Arbeiten ohne schriftlichen Arbeitsvertrag – geht das?

19. Juli 2025 -

Grundsätzlich ist der Arbeitsvertrag in Deutschland formfrei und damit auch mündlich wirksam. Ein Handschlag oder eine mündliche Jobzusage begründen ein Arbeitsverhältnis, sobald sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die wesentlichen Bedingungen einig sind. Das Gesetz selbst schreibt keine Schriftform vor – Ausnahmen gelten nur z.B. für befristete Arbeitsverträge oder Aufhebungsvereinbarungen. Befristungen nach §14 TzBfG müssen schriftlich vereinbart werden: Fehlt dies, gilt der Vertrag automatisch als unbefristet. Im Ergebnis gilt also: Auch ohne Unterschrift beginnt das Arbeitsverhältnis, sobald beide Seiten übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben.

Nachweispflicht und Vertragsinhalte

Obwohl formfrei, muss der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragskonditionen schriftlich nachweisen. Das Nachweisgesetz (§2 NachwG) verpflichtet Arbeitgeber, zu den wesentlichen Inhalten eine Niederschrift zu erstellen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dies sollte im Regelfall spätestens einen Monat nach Beginn geschehen. Arbeitnehmer haben also einen gesetzlichen Anspruch darauf, diese Ausfertigung zu erhalten. Zu den nachzuweisenden Punkten gehören etwa: Beginn (und bei Befristung: die voraussichtliche Dauer/Enddatum), Arbeitsort, kurze Tätigkeitsbeschreibung, Zusammensetzung und Höhe des Entgelts (einschließlich Zuschläge und Fälligkeit), Arbeitszeit (inklusive Pausenregelung), Jahresurlaub sowie Kündigungsfristen und Hinweise auf Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.

  • Wichtig: Seit 1. August 2022 wurden die Nachweispflichten erheblich erweitert. Neu aufgenommen wurden u.a. konkrete Vertragsenden bei Befristung, die (vereinbarte) Dauer der Probezeit, Details zu allen Lohnbestandteilen, Ruhe- und Schichtzeiten, Regelungen zu Abrufarbeit und die Abläufe bei Kündigung (Schriftformerfordernis, Fristen). Arbeitgeber müssen diese Angaben strenger handhaben; Verstöße können jetzt mit Bußgeldern (bis zu 2.000 €) geahndet werden. Arbeitnehmer können allerdings nicht auf den Nachweis verzichten – auch mit Zustimmung ist von den gesetzlichen Vorgaben nicht abzuweichen.

Beweisprobleme bei mündlichen Vereinbarungen

Fehlt ein schriftliches Dokument, kann es im Streitfall schwierig werden. Ohne Vertrag trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast: Er muss vor Gericht nachweisen, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis und welche Konditionen vereinbart wurden. In der Praxis bleibt dann oft nur „Aussage gegen Aussage“. Zeug*innen (z.B. Kolleginnen) können helfen, sind aber meist wenig neutral. Deshalb sollten Arbeitnehmer vorsorgen: Angebotsschreiben, E‑Mails oder die ersten Lohnabrechnungen dokumentieren oft Höhe des Gehalts und Beginn des Arbeitsverhältnisses. Auch Kontoauszüge oder Leistungsnachweise können Rückschlüsse zulassen. Arbeitgeber tun gut daran, wichtige Absprachen (Arbeitszeit, Gehalt, Urlaub etc.) möglichst zeitnah schriftlich zu bestätigen.

Probezeit und Kündigungsschutz

Eine Probezeit muss ausdrücklich vereinbart sein; sie unterliegt keine eigenständige Formvorschrift, gehört aber zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen, die im Nachweis erwähnt werden müssen, wenn sie vereinbart ist. Üblich ist eine Probezeit von bis zu sechs Monaten. Seit 2022 darf die Probezeit zudem nicht willkürlich lang sein, sondern muss in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtdauer und Art der Tätigkeit stehen. In der Probezeit gelten meist verkürzte Kündigungsfristen – oft nur zwei Wochen (sofern vertraglich vereinbart).

Unabhängig vom Vorliegen eines schriftlichen Vertrags gilt: Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen und von der kündigenden Partei eigenhändig unterzeichnet sein. Eine mündliche Kündigung ist rechtlich unwirksam. Auch die gesetzlichen Kündigungsfristen (§622 BGB) bleiben beim mündlichen Vertrag unverändert: Üblicherweise vier Wochen zum 15. oder Monatsende, gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit. Der allgemeine Kündigungsschutz greift ebenfalls wie gehabt: Sind mehr als sechs Monate vergangen (und die Betriebe groß genug), darf nur aus sozial gerechtfertigten Gründen gekündigt werden.

Praxistipps für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Auch ohne Unterschrift entsteht sofort ein wirksames Arbeitsverhältnis. Praktisch sollten beide Seiten aber aufschreiben, was vereinbart wurde:

  • Arbeitnehmer haben das Recht, von Anfang an eine schriftliche Bestätigung (Niederschrift nach §2 NachwG) zu erhalten. Fordern Sie diesen Nachweis ein und heben Sie alle Unterlagen auf (Stellenangebote, E‑Mails, Lohnabrechnungen), die Konditionen belegen könnten. So vermeiden Sie Beweisschwierigkeiten im Streitfall.
  • Arbeitgeber sollten ihre Pflichten kennen: Erstellen Sie möglichst zeitnah einen schriftlichen Arbeitsvertrag oder zumindest die gesetzlich geforderte Niederschrift mit allen Bedingungen. Achten Sie darauf, dass Probezeit, Gehalt, Arbeitszeit usw. korrekt vermerkt sind, um spätere Missverständnisse zu vermeiden. Ein unterschriebener Vertrag löst die Nachweispflicht (§2 NachwG) ab.

Zusammenfassend gilt: Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist rechtsgültig, kann aber erhebliche Nachweisschwierigkeiten mit sich bringen. Arbeitgeber sind gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass ein Handschlag genügt – das Recht verlangt klare Dokumentation. Arbeitnehmer können und sollten auf ihre Rechte bestehen und gegebenenfalls zivilrechtlich auf Erteilung des Nachweises klagen. Mit einem klaren schriftlichen Vertrag vermeiden beide Seiten viele Probleme.