Ob Facharzttermin, Impfberatung oder Vorsorgeuntersuchung – manchmal kommt man nicht darum herum, während der Arbeitszeit einen Arzt aufzusuchen. Doch welche arbeitsrechtlichen Regeln gelten in solchen Fällen? Dieser Rechtstipp erläutert, unter welchen Voraussetzungen ein Arztbesuch während der Arbeitszeit erlaubt ist, ob der Arbeitgeber dafür freistellen und das Gehalt fortzahlen muss und was Beschäftigte dabei beachten sollten.
Grundsatz: Arzttermine in die Freizeit legen
Grundsätzlich sind Arztbesuche Privatsache und sollten möglichst außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Arbeitnehmer sind vertraglich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen; private Angelegenheiten wie Arzttermine dürfen diese Pflicht nicht unbegründet schmälern. Eine Freistellung während der Arbeitszeit ist daher kein Automatismus, sondern nur in Ausnahmefällen erlaubt.
Das bedeutet: Routineuntersuchungen, Vorsorge-Check-ups oder planbare Impfberatungen müssen in der Regel auf die Freizeit gelegt werden. Wer ohne dringenden Grund während der Arbeitszeit zum Arzt geht, verstößt gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Arbeitgeber könnten in solchen Fällen eine Abmahnung aussprechen, im Wiederholungsfall sogar eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht ziehen. Mitarbeiter sollten daher keinesfalls einfach spontan während der Arbeitszeit zum Arzt verschwinden, sondern die folgenden Regeln beachten.
Akuter Krankheitsfall: Arztbesuch bei plötzlicher Erkrankung
Anders sieht es aus, wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeit plötzlich erkrankt oder starke Beschwerden hat – etwa plötzlich auftretende starke Kopf-, Zahn- oder Gliederschmerzen. In solchen akuten Fällen darf man selbstverständlich einen Arzt aufsuchen. Juristisch liegt hier Arbeitsunfähigkeit vor, und es greift das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Der Arbeitgeber muss den Lohn wie bei einer Krankmeldung fortzahlen. Beispiel: Ein Mitarbeiter bekommt während der Arbeit plötzlich heftige Zahnschmerzen und sucht sofort eine Zahnärztin auf. In diesem akuten Fall ist er arbeitsunfähig krank; der Arztbesuch ist notwendig und der Arbeitgeber muss das Gehalt für die Fehlzeit weiterzahlen.
Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer in einer solchen Situation umgehend seinen Arbeitgeber informiert und sich ordnungsgemäß krankmeldet. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger an, muss spätestens ab dem 3. Krankheitstag ein ärztliches Attest vorgelegt werden (oder früher, falls vertraglich vereinbart). Hinweis: Sobald ein Arzt eine Krankheit diagnostiziert und der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, gilt der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach EFZG – nicht mehr nach § 616 BGB. Das heißt, akute Erkrankungen werden wie reguläre Krankheitsfälle behandelt, inklusive der üblichen Nachweispflichten (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).
Dringende Arzttermine während der Arbeit: § 616 BGB
Nicht jede medizinische Angelegenheit rechtfertigt eine Freistellung in der Arbeitszeit. Erforderlich ist, dass der Arztbesuch aus medizinischen oder organisatorischen Gründen nicht außerhalb der Arbeitszeit stattfinden kann. Die Rechtsgrundlage dafür bildet § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser Paragraph besagt, vereinfacht, dass Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch nicht verlieren, wenn sie für eine verhältnismäßig kurze Zeit aus persönlichen Gründen ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sind. Ein solcher persönlicher Verhinderungsgrund liegt bei Arztbesuchen nur dann vor, wenn der Termin dringend und unaufschiebbar während der Arbeitszeit erfolgen muss. Die Rechtsprechung betont, dass Arbeitnehmer alles Zumutbare unternommen haben müssen, um den Termin außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Nur unvermeidbare Arzttermine dürfen während der Arbeitszeit wahrgenommen werden, und dann besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB.
Wann ist ein Arzttermin unvermeidbar während der Arbeitszeit? Typische anerkannte Fälle sind etwa:
- Akute Beschwerden oder Notfälle: Zum Beispiel plötzlich auftretende starke Schmerzen oder akute Erkrankungen, die sofortige ärztliche Behandlung erfordern. In solchen Fällen liegt eine medizinische Dringlichkeit vor, die einen sofortigen Arztbesuch nötig macht.
- Termine, die vom Arzt zeitlich vorgegeben sind: Etwa spezielle Untersuchungen, die nur zu bestimmten Tageszeiten möglich sind – beispielsweise eine Blutentnahme am frühen Morgen im nüchternen Zustand. Wenn eine Untersuchung aus medizinischen Gründen nur zu einer festen Uhrzeit erfolgen kann, muss der Arbeitgeber dies ermöglichen.
- Facharzttermine ohne Alternativen: Bei manchen Fachärzten gibt es sehr lange Wartezeiten, und oft bieten sie Termine nur während üblicher Geschäftszeiten an. Wenn es realistisch nicht möglich war, einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen (etwa, weil der Facharzt nur vormittags Sprechstunden hat), gilt der Termin als unvermeidbar. Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält einen lang ersehnten Termin beim Augenfacharzt um 11 Uhr vormittags, da andere Termine erst Monate später verfügbar wären – hier darf er während der Arbeitszeit zum Arzt, da ein späterer Termin unzumutbar wäre.
- Ärztlich angeordnete Therapien: Regelmäßige Behandlungen, die aus gesundheitlichen Gründen zu festen Zeiten stattfinden müssen – z. B. Dialyse, Strahlentherapie oder Physiotherapie nach einer Operation. Solche therapeutischen Termine fallen ebenfalls unter die notwendigen Arztbesuche, wenn sie nicht außerhalb der Arbeitszeit gelegt werden können.
In all diesen Fällen muss der Arbeitgeber den Arztbesuch während der Arbeitszeit erlauben und das Entgelt fortzahlen, solange § 616 BGB anwendbar ist. Die Lohnfortzahlung umfasst in der Regel die Dauer des Arztbesuchs und die erforderliche Wegzeit zur Praxis und zurück. Zudem bleibt das Recht auf freie Arztwahl unberührt: Der Vorgesetzte darf nicht verlangen, dass man zu einem anderen Arzt geht, nur weil dieser eventuell Termine außerhalb der Arbeitszeit anbietet.
Beispiel: Eine Angestellte muss morgens um 8:00 Uhr zur Blutabnahme, die nur im nüchternen Zustand durchgeführt werden kann. Da diese Untersuchung aus medizinischen Gründen nur morgens möglich ist, handelt es sich um einen unvermeidbaren Arzttermin während der Arbeitszeit – der Arbeitgeber muss sie dafür freistellen und den Lohn weiterzahlen.
Wichtig: Arbeitnehmer sollten dennoch versuchen, Termine an den Rand der Arbeitszeit (früh morgens oder spät nachmittags) zu legen, um den Arbeitsausfall so gering wie möglich zu halten. Dies gehört zur zumutbaren Mitwirkung, um den betrieblichen Ablauf wenig zu stören. Falls doch ein mittäglicher Termin nötig ist, kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter nach dem Arztbesuch zurückkehrt und die restliche Arbeitszeit erfüllt, sofern dies zumutbar ist.
Teilzeitkräfte und Gleitzeit: Besonderheiten
Für Teilzeitbeschäftigte gelten oft strengere Maßstäbe. Da sie weniger Stunden arbeiten, wird erwartet, dass sie Arzttermine außerhalb ihrer kürzeren Arbeitszeit wahrnehmen, außer es liegt ein absolut dringender Fall vor. Gerichte unterstellen Teilzeitkräften in der Regel, dass sie genug freie Zeit haben, um planbare Arztbesuche herumzulegen. Können sie keinen dringenden Grund darlegen, besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung für einen Arztbesuch während ihrer Arbeitszeit; mitunter müssen sie die ausgefallene Zeit nacharbeiten. Beispiel: Eine Teilzeitangestellte mit 4 Stunden täglicher Arbeitszeit möchte zur Routine-Vorsorgeuntersuchung. Da sie an ihren freien Nachmittagen einen Termin vereinbaren könnte, hat sie keinen Anspruch, dafür vormittags freigestellt zu werden – sie muss den Termin in die freie Zeit legen.
Auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (Gleitzeit) ist Vorsicht geboten. Ist tariflich oder betrieblich nichts Abweichendes geregelt, müssen Beschäftigte Arzttermine hier in ihrer Gleitzeit unterbringen oder die Zeit selbst ausgleichen. Oft gibt es keine bezahlte Freistellung für Arztbesuche in Gleitzeitbetrieben; die Erwartung ist, dass die versäumte Arbeitszeit nachgeholt wird. Zwei Gerichtsentscheidungen stellten klar, dass in solchen Fällen kein Vergütungsanspruch besteht, solange der Termin nicht in die Kernarbeitszeit gelegt werden konnte. Ausnahme: Stellt die Ärztin während des Termins fest, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist, gilt wieder die normale Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – dann wird auch die Zeit des Arztbesuchs bezahlt.
Keine Freistellung für Routine- und Vorsorgetermine
Planbare Untersuchungen ohne akuten Anlass müssen Arbeitnehmer in die Freizeit legen. Dazu zählen insbesondere Vorsorgeuntersuchungen, Routine-Checks, Impfberatungen oder freiwillige Impfungen (z. B. Grippeschutz) – kurz: alles, was verschiebbar ist und nicht aus dringenden medizinischen Gründen sofort erfolgen muss. Für solche Routine-Termine besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine bezahlte Freistellung während der Arbeitszeit. Arbeitgeber dürfen erwarten, dass Angestellte ihre jährlichen Kontrolluntersuchungen oder präventiven Check-ups außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen.
Nimmt ein Arbeitnehmer trotzdem ohne besondere Not einen rein präventiven Arzttermin während der Arbeitszeit wahr, muss der Arbeitgeber hierfür keinen Lohn zahlen – im Gegenteil, es handelt sich um Arbeitszeit, die unentschuldigt fehlt. Eine solche Pflichtverletzung kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Beispiel: Ein Angestellter möchte zur jährlichen Hautkrebsvorsorge zum Dermatologen. Da es sich um einen lange im Voraus planbaren Routinecheck handelt und die Praxis auch Nachmittagstermine anbietet, muss er seinen Termin außerhalb der Arbeitszeit legen. Nimmt er stattdessen während der Arbeitszeit frei, obwohl es nicht notwendig war, riskiert er eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens.
Anders formuliert: Nicht jeder Arzttermin rechtfertigt automatisch eine bezahlte Freistellung. Arbeitnehmer müssen darlegen können, warum ausgerechnet der gewählte Termin nicht verschiebbar war. Ein Arztbesuch “einfach nur weil es gerade passt” ist kein ausreichender Grund. Wer zu einem Arzttermin geht, obwohl dies auch in der Freizeit möglich wäre, begeht eine Pflichtverletzung. Hier sollte man dann entweder Gleitzeit abbauen, Urlaub nehmen oder mit dem Arbeitgeber eine unbezahlte Freistellung vereinbaren.
Vertragliche Ausschlüsse: Anspruch prüfen
Die oben erläuterte Regelung des § 616 BGB gilt nur, sofern sie nicht durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ausgeschlossen oder modifiziert wurde. In vielen Arbeitsverträgen findet sich heute eine Klausel, die § 616 BGB ganz oder teilweise abbedingt. Ist § 616 BGB ausgeschlossen, bedeutet das: Zwar darf der Arbeitnehmer in dringenden Fällen immer noch während der Arbeit zum Arzt gehen, jedoch entfällt der Anspruch auf bezahlte Freistellung. Der Arbeitgeber muss einen notwendigen Arzttermin dann unbezahlt gewähren – der Arbeitnehmer muss also die Fehlzeit nacharbeiten, Überstunden oder Gleitzeit abbauen oder Urlaub nehmen, sofern keine andere Absprache getroffen wird.
Praxisbeispiel: Ein Arbeitnehmer im Einzelhandel hat im Arbeitsvertrag stehen, dass kurze persönliche Verhinderungen nach § 616 BGB nicht vergütet werden. Er bekommt nun kurzfristig einen dringenden Facharzttermin während der Schicht. Sein Arbeitgeber muss ihn zwar für den Termin freistellen (weil kein anderer Termin zumutbar ist), darf aber verlangen, dass der Mitarbeiter die versäumten Stunden später nachholt oder als Urlaubstag einbringt – eine Bezahlung für die Abwesenheit ist vertraglich ausgeschlossen.
Auch Tarifverträge können abweichende Regelungen vorsehe. Einige Tarifverträge gestatten z. B. bezahlte Freistellung für Arztbesuche nur unter bestimmten Voraussetzungen oder begrenzen die Dauer. Andere schließen – ähnlich wie manche Arbeitsverträge – die Vergütungspflicht bei kurzen Verhinderungen aus. Tipp: Beschäftigte sollten einen Blick in ihren Arbeitsvertrag und ggf. geltende Tarifvertrag werfen. Ist dort eine Klausel enthalten wie “§ 616 BGB findet keine Anwendung”, besteht kein Anspruch auf bezahlte Freistellung für Arztbesuche, und man muss entsprechende Fehlzeiten selbst abdecken. Fehlt eine solche Klausel, greift im Bedarfsfall die gesetzliche Regelung des § 616 BGB.
Richtiges Vorgehen: Meldung und Nachweis
Müssen Sie während der Arbeitszeit zum Arzt, sollten Sie unbedingt frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Informieren Sie Ihre Vorgesetzten so früh wie möglich über den geplanten Arztbesuch und klären Sie ab, wie die Fehlzeit gehandhabt wird – ganz besonders, wenn Sie im Homeoffice arbeiten. Niemand sollte einfach kommentarlos “verschwinden”, selbst wenn es nur eine Stunde ist. Eine kurze formlose Mitteilung (mündlich oder per E-Mail), wann und wie lange man voraussichtlich weg ist, gehört zum korrekten Vorgehen. So vermeiden Sie Missverständnisse und Ärger im Betrieb.
Zudem sollten Arbeitnehmer sich vom Arzt eine kurze Bescheinigung ausstellen lassen, die den Termin bestätigt. Insbesondere wenn der Arztbesuch während der Arbeitszeit aus medizinischen Gründen stattfinden musste, ist ein Nachweis ratsam. Darauf sollte stehen, dass und wann der Termin stattgefunden hat und warum er zu dieser Zeit notwendig war (etwa: “Der Termin war medizinisch notwendig und außerhalb der Sprechzeiten nicht möglich”). Der Arbeitgeber darf zwar keine Details zur Diagnose verlangen, aber er kann einen Nachweis über die Terminzeit und Notwendigkeit fordert. Viele Arbeitgeber haben hierfür eigene Formulare oder bitten um eine einfache Bestätigung der Praxis.
Kommt es zum Streitfall, liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer: Er muss glaubhaft machen, dass kein anderer Termin außerhalb der Arbeitszeit möglich oder zumutbar war. Ohne entsprechenden Nachweis verliert man unter Umständen den Vergütungsanspruch für die Abwesenheitszeit. Schlimmer noch, der Arbeitgeber könnte das Fehlen als unentschuldigt werten – eine Abmahnung wäre dann berechtigt, bei Wiederholung sogar eine Kündigung. Es ist daher im eigenen Interesse des Arbeitnehmers, im Zweifel eine Arztbestätigung über die Unvermeidbarkeit des Termins vorzulegen. Dies gilt auch, wenn man z. B. sein Kind oder einen Angehörigen zum Arzt begleiten muss: Lassen Sie sich bescheinigen, dass Ihre Anwesenheit erforderlich war.
Sonderfälle: Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder und Jugendliche
Einige gesetzliche Sonderregelungen gewähren bestimmten Arbeitnehmergruppen ausdrücklich bezahlte Freistellung für Arztbesuche, selbst wenn diese planbar sind:
- Schwangere und stillende Mütter: Nach § 7 Mutterschutzgesetz müssen Arbeitgeber werdende Mütter für Schwangerschaftsuntersuchungen freistellen, wenn diese im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen – bei voller Lohnfortzahlung. Gleiches gilt für Untersuchungen während der Mutterschaft und für die zum Stillen erforderliche Zeit. Eine schwangere Arbeitnehmerin darf also z. B. zu den vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen (Ultraschall, CTG etc.) während der Arbeitszeit gehen, ohne Gehaltseinbußen.
- Jugendliche Auszubildende: Für minderjährige Azubis schreibt § 43 Jugendarbeitsschutzgesetz vor, dass sie für die gesetzlich vorgeschriebene Erst- und Nachuntersuchung bezahlt freigestellt werden müssen. Ein 17-jähriger Lehrling darf also zur nötigen Nachuntersuchung innerhalb der Arbeitszeit gehen; der Ausbildungsbetrieb muss ihn dafür freistellen und den Lohn weiterzahlen.
- Erkranktes Kind: Wenn das eigene Kind krank wird und zum Arzt muss, haben Eltern in der Regel Anspruch auf sogenannte Kinderkrankentage (bezahlt durch die Krankenkasse) – das ist allerdings ein separater Anspruch außerhalb des § 616 BGB. Muss ein Arbeitnehmer sein erkranktes Kind zu einem Arzttermin begleiten, gilt zunächst das oben Gesagte: Der Termin muss aus dringenden Gründen in die Arbeitszeit fallen, sonst sollten Eltern versuchen, ihn außerhalb zu legen. Ist es z. B. ein akuter Notfall beim Kind oder gibt es keinen anderen Termin, darf der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit mit dem Kind zum Arzt. Zusätzlich sollte man sich vom Kinderarzt bescheinigen lassen, dass die Begleitung des Kindes erforderlich war. Dieser Nachweis rechtfertigt dann die kurzfristige Freistellung. (Hinweis: Bei längerer Erkrankung des Kindes können Eltern statt § 616 BGB auch Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen, was allerdings voraussetzt, dass man dafür einen Arbeitstag opfert.)
- Pflege von Angehörigen: Ähnlich wie bei Kindern kann es vorkommen, dass Arbeitnehmer nahe Angehörige (z. B. Eltern) zum Arzt begleiten müssen. Auch hier kann ein kurzfristiger persönlicher Verhinderungsgrund nach § 616 BGB vorliegen, wenn die Begleitung medizinisch notwendig ist und kein anderer Termin möglich war. Der Arbeitgeber sollte in dringenden Fällen die Freistellung gewähren; ratsam ist ebenfalls eine Bestätigung der Arztpraxis, dass die Begleitung des Angehörigen erforderlich war.
Gute Planung und offene Kommunikation
Arztbesuche während der Arbeitszeit sollten die Ausnahme bleiben. Arbeitnehmer sind gut beraten, medizinische Termine vorausschauend zu planen und möglichst auf arbeitsfreie Zeiten zu legen. Lässt sich ein Termin nicht verschieben – sei es aus medizinischen Gründen oder mangels Alternativen – sollten Beschäftigte frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen und gemeinsam eine Lösung finden. In vielen Fällen besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB, sofern der Termin wirklich unvermeidbar während der Arbeitszeit stattfinden muss und keine vertragliche Ausschlussklausel entgegensteht.
Wichtig ist zudem die Dokumentation: Lassen Sie sich den Arztbesuch und dessen Notwendigkeit zeitlich bestätigen, um im Zweifel Ihren Anspruch belegen zu können. Wer dagegen ohne Absprache und ohne Not zum Arzt geht, riskiert Ärger – vom Verlust des Vergütungsanspruchs bis hin zu Abmahnung oder Kündigung. Mit guter Absprache und Beachtung der rechtlichen Vorgaben lassen sich Arzttermine jedoch meist reibungslos mit der Arbeit vereinbaren. Im Zweifel hilft eine Beratung durch den Betriebsrat oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um die eigenen Rechte durchzusetzen.
Kurz zusammengefasst: Arbeitnehmer dürfen während der Arbeitszeit zum Arzt, wenn der Termin dringend medizinisch notwendig ist oder kein anderer Zeitpunkt zumutbar war. Dann besteht – sofern § 616 BGB nicht vertraglich ausgeschlossen wurde – ein Anspruch auf bezahlte Freistellung für die erforderliche kurze Zeit. Andernfalls (bei Routineterminen oder ausgeschlossener Vergütung) müssen sie die Fehlzeit selbst abdecken. Durch offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber und rechtzeitige Planung lassen sich Konflikte vermeiden, sodass sowohl die Gesundheit als auch die Arbeit nicht zu kurz kommen.