Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 7. Mai 2025 zum Aktenzeichen XII ZB 361/24 entschieden, unter welchen Bedingungen die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Fertigarzneimittels (sog. „Off-Label-Use“) im Wege der ärztlichen Zwangsmaßnahme gegen den Willen eines untergebrachten Betreuten zulässig ist. Eine dahingehende gemeinsame Entscheidung des Arztes und des Betreuers setzt eine medizinisch-wissenschaftlich konsentierte Grundlage voraus.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 116/2025 vom 23.06.2025 ergibt sich:
Sachverhalt und bisheriger Verfahrensverlauf:
Die Betroffene leidet nach den getroffenen Feststellungen an einer wahnhaften Störung. Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht ihre weitere Unterbringung nebst medikamentöser Zwangsbehandlung genehmigt, darunter die intramuskuläre Verabreichung von Haloperidol bei Verweigerung der oralen Einnahme der zu verabreichenden Medikamente. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht die Entscheidung teilweise abgeändert und den Antrag der Betreuerin zurückgewiesen, soweit es die Genehmigung ihrer Einwilligung „in eine Behandlung mit Haloperidol in der Applikationsform ‚intramuskulär“ (Off-Label Gebrauch)“ betrifft. Hiergegen hat der Verfahrenspfleger die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis bestätigt und dabei klargestellt, dass die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Fertigarzneimittels – wie etwa hier die Medikamentengabe in einer nicht von der Zulassung erfassten Verabreichungsform (intramuskulär statt oral) – auch im Wege der ärztlichen Zwangsmaßnahme auf Grundlage einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen dem Arzt und dem für den Betroffenen handelnden Betreuer erfolgen kann. Diese gemeinsame Entscheidung gegen den Willen des Betroffenen setzt aber eine medizinisch-wissenschaftlich konsentierte Grundlage voraus, die sich unter Beachtung der von den führenden medizinischen Gesellschaften erstellten Leitlinien etwa aus Empfehlungen nationaler und internationaler medizinischer Fachgesellschaften ergeben kann. Nur mit einer solchen Grundlage ist die ärztliche Zwangsmaßnahme notwendig im Sinne von § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB.