Ausstempeln und weiterarbeiten

01. Oktober 2025 -

Illegale Überstunden – also heimliche Mehrarbeit außerhalb der offiziellen Zeiterfassung – sind ein zunehmendes Problem in der Arbeitswelt. Seit 2022 besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, doch manche Unternehmen umgehen dies, indem sie die offiziellen Stunden reduzieren und Mitarbeiter nach dem Ausstempeln weiterarbeiten lassen. Arbeitnehmer stempeln sich aus und kehren anschließend an den Arbeitsplatz zurück, um unerfasst Überstunden zu leisten. Dieser Rechtstipp erklärt sachlich-juristisch, warum solche inoffiziellen Überstunden illegal sind, welche gesetzlichen Regeln und aktuellen Urteile zu beachten sind und welche praktischen Handlungsempfehlungen es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gibt.

Gesetzliche Arbeitszeitgrenzen nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) setzt klare Grenzen für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, um Überlastung und Gesundheitsgefahren zu verhindern. Grundsätzlich gilt eine maximale Arbeitszeit von 8 Stunden pro Werktag (Montag bis Samstag), was einer 48-Stunden-Woche entspricht. Eine vorübergehende Verlängerung auf bis zu 10 Stunden täglich ist zwar zulässig, aber nur, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 6 Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt wieder 8 Stunden pro Werktag eingehalten werden. Mehr als 10 Stunden pro Tag sind selbst mit Ausgleich unter keinen Umständen erlaubt.

Darüber hinaus schreibt das ArbZG Ruhepausen und Ruhezeiten zwingend vor. Spätestens nach 6 Stunden Arbeit ist eine Pause von mindestens 30 Minuten vorgeschrieben (ab über 9 Stunden insgesamt 45 Minuten Pause). Nach Beendigung der täglichen Arbeit muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden, bevor am nächsten Tag wieder gearbeitet werden darf. Diese 11-Stunden-Regel bedeutet z. B., dass jemand, der abends um 20 Uhr die Arbeit beendet, frühestens um 7 Uhr am nächsten Tag wieder anfangen dürfte. Die Einhaltung der Ruhezeit ist zwingend – Verkürzungen sind nur in ganz wenigen Ausnahmefällen erlaubt und müssen dann meist durch längere Ruhephasen ausgeglichen werden.

Überstunden – also Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen – dürfen nicht dazu führen, dass die Höchstgrenzen des ArbZG überschritten werden. Werden dennoch regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche gearbeitet (z. B. dauerhaft 52 Stunden), ist eine solche Anordnung rechtlich unwirksam; die Vereinbarung gilt dann automatisch nur bis zur zulässigen Grenze von 48 Stunden. Zudem müssen Überstunden in der Regel entweder durch Freizeit ausgeglichen oder vergütet werden. Arbeitgeber dürfen nicht einseitig verlangen, dass regelmäßig unentgeltlich mehr gearbeitet wird, als vertraglich vereinbart. Seit einer Nachweisgesetz-Reform im August 2022 müssen Arbeitsverträge sogar klar regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen Überstunden angeordnet werden dürfen und wie sie vergütet werden. Fehlt eine solche Regelung, gelten die gesetzlichen Grundsätze: Überstunden sind nur im Rahmen des ArbZG zulässig und üblich zu vergüten.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung seit EuGH-Urteil und BAG-Beschluss 2022

Lange Zeit schrieb das ArbZG nur vor, Überstunden über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinaus sowie Sonn- und Feiertagsarbeit aufzuzeichnen (ArbZG § 16 Abs. 2). Doch diese Mindest-Dokumentation reicht inzwischen nicht mehr aus. Ein Paukenschlag in der Rechtsprechung änderte die Rechtslage: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) forderte in seinem Urteil vom 14. Mai 2019 (Rechtssache C‑55/18, sog. „Stechuhr-Urteil“), dass alle EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit einzuführen. Dieses EuGH-Urteil zielte darauf ab, die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen effektiv zu kontrollieren und Selbstausbeutung durch unbezahlte Mehrarbeit zu verhindern.

In Deutschland bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) ausdrücklich die Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung. Das BAG stellte klar, dass bereits nach geltendem Recht „in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist.“. Dies leitete das Gericht aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ab, der bei unionsrechtskonformer Auslegung die Einführung eines Systems zur Zeiterfassung verlangt. Mit diesem Beschluss wurde verbindlich entschieden, dass das EuGH-Urteil von 2019 in Deutschland unmittelbar zu beachten ist – Arbeitgeber können sich also nicht darauf berufen, auf ein neues Gesetz zu warten. Bereits jetzt besteht eine Rechtspflicht, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Beschäftigten aufzuzeichnen.

Wichtig: Die Aufzeichnungspflicht gilt für sämtliche Arbeitszeiten, nicht nur für Überstunden. Das heißt, jeder Arbeitstag muss erfasst werden, damit ersichtlich ist, ob und wann Überstunden anfallen und ob Ruhezeiten eingehalten wurden. Eine Formvorschrift gibt es derzeit nicht – die Erfassung kann elektronisch, per Stechuhr oder sogar handschriftlich erfolgen. Entscheidend ist, dass das System zuverlässig und vollständig ist. Auch sogenannte Vertrauensarbeitszeit schützt nicht vor der Dokumentationspflicht: Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern zwar vertrauen, was die Verteilung der Arbeitszeit angeht, aber auch bei Vertrauensarbeitszeit müssen die geleisteten Stunden erfasst werden. Das Vertrauensmodell ändert nichts daran, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten strikt einzuhalten sind.

Die Bundesregierung plant, die Pflicht zur Zeiterfassung noch konkret im Arbeitszeitgesetz zu verankern. Ein Referentenentwurf vom April 2023 sah etwa vor, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit täglich elektronisch festzuhalten. Allerdings ist diese Gesetzesreform politisch noch nicht abgeschlossen (Stand: Ende 2025). Ungeachtet dessen müssen Arbeitgeber die BAG-Vorgaben bereits jetzt umsetzen. Das gestiegene Augenmerk auf Arbeitszeitaufzeichnung – kombiniert mit strengeren Nachweis- und Informationspflichten – hat das Bewusstsein für tatsächlich geleistete Stunden deutlich geschärft.

Illegale Überstunden: Weiterarbeiten nach dem „Ausstempeln“

Vor dem Hintergrund der Zeiterfassungspflicht seit 2022 haben sich in manchen Betrieben unzulässige Praktiken eingeschlichen. Eine davon ist, dass Mitarbeiter zwar die Stechuhr betätigen und offiziell Feierabend haben, aber anschließend doch weiterarbeiten – oft auf informelle Anweisung des Arbeitgebers. Diese versteckten Überstunden werden absichtlich nicht erfasst, um auf dem Papier die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Offiziell bleibt man z. B. unter 8 Stunden täglich, in Wahrheit fallen aber vielleicht 9 oder 10 Stunden Arbeit an, verteilt auf „offizielle“ und „inoffizielle“ Zeit.

Solche inoffiziellen Mehrarbeitsstunden verstoßen gegen mehrere Vorschriften zugleich. Zum einen werden dadurch häufig die Höchstarbeitszeiten überschritten oder vorgeschriebene Ruhezeiten verkürzt – was einen klaren Gesetzesverstoß nach dem ArbZG darstellt. Zum anderen wird die nun geltende Aufzeichnungspflicht unterlaufen, denn der Arbeitgeber kommt seiner Pflicht, die gesamte Arbeitszeit zu erfassen, nicht nach. Gerade weil das BAG betont hat, dass die gesamte Arbeitszeit zu erfassen ist, ist das bewusste Nicht-Aufzeichnen von Arbeitsstunden rechtswidrig. Es handelt sich in der Regel um illegale Überstunden, da sie weder den formalen Vorgaben entsprechen noch meist vergütet werden.

Für Arbeitnehmer bedeutet das Arbeiten außerhalb der Zeiterfassung ein erhebliches Risiko. Arbeitszeit ohne Stempel ist rechtlich gesehen trotzdem Arbeitszeit – mit allen Folgen. Wer nach dem Ausstempeln weiterarbeitet, riskiert etwa, unversichert zu sein, falls ein Unfall passiert. Zwar greift die gesetzliche Unfallversicherung grundsätzlich auch bei Überstunden, aber problematisch wird es, wenn der Arbeitsunfall in einem Zeitraum geschieht, der offiziell als Freizeit gilt – dann kann es zu Beweisschwierigkeiten kommen, dass man überhaupt gearbeitet hat. Außerdem verlieren Arbeitnehmer durch heimliche Mehrarbeit Anspruch auf Vergütung oder Freizeitausgleich, da der Arbeitgeber bestreiten kann, von diesen Stunden gewusst zu haben. In der Praxis zeigt sich: Was nicht erfasst ist, lässt sich später kaum nachweisen. So wies etwa ein Arbeitsgericht die Klage eines Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung ab, weil er nicht beweisen konnte, mehr gearbeitet zu haben, als im Zeiterfassungssystem stand. Wer freiwillig ohne Auftrag länger bleibt, hat im Zweifel keinen Lohnanspruch – und selbst bei impliziter Duldung durch den Chef ist die Durchsetzung schwierig, wenn alles „unter dem Radar“ lief.

Auch für Arbeitgeber sind solche Schatten-Überstunden höchst gefährlich. De facto duldet oder fordert der Arbeitgeber hier einen Gesetzesverstoß von seinen Angestellten. Kommt dies heraus – etwa durch eine Beschwerde, einen Betriebsrats-Hinweis oder eine Kontrolle der Arbeitsschutzbehörde – drohen empfindliche Konsequenzen. Es liegt ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsschutzrecht vor, der als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld geahndet werden kann. Zudem kann ein derartiges Verhalten als bewusste Umgehung der Arbeitsschutzvorschriften ausgelegt werden, was den Vorwurf vorsätzlichen Handelns nach sich zieht. Im Extremfall könnten bei fortgesetzten eklatanten Verstößen sogar Straftatbestände erfüllt sein (z. B. wenn Gesundheitsschäden der Arbeitnehmer billigend in Kauf genommen werden). Darüber hinaus baut der Arbeitgeber ein erhebliches Haftungsrisiko auf: Werden Überstunden später doch gerichtlich geltend gemacht oder öffentlich, kann es zu Nachzahlungen von Löhnen, Schadenersatzklagen oder auch zu kollektivrechtlichen Streitigkeiten kommen.

Nicht zuletzt sind illegale Überstunden kontraproduktiv für die Arbeitskultur. Sie fördern Selbstausbeutung und untergraben das Vertrauen der Mitarbeiter in die Firma. Das Konzept der Zeiterfassungspflicht beruht darauf, Transparenz zu schaffen und Überarbeitung zu verhindern – wer dieses System aushöhlt, handelt nicht nur rechtswidrig, sondern auch entgegen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Beschäftigten.

Aktuelle Rechtsprechung und Urteile zum Thema Überstunden

Mehrere Urteile und Beschlüsse der letzten Jahre haben die Rechtslage bei Überstunden und Arbeitszeiterfassung deutlich gemacht. Die wichtigste Entscheidung auf EU-Ebene war das bereits erwähnte EuGH-Urteil vom 14. Mai 2019, das eine systematische Zeiterfassung fordert. Diese Entscheidung zielt darauf ab, die Arbeitszeitrichtlinie der EU (2003/88/EG) effektiv umzusetzen und sicherzustellen, dass die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit eingehalten wird.

In Deutschland folgte darauf der bedeutsame BAG-Beschluss vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21). Darin stellte das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis fest, dass Arbeitgeber bereits nach geltendem deutschen Recht verpflichtet sind, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Interessanterweise ergab sich dieser Fall aus einem Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber: Ein Betriebsrat wollte ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems geltend machen. Das BAG verneinte letztlich ein Initiativrecht des Betriebsrats mit der Begründung, dass der Arbeitgeber ohnehin kraft Gesetzes (ArbSchG) zur Zeiterfassung verpflichtet sei – es bedürfe daher keiner mitbestimmten Einführung, weil bereits Gesetzespflicht. Mit diesem Beschluss wurde endgültig klargestellt, dass kein Unternehmen mehr warten darf, bis der Gesetzgeber tätig wird – die Pflicht ist jetzt schon zu erfüllen.

Darüber hinaus gibt es weitere Urteile, die den Umgang mit Überstunden betreffen. Zum Beispiel hat das Bundesarbeitsgericht schon früher entschieden, dass Arbeitnehmer Überstundenvergütung nur verlangen können, wenn die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet wurde. Ansonsten tragen Arbeitnehmer das Risiko, auf ihren Überstunden „sitzenzubleiben“. Neuere Fälle – wie das oben erwähnte Urteil des LAG Hamm 2023 – zeigen, dass eine transparente Zeiterfassung im Streitfall entscheidend ist: Sind Arbeitszeiten klar erfasst, fällt es Arbeitnehmern leichter, Vergütungsansprüche zu begründen, und Arbeitgebern umgekehrt, unberechtigte Forderungen abzuwehren. Fehlen Aufzeichnungen, geht dies erfahrungsgemäß zulasten der Anspruchsteller. Genau hier setzt die EuGH/BAG-Rechtsprechung an: Lückenlose Dokumentation soll solche Streitigkeiten von vornherein reduzieren und Schwarzarbeit oder Arbeitszeitbetrug (in jegliche Richtung) verhindern.

Aktuell in der Diskussion (Stand 2025) ist ein neuer gesetzlicher Rahmen für die Arbeitszeiterfassung. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat angekündigt, das ArbZG entsprechend anzupassen. Ein möglicher Gesetzentwurf sieht vor, dass Arbeitszeiten tagesaktuell und elektronisch erfasst werden müssen. Ebenso wird diskutiert, ob es mehr Flexibilisierung geben sollte (Stichwort: Vertrauensarbeitszeit vs. starre Höchstarbeitszeitgrenzen). Aber bis solche Reformen in Kraft treten, gelten die beschriebenen Regelungen und Urteile: Die Höchstgrenzen des ArbZG sind einzuhalten und jede Arbeitsstunde ist aufzuzeichnen.

Folgen von Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften

Die Missachtung der Arbeitszeitregeln – sei es durch Überschreiten der Höchstarbeitszeit, Nichteinhaltung von Pausen/Ruhezeiten oder Nicht-Erfassen der Stunden – hat rechtliche Konsequenzen. Auf Seiten der Arbeitgeber drohen Bußgelder von bis zu 15.000 € pro Verstoß, wenn gegen die Höchstarbeitszeit oder Ruhezeitregelungen verstoßen wird. Die Überwachung der Vorschriften obliegt den staatlichen Arbeitsschutzbehörden der Länder (z. B. Gewerbeaufsichtsamt). Diese können im Rahmen von Betriebsprüfungen oder auf Anzeige tätig werden und notfalls Anordnungen treffen oder Geldbußen verhängen. Bei schweren oder beharrlichen Verstößen kann ein Arbeitszeitverstoß sogar als Straftat geahndet werden (etwa wenn behördliche Anordnungen ignoriert werden oder vorsätzlich die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet wird).

Auch Arbeitnehmer können Konsequenzen spüren, allerdings meist anderer Art. Arbeitszeitbetrug – das absichtliche Fälschen von Zeiterfassungen, z. B. Ausstempeln trotz Weiterarbeit oder auch umgekehrt unberechtigtes Eintragen von Zeiten – kann arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Hier ist allerdings zu unterscheiden: Wer länger arbeitet als erlaubt, begeht aus Arbeitgebersicht zunächst keinen Diebstahl oder Betrug (eher im Gegenteil, er schenkt dem Unternehmen Zeit). Dennoch kann ein Arbeitgeber darauf bestehen, dass betriebsinterne Anweisungen zur maximalen Arbeitszeit und zu Dokumentationspflichten einzuhalten sind. Missachtet ein Mitarbeiter diese (etwa aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein), könnte der Arbeitgeber theoretisch eine Abmahnung aussprechen – nicht wegen „Mehrarbeit“, sondern wegen Verstoßes gegen Anweisungen zur Arbeitssicherheit. In der Praxis kommen Sanktionen gegen Arbeitnehmer in solchen Fällen aber selten vor, zumal die Mehrarbeit oft im Interesse des Arbeitgebers geschieht. Eher umgekehrt: Fordert der Arbeitgeber illegale Überstunden, so darf der Arbeitnehmer diese aus berechtigtem Grund verweigern, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Mehrarbeit, die gegen das Gesetz verstößt, darf vom Arbeitnehmer abgelehnt werden – eine solche Weigerung gilt nicht als Arbeitsverweigerung, da der Wunsch des Chefs hier rechtswidrig wäre.

Zivilrechtlich können Arbeitnehmer, die regelmäßig unbezahlte Überstunden leisten, versuchen, diese nachträglich geltend zu machen. Wie oben erwähnt, ist das ohne Aufzeichnungen schwierig, aber nicht unmöglich – insbesondere wenn nachweisbar ist, dass der Arbeitgeber die Mehrarbeit angeordnet oder stillschweigend hingenommen hat. Ein erfolgreiches Einklagen setzt jedoch stichhaltige Belege voraus (z. B. E-Mails, aus denen Arbeitsanweisungen zu später Stunde hervorgehen, Zeugenaussagen von Kollegen oder nachvollziehbare Eigenaufzeichnungen). Im Zweifel entscheiden Gerichte nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast: Arbeitnehmer müssen darlegen, wann und wie sie mehr gearbeitet haben und dass der Arbeitgeber dies veranlasst oder gebilligt hat; der Arbeitgeber muss dann ggf. konkret bestreiten oder beweisen, dass dem nicht so war. Die flächendeckende Zeiterfassung soll gerade hier für klare Fakten sorgen und solche Auseinandersetzungen möglichst vermeiden.

Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer

  1. Eigenen Arbeitszeitnachweis führen: Als Arbeitnehmer sollten Sie stets den Überblick über Ihre Arbeitszeiten behalten. Nutzen Sie das Zeiterfassungssystem Ihres Betriebs konsequent und tragen Sie jede geleistete Stunde ein. Falls in Ihrem Unternehmen (noch) kein zuverlässiges System besteht oder Überstunden „unter der Hand“ gefordert werden, notieren Sie sich selbst Beginn, Ende und Pausen Ihrer Arbeitstage. Diese Aufzeichnungen können im Ernstfall als Beweismittel dienen, um Ihre Ansprüche zu untermauern. Arbeiten Sie nie freiwillig länger, ohne dies zu dokumentieren – Sie könnten sonst später leer ausgehen.
  2. Überstunden nur auf Anweisung leisten: Klären Sie mit Ihrem Vorgesetzten, ob und wie Überstunden anfallen sollen. Sie sind grundsätzlich nur verpflichtet, Mehrarbeit zu leisten, wenn dies arbeitsvertraglich, per Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung vereinbart ist oder eine dringende betriebliche Notlage vorliegt. Leisten Sie keinesfalls heimlich Überstunden in der Annahme, es werde schon erwünscht sein – fehlt die Anordnung oder zumindest Duldung des Chefs, besteht kein Vergütungsanspruch. Sprechen Sie Überstunden vorab ab und lassen Sie sich Freizeitausgleich oder Bezahlung zusichern, idealerweise schriftlich oder per E-Mail.
  3. Grenzen kennen und einhalten: Achten Sie selbst auf die gesetzlichen Grenzen Ihrer Arbeitszeit. Arbeiten Sie nicht länger als 10 Stunden am Tag und sorgen Sie für die vorgeschriebenen Ruhepausen und Ruhezeiten. Wenn Ihr Arbeitgeber von Ihnen verlangt, die gesetzliche Höchstarbeitszeit zu überschreiten, dürfen Sie dies ablehnen – das gilt nicht als Arbeitsverweigerung, weil die Anordnung an sich unrechtmäßig ist. Berufen Sie sich höflich aber bestimmt auf den Schutz durch das Arbeitszeitgesetz. Überlasten Sie sich nicht aus falsch verstandenem Pflichtgefühl – Ihre Gesundheit geht vor, und das Gesetz steht hinter Ihnen.
  4. Illegale Anweisungen melden: Werden in Ihrem Unternehmen systematisch Arbeitszeiten gefälscht oder Überstunden „unter dem Radar“ eingefordert, scheuen Sie sich nicht, das anzusprechen. Zunächst sollte intern das Gespräch gesucht werden – etwa mit dem Vorgesetzten oder (falls vorhanden) dem Betriebsrat. Betriebsräte haben ein wachsames Auge auf die Einhaltung von Arbeitszeiten und können Druck ausüben, dass Gesetze respektiert werden. Führt ein internes Gespräch zu keiner Besserung, steht Ihnen der Weg zu externen Stellen offen. Sie können sich an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden und dort eine Beschwerde einreichen. Diese Behörden sind verpflichtet, Hinweisen nachzugehen, und können anonymisierte Kontrollen durchführen. In gravierenden Fällen – z. B. wenn Überstundenberge ohne Ausgleich auflaufen oder Sie wegen Arbeitszeitdrucks gesundheitliche Probleme bekommen – ziehen Sie eine juristische Beratung in Betracht. Fachanwälte für Arbeitsrecht (wie Dr. Usebach) können Ihre Rechte einschätzen und Ihnen bei Bedarf helfen, Ansprüche durchzusetzen oder sich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen zu wehren.
  5. Keine Angst vor Konsequenzen: Viele Arbeitnehmer zögern, Überstunden abzulehnen oder Missstände zu melden, aus Angst vor negativen Folgen. Doch das Arbeitsrecht bietet hier Schutz. Eine Kündigung oder Abmahnung nur weil Sie berechtigterweise „Nein“ zu gesetzeswidriger Mehrarbeit sagen, wäre unwirksam bzw. unbegründet. Ebenso darf man Sie nicht schlechter behandeln, weil Sie auf die Einhaltung von Arbeitszeitgesetzen pochen – das fiele unter unzulässige Benachteiligung. Wichtig ist, dass Sie sachlich bleiben und Ihre Rechte kennen. Informieren Sie ggf. Kollegen und handeln Sie solidarisch, denn gemeinsam lässt sich eher Veränderung erzielen, ohne dass einzelne als „Querulanten“ dastehen. Letztlich profitieren auch ehrliche Arbeitgeber davon, wenn unfaire und illegale Praktiken unterbleiben.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

  1. Arbeitszeiten vollständig und korrekt erfassen: Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, ein verlässliches Zeiterfassungssystem einzuführen. Sorgen Sie dafür, dass Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Mitarbeiter erfasst werden – inklusive Überstunden und Pausen. Die Wahl des Systems steht Ihnen frei (ob elektronisch, Stechuhr oder manuelle Lösung), doch es muss den gesetzlichen Anforderungen genügen: lückenlos, manipulationssicher und für die Arbeitnehmer zugänglich. Schulen Sie Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter in der Nutzung und kommunizieren Sie klar, dass jede geleistete Stunde registriert werden muss. Stellen Sie sicher, dass auch bei Homeoffice oder mobilem Arbeiten die Zeiten erfasst werden; Arbeitszeitrecht gilt ortsunabhängig.
  2. Illegale Überstunden unterbinden: Entwickeln Sie eine Unternehmenskultur, in der heimliche Mehrarbeit keinen Platz hat. Machen Sie unmissverständlich klar, dass Weiterarbeiten nach dem Ausstempeln verboten ist – nicht, weil Sie die Arbeit nicht schätzen, sondern weil es gegen das Gesetz verstößt. Geben Sie ein gutes Beispiel: Vorgesetzte sollten Überstunden ihrer Teams im Blick haben und nicht stillschweigend dulden, dass jemand regelmäßig länger bleibt, als er aufschreibt. Ermutigen Sie Mitarbeiter, offen über Arbeitsbelastung zu sprechen, anstatt Extraarbeit zu verstecken. Oft entstehen illegale Überstunden aus Angst, als ineffizient zu gelten – dem sollten Sie aktiv entgegenwirken, indem realistische Leistungserwartungen gesetzt werden.
  3. Arbeitsumfang und Personalplanung prüfen: Wenn Ihr Betrieb nur durch ständige Mehrarbeit funktioniert, ist das ein Alarmsignal. Analysieren Sie die Arbeitslast und prüfen Sie, ob dauerhaft Überstunden anfallen, die über das normale Maß hinausgehen. Gegebenenfalls muss die Personaldecke verstärkt oder Prozesse verbessert werden. Regelmäßige Überstunden sollten die Ausnahme sein, nicht die Regel – sonst laufen Sie Gefahr, gegen die 48-Stunden-Wochenobergrenze zu verstoßen. Planen Sie Schichten und Dienstpläne so, dass ausreichende Ruhezeiten gewährleistet sind. Setzen Sie Überstunden nur vorübergehend und in zulässigem Rahmen ein (z. B. in Saisonspitzen oder bei unvorhergesehenen Aufträgen), und gewähren Sie dann zeitnah Ausgleich in Freizeit oder zahlen Sie die Zuschläge, die Mitarbeitern zustehen.
  4. Rechtskonforme Überstundenregelung treffen: Stellen Sie sicher, dass es in Ihrem Unternehmen klare Überstundenregelungen gibt – idealerweise schriftlich fixiert im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer Dienstanweisung. Legen Sie fest, wie Überstunden anzuordnen sind (etwa nur durch die Geschäftsleitung oder Abteilungsleitung, nicht eigenmächtig durch Mitarbeiter) und wie sie erfasst und vergütet werden. Seit 2022 verlangt das Nachweisgesetz explizit die Angabe, unter welchen Voraussetzungen Überstunden angeordnet werden dürfen und wie die Vergütung erfolgt. Kommen Sie dieser Pflicht nach. Eine transparente Regelung beugt nicht nur Konflikten vor, sondern stellt auch sicher, dass keine „wilden“ Überstunden geschehen. Weisen Sie zudem darauf hin, dass Überstunden ohne vorherige Genehmigung grundsätzlich nicht erwartet werden – so vermeiden Sie, dass Beschäftigte aus falsch verstandenem Eifer länger arbeiten, als sie sollten.
  5. Compliance und Kontrollen: Überprüfen Sie regelmäßig die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften in Ihrem Betrieb. Führen Sie interne Kontrollen der Zeiterfassung durch: Stimmen z. B. die elektronischen Log-Daten mit den beobachtbaren Arbeitszeiten überein? Gibt es Unregelmäßigkeiten (etwa viele Buchungen exakt 8:00 Stunden täglich, was unrealistisch ist, oder vermehrt manuelle Korrekturen im Zeitsystem)? Achten Sie auf Warnsignale, wie Mitarbeiter, die häufig übermüdet wirken oder E-Mails zu nachtunwürdigen Zeiten senden – das könnten Hinweise auf unerfasste Nachtarbeit sein. Arbeitsschutzbehörden können jederzeit Prüfungen durchführen; bereiten Sie sich darauf vor, indem Sie die Dokumentation ordnungsgemäß führen und zwei Jahre aufbewahren (gesetzliche Aufbewahrungsfrist nach ArbZG). Bei einer offiziellen Kontrolle müssen Sie nachweisen können, dass Sie Ihrer Zeiterfassungspflicht nachkommen. Verstöße werden sonst – wie erwähnt – mit Bußgeldern geahndet. Das finanzielle Risiko, aber auch der Imageschaden bei solchen Verstößen, ist erheblich.
  6. Gesundes Arbeitsumfeld fördern: Denken Sie daran, dass die Arbeitszeitgesetze Schutzgesetze sind. Es liegt im Interesse Ihres Unternehmens, die Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter zu erhalten. Übermüdete oder ausgebeutete Arbeitnehmer machen mehr Fehler, fallen langfristig aus und schaden dem Betriebsklima. Indem Sie auf Work-Life-Balance achten und Gesetze einhalten, fördern Sie Produktivität und vermeiden Haftungsfälle (etwa wenn ein Übermüdungsfehler zu einem Schaden führt, könnte man dem Arbeitgeber ein Mitverschulden anlasten, wenn er die Überlastung kannte). Ermutigen Sie Überstunden, wenn nötig, aber nicht ohne Limit: Bieten Sie z.B. statt Geld auch mal einen Tag frei als Belohnung an, um Erholung zu ermöglichen. Und signalisieren Sie, dass Erholungspausen und Feierabende respektiert werden – Mails nach Mitternacht sollten die Ausnahme bleiben.

Illegale Überstunden – also bewusst nicht erfasste und gegen gesetzliche Vorgaben verstoßende Mehrarbeit – sind weder für Arbeitnehmer noch Arbeitgeber ein Kavaliersdelikt. Sie untergraben den Arbeitnehmerschutz und können für beide Seiten böse Folgen haben. Arbeitnehmer sollten sich nicht darauf einlassen, stundenweise Gratisarbeit außerhalb der Zeiterfassung zu leisten, und ihre Rechte auf Begrenzung der Arbeitszeit kennen. Arbeitgeber sind gut beraten, für transparente Arbeitszeitmodelle zu sorgen und die gesetzlichen Vorgaben strikt einzuhalten, anstatt durch inoffizielle Arrangements Risiken einzugehen. Seit der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (BAG 2022) gibt es mehr denn je einen Fokus auf die tatsächlichen Arbeitszeiten – jede Stunde „schwarz“ zu arbeiten oder zu lassen kann Konsequenzen haben. Im Zweifel gilt: Gesetz geht vor betrieblicher Gewohnheit. Beide Seiten profitieren von fair geregelten und dokumentierten Arbeitszeiten – denn sie schaffen Rechtssicherheit, schützen die Gesundheit und sorgen letztlich für ein nachhaltigeres Arbeitsverhältnis. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie frühzeitig rechtlichen Rat ein, statt illegalen Überstunden Raum zu geben. So stellen Sie sicher, dass Leistung und Legalität Hand in Hand gehen.