beA-Pflicht auch bei Klagen in eigener Sache: Was Anwälte jetzt beachten müssen

16. Oktober 2025 -

Ein 71-jähriger Rechtsanwalt, der in eigener Sache vor dem Finanzgericht klagte, musste erfahren, dass ihn seine Zulassung auch im Ruhestand zur elektronischen Klageeinreichung verpflichtet. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies seine papierhaft eingereichte Klage als unzulässig ab – weil er diese nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) einreichte. Weder hohes Alter noch geringe aktive Berufstätigkeit entbinden von der elektronischen Übermittlungspflicht nach § 52d Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Diese Entscheidung steht im Spannungsfeld divergierender Rechtsauffassungen anderer Gerichte und berührt Fragen der Gleichbehandlung und der effektiven Rechtsdurchsetzung. Nachfolgend werden die Rechtslage, die unterschiedlichen Gerichtsmeinungen sowie praktische Tipps** für Anwälte – gerade im Ruhestand – erläutert.

Hintergrund: Elektronische Übermittlungspflicht nach § 52d FGO

Seit dem 01.01.2022 gilt für alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eine aktive Nutzungspflicht des beA. Das bedeutet, dass vorbereitende Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die schriftlich bei Gericht eingereicht werden, verbindlich als elektronisches Dokument übermittelt werden müssen, sofern sie durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden. Diese Pflicht zur elektronischen Kommunikation – geregelt in § 52d Satz 1 FGO (für die Finanzgerichtsbarkeit) und parallel etwa in § 130d ZPO (für den Zivilprozess) – soll den durchgängigen elektronischen Rechtsverkehr etablieren und die Gerichte von Medienbrüchen (Papier -> Scan) entlasten. Anders gesagt: Die Justiz hat erheblich in die Digitalisierung investiert und der Gesetzgeber will sicherstellen, dass alle Beteiligten aus dem Profi-Lager (Anwälte, Behörden) diesen Weg auch nutzen – freiwillig oder notfalls per Zwang.

Für Anwälte besteht daher seit 2022 kein Wahlrecht mehr, ob sie Schriftsätze per Post, Fax oder elektronisch einreichen: Nur die elektronische Einreichung wahrt die vorgeschriebene Form. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift hat gravierende Folgen: So ist z.B. eine Klage trotz fristgerechter Zustellung per Post als unzulässig abzuweisen, wenn die anwaltliche Partei sie nicht elektronisch übermittelt hat. Einen solchen – im Ergebnis sehr strengen – Formalismus hat nun der aktuelle Fall des FG Berlin-Brandenburg exemplarisch vor Augen geführt.

Der Fall: Anwalt im Ruhestand klagt ohne beA

Ein 71 Jahre alter Rechtsanwalt, der seit ca. zehn Jahren nur noch in geringem Umfang beratend tätig und nicht mehr forensisch für Mandanten unterwegs war, erhob Ende 2024 Klage gegen mehrere Grundsteuerwert-Bescheide betreffend seine Eigentumswohnungen. Er reichte die Klageschrift per Post ein, ohne irgendwo seine Anwaltszulassung zu erwähnen. Tatsächlich betrachtete er sich als Privatperson im Verfahren und meinte, die Nutzung des beA bleibe ihm erspart, da er ja nicht „als Rechtsanwalt“ auftrete. Er fühlte sich eigenen Angaben zufolge mit dem beA überfordert und hatte sich – trotz Einrichtungspflicht – bis dato noch gar nicht mit dem beA befasst. Entsprechend war die Klage auf Papier für ihn selbstverständlich.

Erst nach Ablauf der Klagefrist (einen Monat ab Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung im Finanzgerichtsverfahren) fiel dem Gericht auf, dass im Adresskopf der angefochtenen Steuerbescheide der Titel Rechtsanwalt verwendet worden war. Eine kurze Recherche im bundesweiten Anwaltsverzeichnis bestätigte den Verdacht: Der Kläger war (immer noch) als Anwalt zugelassen. Das FG wies ihn daraufhin vorsorglich auf die mögliche Unzulässigkeit der Klage wegen § 52d FGO hin.

Der Kläger reagierte prompt: Er ließ sich nachträglich durch seinen Sohn als Anwalt bevollmächtigen, welcher die Klageschrift und weitere Schriftsätze erneut – nun per Fax – bei Gericht einreichte. Gleichzeitig beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO), falls seine ursprüngliche Klage als verfristet oder formunwirksam angesehen würde. Zur Begründung berief er sich auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum: Er sei in gutem Glauben davon ausgegangen, nicht der beA-Pflicht zu unterliegen, da er ja nicht in anwaltlicher Vertretungsrolle gehandelt habe. Außerdem verwies er auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die bislang vor allem in Fällen eines Rechtsmittels (z.B. Berufung oder Beschwerde) die Nutzungspflicht von Anwälten in eigener Sache bejaht habe – aber offengelassen habe, ob dies auch für erstinstanzliche Klagen oder andere Konstellationen gelte. Kurz gesagt: Der Senior-Anwalt fühlte sich von der elektronischen Einreichung überfordert und meinte, die beA-Pflicht treffe ihn nicht, weil er im Ruhestand und nur als Privatperson agiere.

Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg: Klage unzulässig wegen Papier-Einreichung

Das FG Berlin-Brandenburg entschied durch Gerichtsbescheid (Az. 3 K 3179/24 vom 16.09.2025) und wies die Klage als unzulässig ab. Der Grund lag ausschließlich in der Nichteinhaltung der Formvorschrift des § 52d FGO: Die Klageschrift war nicht elektronisch eingereicht worden, obwohl der Kläger als Rechtsanwalt dieser Pflicht unterlag. Nach vorläufiger Prüfung hatte das Gericht zwar angenommen, dass die Klage fristgerecht eingereicht wurde (da der Zugang der Einspruchsentscheidung wohl erst verspätet erfolgte und die Monatsfrist somit gewahrt war). Aber dies half dem Kläger nichts – die fehlende elektronische Form war ein absolutes Hindernis für die Sachentscheidung.

Das Gericht stellte klar, dass § 52d Satz 1 FGO im konkreten Fall einschlägig war und die Nutzung des beA hätte erfolgen müssen, selbst wenn der Kläger sich nicht als Anwalt gerierte. Die nachträgliche Übersendung der Schriftsätze per Fax und die mandatierte Einschaltung des Sohnes konnten den anfänglichen Formmangel nicht heilen, da diese Schritte erst nach Fristablauf erfolgten und somit eine rechtzeitige Klageerhebung in korrekter Form nicht mehr bewirken konnten.

Auch den Wiedereinsetzungsantrag wies das FG ab: Ein Rechtsirrtum sei hier nicht unverschuldet. Gerade als Angehöriger der rechtsberatenden Berufe hätte der Kläger die aktuelle Rechtslage kennen müssen. Zum Zeitpunkt der Klage (Ende 2024) gab es bereits mehrere gerichtliche Entscheidungen und Fachveröffentlichungen, die eindeutig von einer beA-Pflicht auch in solchen Fällen ausgingen, sodass der Anwalt spätestens durch zumutbare Recherche die richtige Einschätzung hätte gewinnen können. Seine Unkenntnis entschuldigte das Gericht daher nicht.

Hinweis: Das FG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Es ist also möglich, dass der BFH – und gegebenenfalls später auch das Bundesverfassungsgericht – sich dieser Thematik annimmt und für bundeseinheitliche Klarheit sorgt. Bis dahin sollten Anwälte jedoch auf der sicheren Seite planen (siehe Praxistipps unten).

Statusbezogen vs. rollenbezogen – unterschiedliche Auslegungen von § 52d FGO

Im Kern drehte sich der juristische Streit um die Frage, wie der Begriff „durch einen Rechtsanwalt eingereicht“ in § 52d Satz 1 FGO auszulegen ist. Zwei Sichtweisen stehen sich gegenüber:

  • Statusbezogene Auslegung: Hiernach kommt es allein auf den Berufsstatus an. Ist die einreichende Person (zufällig) Volljurist mit Anwaltszulassung, greift die Nutzungspflichtegal in welcher Rolle er oder sie auftritt. Selbst wenn ein Anwalt in eigener Sache als Partei agiert (also kein fremdes Mandat führt), muss er aufgrund seines Status den Schriftsatz über beA einreichen. Das FG Berlin-Brandenburg folgte in seinem Gerichtsbescheid dieser statusbezogenen Sichtweise eindeutig. Der Zweck der Norm – die flächendeckende Digitalisierung des Rechtsverkehrs – verlange die möglichst umfassende Teilnahme aller „professionellen Verfahrensbeteiligten“ am elektronischen System. Entscheidend sei also, dass man Rechtsanwalt ist, nicht ob man gerade als solcher auftritt. Auch der Bundesgerichtshof hat zur Parallelvorschrift § 130d ZPO bereits mehrfach so argumentiert: In Beschlüssen von April 2024 und März 2025 stellte der BGH klar, dass ein Anwalt selbst in eigenen Angelegenheiten das beA nutzen muss, sobald ein formgebundener Schriftsatz bei Gericht eingereicht wird. Maßgeblich sei allein der Status – denn das Ziel eines vollständig elektronischen Verkehrs könne nur erreicht werden, wenn die gesamte Anwaltschaft „mitzieht“ und nicht einzelne sich durch Papier-Einreichungen ausklinken. Es sei nicht hinnehmbar, dass wenige Verweigerer die Vorteile der Digitalisierung konterkarieren und weiterhin erheblichen Scan- und Organisationsaufwand bei den Gerichten auslösen.
  • Rollenbezogene Auslegung: Nach diesem Ansatz greift die elektronische Einreichungspflicht nur, wenn man als Anwalt im Verfahren auftritt – also typischerweise als Prozessbevollmächtigter eines Dritten. Tritt man hingegen als Privatkläger in eigener Sache auf und macht auch nicht kenntlich, dass man Anwalt ist, dann soll § 52d FGO nicht gelten. Diese Auffassung hat etwa das Hessische Finanzgericht (FG Hessen) in einem Urteil vom 10.10.2024 vertreten. Zur Begründung hieß es, der Gesetzgeber habe mit der beA-Pflicht die Vereinfachung der gerichtlichen Abläufe im Auge gehabt, was nur bei rollenbezogener Betrachtung erreicht werde. Andernfalls müssten Gerichte bei jeder Klage ohne Anwaltssignatur vorsorglich überprüfen, ob die Partei möglicherweise doch Anwalt ist – was im Alltag kaum praktikabel sei und den beA-Vorteil wieder wettmache. Außerdem sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum ein Anwalt in privater Sache strengerer Formerfordernisse unterworfen sein soll als jeder andere Bürger (Stichwort: Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG). Im Zweifel gebiete die Rechtsschutzgleichheit eine eher großzügige Auslegung zugunsten der Selbstvertretung ohne digitale Hürden.

Die höchstrichterliche Linie ist derzeit (Stand 2025) noch nicht abschließend geklärt. Der BFH hat sich zur Frage einer Nutzungspflicht bei Klagen in eigener Sache bislang nicht ausdrücklich geäußert. Lediglich in Sonderkonstellationen wurde eine Pflicht bestätigt, etwa als ein Anwalt gleichzeitig für sich und als Vertreter einer dritten Person handelte (BGH/BFH in einem Anhörungsrüge-Fall) oder wenn er ausdrücklich unter seiner Berufsbezeichnung auftrat. Die Tendenz des BFH ist erkennbar, aber das letzte Wort steht noch aus.

Das FG Berlin-Brandenburg hat mit seinem Gerichtsbescheid jedoch unmissverständlich Position bezogen – und zwar zugunsten der statusbezogenen Linie. Dies stimmt mit der überwiegenden Meinung in der Literatur überein. Auch andere Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit neigen dazu, die beA-Pflicht weit zu verstehen. So hatte bereits das FG Düsseldorf in einem Beschluss von Januar 2023 entschieden, dass eine Anwältin einen Antrag in eigener Erbschaftssteuer-Sache elektronisch stellen muss, obwohl sie dort als Beteiligte und nicht als Anwältin agierte. Insgesamt zeichnet sich also ab, dass die Ausnahme (rollenbezogen) nur von wenigen vertreten wird (FG Hessen und vereinzelt Stimmen), während der Trend klar zur strikten Anwendung der elektronischen Form auch in Anwaltssachen geht.

Zumutbarkeit: Keine Ausnahme für Alter oder Technikferne

Der 71-jährige Kläger hatte vorgebracht, es sei ihm unzumutbar, das beA zu benutzen – er sei schlicht zu alt und technikfern, um das System noch zu erlernen, zumal er es in der Beratungspraxis nie benötigt habe. Das FG Berlin-Brandenburg ließ dieses Argument jedoch nicht gelten. Es betonte, dass alle zugelassenen Rechtsanwälte – unabhängig vom Alter oder Umfang ihrer aktuellen Tätigkeit – berufsrechtlich verpflichtet sind, die nötige technische Infrastruktur vorzuhalten und bedienen zu können. Diese Pflicht folgt aus § 31a Abs. 6 BRAO, der jeden Anwalt dazu anhält, sein beA empfangsbereit einzurichten und Eingänge darüber zur Kenntnis zu nehmen. Wer also weiterhin den Titel Rechtsanwalt trägt, muss sich mit dem beA befassen – ein „Ich bin zu alt für Computer“ zählt aus Sicht der Gerichte nicht. Das FG stellte klar, dass die elektronische Kommunikation heute schlicht zum Berufsalltag von Rechtsanwälten gehört und gehören muss. Alter oder fehlende IT-Routine schützen nicht vor der Nutzungspflicht.

Ein im Ruhestand befindlicher Anwalt am Laptop: Auch jenseits des Rentenalters bleibt die beA-Pflicht verbindlich. Das hat nicht nur das FG Berlin-Brandenburg im vorliegenden Fall deutlich gemacht, sondern wurde Anfang 2025 auch vom Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen bestätigt. In dem AGH-Fall wollte ein 73-jähriger Rechtsanwalt, der sein beA jahrelang nicht eingerichtet hatte, per Klage feststellen lassen, dass ihn die Nutzungspflicht nichts angeht. Doch selbst diese Klage scheiterte an der beA-Pflicht: Weil er sie in Papierform (bzw. über das beA eines Kollegen) einreichte, wurde sie als unzulässig abgewiesen. In der Sache stellte der AGH NRW überdies klar, dass keine Ausnahme für Ruheständler besteht – solange jemand den Titel Rechtsanwalt führt, unterliegt er vollumfänglich den beA-Pflichten, auch ohne eigene Mandate.

Damit zeigt sich: Die Gerichte legen die Messlatte für eine Unzumutbarkeit sehr hoch an. Rein persönliche Gründe wie hohes Alter, fehlende technische Kenntnisse oder geringe praktische Notwendigkeit gelten nicht als ausreichende Entschuldigung. Nur in echten Ausnahmefällen schwerer Härte kann etwas anderes gelten. Einen solchen Sonderfall hat das FG Berlin-Brandenburg selbst wenige Monate zuvor anerkannt: In einem Fall im Juni 2025 durfte ein Anwalt ausnahmsweise auf die digitale Einreichung verzichten, weil andernfalls sensible Kanzlei-Interna preisgegeben worden wären. Dort ging es um einen Sozietätspartner, der in eigener Steuersache klagte. Hätte er sein beA benutzt, hätten auch alle beA-berechtigten Mitarbeiter seiner Großkanzlei Zugriff auf seine höchstpersönlichen Steuerdaten gehabt – was die vertrauliche Handhabung seiner privaten Finanzinformationen und vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen verletzt hätte. Um dieses Dilemma zu vermeiden, ließ das FG die Klage in Papierform zu. Abgesehen von solchen außergewöhnlichen Kollisionen mit höherrangigen Rechtsgütern (wie der Privatsphäre und beruflichen Verschwiegenheit) gibt es aber kein Entrinnen vor der beA-Pflicht. Insbesondere ein subjektives Unbehagen oder fehlende Routine im Umgang mit der Technik reicht nicht aus, um den Anspruch auf Justizgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt zu sehen – denn jeder Anwalt kann und muss sich notfalls Hilfe holen, um die technischen Anforderungen zu erfüllen.

Auch das oft bemühte Argument der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) – „Warum soll ein Anwalt in eigener Sache strenger behandelt werden als ein Normalbürger?“ – hat in der Rechtsprechung wenig Durchschlagskraft. Der Gesetzgeber darf typischerweise an Personen in gewissen Rollen (hier: Organ der Rechtspflege) höhere formale Anforderungen stellen, solange dafür ein sachlicher Grund besteht. Hier liegt der Grund darin, dass Anwälte eben kraft ihrer Zulassung Zugriff auf ein sicheres elektronisches Postfach haben und von ihnen erwartet werden kann, dieses zu nutzen. Die Sonderrolle der Anwaltschaft im Prozess (Stichwort: Offizialadresse, erhöhter Vertrauensvorschuss) rechtfertigt nach herrschender Meinung die Differenzierung. Im Ergebnis sieht das FG Berlin-Brandenburg hierin keine unzulässige Benachteiligung, sondern eine konsequente Ausübung der berufsbedingten Pflichten.

Handlungsempfehlungen für Anwälte (insbesondere im Ruhestand)

Angesichts dieser Rechtslage und Rechtsprechung sollten insbesondere ältere oder nicht mehr aktiv praktizierende Anwältinnen und Anwälte einige Punkte beachten, um keine unliebsamen Überraschungen vor Gericht zu erleben:

  • beA-Pflicht ernst nehmen: Als zugelassener Rechtsanwalt müssen Sie formgebundene Schriftsätze stets elektronisch einreichen, selbst wenn Sie persönlich als Partei klagen. Andernfalls risikieren Sie, dass Ihr Rechtsmittel wegen Formverstoßes unzulässig ist. Im Zweifel: Nutzen Sie lieber das beA – auch bei privaten Angelegenheiten – um auf der sicheren Seite zu sein.
  • beA einrichten und bedienen können: Sorgen Sie dafür, dass Ihr beA technisch eingerichtet und einsatzbereit ist – das ist bereits berufsrechtlich vorgeschrieben (§ 31a VI BRAO). Üben Sie die Grundfunktionen (Nachrichten abrufen, Schriftsätze versenden). Auch wenn Sie kaum noch Mandate führen, müssen Sie diese Fähigkeit vorhalten. Gerichte erwarten, dass Anwälte im Bilde über die elektronische Übermittlungspflicht sind und diese auch praktisch umsetzen können.
  • Hilfe in Anspruch nehmen: Fühlen Sie sich mit der Technik unsicher, suchen Sie Unterstützung. Dies kann z.B. ein Kanzleiangestellter, ein Kollege oder IT-Dienstleister sein, der Ihnen bei der Einrichtung hilft. Im Verfahren selbst können Sie auch einen Anwaltskollegen offiziell als Bevollmächtigten mandatieren, der die Schriftsätze über sein beA einreicht. Wichtig: Tun Sie dies rechtzeitig, d.h. von Anfang an. Die nachträgliche Einschaltung eines Kollegen nach Fristablauf – wie im vorliegenden Fall geschehen – kann den Formmangel nicht heilen.
  • Anwaltsstatus nicht „verstecken“: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass das Gericht Ihre Anwaltszulassung schon nicht bemerkt, wenn Sie sie nicht angeben. Gerichte können dies z.B. durch frühere Briefköpfe, amtliche Register oder einfache Internetrecherche herausfinden. Spätestens wenn es bekannt wird, steht Ihre Klage auf der Kippe. Ein Verschweigen ist also keine sichere Strategie und könnte im Gegenteil als bewusster Umgehungsversuch gewertet werden.
  • Kein Entkommen außer durch Zulassungsverzicht: So hart es klingt – solange Sie die Anwaltszulassung führen, kommen Sie um das beA nicht herum. Es gibt keinerlei gesetzliche Ausnahme für „ruhende“ oder „passive“ Anwälte. Der Anwaltsgerichtshof NRW hat es auf den Punkt gebracht: Ein Rechtsanwalt hat entweder das beA zu nutzen oder seine Zulassung zurückzugeben. Wer dauerhaft jede Beschäftigung mit dem elektronischen Rechtsverkehr vermeiden will, muss also konsequenterweise den Anwaltstitel aufgeben – andernfalls drohen nicht nur Unzulässigkeiten von Schriftsätzen, sondern ggf. auch berufsrechtliche Sanktionen durch die Kammer, wenn man der Einrichtungspflicht nicht nachkommt.
  • Auf dem Laufenden bleiben (Ausblick): Die Frage der beA-Pflicht in eigenen Angelegenheiten ist derzeit beim BFH anhängig. Eine höchstrichterliche Entscheidung könnte 2026 Klarheit bringen. Beobachten Sie die weitere Rechtsprechung hierzu. Bis zu einer etwaigen anderslautenden Entscheidung sollten Anwälte aber im Zweifel pro beA handeln. Die Gerichte haben gezeigt, dass sie keine Nachsicht üben, wenn die formellen Vorgaben ignoriert werden. Wer jetzt vorsätzlich oder fahrlässig darauf vertraut, später noch Wiedereinsetzung zu erhalten, handelt auf eigenes Risiko – denn Unkenntnis schützt in diesen Dingen nicht.

Für Rechtsanwälte – ob in voller Blüte der Karriere oder im verdienten Ruhestand – gilt: Die Digitalisierung macht vor niemandem Halt. Solange Sie den Titel führen, gehören beA und elektronischer Rechtsverkehr zu Ihrem “Handwerkszeug” und müssen im Ernstfall beherrscht werden. Andernfalls laufen Sie Gefahr, Ihren Rechtsstreit bereits an der Formalie zu verlieren – eine bittere Pille, die sich mit etwas Vorbereitung leicht vermeiden lässt. Der sicherste Weg ist, die beA-Pflicht zu akzeptieren und technisch umzusetzen – denn wie die Gerichte unmissverständlich klarstellen, führt an diesem Thema für Anwälte kein Weg vorbei.