Anreicherung von Bio-Drinks mit Calcium durch Zusatz von Algen

29. April 2021 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 29.04.2021 zum Aktenzeichen C-815/19 entschieden, dass das Unionsrecht den Zusatz der Alge Lithothamnium calcareum bei der Verarbeitung ökologischer/biologischer Lebensmittel wie ökologischen/biologischen Reis- und Sojagetränken zu deren Anreicherung mit Calcium untersagt.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 69/2021 vom 29.04.2021 ergibt sich:

Das deutsche Unternehmen Natumi stellt Soja- und Reisgetränke her. Es setzt diesen die Kalkrotalge Lithothamnium calcareum in Form eines Pulvers zu, das aus den gereinigten, gemahlenen und getrockneten Sedimenten dieser abgestorbenen Alge gewonnen wird. Diese Seealge besteht überwiegend aus Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat. Natumi vertreibt ihr Getränk „Soja-Drink-Calcium“ mit einer „Bio“-Kennzeichnung und folgenden Hinweisen: „Calcium“, „mit kalziumreicher Seealge“ sowie „mit hochwertigem Calcium aus der Seealge Lithothamnium“.
Das Land Nordrhein-Westfalen leitete gegen Natumi ein Bußgeldverfahren ein, da die Verwendung von Calciumcarbonat als Mineralstoff für die Anreicherung von Bioprodukten mit Calcium unzulässig sei, und zwar auch dann, wenn die Anreicherung durch den Zusatz von Algen bewirkt werde. Darüber hinaus sei es unzulässig, solche Erzeugnisse mit calciumbezogenen Hinweisen zu versehen.
Natumi räumt ein, dass die Verwendung von Calciumcarbonat zur Anreicherung ökologischer/biologischer Erzeugnisse mit Calcium verboten sei. Gerade deshalb setzten viele Hersteller ökologischer/biologischer Soja-, Reis und Getreidegetränke ihren Erzeugnissen die Alge Lithothamnium calcareum zu, die von Natur aus einen hohen Calciumgehalt aufweise. Diese Alge stelle eine natürliche Alternative zu Calcium dar, deren Verwendung zur Anreicherung ökologischer/biologischer Lebensmittel erlaubt sein müsse.
Das BVerwG ersucht den Gerichtshof um Auslegung des einschlägigen Unionsrechts (Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1584 der Kommission vom 22. Oktober 2018 (ABl. 2018, L 264, S. 1) geänderten Fassung).

Der EuGH stellt fest, dass das Unionsrecht der Verwendung eines aus den gereinigten, getrockneten und gemahlenen Sedimenten der Alge Lithothamnium calcareum gewonnenen Pulvers als nichtökologische/nichtbiologische Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs bei der Verarbeitung ökologischer/biologischer Lebensmittel wie ökologischen/biologischen Reis- und Sojagetränken zu deren Anreicherung mit Calcium entgegensteht.

Die Verwendung einer nichtökologischen/nichtbiologischen Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs in ökologischen/biologischen Lebensmitteln ist nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, u. a., dass ohne diese Zutat diese Lebensmittel nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden können oder ernährungsspezifische Anforderungen, die aufgrund des Unionsrechts festgelegt wurden, nicht eingehalten werden können. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Kriterien hinsichtlich des in Rede stehenden Pulvers erfüllt sind.

Das Unionsrecht enthält zudem strenge Vorschriften für den Zusatz von Mineralstoffen wie Calcium bei der Herstellung ökologischer/biologischer Lebensmittel. Es schließt grundsätzlich die Verwendung von Calciumcarbonat zur Anreicherung von Erzeugnissen mit Calcium aus, so dass der Zusatz von Calcium bei der Verarbeitung ökologischer/biologischer Lebensmittel wie den in Rede stehenden Reis- und Sojagetränken allein zu deren Anreicherung mit Calcium untersagt ist. Die Zulassung des fraglichen Pulvers als nichtökologische/nichtbiologische Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs bei der Verarbeitung ökologischer/biologischer Lebensmittel zu deren Anreicherung mit Calcium liefe daher darauf hinaus, dass die Hersteller dieser Lebensmittel dieses Verbot umgehen dürften.