Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nicht nur Tatsachenvortrag, sondern auch Rechtsauffassungen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 03. Mai 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 1176/20 entschieden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör Rechtsauffassungen und Tatsachenvortrag umfasst.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Überraschungsentscheidung durch das Berufungsgericht in einem Rechtsstreit über eine Insolvenzanfechtung geltend.

Soweit die Beschwerdeführerin den Beschluss des Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge angreift, spricht zwar einiges für dessen Unvereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 1 GG, aber dieser Beschluss entfaltet keine eigenständige Beschwer.

Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern, und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Das Gericht ist zwar grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet. Es kann aber im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte.

Ausweislich der Begründung des Beschlusses scheint das Oberlandesgericht dagegen davon auszugehen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör keine Rechtsauffassungen umfasst, sondern alleine Tatsachenvortrag ermöglichen will. Auf die im Schriftsatz erhobene Rüge der Beschwerdeführerin, sie hätte bei einem rechtzeitigen Hinweis bezüglich einer wegen § 131 InsO anfechtbaren Rechtshandlung ergänzend tatsächlich und rechtlich weiter vorgetragen, geht das Oberlandesgericht nicht ein. Es stellt lediglich fest, es fehle an Vortrag, welche Tatsachen die Beschwerdeführerin im Falle einer ordnungsgemäßen Verfahrensleitung durch den Senat in den Rechtsstreit eingeführt hätte. Den in der Anhörungsrüge enthaltenen Rechtsvortrag der Beschwerdeführerin nimmt es dagegen von vornherein nicht zur Kenntnis, weil es sich insoweit der verfahrensrechtlichen Dimension der Rüge verschließt und allein darauf abstellt, dass das Verfahren der Anhörungsrüge nicht dazu diene, eine sachliche Kontrolle der angegriffenen Entscheidung zu ermöglichen.