Anti-Atomwaffen-Demonstranten dürfen im militärischen Schutzbereich Versorgungszelte aufschlagen

06. Juli 2020 -

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat am 03.07.2020 zum Aktenzeichen 1 B 10780/20 entschieden, dass der Veranstalter einer geplanten sechstägigen Anti-Atomwaffen-Demonstration vor dem Fliegerhorst Büchel vorübergehend Versorgungszelte, Toilettenanlagen und ähnliche Einrichtungen innerhalb des militärischen Schutzbereichs des Fliegerhorsts errichten darf.

Aus der Pressemitteilung des OVG Koblenz Nr. 17/2020 vom 06.07.2020 ergibt sich:

Der Veranstalter meldete bei der zuständigen Kreisverwaltung Cochem-Zell eine Versammlung mit dem Motto „Atomwaffen ächten – keine neue Aufrüstung – Verbotsvertrag“ an, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fliegerhorst Büchel (Verteidigungsanlage „Büchel II“) in der Zeit vom 03.07. bis 08.07.2020 stattfinden soll. Er beabsichtigte, vor dem Zaun der Verteidigungsanlage ein großes Versammlungszelt (Grundfläche 5 m x 10 m), ein Infozelt (Grundfläche 5 m x 8 m), ein Küchenzelt (Grundfläche 3 m x 6 m), vier Toilettenkabinen und drei Wohnwagen aufzustellen. Da sich der geplante Standort der Anlagen innerhalb eines festgelegten militärischen Schutzbereichs befindet, benötigt er dazu eine Genehmigung der zuständigen Wehrverwaltung. Nachdem diese nicht erteilt wurde, wandte er sich mit einem Eilantrag an das VG Koblenz.
Dieses hatte dem Antrag stattgegeben und die Wehrverwaltung verpflichtet, die Genehmigung zur zeitlich begrenzten Errichtung der Versorgungsanlagen zu erteilen. Eine solche Genehmigung dürfe nur versagt werden, sofern dies zur Erhaltung der Wirksamkeit der Verteidigungsanlage erforderlich sei. Davon könne man nur ausgehen, wenn der ungehinderte Einsatz und die volle Ausnutzung der Wirkungen der Verteidigungsanlage beeinträchtigt würden. Dafür sei vorliegend aber nichts ersichtlich. Die Antragsgegnerin habe selbst nicht vorgetragen, dass Beeinträchtigungen zu befürchten seien.

Das OVG Koblenz hat die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin abgelehnt.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts muss wegen besonderer Dringlichkeit hier über den Anordnungsanspruch anhand einer Interessenabwägung entschieden werden, die zugunsten des Antragstellers ausfällt. Dabei sei davon auszugehen, dass die für sechs Tage angesetzte Dauermahnwache ohne die besagten Nebeneinrichtungen nicht bzw. nicht in der geplanten Form durchführbar wäre und daher die verfassungsrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit mit ihrem vollen Gewicht für den Antragsteller streite. Des Weiteren sei auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers davon auszugehen, dass diesem außerhalb des Schutzbereichs in zumutbarer Entfernung zu dem Versammlungsgelände auch kein anderes Grundstück zur Verfügung stehe, auf dem die Zelte, Wohnwagen und Toiletten aufgestellt werden könnten. Das durch die Versammlungsfreiheit gestützte Interesse des Antragstellers an der Errichtung der besagten Anlagen überwiege hier das Interesse der Antragsgegnerin an der Sicherheit ihrer militärischen Einrichtungen. Dabei verkenne das OVG Koblenz nicht, dass an der Sicherheit dieser Einrichtungen ein starkes öffentliches Interesse bestehe. Allerdings erscheine die zusätzliche Sicherheitsbeeinträchtigung, die von den Anlagen des Antragstellers ausgehe, nach den Umständen des Einzelfalls nicht besonders groß. Die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren angeführten Gefahren gingen in erster Linie von der Versammlung selbst und nicht von den Einrichtungen des Antragstellers aus; für die Versammlung selbst liege aber eine Genehmigung vor. Das zusätzliche Sicherheitsrisiko, das von den Einrichtungen des Antragstellers ausgehe, lasse sich nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts durch engmaschige polizeiliche Kontrollen sowie durch zusätzliche Maßnahmen der Eigensicherung seitens der Antragsgegnerin bewältigen.