sei als „Freiberufler“ tätig, stellt ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch keine aktive Werbung für eine Konkurrenztätigkeit und damit noch keinen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Wettbewerbstätigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis dar.

Derartige weitere Umstände, die geeignet wären, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen, könnten jedoch darin gesehen werden, wenn der Arbeitnehmer unter der XING-Rubrik „Ich suche“ aktiv im bestehenden Arbeitsverhältnis freiberufliche Mandate in Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber akquiriert.

Ist der Name des derzeitigen Arbeitgebers und der – bereits vereinbarte – künftige Zeitpunkt der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses im XING-Profil zutreffend unter der Rubrik „Berufserfahrung“ angegeben, spricht dies bei der gebotenen Gesamtschau dafür, dass auch die Angabe einer „freien Mitarbeit“ unter der Rubrik „Ich biete“ nicht zwingend nahelegt, dass eine solche auch schon für den Zeitraum vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten wird.

Weil die Abgrenzung zwischen erlaubter Vorbereitung einer späteren Selbständigkeit und unerlaubter Konkurrenztätigkeit während des Arbeitsverhältnisses häufig fließend ist, kann bei Sachverhalten in diesem Grenzbereich regelmäßig auch nicht von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen werden.

Zwar ist ein Verstoß gegen das auch bereits ohne ausdrückliche vertragliche Regelung gemäß § 60 HGB gesetzlich bestehende Verbot, während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit zu entfalten, „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu begründen.

Während des Zeitraums des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses soll der Arbeitgeber vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf in Marktbereichen seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offen stehen.

Allerdings gilt dieses gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB nur exakt bis zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht demgegenüber kein gesetzliches Verbot der Konkurrenztätigkeit. Ein solches kann allenfalls vertraglich unter den Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB vereinbart werden.Sofern ein – für den Arbeitgeber durch die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung kostenpflichtiges – nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, bereits unmittelbar ab dem Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber zu betreiben. Da es dem Arbeitnehmer insofern regelmäßig ohne finanzielle Gegenleistung auch nicht zuzumuten ist, erst mit dem Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die neue Tätigkeit vorzubereiten und dann gegebenenfalls einen gewissen Zeitraum ohne Entgeltansprüche überbrücken zu müssen, ist es dem Arbeitnehmer regelmäßig bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses ohne Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB erlaubt, sogenannte Vorbereitungshandlungen vorzunehmen, um gegebenenfalls unmittelbar nach seinem Ausscheiden zu einem Konkurrenzunternehmen zu wechseln oder die Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen aufzunehmen. Verboten ist dem Arbeitnehmer insofern lediglich die Aufnahme einer aktiv werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht.

Allerdings stellt allein diese fehlerhafte Angabe im privaten XING-Profil des Klägers noch keinen Arbeitspflichtenverstoß in Form einer unzulässigen Konkurrenztätigkeit und keinen Verstoß gegen § 60 HGB dar. Eine solche unzulässige Konkurrenztätigkeit hätte man erst dann annehmen können, wenn der Kläger über sein XING-Profil aktiv eine konkurrierende Tätigkeit beworben und insofern gegebenenfalls sogar versucht hätte, Mandate der Beklagten noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abzuwerben. Ein derartiger Eindruck einer aktiven Abwerbetätigkeit entsteht nach der Verkehrsanschauung eines verständigen Betrachters aus dem unter dem 09.03.2016 abgerufenen XING-Profil des Klägers jedoch nicht. Vielmehr erweckt dieses XING-Profil eher – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – beim objektiven verständigen Betrachter den Eindruck, dass der Kläger seinerzeit, jedenfalls bis einschließlich März 2016, als Freiberufler bei der Beklagten beschäftigt sei. Die Tätigkeit für die Beklagte wird unter der Rubrik Berufserfahrung ausdrücklich und zutreffend angegeben als derzeit aktuelle Tätigkeit. Eine selbständige Tätigkeit für andere Auftraggeber ist insofern gerade nicht genannt. Auch verweist das XING-Profil des Klägers weiterhin auf die Website der Beklagten. Insofern wird eher Werbung für die Steuerberatungskanzlei der Beklagten gemacht als für eine eigene freiberufliche Steuerberatungstätigkeit des Klägers, für die kein entsprechender Web-Auftritt verlinkt ist.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine aktive Werbetätigkeit für eine Konkurrenztätigkeit gegebenenfalls darin hätte gesehen werden können, wenn der Kläger unter der Rubrik „Ich suche“ entsprechende Angaben gemacht hätte, beispielsweise dahingehend, dass er neue Mandate für freiberufliche Steuerberatungen sucht. Derartige Angaben hat der Kläger jedoch vorliegend gerade nicht gemacht. Er hat vielmehr unter der Rubrik „Ich suche“ überhaupt keine Angaben gemacht, so dass diese Rubrik in seinem Profil überhaupt nicht erscheint. Eine aktive Akquise freiberuflicher Mandate über die XING-Rubrik „Ich suche“, die ggf. als hinzutretender weiterer Umstand bei der gebotenen Gesamtschau geeignet sein könnte, im noch bestehenden Arbeitsverhältnis eine unzulässige Konkurrenztätigkeit und damit einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen, war insofern vorliegend gerade nicht gegeben (vgl. hierzu LG Kassel, Urteil vom 24.08.2011, 9 O 983/11, juris; im dortigen Sachverhalt wurde bei erfolgten Angaben unter der Rubrik „Ich suche“ im XING-Profil eines freien Handelsvertreters ein zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs geeigneter Verstoß gegen § 60 HGB angenommen).

Dass der Kläger seine beruflichen Tätigkeiten und Fähigkeiten unter der Rubrik „Ich biete“ angegeben hat, hat entgegen der Rechtsansicht der Beklagten auch keinen herangehobenen plakativen und werbenden Charakter, da diese Rubrik lediglich mit der von den Betreibern des Netzwerks XING vorgegebenen Wortwahl „Ich biete“ und nicht anders zur Verfügung gestellt wird. Auf die Wortwahl „Ich biete“ hat der Kläger mithin keinen Einfluss gehabt, er hätte einzig die Alternative in Betracht ziehen können, hier gar keine Angaben zu machen, was allerdings nach der Zweckrichtung des sozialen Netzwerks XING unüblich wäre.

Vorzuhalten ist dem Kläger in diesem Zusammenhang lediglich, dass er unter der Rubrik „Ich biete“ auch die „freie Mitarbeit“ angegeben hat, obwohl er eine solche frühestens für den Zeitraum ab April 2016 im Konkurrenzbereich der Beklagten anbieten durfte. Bei der vorzunehmenden Gesamtschau ergibt sich hieraus jedoch insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass unter der Rubrik „Berufserfahrung“ die Tätigkeit für die Beklagte zutreffend bis einschließlich 03/2016 angegeben wurde, bei einem Abruf des XING-Profils des Klägers im März 2016 noch nicht zwingend der Eindruck, dass der Kläger auch „sofort“, d. h. noch vor April 2016, für eine freie Mitarbeit in Konkurrenz zur Beklagten zur Verfügung stehen würde.

Weiter kann dem Kläger vorgehalten werden, dass er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine freiberufliche Tätigkeit als weitere spätere Tätigkeit erst mit einem Tätigkeitsbeginn „4/2016“ in seinem XING-Profil zu kennzeichnen. Die technische Möglichkeit hierzu hätte zwar grundsätzlich bestanden, allerdings erscheint dieser spätere Tätigkeitsbeginn nach den technischen Vorgaben des Betreibers der Plattform XING dann auch nicht zwingend deutlich an hervorgehobener Stelle im XING-Profil, so dass die grundsätzliche Gefahr eines irreführenden Eindrucks, der Kläger sei bereits derzeit als Freiberufler tätig, jedenfalls bei unvollständiger Betrachtung des XING-Profils auch dann weiterhin bestanden hätte.

Dass dem Kläger darüber hinaus ggf. vorgehalten werden kann, dass auch für die Zeit ab April 2016 die berufsrechtliche Zulässigkeit einer selbständige Erbringung von Steuerberater-Dienstleistungen vor Ablegung des Steuerberaterexamens und ohne Zulassung bei der Steuerberater-Kammer zu problematisieren wäre, ist jedenfalls nicht zur Begründung eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses geeignet. Denn bei dem – ggf. standesrechtlich unzulässigen – Anbieten selbständiger Steuerberater-Dienstleistungen ab April 2016 würde es sich jedenfalls um ein Fehlverhalten des Klägers erst nach Beendigung des hiesigen Arbeitsverhältnisses am 31.03.2016 handeln, das damit nicht mehr geeignet ist, kündigungsrelevant herangezogen zu werden.

Insgesamt reichte die fehlerhafte Angabe im XING-Profil des Klägers vorliegend nicht aus, einen zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung geeigneten wichtigen Grund zu begründen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das soziale Netzwerk XING zwar regelmäßig durchaus gerade für die Aufnahme beruflicher Kontakte verwendet wird, dies jedoch nicht sein einziger Zweck ist, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend herausgestellt hat. Zweck des sozialen Netzwerkes XING ist es, wie bei grundsätzlich jedem sozialen Netzwerk, u. a. auch Kontakte zu pflegen. Diese können auch im Netzwerk XING rein privater Natur sein, auch wenn die übliche Verwendung im Schwerpunkt beruflicher Kontakte liegt. Zweck eines XING-Profils ist es insbesondere, den eigenen beruflichen Werdegang darzustellen. Dies hat der Kläger im März 2016 fehlerhaft getan, indem er sich zu früh als Freiberufler dargestellt hat in Vorwegnahme einer Entwicklung, die er erst ab dem darauffolgenden Monat vornehmen konnte. Allein diese fehlerhafte Angabe auf dem privaten XING-Profil stellt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände jedoch noch keinen wichtigen Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung dar.

Ob die Beklagte während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls einen Berichtigungsanspruch hinsichtlich der fehlerhaften Angabe im XING-Profil des Klägers diesem gegenüber gehabt hätte, kann mangels Entscheidungserheblichkeit im hiesigen Kündigungsschutzverfahren ausdrücklich dahinstehen.