Auslegung eines auf Urheberrecht beruhenden zivilgerichtlichen Verbotstitels durch einen Ordnungsgeldbeschluss ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. April 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 1021/17 entschieden, dass die Auslegung eines auf Urheberrecht beruhenden zivilgerichtlichen Verbotstitels durch einen Ordnungsgeldbeschluss verfassungswidrig ist.

Die Vollstreckungsgläubigerin, die Klägerin des zugrunde liegenden Erkenntnisverfahrens, ist eine indirekte Tochtergesellschaft eines amerikanischen Unternehmens, das Computerspiele entwickelt und vertreibt. Dazu gehören auch die beiden verfahrensgegenständlichen Online-Rollenspiele, die über das Internet gespielt werden und bei denen zahlreiche Spieler mit ihren Figuren zugleich in der virtuellen Spielwelt aktiv werden und dabei verschiedenartige Aufgaben lösen und mit anderen Figuren interagieren. Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer einer Gesellschaft, die Software als Zubehör für solche Online-Spiele entwickelte und vertrieb. Diese Software führt bestimmte Handlungen innerhalb eines Spiels automatisiert durch (sogenannte „Bot“-Software).

In dem rechtskräftig abgeschlossenen Erkenntnisverfahren, das dem beschwerdegegenständlichen Vollstreckungsverfahren zugrunde liegt, nahm die Klägerin den Beschwerdeführer erfolgreich auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. Nach weitgehender Zurückweisung der Revision des Beschwerdeführers durch den Bundesgerichtshof ist der Unterlassungstitel des Landgerichts dadurch in dem Umfang rechtskräftig geworden, dass es dem Beschwerdeführer unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt ist, „selbst oder durch Dritte (einschließlich einer von ihm vertretenen juristischen Person) die Client-Software für die Online-Spiele […] ganz oder teilweise, dauerhaft oder vorübergehend zu gewerblichen Zwecken zu vervielfältigen, insbesondere indem er selbst oder durch Dritte Teile der Client-Software für die Online-Spiele […] auf die Festplatte eines PC kopiert und/oder in den Arbeitsspeicher lädt […], um zu gewerblichen Zwecken eine Automatisierungssoftware für diese Spiele herzustellen und/oder zu bearbeiten“.

Der Beschwerdeführer habe das Urheberrecht an der Client-Software für die streitgegenständlichen Online-Spiele verletzt. Indem der Beschwerdeführer oder die Mitarbeiter der GmbH die Client-Software dauerhaft auf den Festplatten gespeichert und bei der Teilnahme an den Online-Spielen vorübergehend in die Arbeits- und Grafikspeicher des betroffenen Computers geladen hätten, sei es zu Vervielfältigungen der urheberrechtlich geschützten Spiele-Software im Sinne von § 69c Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG gekommen, was durch das vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht lediglich zu privaten Zwecken nicht gedeckt sei. Der Beschwerdeführer hafte für eigene Verletzungen sowie als Geschäftsführer der GmbH für Verletzungshandlungen durch deren Mitarbeiter, weil er das Geschäftsmodell des Unternehmens entworfen und das rechtsverletzende Verhalten der Mitarbeiter veranlasst habe.

Im Vollstreckungsverfahren, dem Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerde, begehrte die Klägerin als Vollstreckungsgläubigerin gemäß § 890 ZPO die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Beschwerdeführer wegen Verstößen gegen das titulierte Unterlassungsgebot. Der Beschwerdeführer habe Veränderungen an der Bot-Software vorgenommen, die zwingend das Ablaufenlassen der Client-Software voraussetze. Der Beschwerdeführer machte insbesondere geltend, dass seine inländischen Mitarbeiter schriftlich angewiesen worden seien, die Client-Software des Spiele-Betreibers nicht weiter zu verwenden. Zudem hielten sich weitere Mitarbeiter, die in die Entwicklung der Bot-Software eingebunden seien, nicht in Deutschland, sondern im Ausland auf.

Das Landgericht wies die Anträge auf Verhängung von Ordnungsmitteln zunächst zurück. Zwar kam es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass der Beschwerdeführer die Client-Software für die Online-Spiele zur Bearbeitung seiner Bot-Software vervielfältigen lasse. Es stehe aber nicht fest, dass die Vervielfältigungshandlungen auch im Inland begangen worden seien. Alleine die Anpassung der Bot-Software führe nicht zu einer Verletzungshandlung in Deutschland. Der urheberrechtliche Unterlassungstitel enthalte kein selbstständiges Verbot, die Bot-Software zu bearbeiten, sondern umschreibe nur den Zweck des Vervielfältigens. Die aus dem Unterlassungsgebot resultierende Handlungspflicht beziehe sich auch nur darauf, Urheberrechtsverletzungen im Inland zu unterbinden.

Auf die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin hat das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Beschluss ein Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer festgesetzt.

Zwar komme nach dem Territorialitätsprinzip die Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Auslandshandlung grundsätzlich nicht in Betracht. Hier liege aber keine reine Auslandshandlung vor. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens sei nicht auf eine Verletzungshandlung gegen das inländische Schutzrecht, sondern auf eine Zuwiderhandlung gegen das auf das Inland begrenzte Verbot des Titels abzustellen. Zudem genüge es, wenn ein Teil der Handlung im Inland begangen sei. Im Streitfall sei die Zuwiderhandlung gegen den Titel im Inland erfolgt. Der Umfang des Verbotstitels erstrecke sich auch auf eine im Inland begangene Beteiligung an einer Vervielfältigung durch Dritte. Dass die Vervielfältigung ihrerseits unterbunden werden könne, was im Ausland nicht der Fall sei, setze das Titelverbot einer Beteiligung nicht voraus. Der Titel verlange vom Schuldner nicht nur, im Inland alles zu unterlassen, sondern im Inland auch alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich war, um künftige Vervielfältigungen der Client-Software des Spiels durch Dritte – und sei es auch im Ausland – zu verhindern. Der Beschwerdeführer könne sich nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt sei, sondern müsse auch auf Dritte einwirken, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liege und ihm wirtschaftlich zugutekomme. Dem habe der Beschwerdeführer nicht genügt. So sei bereits nicht ersichtlich, dass er vom Inland aus alle Mitarbeiter seines Unternehmens ausreichend belehrt und angewiesen habe. Hinzukomme, dass der Beschwerdeführer über eine im Inland registrierte und abrufbare Internetdomäne Daten und Informationen für die Weiterentwicklung seiner verfahrensgegenständlichen Bots im Falle von Softwareänderungen der Gläubigerin habe bereitstellen lassen, ohne hiergegen, wie vom Titel verlangt, einzuschreiten. Bei diesen Änderungen sei die Client-Software der Klägerin durch Dritte, die dem Einfluss des Beschwerdeführers unterlägen, vervielfältigt worden. Die Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.

Die vom Beschwerdeführer eingelegte Gehörsrüge hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der Unterlassungstenor verbiete Zuwiderhandlungen im Inland gegen den auf das Inland begrenzten Titel und nicht nur Vervielfältigungen im Inland. Eine solche sei keine Voraussetzung für einen Verstoß. Der Beschwerdeführer habe nicht vom Inland aus darauf hingewirkt, den von ihm herbeigeführten Störungszustand zu beseitigen und Vervielfältigungen auch durch Dritte im Ausland zu unterbinden.

Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer jedenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

Gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher – ohne dass es auf schuldhaftes Handeln ankäme – der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung allerdings noch nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr).

Nach diesem Maßstab verletzt die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in der Bedeutung als Willkürverbot.

Zutreffend ist das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt insoweit einfachrechtlich davon ausgegangen, dass es durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln hatte, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen.

Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist indes rechtlich nicht begründbar und verlässt den durch den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gezogenen Bereich zulässiger Auslegung des Verbotstitels (1) und gelangt so zu einer dem Beschwerdeführer als Schuldner nicht vorhersehbaren und daher insoweit von ihm nicht befolgbaren Auslegung des Unterlassungstitels, auf der die angegriffene Sanktionierung gemäß § 890 ZPO beruht (2).

Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist rechtlich nicht tragfähig und in sich widersprüchlich.

Zwar ist es unbedenklich, bei der Auslegung eines Unterlassungstitels die in ständiger fachgerichtlicher Rechtsprechung entwickelte „Kerntheorie” zur Anwendung zu bringen, wonach der Schutzumfang eines Unterlassungsgebots dem Schuldner erkennbar nicht nur die Verletzungsfälle, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern auch solche kerngleichen Verletzungshandlungen umfassen kann, in denen ungeachtet etwaiger Abweichungen im Einzelnen das Charakteristische der ursprünglichen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt.

Grundsätzlich begegnet es auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, einer Unterlassungsverpflichtung im Wege der Auslegung auch gewisse, dem Schuldner mögliche und zumutbare Handlungspflichten zu entnehmen, die erforderlich sind, um dem Unterlassungsgebot durch Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands zu genügen, der gleichbedeutend mit der Fortsetzung des Störungszustands ist.

In diesem Rahmen können sich auch Handlungspflichten gegenüber Dritten ergeben. Allerdings haftet der Schuldner nicht für das selbstständige Handeln Dritter. Eine im Wege der Auslegung zu ermittelnde Verpflichtung des Schuldners zur Einwirkung auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zu Gute kommt und auf die er Einfluss hat, ist indes grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es sich um dem Schuldner mögliche und zumutbare Maßnahmen handelt und diese dem Vollstreckungsschuldner auch erkennbar und vorhersehbar sind.

Ungeachtet der Auswirkungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots findet eine Auslegung ihre Grenze aber jedenfalls dann, wenn dem Titel im Wege der Auslegung ein Umfang zugemessen wird, der nicht zumindest implizit Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war.

Damit korrespondieren in der fachgerichtlichen Rechtsprechung an die Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit von Unterlassungstiteln und darauf gerichtete Klageanträge entwickelte Anforderungen. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und in der Folge eine darauf beruhende Verurteilung – indes nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfung und Entscheidung des Gerichts auch unter Berücksichtigung gewisser im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes zulässiger Verallgemeinerungen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt, nicht erkennbar abgegrenzt ist, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe.

Stets muss im Vollstreckungsverfahren erkennbar sein, welche Verhaltensweisen vom Verbot erfasst und welche ausgenommen sind. Anderenfalls ist der Betroffene dem Druck ausgesetzt, zur Vermeidung einer Vollstreckungsmaßnahme nach § 890 ZPO auch Verhaltensweisen zu unterlassen, die unbedenklich sind. Rechtsstaatliche Funktion der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen ist es indes, durch die Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit des Inhalts der Entscheidung über den Streitgegenstand die Rechtslage verbindlich zu klären und damit dem Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten zu dienen, ihnen insbesondere zu ermöglichen, ihr Verhalten gemäß dieser Rechtslage einzurichten.

Zweifel bei der Auslegung im Vollstreckungsverfahren gehen folglich zu Lasten des Titelinhabers, der durch entsprechende Antragsformulierung im Erkenntnisverfahren etwa notwendige Verallgemeinerungen oder Konkretisierungen des Verbots herbeiführen kann.

Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels ist hiernach rechtlich nicht begründbar und verlässt den durch den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gezogenen Bereich zulässiger Auslegung des Verbotstitels.

Im Ergebnis untersagt das Oberlandesgericht die weltweite Herstellung der Bot-Software selbst sowie bereits das Unterlassen des Einwirkens im Inland darauf, dass diese nicht durch mit dem Beschwerdeführer verbundene Dritte im Ausland unter Nutzung der Computerspiele der Gläubigerin hergestellt werde. Ein solches Gebot ist von dem Unterlassungstitel indes offensichtlich nicht erfasst, weil es bereits nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war, das allein auf die Untersagung von Vervielfältigungshandlungen an der verfahrensgegenständlichen Spielesoftware der Gläubigerin selbst im Inland – durch den Beschwerdeführer oder ihm zurechenbare Dritte – und nicht darauf gerichtet war, die Herstellung der Bot-Software selbst als solches zu unterlassen.

Der Wortlaut des Tenors verlangt vom Beschwerdeführer, es zu unterlassen, die Client-Software der Gläubigerin zu gewerblichen Zwecken zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen. Der Verweis im Tenor auf die Herstellung und Bearbeitung der Bot-Software ist dabei lediglich eine Beschreibung des gewerblichen Zwecks der Vervielfältigung. Der Gläubigerin steht daher nach dem Titel gegen den Beschwerdeführer nur ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch in Bezug auf die gewerbliche Vervielfältigung der Client-Software zu.

Der Unterlassungstenor umfasst demgegenüber nicht die Herstellung und Verbreitung der Bot-Software. Die Verwendung der für die Herstellung der Bot-Software notwendigen Informationen, die durch die Vervielfältigung und anschließende Analyse der Client-Software erlangt wurden, ist ebenfalls nicht vom Wortlaut des Titels umfasst. Auch aus den Entscheidungsgründen und den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt sich nicht, dass die Herstellung der Bot-Software selbst Gegenstand des beim Landgericht verbliebenen Erkenntnisverfahrens war. Soweit die Klage ursprünglich diese Klageanträge umfasst hatte, hatte das Landgericht Leipzig das Verfahren an das Landgericht (…) verwiesen.

Aus den im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden dazugehörigen Entscheidungsgründen aus dem Erkenntnisverfahren ergibt sich ferner, dass sich das titulierte Verbot allein auf in Deutschland vorgenommene Vervielfältigungshandlungen bezog, da es sich um einen auf § 97 UrhG gestützten Unterlassungsanspruch handelt.

Als Folge des Territorialitätsprinzips besteht für Werke und für eine durch ein Leistungsschutzrecht geschützte Leistung in jedem Staat ein räumlich begrenztes Schutzrecht nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Urheberrechts. Ein inländisches Urheberrecht kann daher grundsätzlich nur durch eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung verletzt werden. Folglich ist im Wege der Auslegung in den Tenor auch dann eine entsprechende räumliche Begrenzung hineinzulesen, wenn sich eine solche daraus nicht ausdrücklich ergibt.

Das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG wird nach allgemeiner Auffassung an dem Ort verletzt, an dem das Vervielfältigungsexemplar entsteht. Zwar genügt, wenn Teilakte der grenzüberschreitenden Verwertungshandlung im Inland stattfinden, um eine Anwendbarkeit der inländischen Rechtsordnung zu bejahen. Auch bei im Ausland begangenen Handlungen eines mittelbaren Täters, Teilnehmers oder Störers, die als adäquate Veranlassung einer im Inland durch Dritte begangenen Rechtsverletzung zu werten sind, ist ein hinreichender Inlandsbezug zu bejahen.

Eine Vervielfältigung der Client-Software im Inland hat das Oberlandesgericht allerdings nicht festgestellt. Bei einer solchen Ausgangslage sind dann aber weder Teilnahmehandlungen an Vervielfältigungen im Ausland noch die bloße Verwertung der dabei erlangten Informationen vom beschwerdegegenständlichen Unterlassungstenor umfasst. Auch auf der materiellen Ebene liegt eine Urheberrechtsverletzung nur bei einer zumindest teilweise im Inland begangenen Handlung vor und nicht bei einer inländischen Teilnahme an einer ausländischen Verletzungshandlung. Ein hinreichender Inlandsbezug ist ebenfalls anzunehmen, wenn eine im Ausland begangene Handlung eines mittelbaren Täters, Teilnehmers oder Störers eine Rechtsverletzung eines Dritten im Inland adäquat veranlasst hat. Eine solche Rechtsverletzung im Inland hat aber das Oberlandesgericht ebenfalls nicht festgestellt.

Die Erweiterung des Umfangs des Unterlassungstitels durch die Auslegung des Unterlassungstitels im Streitfall etabliert damit im Ergebnis eine von einer konkreten Verletzungshandlung im Sinne des deutschen Urheberrechtsgesetzes losgelöste allgemeine Handlungspflicht.

Zwar ist – wie dargestellt – fachgerichtlich anerkannt und verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass sich eine Unterlassungsverpflichtung dann nicht im bloßen Nichtstun erschöpft, wenn allein durch Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands einem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. Hier fehlt es jedoch bereits an einem vergleichbaren fortdauernden Störungszustand. Soweit das Oberlandesgericht diesen darin sieht, dass der Beschwerdeführer das Geschäftsmodell der GmbH entworfen und das rechtsverletzende Verhalten der Mitarbeiter veranlasst habe, verkennt es, dass das Geschäftsmodell als solches gerade keinen urheberrechtlichen Störungszustand darstellt. Die vom Verbotstenor erfasste Rechtsverletzung bestand vielmehr ausschließlich in der Vervielfältigung der Client-Software als Erfolgsdelikt. Mit der Argumentation des Oberlandesgerichts lässt sich zwar mit dem Bundesgerichtshof im Erkenntnisverfahren die persönliche Haftung des Beschwerdeführers begründen, nicht aber der Sinngehalt des Unterlassungstenors nachträglich ausweiten. Ein Störungszustand lässt sich auch nicht damit begründen, dass im Ausland Verletzungshandlungen vorgenommen werden, da Auslandsvervielfältigungen gerade nicht untersagt sind.

Da eine dauerhafte Beeinträchtigung des Urheberrechts durch eine Vervielfältigung im Inland nicht vorliegt, kann auch ein Unterlassen des Einwirkens auf Dritte im Ausland nicht als inländischer Anknüpfungspunkt für einen Verstoß gegen den Unterlassungstitel genommen werden. Was die Verletzung ausländischer Schutzrechte anbelangt, wäre es indes gegebenenfalls Sache der Gläubigerin gewesen, ihren Anspruch im Erkenntnisverfahren – vorbehaltlich der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts – auch auf im Ausland bestehende Schutzrechte zu stützen.

Das Oberlandesgericht legt auch selbst zunächst dar, dass nach dem Territorialitätsprinzip eine Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Auslandshandlung nicht in Betracht kommt. Dann widerspricht es sich aber insoweit, dass der Unterlassungstenor auch die inländische Pflicht umfassen soll, alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Vervielfältigungen durch Dritte im Ausland zu verhindern. Ein Verstoß gegen diese Handlungspflicht soll dann eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung im Inland darstellen. Diese rechtliche Konstruktion einer täterschaftlichen Verletzung ist aufgrund der inkonsequenten Anwendung des Territorialitätsprinzips in sich widersprüchlich, weil selbst eine urheberrechtlich relevante Teilnahmehandlung eine rechtswidrige und damit zumindest teilweise inländische Haupttat voraussetzt. Dem Unterlassungstenor wird hierdurch eine Reichweite verliehen, die mit der rechtskräftigen Entscheidung nicht mehr vereinbar ist.

Das Oberlandesgericht gelangt so zu einer dem Beschwerdeführer als Schuldner auch bei gebotener Auslegung des Titels nicht vorhersehbaren und daher nicht befolgbaren Auslegung des Unterlassungsgebots, auf der die angegriffene Sanktionierung gemäß § 890 ZPO beruht.

Die Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist auch willkürlich im aufgezeigten Sinne.

Die rechtliche Konstruktion der etablierten Handlungspflicht ist nach Maßgabe der obigen Ausführungen unter keinen denkbaren Gesichtspunkten tragfähig und zudem in sich widersprüchlich. Es drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass die angenommene Handlungspflicht auf sachfremden Erwägungen beruht. Das Oberlandesgericht untersagt im Ergebnis die weltweite Herstellung der Bot-Software selbst, beziehungsweise bereits das mangelnde Einwirken darauf, dass diese nicht durch mit dem Beschwerdeführer verbundene Dritte im Ausland hergestellt werde. Das ist von dem Unterlassungstitel indes offensichtlich nicht erfasst, weil es bereits nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war, das allein auf die Untersagung von Vervielfältigungshandlungen an der verfahrensgegenständlichen Software der Gläubigerin gerichtet war.

Der angegriffene Ordnungsgeldbeschluss des Oberlandesgerichts beruht auf dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehler. Er ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird damit gegenstandslos.