Beschlagnahme von Kamera von Journalisten

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 22.10.2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1949/20 entschieden, dass einem Journalisten eine beschlagnahme Kamera sofort wieder herauszugeben ist.

Die Verfassungsbeschwerde des journalistisch tätigen Antragstellers ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Insbesondere erscheint es nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der fortdauernden Beschlagnahme der Kamera das Recht des Antragstellers aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt ist.

Auch als nicht hauptberuflicher Journalist ist der Antragsteller Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, da alle im Pressewesen tätigen Personen erfasst sind. Der Schutzbereich reicht sachlich von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen.

Die Beschlagnahme der Kameraausrüstung des Antragstellers beeinträchtigt aufgrund der damit verbundenen Störung seiner journalistischen Tätigkeit das Grundrecht des Antragstellers auf Pressefreiheit.

Es bestehen nach bisher gehaltenem Vortrag Bedenken hinsichtlich einer hinreichenden Berücksichtigung der Pressefreiheit in den angegriffenen Entscheidungen. Die Anwendung der strafprozessualen Vorschriften dürfte den verfassungsrechtlichen Anforderungen wohl nicht mehr genügen. Die Pressefreiheit ist zwar nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Be-stimmungen der Strafprozessordnung mit ihrer prinzipiellen Verpflichtung für jeden Staatsbürger, zur Wahrheitsfindung im Strafverfahren beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu dulden, sind als allgemeine Gesetze anerkannt. Die in den allgemeinen Gesetzen bestimmten Schranken der Pressefreiheit müssen allerdings ihrerseits im Lichte dieser Grundrechtsverbürgungen gesehen werden.

Die Auslegung der Vorschriften des Strafprozessrechts sowie ihre Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Strafgerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Nur bei Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die Fachgerichte kann das Bundesverfassungsgericht eingreifen. Es hat daher nur zu prüfen, ob die Fachgerichte Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte zutreffend beurteilt haben. Handelt es sich um Gesetze, die die Pressefreiheit beschränken, ist bei Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts das eingeschränkte Grundrecht zu beachten, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt.

Eine strafprozessuale Maßnahme muss von vornherein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Stehen Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Pressevertretern in Rede, fällt zusätzlich der mögliche oder wahrscheinliche Eingriff in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ins Gewicht. Die Beeinträchtigungen der Pressefreiheit sind auch dann in die Gewichtung einzustellen, wenn die Vorschriften der Strafprozessordnung ein pressespezifisches Beschlagnahmeverbot nicht vorsehen; sie sind insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Geboten ist daher eine Abwägung zwischen dem sich auf die konkret zu verfolgenden Taten beziehenden Strafverfolgungsinteresse und der Pressefreiheit.

Es bestehen Zweifel, ob die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben noch genügen. Die amtsgerichtlichen Beschlüsse nehmen die in Rede stehende Pressefreiheit nicht in den Blick. Erstmals das Landgericht erkennt in seiner Beschwerdeentscheidung, dass die Pressefreiheit einschlägig ist. Es nimmt sich mit seiner Argumentation, strafprozessuale Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der möglichen Begehung einer Straftat vorgenommen würden, beeinträchtigten die Pressefreiheit (von vornherein) nicht, indes die Möglichkeit, die gebotene Abwägung durchzuführen.

Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde weder als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre. Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten Umfang stattzugeben.

Erginge keine einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber Erfolg, bestünde die Gefahr, dass dem Antragsteller die Ausübung seiner grundrechtlich geschützten Tätigkeit als nebenberuflicher Journalist über Monate erheblich erschwert würde, zumal er glaubhaft dargelegt hat, nicht über die notwendigen Geldmittel zu verfügen, eine vergleichbare Kamera zeitnah erwerben zu können. Dieser Nachteil überwiegt die Nachteile, die entstünden, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg versagt bliebe, so dass es vom Ausgang des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungs- und gegebenenfalls Strafverfahrens abhinge, ob die Kamera tatsächlich als Tatmittel der Einziehung unterläge. Insbesondere hat das Landgericht seine Feststellung, die Beschlagnahme der Kamera sei weiterhin erforderlich um die Straftat nach § 201 StGB beweisen zu können, nicht nachvollziehbar begründet.

Demgegenüber sind auf der beschlagnahmten SD-Speicherkarte unmittelbar Daten vorhanden, die für die Frage der Verwirklichung des von der Staatsanwaltschaft für einschlägig erachteten Tatbestandes des § 201 StGB im Ermittlungs- und gegebenenfalls Strafverfahren als Beweismittel von Bedeutung sein können. Auch im Hinblick auf die vergleichsweise geringen Kosten einer Ersatzanschaffung erscheint die fortdauernde Beschlagnahme nicht unverhältnismäßig. Dem Beschwerdeführer kann gegebenenfalls eine Kopie mit weiteren Daten auf der Karte ausgehändigt werden oder die Staatsanwaltschaft kann nach Kopie auch die Karte zurückgeben. Dem Beschwerdeführer wird die faktische Fortsetzung seiner journalistischen Tätigkeit durch die Beschlagnahme der Speicherkarte, anders als durch das Fehlen der Kamera, nicht unmöglich gemacht.