Arbeitgeber stehen vor einem ernsthaften Problem, wenn der Verdacht besteht, dass ein Mitarbeiter bei seinen Arbeitszeiten schummelt und damit Arbeitszeitbetrug begeht. Darunter versteht man, dass Arbeitnehmer vorsätzlich ihre Arbeitszeit falsch erfassen, um sich Zeiten vergüten zu lassen, in denen keine Arbeit geleistet wurde. Klassische Beispiele sind etwa das Nicht-Ausloggen bei Pausen, das zu späte Kommen oder vorzeitige Gehen ohne Meldung, das Vortäuschen von Überstunden oder sogar das gegenseitige „Kartenstempeln” unter Kollegen, um Fehlzeiten zu vertuschen. Für Arbeitgeber kann ein solcher Vertrauensbruch gravierende Folgen haben, da Entgelt gezahlt wird, ohne dass eine Arbeitsleistung erfolgt. Im Folgenden wird erläutert, wie Arbeitgeber bei Verdacht auf Arbeitszeitbetrug vorgehen können – von ersten Schritten der Aufklärung über rechtliche Konsequenzen (Abmahnung oder Kündigung) bis hin zu zulässigen Überwachungs- und Beweismethoden unter Beachtung der DSGVO. Zudem werden gerichtliche Verfahren und Entscheidungen aus der Rechtsprechung eingebunden, um die Handlungsmöglichkeiten und Risiken zu verdeutlichen.
Was ist unter Arbeitszeitbetrug zu verstehen?
Unter Arbeitszeitbetrug versteht man jede bewusste Täuschung über die geleistete Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer, um einen finanziellen Vorteil zu erlangen. Das bedeutet, der Mitarbeiter gibt absichtlich falsche Arbeitszeiten an, sodass ihm **Arbeitszeit vergütet wird, in der er gar nicht gearbeitet hat】4†L123-L131】. Dies kann vielfältige Formen annehmen: Etwa wenn Pausenzeiten entgegen der Verpflichtung nicht erfasst werden, obwohl tatsächlich eine Pause gemacht wurde. Ein anderes Beispiel ist, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsbeginn oder das -ende zu Zeiten einträgt, in denen er gar nicht am Arbeitsplatz war, oder dass Überstunden gemeldet werden, die nie geleistet wurden. Auch im Homeoffice oder bei Vertrauensarbeitszeit (ohne feste Zeiterfassung) ist ein Arbeitszeitbetrug möglich – beispielsweise indem mehr Stunden angegeben werden, als tatsächlich gearbeitet wurden. Entscheidend ist stets das vorsätzliche Fehlverhalten: Irrtümer oder geringe unbeabsichtigte Abweichungen zählen nicht, doch bewusstes Erschleichen von Arbeitszeitvergütung verletzt die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (die geschuldete Arbeitsleistung) in schwerwiegender Weise.
Warum ist Arbeitszeitbetrug so gravierend? Zum einen entsteht dem Arbeitgeber ein finanzieller Schaden (Bezahlung ohne Gegenleistung). Zum anderen – und das ist arbeitsrechtlich oft noch bedeutender – wird das Vertrauensverhältnis massiv erschüttert. Arbeitgeber sind darauf angewiesen, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten korrekt angeben, da sie die tatsächliche Einhaltung der Arbeitszeit oft nicht lückenlos kontrollieren können. Gewähren sie flexible Arbeitszeiten oder vertrauen sie auf eigenverantwortliche Zeiterfassung, so bringen sie ihren Beschäftigten einen erheblichen Vertrauensvorschuss entgegen. Ein vorsätzlicher Verstoß hiergegen gilt als schwerer Vertrauensmissbrauch, der den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses berührt. Aus diesem Grund sehen die Gerichte den Arbeitszeitbetrug als äußerst ernsthaften Pflichtenverstoß an, der in der Regel harte Konsequenzen rechtfertigt.
Mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen: Abmahnung oder Kündigung
Wird ein Arbeitszeitbetrug festgestellt oder besteht ein begründeter Verdacht, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage nach den Konsequenzen. In Betracht kommen vor allem eine Abmahnung oder – bei gravierendem Fehlverhalten – eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die richtige Reaktion hängt vom Einzelfall ab (Schwere des Betrugs, Schadenshöhe, Wiederholungsgefahr, bisheriges Verhalten des Mitarbeiters etc.). Im Folgenden werden beide Möglichkeiten und ihre Voraussetzungen erläutert.
Abmahnung als erste Reaktion
Muster einer arbeitsrechtlichen Abmahnung – sie rügt das Fehlverhalten und warnt vor Kündigung im Wiederholungsfall. Eine Abmahnung ist in vielen Fällen der erste Schritt, insbesondere wenn es sich um einen einmaligen oder geringfügigen Verstoß handelt. Durch die Abmahnung wird das Fehlverhalten des Mitarbeiters formell gerügt und der Arbeitnehmer zugleich aufgefordert, sein Verhalten künftig zu bessern. Wichtig ist: In der Abmahnung sollte der Sachverhalt genau geschildert werden (konkretes Datum, Uhrzeit, Art des Verstoßes), damit dem Mitarbeiter klar ist, wofür er gerügt wird. Zugleich muss unmissverständlich die Androhung von Konsequenzen im Wiederholungsfall ausgesprochen werden – in der Regel die Kündigung.
Eine Abmahnung dient also auch als Warnsignal. Wiederholt der Arbeitnehmer den Arbeitszeitbetrug nach der Abmahnung, hat er kaum noch darauf vertrauen können, dass der Arbeitgeber dies weiterhin hinnimmt. Dann ist eine Kündigung beim nächsten Verstoß meist ohne weiteres zulässig. Wichtig zu wissen: Entscheidet sich der Arbeitgeber zunächst für eine Abmahnung und verzichtet damit auf eine fristlose Kündigung, kann er für denselben Vorfall nicht nachträglich doch noch kündigen. Die Abmahnung wirkt insoweit wie eine Kündigungssperre für den konkreten Sachverhalt – erst bei einem neuen Pflichtverstoß oder bisher unbekannten Tatsachen darf dann gekündigt werden. Aus Arbeitgebersicht bedeutet das: Die Wahl der Sanktion will gut überlegt sein. Ist der Betrug eindeutig und gravierend, kann es angebracht sein, gleich zu kündigen, statt zunächst abzumahnen. Andererseits wird eine Abmahnung empfohlen, wenn der Fall nicht schwerwiegend erscheint (z. B. nur wenige Minuten Fehlzeit) oder wenn unklar ist, ob vor Gericht eine Kündigung standhält. So hat etwa das LAG Berlin-Brandenburg eine fristlose Kündigung wegen ein paar Minuten unbezahlter Pause ohne Abmeldung als unwirksam erachtet, da dem Arbeitgeber kein nennenswerter Schaden entstand – der Mitarbeiter hatte vertraglich monatlich 10 unbezahlte Überstunden zu leisten, die im betreffenden Monat nicht ausgeschöpft waren. In einem solchen Bagatellfall müsse zuerst abgemahnt werden. Allgemein gilt: Je geringer der Schaden und je einmaliger der Vorfall, desto eher ist zunächst eine Abmahnung auszusprechen, bevor an Kündigung gedacht wird.
Kündigung – ordentlich oder fristlos?
Kommt es zu weiteren Verstößen trotz Abmahnung oder ist der Arbeitszeitbetrug so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, kann der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen. Hier ist zu unterscheiden zwischen ordentlicher (fristgerechter) Kündigung und außerordentlicher (fristloser) Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB). Gerade bei Arbeitszeitbetrug steht oft die fristlose Kündigung im Raum, da ein vorsätzlicher Vertrauensbruch regelmäßig als wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes anerkannt ist.
Die außerordentliche fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist jedoch nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist (§ 626 Abs. 1 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen die Pflicht zur korrekten Dokumentation seiner Arbeitszeit an sich geeignet, einen solchen wichtigen Grund darzustellen. Der Grund liegt im erheblichen Vertrauensverlust, der durch falsche Arbeitszeiterfassung eintritt, zumal der Arbeitgeber die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter nicht lückenlos überwachen kann und auf deren Ehrlichkeit angewiesen ist. Entsprechend hat das BAG schon in mehreren Fällen entschieden, dass Arbeitszeitbetrug eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann. So wurde etwa die fristlose Kündigung einer langjährigen, tariflich unkündbaren Mitarbeiterin vom BAG bestätigt, nachdem sie an sieben Tagen jeweils einige Minuten Arbeitszeit erschlichen hatte (gesamt ca. 135 Minuten) – sie hatte ihre Arbeitszeit ab dem Passieren der Parkplatzschranke berechnet, obwohl die Arbeitszeit eigentlich erst am Arbeitsplatz begann. Dieses Verhalten wertete das Gericht als fortgesetzten und systematischen Arbeitszeitbetrug, der auch ohne Abmahnung die fristlose Entlassung rechtfertigte. Ebenso hat das Arbeitsgericht München in zwei aktuellen Fällen (Urteile vom 22.01.2024) die fristlose Kündigung von Mitarbeitern bestätigt, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils rund 15 Raucherpausen nicht ausgestempelt hatten – trotz betrieblicher Pflicht dazu und einschlägiger Unterweisung durch den Arbeitgeber. Das wiederholte Nicht-Erfassen der Raucherpausen stelle eine bewusste Täuschung mit finanziellen Folgen dar und begründe einen wichtigen Kündigungsgrund; eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich, weil den Arbeitnehmern klar sein musste, dass ihr Verhalten nicht geduldet würde.
Ordentliche (fristgerechte) Kündigung: Alternativ zur fristlosen Kündigung kann der Arbeitgeber – insbesondere wenn die Hürde für § 626 BGB nicht sicher erreicht scheint – eine ordentliche Kündigung aussprechen, also mit regulärer Kündigungsfrist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn zwar ein Fehlverhalten vorliegt, das Vertrauensverhältnis aber nicht vollständig zerstört ist oder die Unzumutbarkeit der Fortsetzung nicht eindeutig bewiesen werden kann. Die ordentliche Kündigung erfordert einen Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz (personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt); ein Arbeitszeitbetrug wäre ein verhaltensbedingter Grund. In der Praxis wird häufig hilfsweise ordentlich gekündigt, falls die fristlose Kündigung vor Gericht keinen Bestand haben sollte. Wichtig: Bei verhaltensbedingter Kündigung fordern die Gerichte in der Regel eine Abmahnung als Vorwarnung, es sei denn, das Fehlverhalten ist so gravierend, dass eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten ist. Arbeitszeitbetrug kann je nach Schwere in beide Kategorien fallen. Bei kleineren Verstößen (z. B. ein einmaliges Versäumen des Ausstempelns für eine kurze Pause) wäre eine ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung unwirksam, während bei schweren Fällen auch ohne Abmahnung direkt fristlos gekündigt werden kann.
Verdachtskündigung: Eine besondere Konstellation ist die Verdachtskündigung. Diese kommt in Betracht, wenn zwar starker Verdacht auf Arbeitszeitbetrug besteht, eine eindeutige Beweisführung aber (noch) nicht möglich ist – etwa weil die Tat sich kaum objektiv aufklären lässt, der Verdächtige aber durch Indizien schwer belastet ist. Eine Verdachtskündigung ist rechtlich heikel, aber zulässig, wenn der Verdacht dringend ist und das Vertrauensverhältnis genauso zerstört, als wäre der Betrug erwiesen. Unbedingte Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher zu den Vorwürfen anhört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Im Anschluss kann – innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB – eine außerordentliche (Verdachts-)Kündigung ausgesprochen werden. In einem späteren Prozess prüft das Gericht dann sowohl die objektiven Umstände, die den Verdacht begründen, als auch ob der Arbeitgeber alle zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen getroffen hat (inklusive Anhörung). Ist der Verdacht nicht ausreichend erhärtet oder die Anhörung unterblieben, wird die Kündigung aufgehoben.
Formalitäten und Fristen: Jede Kündigung – ob ordentlich oder außerordentlich – muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB) und von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnet sein. Bei einer fristlosen Kündigung ist die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB strikt zu beachten: Der Arbeitgeber muss innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des maßgeblichen Kündigungssachverhalts die außerordentliche Kündigung erklären, sonst ist sie unwirksam. Zudem ist der Betriebsrat (falls vorhanden) vor jeder Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG); dieser ist über die Vorwürfe und die geplante Maßnahme zu informieren. Versäumt der Arbeitgeber die Anhörung oder gibt er dem Betriebsrat unzureichende Informationen, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, sodass die Wirksamkeit der Kündigung vom Arbeitsgericht überprüft wird – darauf sollte man sich bereits bei Ausspruch der Kündigung einstellen.
Beweissicherung: Wie kann der Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug nachweisen?
Damit arbeitsrechtliche Sanktionen Bestand haben, muss der Pflichtverstoß nachgewiesen werden können. Die Darlegungs- und Beweislast für den Betrug trägt im Prozess grundsätzlich der Arbeitgeber. Eine gründliche Beweissicherung ist daher zentral, um im Streitfall nicht mit leeren Händen dazustehen. Folgende Beweismittel und Vorgehensweisen kommen – je nach Situation – in Betracht:
- Zeiterfassungssysteme und Protokolle: Liegt ein elektronisches Zeiterfassungssystem vor (z. B. Chipkarten, elektronische Stempeluhr, PC-Login), sollten dessen Logdaten ausgewertet werden. Sie liefern objektive Informationen, wann der Mitarbeiter gekommen und gegangen ist oder Pausen erfasst hat. So lässt sich etwa feststellen, ob jemand bereits das Betriebsgelände verlassen hatte, während er noch als anwesend im System eingeloggt war. Achtung: Es ist zu prüfen, ob interne Regelungen (Arbeitszeit- oder Datenschutzrichtlinien, Betriebsvereinbarungen) die Auswertung dieser Daten einschränken. In einem Fall untersagte etwa eine Betriebsvereinbarung ausdrücklich die personenbezogene Auswertung von Zugangsdaten – wodurch der Arbeitgeber diese Beweise im Prozess nicht nutzen durfte. Bestehen solche Verbote, sollte möglichst vorab mit dem Betriebsrat eine Lösung gefunden oder eine Zustimmung eingeholt werden, statt die Daten unautorisiert auszuwerten.
- Videoüberwachung: Kameras können Aufschluss darüber geben, ob und wann ein Mitarbeiter anwesend war oder seinen Arbeitsplatz unberechtigt verlassen hat. Wichtig ist die Art der Überwachung: Bei offen ersichtlichen Kameras (mit Hinweisschild) ist die Verwendung der Aufnahmen als Beweis in der Regel zulässig, wenn ein Fehlverhalten gezeigt wird. So hat das BAG entschieden, dass ein Arbeitgeber Aufzeichnungen einer offen installierten Überwachungskamera verwerten durfte, selbst wenn die Speicherung länger erfolgte als angegeben und darin ein Datenschutzverstoß lag – das Interesse an der Aufklärung wog hier schwerer als das Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers. Bei verdeckter (heimlicher) Videoüberwachung sind die Hürden wesentlich höher: Sie ist nur erlaubt, wenn ein konkreter Verdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung besteht und mildere Mittel ausgeschöpft sind. Unzulässig erlangte Videoaufnahmen dürfen vor Gericht oft nicht verwertet werden. Beispiel: Das LAG Niedersachsen verwarf die Kündigung eines Mitarbeiters trotz „offenkundigem” Arbeitszeitbetrug, weil der Arbeitgeber ältere Videoaufnahmen entgegen eigener 96-Stunden-Löschfrist ausgewertet hatte – das Überschreiten der Speicherdauer und die Selbstbindung aus der Betriebsvereinbarung begründeten eine “berechtigte Privatheitserwartung” des Arbeitnehmers, die eine Verwertung der Aufnahmen im Prozess ausschloss. Daher gilt: Video-Beweise können sehr hilfreich sein, müssen aber datenschutzkonform erhoben werden (siehe unten). Offene Kameras mit Hinweis sind in puncto Verwertbarkeit deutlich unkritischer als heimliche Aufnahmen.
- Zeugen und Kollegen: Aussagen von Augenzeugen können Arbeitszeitbetrug untermauern. Häufig kommen Hinweise aus der Belegschaft, etwa wenn Kollegen beobachten, dass der Betreffende regelmäßig früher geht oder lange Pausen macht. Arbeitgeber sollten solche Hinweise ernst nehmen und dokumentieren. Im Prozess können Kollegen als Zeugen benannt werden, die z.B. bestätigen, dass der Arbeitnehmer zu bestimmten Zeiten gar nicht anwesend war oder die Firma unberechtigt verlassen hat. Auch Vorgesetzte, die Unregelmäßigkeiten bemerkt haben, sind wichtige Zeugen. Zudem können Dokumente als Belege dienen, etwa handschriftliche Stundenzettel, E-Mails oder Kalenderaufzeichnungen, die von den offiziellen Zeitangaben abweichen.
- IT-Auswertungen und digitale Forensik: Insbesondere bei Bürotätigkeiten oder Homeoffice können digitale Spuren Aufschluss geben. Beispielsweise lassen sich PC-Login-Daten, E-Mail-Sendezeiten, Bearbeitungszeitpunkte von Dateien oder Zugriffszeiten auf Firmensysteme auswerten. Passen diese nicht zu den angegebenen Arbeitszeiten (etwa keine Computeraktivität während angeblicher Arbeitszeit), indiziert das einen Betrug. Auch spezielle Methoden der IT-Forensik können eingesetzt werden, um das Nutzungsverhalten eines Mitarbeiters am Dienstrechner nachzuvollziehen. Allerdings ist hier höchste Vorsicht bezüglich Datenschutz geboten – etwa das dauerhafte Keylogging (Mitschnitt aller Tastatureingaben) oder Screenshot-Überwachung ohne Anlass ist rechtlich unzulässig. So wurde die fristlose Kündigung eines Entwicklers, die auf heimlich aufgezeichneten Keylogger-Daten basierte, von den Gerichten aufgehoben – das heimliche Monitoring war ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre und führte zu einem Beweisverwertungsverbot. Deshalb sollten derartige Mittel nur bei dringendem Tatverdacht und unter Einbindung von Datenschutzexperten eingesetzt werden (siehe unten).
- Private Ermittler (Detektei): Bei einem starken Verdacht – insbesondere wenn sich die Pflichtverletzung außerhalb des Betriebs abspielt – kann der Einsatz eines Detektivs erwogen werden. Ein Detektiv kann z.B. beobachten und dokumentieren, ob ein Mitarbeiter während gemeldeter Arbeitszeit tatsächlich anderen Aktivitäten nachgeht (klassisch: der Mitarbeiter ist angeblich krank oder im Homeoffice tätig, wird aber bei Freizeitaktivitäten oder einem Nebenjob angetroffen). Detektive dürfen jedoch nur bei begründetem Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung eingeschaltet werden (§ 26 Abs. 1 BDSG) und müssen verhältnismäßig vorgehen. Die durch Detektive gewonnenen Erkenntnisse (Foto-/Videobeweise, Berichte) sind vor Gericht verwertbar, sofern die Beauftragung datenschutzrechtlich zulässig war. Bei unbegründetem Einsatz muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter u.U. die Detektivkosten erstatten und macht sich schadensersatzpflichtig. Daher sollte diese Maßnahme wirklich nur ultima ratio sein, wenn andere Mittel nicht greifen.
Zusammenfassend ist es für Arbeitgeber ratsam, so viele Beweise wie möglich auf rechtmäßigem Wege zu sichern. Alle relevanten Unterlagen sollten kopiert, Zeugen zeitnah befragt (und deren Aussagen protokolliert) sowie elektronische Daten gesichert werden. Wichtig: Bevor zu überwachungsintensiven Mitteln gegriffen wird (Kamera, Software, Detektiv), ist stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen: Ist die Maßnahme durch einen konkreten Verdacht gerechtfertigt? Gibt es ein milderes Mittel? Dies führt direkt zum nächsten Punkt – der Datenschutzkonformität solcher Maßnahmen.
Überwachung und Datenschutz: Was ist erlaubt?
Die Aufdeckung von Arbeitszeitbetrug berührt häufig das Datenschutzrecht, da hierbei personenbezogene Mitarbeiterdaten verarbeitet werden (z. B. durch Videoaufzeichnung oder IT-Monitoring). Arbeitgeber müssen die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beachten. Dennoch gilt: Datenschutz ist kein Täterschutz – bei schweren Verstößen wie bewusstem Arbeitszeitbetrug dürfen Arbeitgeber im Rahmen des Erlaubten durchaus Überwachungsdaten nutzen, um den Betrug zu beweisen. Im Einzelnen sind folgende Punkte relevant:
Rechtsgrundlagen (§ 26 BDSG): Für die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten zu Kontroll- und Sanktionszwecken bietet § 26 Abs. 1 BDSG eine wichtige Grundlage. Demnach ist die Datenverarbeitung zulässig, wenn sie für die Aufdeckung von Straftaten erforderlich ist und aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ein begründeter Verdacht besteht. Arbeitszeitbetrug kann den Straftatbestand des (versuchten) Betrugs (§ 263 StGB) erfüllen und fällt somit grundsätzlich unter diese Regelung. Voraussetzung ist aber immer die Verhältnismäßigkeit: Der Arbeitgeber muss einen konkreten Verdacht dokumentieren können, und die eingesetzten Mittel müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des vermuteten Verstoßes stehen.
Offene vs. verdeckte Überwachung: Wenn möglich, sollte auf offene Überwachungsmaßnahmen gesetzt werden. Offene Videoüberwachung im Betrieb (durch Hinweisschilder kenntlich gemacht) ist datenschutzrechtlich einfacher zu handhaben als heimliche Kameras. Gleiches gilt für Zeiterfassungssysteme – diese sind meist offen eingeführt und allen bekannt, sodass die Auswertung ihrer Daten bei Unregelmäßigkeiten zulässig ist, sofern kein spezielles Verbot (z.B. in einer Betriebsvereinbarung) entgegensteht. Verdeckte Maßnahmen (etwa das heimliche Installieren einer Kamera oder Spähsoftware) sind nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt. Hierfür muss ein dringender Tatverdacht vorliegen, der andere Mittel nicht zulässt. Zudem sind verdeckte Maßnahmen zeitlich und räumlich möglichst eng zu begrenzen und ggf. mit Zustimmung des Betriebsrats einzusetzen. Arbeitgeber sollten dokumentieren, warum sie zu diesem letzten Mittel greifen, um im Streitfall die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung darlegen zu können.
Interessenabwägung und Beweisverwertungsverbot: Bei datenschutzwidrig erlangten Beweisen stellt sich die Frage, ob diese im Kündigungsschutzprozess verwendet werden dürfen. Pauschal gibt es kein automatisches Beweisverwertungsverbot im Zivilprozessrecht. Die Gerichte nehmen aber eine Interessenabwägung vor: Überwiegt im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung? Bei einer erheblichen, nicht gerechtfertigten Verletzung von Persönlichkeitsrechten können Gerichte Beweise für unverwertbar erklären. So war es im erwähnten Keylogger-Fall – die heimliche Totalüberwachung ohne konkreten Anlass wurde als zu schwerwiegender Eingriff gewertet, sodass die gewonnenen Daten nicht verwendet werden durften. Auch das LAG Niedersachsen vertrat in seinem Urteil 2022 die Ansicht, dass Videoaufnahmen, die unter Verstoß gegen Datenschutzregeln entstanden, nicht verwertet werden dürfen. Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht 2023 klargestellt, dass offen erhobene Videodaten grundsätzlich verwertet werden dürfen, selbst wenn die Aufzeichnung nicht in jeder Hinsicht DSGVO-konform war. Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber das Video einer offen sichtbaren Kamera ausgewertet, das bereits ein Jahr alt war – trotz Überschreitung der vorgesehenen Speicherfrist durfte dieses Beweismittel im Prozess verwendet werden, da es ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten belegte und keine schwerwiegende Grundrechtsverletzung in der Überwachung lag. Die Gerichte scheinen also vermehrt den Standpunkt einzunehmen, dass bei schwerem Fehlverhalten (wie Arbeitszeitbetrug) das Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers das Datenschutzinteresse des Mitarbeiters überwiegen kann, sofern die Überwachungsmaßnahme nicht völlig außer Verhältnis ist.
Beteiligung des Betriebsrats: Bei Einführung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (z.B. Zeiterfassungssysteme, Kameras, Software), hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Wird dieses missachtet, kann der Betriebsrat zwar rechtlich dagegen vorgehen; für die Verwertbarkeit von Beweisen im Kündigungsprozess spielt die fehlende Mitbestimmung aber keine entscheidende Rolle. Nach dem BAG führt ein Verstoß gegen das Beteiligungsrecht nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Nichtsdestotrotz sollte ein Arbeitgeber den Betriebsrat frühzeitig einbinden, um Konflikte zu vermeiden – insbesondere wenn eine verdeckte Maßnahme geplant ist, ist die Zustimmung des Betriebsrats in der Regel unerlässlich (außer es handelt sich um strafrechtliche Ermittlung, wo eine vorherige Beteiligung den Erfolg vereiteln würde).
Einbindung des Datenschutzbeauftragten: Unternehmen, die einen Datenschutzbeauftragten haben, sollten diesen bei Verdacht auf Arbeitszeitbetrug unbedingt früh konsultieren. Er kann helfen zu beurteilen, welche Aufklärungsmaßnahmen datenschutzkonform umgesetzt werden können und wo Grenzen liegen. Gemeinsam können Arbeitgeber, Datenschutzbeauftragter und ggf. der Betriebsrat einen Plan entwickeln, um den Vorwürfen nachzugehen, ohne gegen Datenschutzrecht zu verstoßen. Dies erhöht nicht nur die Chancen, dass die gewonnenen Beweise vor Gericht verwertbar sind, sondern schützt das Unternehmen auch vor möglichen Bußgeldern der Aufsichtsbehörden, die bei schweren DSGVO-Verstößen drohen könnten.
Zusammenfassend ist bei Überwachungsmaßnahmen stets ein Balanceakt erforderlich: Arbeitgeber müssen ihre berechtigten Interessen am Schutz des Unternehmens und an der Sanktionierung von Vertragsbruch wahren, zugleich aber die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter respektieren. Im Zweifel sollte eher ein offenes Verfahren (offene Ansprache des Verdachts, Auswertung bereits vorhandener offen erhobener Daten, etc.) gewählt werden. Bei heimlichen Maßnahmen muss der Grundsatz gelten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dann stehen die Chancen gut, dass etwaige Beweise im Prozess Bestand haben – denn nichts wäre ärgerlicher, als dass eine an sich berechtigte Kündigung an einem Beweisverwertungsverbot scheitert.
Gerichtliches Verfahren und Rechtsprechung
Gerät ein Fall von Arbeitszeitbetrug vor das Arbeitsgericht – sei es, weil ein gekündigter Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hat oder weil er gegen eine Abmahnung vorgeht – zeigt die Rechtsprechung einige typische Tendenzen, mit denen Arbeitgeber rechnen sollten.
Beweisanforderungen: Vor Gericht muss der Arbeitgeber den Arbeitszeitbetrug substantiiert darlegen und beweisen. Gelingt ihm das nicht, wird eine Kündigung selbst dann unwirksam sein, wenn der Betrug tatsächlich stattgefunden hat – *„Recht haben” genügt also nicht, man muss auch *„Recht bekommen” durch stichhaltige Beweise. Die Gerichte prüfen genau, ob die behaupteten Arbeitszeitmanipulationen nachgewiesen sind. Daher rühren auch die zuvor erwähnten Datenschutzentscheidungen: Hält das Gericht bestimmte Beweise für unverwertbar, gilt der Betrug prozessual als nicht erwiesen und die Kündigung kann kippen. Es ist daher essenziell, rechtzeitig alle zulässigen Beweismittel zu sichern und im Prozess vorzulegen. Oft laufen solche Verfahren auf umfangreiche Beweisaufnahmen hinaus (Zeugenvernehmungen, Sichtung von Videos etc.).
Entscheidungen in der Rechtsprechung: Die Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle von Arbeitszeitbetrug beurteilt. Daraus lassen sich Leitlinien ableiten:
- Wiederholte Täuschungen: Wurden Arbeitszeitmanipulationen wiederholt und in Kenntnis ihrer Verbotenheit begangen, zeigen die Gerichte wenig Nachsehen. In vielen veröffentlichten Urteilen wurden fristlose Kündigungen bestätigt, wenn Mitarbeiter z.B. beharrlich Pausen nicht erfasst oder systematisch zu viel Zeit abgerechnet haben. Der Vertrauensverlust wiegt in diesen Fällen besonders schwer und lässt eine Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheinen.
- Keine Abmahnung bei schwerem Vertrauensbruch: Wie oben dargestellt, betrachten die Gerichte eine vorherige Abmahnung bei Arbeitszeitbetrug oft als entbehrlich. Vorsätzliche Falscherfassung der Arbeitszeit ist so offensichtlich pflichtwidrig, dass Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen können, der Arbeitgeber werde zunächst milde reagieren. Beispiele: In Entscheidungen des BAG von 2011, 2013 und 2018 wurde jeweils betont, dass schon der erstmalige Nachweis von Arbeitszeitbetrug eine fristlose Kündigung an sich rechtfertigt. Das LAG Rheinland-Pfalz hielt die Kündigung eines Arbeitnehmers für gerechtfertigt, der trotz zweier einschlägiger Abmahnungen erneut Raucherpausen ohne Ausstempeln genommen hatte – hier war die Abmahnung also versucht worden, blieb aber wirkungslos, sodass die Kündigung folgte.
- Bagatellfälle und Schaden: In Ausnahmefällen haben Gerichte Kündigungen als unverhältnismäßig angesehen, wenn der entstandene Schaden minimal war und keine Wiederholungsgefahr bestand. So im erwähnten Fall des LAG Berlin-Brandenburg: Nur wenige Minuten unerfasste Pause mit einem Gegenwert von unter 10 € und keine überschrittene Sollarbeitszeit – hier war eine Kündigung ohne Abmahnung nicht gerechtfertigt. Das heißt nicht, dass Arbeitszeitbetrug bei geringem Schaden straffrei bleibt, aber zunächst eine Abmahnung erfolgen sollte.
- Verhalten der Arbeitnehmer: Manche Arbeitnehmer versuchten vor Gericht, ihr Verhalten zu rechtfertigen, etwa durch angebliche Arbeitsleistungen während der Pause („Ich habe ja beim Rauchen über die Arbeit gesprochen”) oder durch vermeintliche Missverständnisse über betriebliche Regeln. Die Gerichte verlangen hier Nachweise vom Arbeitnehmer – bloße Behauptungen schützen nicht vor Konsequenzen. Im Regelfall verfingen solche Ausreden nicht: Weder eine Nikotinsucht noch ein Verweis auf flexible Gleitzeitmodelle wurden als Entschuldigung anerkannt. Die Rechtsprechung macht deutlich, dass Ehrlichkeit bei der Arbeitszeiterfassung oberstes Gebot ist und kreative Ausreden in aller Regel ins Leere laufen.
- Datenschutz vs. Täterschutz: Die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt aktuell, dass Datenschutzbedenken zwar sehr ernst genommen werden (siehe LAG Niedersachsen 2022), das Bundesarbeitsgericht jedoch im Sinne einer praktikablen Handhabung entschieden hat, dass offen erhobene Überwachungsdaten verwendet werden dürfen, um einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug aufzuklären. Dies ist ein wichtiges Signal an Arbeitgeber: Man muss nicht tatenlos zusehen, wie Arbeitnehmer die Vertrauensarbeitszeit ausnutzen, nur weil geringe Datenschutzverstöße im Raum stehen – allerdings bleibt immer eine Abwägung im Einzelfall erforderlich.
Prozessuale Situation und Vergleiche: In der Praxis enden viele Kündigungsschutzprozesse mit einem Vergleich. Selbst wenn der Arbeitgeber im Recht ist, lässt sich das Prozessrisiko nie vollständig ausschließen – etwa könnten Beweise doch als unzureichend erachtet werden oder formale Fehler entdeckt werden. Für Arbeitgeber bedeutet das: Eine gütliche Einigung gegen Zahlung einer moderaten Abfindung kann manchmal der sicherere Weg sein, um einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden, anstatt ein langes Verfahren mit ungewissem Ausgang zu führen. Natürlich sollte dies stets im Einzelfall abgewogen werden. Generell haben jedoch Arbeitnehmer, denen ein Arbeitszeitbetrug nachweisbar ist, vor Gericht schlechte Karten – die meisten versuchen es daher gar nicht erst bis zum Urteil kommen zu lassen, sondern akzeptieren entweder eine Abfindung oder ziehen die Klage zurück, wenn die Beweislage erdrückend ist.
Prävention und praktische Hinweise für Arbeitgeber
Um gar nicht erst in die Lage zu kommen, Arbeitszeitbetrug aufwendig verfolgen zu müssen, sollten Arbeitgeber einige präventive Maßnahmen ergreifen und organisatorische Vorkehrungen treffen:
- Klare Arbeitszeitregeln: Stellen Sie von vornherein eindeutige Regeln zur Zeiterfassung auf. In Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsanweisungen sollte klar geregelt sein, wie und wann Arbeitszeiten zu erfassen sind (z. B. Pflicht zum Ausstempeln bei jeder Pause, Konsequenzen bei Verstößen). Nur mit klaren Vorgaben können Sie Verstöße später rechtssicher sanktionieren. Kommunizieren Sie diese Regeln an alle Mitarbeiter (Unterweisungen, Aushänge), damit sich niemand auf Unwissenheit berufen kann.
- Kontrollmechanismen etablieren: Gerade bei Vertrauensarbeitszeit oder Gleitzeit lohnt es sich, Stichprobenkontrollen durchzuführen. Das kann bedeuten, hin und wieder die Zeiterfassungen auf Plausibilität zu prüfen oder bei auffälligen Mustern (z. B. ein Mitarbeiter schöpft sein Gleitzeitkonto immer exakt aus) genauer hinzusehen. Solche Kontrollen wirken präventiv, da Mitarbeiter wissen, dass grobe Unregelmäßigkeiten auffallen könnten.
- Offene Unternehmenskultur: Schaffen Sie ein Betriebsklima, in dem Fairness und Verantwortung betont werden. Mitarbeiter sollten verstehen, dass Arbeitszeitbetrug kein Kavaliersdelikt, sondern ein Vertrauensbruch gegenüber Kollegen und Arbeitgeber ist. Fördern Sie einen Austausch im Team, damit Unmut über „Drückeberger” frühzeitig geäußert wird – oft sind es Beschwerden aus dem Kollegenkreis, die erste Hinweise auf Schummeleien liefern. Eine Kultur, in der Fehlverhalten angesprochen (und nicht gedeckt) wird, erschwert Betrug.
- Sorgfältige Dokumentation im Verdachtsfall: Wenn doch ein Verdacht entsteht, dokumentieren Sie alle Auffälligkeiten sofort. Notieren Sie Datum/Uhrzeit fehlender Anwesenheit, sichern Sie Zeiterfassungsdaten, bitten Sie ggf. andere Führungskräfte um Beobachtungen. Diese Unterlagen können später entscheidend sein, um den Vorwurf zu untermauern. Warten Sie nicht zu lange – je frischer die Indizien, desto besser lassen sie sich sichern (Videoaufnahmen z.B. werden oft automatisch überschrieben).
- Rechtliche Beratung einholen: Scheuen Sie sich nicht, im Ernstfall fachanwaltlichen Rat einzuholen. Jeder Fall von Arbeitszeitbetrug hat Besonderheiten (Datenschutz, Betriebsratsfragen, Vertragsklauseln etc.). Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht – wie Dr. Usebach – kann beurteilen, welche Schritte zulässig und Erfolg versprechend sind, und hilft dabei, Fehler (z. B. bei der Kündigungsfrist oder Beweiserhebung) zu vermeiden.
Arbeitszeitbetrug durch Mitarbeiter ist für Arbeitgeber ärgerlich und kann das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören. Doch Arbeitgeber sind diesem Verhalten nicht schutzlos ausgeliefert. Entscheidend ist, schnell, überlegt und rechtssicher zu reagieren. Ein betrügerisches Vorgehen bei der Arbeitszeiterfassung stellt einen erheblichen Pflichtenverstoß dar, den Arbeitgeber – je nach Schwere – mit Abmahnung oder sogar fristloser Kündigung ahnden können. Wichtig ist, vor Ausspruch einer Kündigung die Beweislage solide zu untermauern und datenschutzrechtlich korrekt vorzugehen, damit die Maßnahme auch vor Gericht Bestand hat. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass Gerichte konsequent durchgreifen, wenn ein vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug nachgewiesen ist. Abschließend die wichtigsten Punkte für Arbeitgeber im Überblick:
- Arbeitszeitbetrug ernst nehmen: Bereits der Verdacht sollte gründlich geprüft werden. Es handelt sich um einen schweren Vertrauensbruch, der das Arbeitsverhältnis in Frage stellen kann.
- Beweise rechtssicher sammeln: Zeiterfassungsdaten, Videos, Zeugenaussagen und digitale Spuren können den Betrug belegen. Dabei aber Datenschutz beachten – im Zweifel offenen Maßnahmen den Vorzug geben und immer die Verhältnismäßigkeit wahren.
- Abmahnung vs. Kündigung abwägen: Bei geringfügigen Verstößen zunächst Abmahnung aussprechen; bei schwerwiegendem oder wiederholtem Betrug ist eine fristlose Kündigung meist gerechtfertigt. Nach einer Abmahnung kann für denselben Vorfall nicht mehr gekündigt werden.
- Form und Frist einhalten: Kündigungen schriftlich und innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis des Betrugs aussprechen (§ 626 BGB bei fristloser Kündigung). Betriebsrat ordnungsgemäß anhören, sonst ist die Kündigung unwirksam.
- Im Prozess vorbereitet sein: Erfahrungsgemäß wehren sich gekündigte Mitarbeiter gerichtlich. Daher alle Nachweise geordnet präsentieren. Falls Beweismittel grenzwertig erlangt wurden, argumentieren, warum das Aufklärungsinteresse überwiegt. Ggf. ist man zu einem Vergleich bereit, um das Prozessrisiko zu begrenzen.
Mit einem besonnenen, aber konsequenten Vorgehen können Arbeitgeber sich erfolgreich gegen Arbeitszeitbetrug wehren. Letztlich schützt man damit nicht nur das eigene Unternehmen vor Schaden, sondern sorgt auch für Gerechtigkeit im Team, denn ehrliche Mitarbeiter erwarten zu Recht, dass Betrüger zur Rechenschaft gezogen werden. Bei alledem sollte man jedoch stets fair und rechtskonform bleiben – dann steht einer erfolgreichen Durchsetzung arbeitsrechtlicher Maßnahmen nichts im Wege.