Anwohner eines Pflegeheims müssen Lebensäußerungen von Kranken und Behinderten hinnehmen

02. April 2020 -

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat mit Eilbeschluss vom 30.03.2020 zum Aktenzeichen 10 B 312/20 entschieden, dass sich Anwohner eines Pflegeheims insbesondere nicht mit der Begründung, dass die schon derzeit mit der Nutzung des Pflegeheims verbundene, ganz enorme „Geräuschkulisse“ näher an ihr Grundstück heranrücke, gegen eine Baugenehmigung für einen Anbau wenden können.

Aus der Pressemitteilung des OVG NRW vom 01.04.2020 ergibt sich:

Die Nachbarn hatten sich gegen die Vollziehung der Baugenehmigung der Stadt Essen für einen Anbau des Pflegeheims St. Augustinus in Essen-Heidhausen gewandt.
Das VG Gelsenkirchen hatte in einer ersten Entscheidung dem Antrag noch entsprochen, ihn dann aber abgelehnt.

Das OVG Münster hat die Beschwerde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Nutzung des Pflegeheims baurechtlich als Wohnnutzung zu qualifizieren und versteht es sich von selbst, dass die Lautäußerungen von kranken oder behinderten Bewohnern, auch wenn sie auf einem benachbarten Grundstück deutlich wahrgenommen werden können, keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind bzw. nicht zu einem Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot führen können. Aus diesem Grund könne es für den Ausgang des Rechtsstreits auch nicht auf die Rechtmäßigkeit oder Bestimmtheit der nachträglich der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen zur Einhaltung bestimmter Immissionswerte oder zu der Verpflichtung, bei „außergewöhnlichen Lärmereignissen in den Zimmern“, die dem Grundstück der Antragsteller zugewandt seien, die Fenster geschlossen zu halten, ankommen. Im Übrigen ließen sich Beeinträchtigungen in den von den Antragstellern entwickelten Szenarien, etwa Einsätze von Rettungswagen oder gar von Helikoptern, die nach Bewohnern suchten, die sich verirrt hätten, nicht in einer Baugenehmigung regeln und seien von jedermann und auch von den Nachbarn eines Pflegeheims als sozialadäquate Auswirkungen von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bzw. zur Rettung von Personen hinzunehmen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.