BAG: Tarifvertrag verhindert Abschaffung bezahlter Frühstückspause per Betriebsvereinbarung

09. Oktober 2025 -

Im Mai 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein tarifgebundener Arbeitgeber eine jahrelang gewährte bezahlte 15-Minuten-Frühstückspause nicht einseitig durch eine Betriebsvereinbarung streichen darf. In dem Urteil vom 20.05.2025 (Az. 1 AZR 120/24) wurde klargestellt, dass eine solche Regelung gegen die tarifliche Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt und zudem nicht der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Nachfolgend erläutern wir den Fall und die Entscheidung und geben wichtige Rechtstipps – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.

Sachverhalt: Bezahlte Frühstückspause per Betriebsvereinbarung gestrichen

Ein Werkstattmeister eines kommunalen Nahverkehrsbetriebs konnte sich über viele Jahre auf eine arbeitstägliche 15-minütige, bezahlte Frühstückspause verlassen. Diese zusätzliche Pause wurde zur Arbeitszeit gerechnet und vergütet, ohne dass die Mitarbeiter deshalb länger arbeiten mussten. Es handelte sich um eine betriebliche Übung, also eine regelmäßig wiederholte freiwillige Vergünstigung des Arbeitgebers, aufgrund derer die Arbeitnehmer darauf vertrauen durften, dass sie dauerhaft gewährt wird. Solche betrieblichen Übungen können im Laufe der Zeit Bestandteil des Arbeitsvertrags werden.

Im September 2018 schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat jedoch eine Betriebsvereinbarung (BV Nr. 44 „Restrukturierung und Konsolidierung“), die unter anderem vorsah, dass diese bisher geübte Praxis der bezahlten Frühstückspause mit sofortiger Wirkung beendet wird. Ab diesem Zeitpunkt wurde die 15-minütige Frühstückspause nicht mehr vergütet, und der Kläger nahm diese Pause folglich nicht mehr in Anspruch.

Der Werkstattmeister war der Ansicht, dass die betriebliche Übung der bezahlten Pause nicht einfach per Betriebsvereinbarung abgeschafft werden könne. Da sein Arbeitgeber tarifgebunden war, meinte er, die Regelung in der BV verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, der Betriebsvereinbarungen über tariflich geregelte Arbeitsbedingungen verbietet. Zudem – so der Kläger – sei keine wirksame Ablösung der Übung erfolgt, weil die Betriebsvereinbarungsoffenheit fehlte und kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestand. Er verlangte daher als Schadensersatz eine Gutschrift der entgangenen Pausenzeiten (rund 15 Minuten pro Tag) auf seinem Arbeitszeitkonto für die Jahre 2019–2023 und stellte einen Feststellungsantrag, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 44 die bestehende Übung nicht wirksam beendet hat.

Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht Niedersachsen) wiesen die Klage zunächst ab. Sie bezweifelten teils das Entstehen einer betrieblichen Übung (Stichwort: tarifliche und vertragliche Schriftformklauseln) und hielten jedenfalls die Betriebsvereinbarung für eine wirksame Ablösung. In der Revision vor dem BAG hatte der Kläger jedoch Erfolg: Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies den Fall zurück an das LAG zur neuen Verhandlung. Dabei gab das BAG bereits wichtige rechtliche Leitlinien vor, insbesondere zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung und zu den Voraussetzungen der betrieblichen Übung.

Entscheidung des BAG: Tarifvorrang und kein Mitbestimmungsrecht

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass die Betriebsvereinbarungsklausel, welche die bezahlte Pause abschaffen sollte, unwirksam ist. Ausschlaggebend waren zwei Punkte: Erstens greift hier die tarifliche Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zweitens fiel die Abschaffung der Pause in keinen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsrats, sodass der Betriebsrat in dieser Frage keine erzwingbare Mitbestimmung hatte. Im Einzelnen:

  • Tarifliche Regelungssperre (§ 77 Abs. 3 BetrVG): Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dürfen Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Genau das war hier der Fall. Der Arbeitgeber war Mitglied im Arbeitgeberverband und an den einschlägigen Tarifvertrag (ETV für nichtbundeseigene Eisenbahnen und Kraftverkehrsbetriebe) gebunden. Dieser Tarifvertrag enthielt in § 12 ETV detaillierte Regelungen zu Arbeitsversäumnis und Arbeitsbefreiung, also dazu, unter welchen Umständen Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt werden und ob diese Freizeit bezahlt oder unbezahlt ist. Eine tägliche bezahlte Kurzpause stellt nichts anderes als eine bezahlte Arbeitsbefreiung dar. Damit war das Thema bereits tariflich “besetzt”. Das BAG betonte, dass es unerheblich ist, ob die Betriebsvereinbarung im Wortlaut konkret gegen eine Tarifvorschrift verstößt oder nicht – entscheidend ist, dass sich die Regelungsgebiete überschneiden. Die Sperrwirkung soll verhindern, dass Betriebsparteien durch ergänzende oder auch inhaltsgleiche Regelungen die Tarifautonomie unterlaufen. Mit anderen Worten: Ein Tarifvertrag kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung ausgehöhlt oder ergänzt werden, solange der Tarifvertrag keinen ausdrücklichen Spielraum dafür lässt. Im Ergebnis war § 1 Abs. 2 Unterabs. 2.1 BV Nr. 44 (Abschaffung der bezahlten Pause) wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.
  • Kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats: Gleichzeitig stellte der Senat fest, dass die Aufhebung der bezahlten Frühstückspause nicht unter die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG fällt. Der Betriebsrat konnte also nicht erzwingen, dass die Pause nur mit seiner Zustimmung abgeschafft wird – allerdings machte ihn das nicht frei, per Vereinbarung etwas zu regeln, was tariflich tabu war. Warum greift kein Mitbestimmungsrecht? Das BAG führte dazu mehrere Punkte aus:
  • „Lage der Pausen“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG): Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf gesetzliche Ruhepausen, die unbezahlte Unterbrechungen der Arbeit sind (z.B. die 30 Minuten Mittagspause). Die hier strittige Frühstückspause war aber bezahlte Arbeitszeit (Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung) und somit gerade keine Ruhepause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Ihre Streichung betrifft daher nicht die Lage oder Verteilung der Ruhepausen, sondern die Gewährung einer bezahlten Arbeitsbefreiung – das fällt nicht unter Nr. 2.
  • „Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG): Auch dieser Tatbestand war nicht erfüllt. Die Abschaffung der 15-Minuten-Pause änderte nicht die betriebsübliche tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter im Werkstattbereich. Diese mussten weder länger noch kürzer arbeiten als zuvor – sie hatten lediglich keine zusätzliche bezahlte Pause mehr. Die Dauer der vertraglichen Arbeitszeit blieb unverändert, sodass keine mitbestimmungspflichtige Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit vorlag.
  • „Grundsätze der Entlohnung“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG): Hier stellte das BAG klar, dass die Einstellung der bezahlten Pause keine Änderung von Entlohnungsgrundsätzen darstellt. Zwar könnte man meinen, eine bezahlte Pause sei ein geldwerter Vorteil. Doch das Gericht differenziert: Entlohnungsgrundsätze betreffen vermögenswerte Leistungen des Arbeitgebers, die das Entgelt oder vergleichbare Zuwendungen beeinflussen. Die Frühstückspause war jedoch keine zusätzliche Geldleistung, sondern eine kurzzeitige Freistellung von der Arbeitspflicht. Dadurch wurde das Vermögen der Arbeitnehmer nicht vermehrt – sie erhielten ja kein über das normale Gehalt hinausgehendes Geld, sondern lediglich etwas mehr Freizeit. Wenn der Arbeitgeber diese Praxis einstellt, verdienen die Mitarbeiter hinterher nicht weniger (das Gehalt blieb gleich); sie müssen nur die reguläre Arbeitszeit wieder ohne zusätzliche Pause verbringen. Folglich liegt keine mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsstruktur vor.
  • (Auch andere Mitbestimmungstatbestände, wie etwa § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zum Gesundheitsschutz, waren offensichtlich nicht einschlägig und wurden vom BAG kurz verworfen.)

Unterm Strich bedeutete dies: Die Betriebsparteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) hätten zu diesem Thema gar keine wirksame Betriebsvereinbarung abschließen dürfen, weil das Feld tariflich geregelt ist. Und selbst wenn kein Tarifvertrag existiert hätte, wäre die Abschaffung der Pause hier kein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung gewesen – der Arbeitgeber hätte rein formal ohne Zustimmung des Betriebsrats darüber entscheiden dürfen. Allerdings musste er dabei natürlich die individuellen Rechte der Arbeitnehmer beachten, insbesondere bereits entstandene Ansprüche aus Arbeitsvertrag oder betrieblicher Übung.

Betriebliche Übung: Entstehung trotz Schriftformklausel?

Ein zentrales Element des Falls ist die betriebliche Übung der bezahlten Pause. Der Kläger konnte nur deshalb einen Anspruch geltend machen, weil die regelmäßige Gewährung der vergüteten 15-Minuten-Pause als konkludente Vertragsänderung verstanden werden kann. Hier stellte sich die Frage, ob vertragliche oder tarifliche Schriftformklauseln dem entgegenstehen. Im Arbeitsvertrag des Klägers von 2004 war vereinbart, dass Änderungen des Vertrags schriftlich zu erfolgen haben. Zudem bestimmte § 3 Abs. 2 des einschlägigen Tarifvertrags (ETV), dass Nebenabreden nur wirksam sind, wenn sie schriftlich fixiert werden.

Das BAG hat in seinem Urteil angedeutet, dass weder die individuelle noch die tarifliche Schriftformklausel eine betriebliche Übung verhindert. Wichtig zu wissen: Allgemeine Schriftformklauseln in vorformulierten Arbeitsverträgen sind häufig unwirksam, wenn sie den Eindruck erwecken, mündliche Abreden oder durch Verhalten begründete Ansprüche seien unwirksam. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, weil sie ihn von der Durchsetzung legitimer Ansprüche aus formlos entstandenen Vereinbarungen abhalten kann. Das dürfte hier bei der doppelten Schriftformklausel im Vertrag der Fall sein – sie wäre nach § 307 BGB unwirksam.

Auch die tarifliche Klausel, die Nebenabreden schriftlich verlangt, steht der Entstehung der Pause-Übung wohl nicht entgegen. Das BAG stellte klar, dass eine Vereinbarung über die tägliche Arbeitsleistung (hier: 15 Minuten bezahlte Freistellung pro Tag) keine bloße Nebenabrede, sondern eine Hauptabrede darstellt. Hauptleistungspflichten – wie Arbeitszeit und Vergütung – fallen nicht unter den Begriff der „Nebenabrede“. Daher war die regelmäßige Frühstückspause trotz fehlender Schriftform geeignet, als Vertragsbedingung zu gelten.

Allerdings hat das BAG die Sache an das LAG zurückverwiesen, um genaue Feststellungen zu treffen, ob und in welcher Form eine betriebliche Übung bestand. In der neuen Verhandlung muss geklärt werden, seit wann und unter welchen Umständen die vergütete Pause gewährt wurde und ob die Arbeitnehmer tatsächlich darauf vertrauen durften, dass diese auf Dauer gewährt wird. Zudem muss das LAG prüfen, ob der Anspruch möglicherweise wegen der Gestaltung des Arbeitszeitkontos oder anderer Umstände begrenzt ist. Für den Kläger kommt es darauf an, dass die Gutschrift von Zeit überhaupt noch möglich und hinreichend bestimmt ist – ggf. muss er seinen Antrag präzisieren, an welcher Stelle des Zeitkontos die Stunden gutzuschreiben wären.

Folgen für Arbeitgeber

Arbeitgeber sollten aus diesem Urteil mehrere Lehren ziehen:

  • Tarifbindung prüfen: Ist das Unternehmen tarifgebunden (oder fällt es in den Geltungsbereich eines für die Branche üblichen Tarifvertrags), dürfen bestimmte Arbeitsbedingungen nicht per Betriebsvereinbarung geändert oder abgeschafft werden. Das gilt insbesondere für Entlohnung, Arbeitszeiten und Freistellungen, die üblicherweise in Tarifverträgen geregelt sind. Versucht der Arbeitgeber dennoch, zusammen mit dem Betriebsrat davon abzuweichen, ist die Vereinbarung rechtlich unwirksam – selbst wenn der Betriebsrat einverstanden ist. Tarifverträge genießen insoweit Vorrang vor Betriebsvereinbarungen (Tarifvorrang).
  • Betriebliche Übung ernst nehmen: Gewährt ein Arbeitgeber über längere Zeit freiwillig eine Leistung (sei es eine zusätzliche Pause, Sonderzahlung, Bonus oder Ähnliches), kann daraus eine verbindliche Verpflichtung entstehen. Eine einmal etablierte betriebliche Übung lässt sich nicht einseitig nach Belieben des Arbeitgebers beenden. Weder ein neuer Betriebsrat noch eine interne Anweisung kann ohne Weiteres eine solche Vertragsbedingung abschaffen. Möchte der Arbeitgeber eine betriebliche Übung beenden, muss er rechtlich sauber vorgehen – etwa durch Änderungskündigungen oder individuelle Vertragsänderungen mit Zustimmung der Arbeitnehmer. Hierbei ist frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt ratsam, um Fehler (und teure Nachforderungen) zu vermeiden.
  • Wirksamkeit von Schriftformklauseln überprüfen: Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln, wonach Änderungen des Vertrags schriftlich zu erfolgen haben. Arbeitgeber verlassen sich mitunter darauf, dass dadurch stillschweigende Änderungen ausgeschlossen seien. Doch wie das BAG erneut deutlich macht, schützen solche Klauseln den Arbeitgeber nicht unbedingt: Allgemein gehaltene Schriftformklauseln können unwirksam sein. Arbeitgeber sollten sich also nicht in falscher Sicherheit wiegen – langjährig gelebte Praktiken können verbindlich sein, selbst ohne Schriftstück. Im Zweifel sollte der Arbeitgeber bestehende Vertragsklauseln und gelebte Praxis von Experten prüfen lassen.
  • Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat: Das Urteil bedeutet nicht, dass Betriebsräte unwichtig wären, aber es zeigt Grenzen auf. Arbeitgeber können nicht erwarten, über eine Betriebsvereinbarung Tarifstandards zu unterlaufen oder vertragliche Ansprüche der Mitarbeiter auszuhebeln. Betriebsräte sollten ihr Mitbestimmungsrecht gezielt dort ausüben, wo es greift (z.B. bei tatsächlicher Neugestaltung von Arbeitszeiten oder Pausenplänen), und sich andererseits bewusst sein, wo Tarifverträge den Rahmen vorgeben. Im Zweifel ist die Abstimmung mit der tarifschließenden Gewerkschaft erforderlich, wenn eine im Betrieb geübte Praxis geändert werden soll, die eigentlich ins Tarifgebiet fällt.

Folgen für Arbeitnehmer

Auch Arbeitnehmer und Betriebsräte können aus dem BAG-Urteil Nutzen ziehen:

  • Ansprüche aus betrieblicher Übung kennen: Beschäftigte sollten wissen, dass regelmäßig gewährte freiwillige Leistungen des Arbeitgebers zu individuellen Ansprüchen führen können. Wer also über Jahre hinweg z.B. eine bezahlte Frühstückspause, Weihnachtsgeld oder andere Vorteile erhalten hat, darf darauf vertrauen, dass diese Leistungen weiterhin erbracht werden. Eine plötzliche Streichung ist rechtlich angreifbar. Im vorliegenden Fall hat der Kläger erfolgreich darauf hingewiesen, dass die Frühstückspause Teil seines Arbeitsvertrags geworden war – ein wichtiger Hinweis für Arbeitnehmer in ähnlicher Lage.
  • Betriebsvereinbarungen überprüfen: Nur weil eine neue Betriebsvereinbarung eine bisherige Vergünstigung abschafft, heißt das nicht automatisch, dass Arbeitnehmer diese hinnehmen müssen. Betriebsvereinbarungen dürfen Tarifverträge nicht aushebeln und können nicht ohne Weiteres in individualvertragliche Rechte eingreifen. Arbeitnehmer sollten im Zweifel die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen hinterfragen. Im gegebenen Fall war die BV unwirksam, weil sie tariflich geregelte Materie betraf – die Mitarbeiter hätten also weiterhin Anspruch auf die Pause (bzw. einen Ausgleich) gehabt. Es lohnt sich, beim Betriebsrat oder einer Gewerkschaft nachzufragen, ob eine Betriebsvereinbarung rechtmäßig ist, insbesondere wenn sie Verschlechterungen bringt.
  • Gewerkschaftliche Unterstützung: Das Urteil unterstreicht die Bedeutung von Tarifverträgen und Gewerkschaften. Tarifverträge setzen Mindestbedingungen und schützen Arbeitnehmer davor, dass auf betrieblicher Ebene Schlechterstellungen vereinbart werden. Arbeitnehmer, die tarifgebunden sind (direkt oder über die Mitgliedschaft ihres Arbeitgebers), können sich auf diese Schutzwirkung berufen. Im Konfliktfall – etwa wenn ein Arbeitgeber eine lang geübte Praxis einstellen will – kann die Gewerkschaft verhandeln oder der Rechtsweg beschritten werden. Die tarifliche Regelungssperre wirkt hier als Schutzschild zugunsten der Arbeitnehmer und der kollektiv ausgehandelten Standards.
  • Individuelle Beratung suchen: Wer feststellt, dass ihm ein bislang gewährter Vorteil genommen werden soll, sollte frühzeitig Rechtsrat einholen. Oft ist es sinnvoll, den Betriebsrat einzuschalten und gemeinsam eine Lösung zu suchen. Sollte das nicht fruchten, kann die Klärung vor dem Arbeitsgericht – wie im Fall des Werkstattmeisters – erfolgreich sein. Wichtig ist, etwaige Anspruchsfristen (Verfallsfristen im Vertrag/Tarifvertrag oder die 3-monatige Klagefrist bei Kündigungen, falls der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausspricht) im Auge zu behalten. Im Zweifelsfall hilft ein Fachanwalt für Arbeitsrecht, die Rechtslage im konkreten Fall zu beurteilen.

Das Urteil (BAG, Urt. v. 20.05.2025 – 1 AZR 120/24) verdeutlicht einmal mehr das Zusammenspiel von Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und individualem Arbeitsrecht. Ein Arbeitgeber kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung Fakten schaffen, die einem Tarifvertrag widersprechen oder bestehende individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer aushebeln. Für Arbeitgeber heißt es: vorsichtig agieren und tarifliche Vorgaben beachten. Für Arbeitnehmer heißt es: Genau hinschauen, welche Rechte ihnen zustehen, und diese notfalls einfordern. Dieses Ergebnis stärkt die Tarifautonomie und zeigt, dass langjährige betriebliche Gepflogenheiten durchaus einklagbare Rechte begründen können – ein wichtiger Hinweis für beide Seiten des Arbeitsvertrags.