Besonderer Schutz im Arbeitsrecht: Rechte und Pflichten für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer

07. August 2025 -

Schwerbehinderte Menschen (Grad der Behinderung ≥ 50) und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen (GdB 30–40 mit anerkannter Gleichstellung) genießen im Arbeitsrecht einen besonderen Schutz. Dieser Schutz soll Benachteiligungen ausgleichen und die Teilhabe am Arbeitsleben sichern. Arbeitnehmer mit Behinderung sollten ihre Rechte, Pflichten und Vorteile genau kennen, um diese effektiv wahrzunehmen. Im Folgenden geben wir einen umfassenden Überblick – von den rechtlichen Grundlagen (insbesondere SGB IX, SGB X, AGG, BetrVG) bis zu praktischen Tipps, wie Sie Ihren Schutz nutzen und sich gegen Benachteiligung wehren können.

Status als Schwerbehinderter vs. Gleichgestellter: Was bedeutet das?

Schwerbehinderter im Sinne des Gesetzes ist, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat und einen entsprechenden Bescheid (und auf Wunsch einen Schwerbehindertenausweis) vom Versorgungsamt erhalten hat. Dieser Status eröffnet umfassende Schutzrechte im Arbeitsleben, z. B. besonderen Kündigungsschutz, Anspruch auf Zusatzurlaub und mehr (Details unten).

Gleichgestellte behinderte Menschen sind Personen mit einem GdB unter 50, aber mindestens 30, die durch Bescheid der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurden. Eine Gleichstellung können Arbeitnehmer beantragen, wenn sie wegen ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Arbeitsplatz zu bekommen oder zu behalten. Ziel der Gleichstellung ist es, Nachteile auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen – gleichgestellte Arbeitnehmer sollen nahezu denselben Kündigungsschutz und Unterstützungsleistungen erhalten wie schwerbehinderte Kollegen. Wichtig: Die Gleichstellung muss aktiv beantragt und bewilligt werden; sie wirkt nicht automatisch und auch nicht rückwirkend. Es empfiehlt sich daher, den Antrag zeitnah zu stellen, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind.

Beantragung der Gleichstellung: Den Antrag stellt man bei der Agentur für Arbeit, formlos oder über ein Online-Formular. Neben dem Nachweis des GdB (z. B. Bescheid über 30 oder 40 GdB) muss glaubhaft gemacht werden, dass die Gleichstellung erforderlich ist, um den Arbeitsplatz zu sichern oder eine Einstellung zu erreichen. Die Agentur holt dazu mit Ihrer Einwilligung ggf. Stellungnahmen des Arbeitgebers, des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung ein. Erfüllen Sie alle Voraussetzungen, besteht ein Rechtsanspruch auf Gleichstellung. Die Entscheidung ergeht schriftlich; bei Ablehnung können Sie Widerspruch einlegen (Verfahren nach SGB X).

Rechtswirkung und Unterschiede: Mit Gleichstellungs-Bescheid gelten Sie im Beschäftigungsverhältnis weitgehend wie ein Schwerbehinderter. Insbesondere genießen gleichgestellte Arbeitnehmer den besonderen Kündigungsschutz (siehe unten) im selben Umfang. Auch beim Anspruch auf behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung und bei Fördermöglichkeiten werden Gleichgestellte im Regelfall wie Schwerbehinderte behandelt. Nicht vollständig gleich sind jedoch alle Vorteile: Gleichgestellte haben keinen Anspruch auf den jährlichen Zusatzurlaub von 5 Tagen. Außerdem erhalten sie keinen Schwerbehindertenausweis und können bestimmte Nachteilausgleiche außerhalb des Arbeitslebens (z. B. Freifahrt im ÖPNV, steuerliche Pauschbeträge, besondere Rentenregelungen) nicht in Anspruch nehmen. Für den Arbeitgeber zählen gleichgestellte Beschäftigte bei der Erfüllung der gesetzlichen Beschäftigungsquote zwar mit, jedoch erst ab dem Tag der Gleichstellung (nicht rückwirkend). Fazit: Die Gleichstellung konzentriert sich auf den Schutz im Arbeitsleben, insbesondere Kündigungsschutz und Förderleistungen, während andere Schwerbehindertenrechte dem Personenkreis mit GdB ≥50 vorbehalten bleiben.

Besondere Rechte im Arbeitsverhältnis

Schwerbehinderte und (mit wenigen Ausnahmen) auch gleichgestellte Arbeitnehmer haben eine Reihe von Sonderrechten im Job. Diese sollen Nachteile kompensieren und die Beschäftigung sichern. Im Überblick sind die wichtigsten Schutzrechte:

Besonderer Kündigungsschutz

Ein zentrales Element ist der Sonderkündigungsschutz nach SGB IX. Grundregel: Bevor der Arbeitgeber einem schwerbehinderten (oder gleichgestellten) Arbeitnehmer kündigt, muss das Integrationsamt zustimmen. Ohne vorherige Zustimmung ist eine Kündigung unwirksam. Dieses Erfordernis gilt nicht nur für ordentliche Kündigungen, sondern z. B. auch für Änderungskündigungen oder Beendigungen durch Aufhebungsvertrag und ähnliche Fälle der Beendigung (das Integrationsamt wird auch dann beteiligt, um zu prüfen, ob die Beendigung mit der Behinderung zusammenhängt).

Wartezeit: Der besondere Kündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit im aktuellen Arbeitsverhältnis. In den ersten 6 Monaten (ähnlich der Probezeit) kann der Arbeitgeber also ohne Einschaltung des Integrationsamts kündigen. Danach jedoch schützt das Gesetz den Arbeitnehmer, indem jede Beendigung sorgfältig geprüft werden muss. Beachten Sie: Diese sechsmonatige Wartezeit gilt unabhängig von einer Probezeit-Vereinbarung – selbst wenn keine Probezeit vereinbart war, besteht in den ersten 6 Monaten kein Sonderkündigungsschutz.

Ausnahmen: Das SGB IX enthält einige Ausnahmen, in denen trotz Schwerbehinderung keine Zustimmung des Integrationsamts nötig ist. Zum Beispiel bei befristeten Arbeitsverhältnissen auf bestimmten geschützten Stellen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX) oder bei bestimmten Kündigungen älterer Schwerbehinderter im Rahmen eines Sozialplans (58. Lebensjahr vollendet und Abfindung nach Sozialplan, sofern der Betroffene vorher informiert wurde und der Kündigung nicht widerspricht). Auch saisonbedingte Entlassungen (z. B. Wetter-Kündigungen im Baugewerbe mit zugesicherter Wiedereinstellung) sind ausgenommen. Diese Sonderfälle greifen jedoch nur unter engen Voraussetzungen. In der Praxis bedeutet das: In aller Regel muss ab 6 Monaten Betriebszugehörigkeit vor einer Kündigung die Integrationsbehörde eingeschaltet werden.

Wie wirkt der Kündigungsschutz? Er macht Schwerbehinderte nicht unkündbar, aber er stellt sicher, dass eine Kündigung vorher geprüft und genehmigt werden muss. Das Integrationsamt beurteilt, ob die Kündigung aus behinderungsbedingten Gründen erfolgen soll und ob ggf. Maßnahmen zu Erhalt des Arbeitsplatzes möglich sind. Eine Kündigung ohne Zustimmung ist nichtig, sodass Arbeitnehmer sich erfolgreich gerichtlich dagegen wehren können. Der Kündigungsschutz soll insbesondere Diskriminierungen verhindern – eine Entlassung ausschließlich wegen der Behinderung soll vom Integrationsamt nicht genehmigt werden. Zwar kann auch ein schwerbehinderter Mensch z. B. betriebsbedingt oder aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden, aber die Hürden sind höher und es wird genau hingeschaut.

Wichtig für Arbeitnehmer: Wenn Sie bereits als schwerbehindert anerkannt oder gleichgestellt sind, sollten Sie Ihrem Arbeitgeber den Status mitteilen, spätestens sobald Ihnen eine Kündigung droht. Sind dem Arbeitgeber Ihre geschützte Eigenschaft und der besondere Kündigungsschutz nicht bekannt, kann er irrtümlich ohne Beteiligung des Integrationsamts kündigen. Allerdings können Sie Ihren Schutz nachträglich geltend machen: Informieren Sie den Arbeitgeber innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung über Ihre (Schwer-)Behinderung bzw. einen laufenden Anerkennungsantrag. Die Rechtsprechung verlangt, dass diese Mitteilung spätestens innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes erfolgt – wer zu lange wartet, verliert das Recht, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen. Im Zweifel sollten Sie den Status schriftlich anzeigen (z. B. per Einschreiben) und um Rücknahme der Kündigung wegen Missachtung von SGB IX bitten. Danach muss der Arbeitgeber nachträglich die Zustimmung des Integrationsamts einholen oder die Kündigung zurücknehmen.

Beispiel: Herr A. erhält am 1.9. eine Kündigung, obwohl er einen GdB von 60 hat. Er hatte dies aus Angst vor Benachteiligung nie offenbart. Wenn Herr A. bis zum 22.9. (3 Wochen) seinem Arbeitgeber mitteilt, dass er schwerbehindert ist (mit Nachweis), kann er sich vor Gericht auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen. Versäumt er diese Frist, ist die Kündigung trotz fehlender Zustimmung in der Regel wirksam – er hat dann den Sonderkündigungsschutz „verwirkt“.

Schwerbehinderung noch nicht anerkannt? Auch hier schützt das Gesetz vorsorglich: Wurde ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung gestellt, greift der Kündigungsschutz unter Umständen schon vor Bescheiderteilung. Voraussetzung ist, dass der Antrag mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde. Dann darf der Arbeitgeber ebenfalls nur mit Integrationsamts-Zustimmung kündigen. Sie sollten in so einem Fall dem Arbeitgeber zumindest mitteilen, dass ein Anerkennungsverfahren läuft und (falls möglich) eine Kopie der Antragseingangsbestätigung vorlegen. So wird verhindert, dass die lange Bearbeitungszeit eines Antrags zu Ihrem Nachteil ausgeschöpft wird. – Achtung: Wenn Sie den Antrag erst nach Erhalt der Kündigung stellen, genießt Ihr Arbeitsverhältnis keinen Sonderschutz mehr (das wäre eine nachträgliche Feststellung, die laut Gesetz keine Anwendung findet).

Beteiligung der Interessenvertretungen: Bei jeder beabsichtigten Kündigung muss der Arbeitgeber vorab auch die Schwerbehindertenvertretung (SBV) informieren und anhören. Dies gilt unabhängig von der Betriebszugehörigkeit, also auch in den ersten sechs Monaten. Unterlässt der Arbeitgeber die Anhörung der SBV, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Zusätzlich ist – wie bei allen Kündigungen – der Betriebsrat anzuhören (§ 102 BetrVG). Das Integrationsamt wiederum holt im Zustimmungsverfahren seinerseits Stellungnahmen von SBV und Betriebsrat ein, um ein vollständiges Bild zu haben.

Anspruch auf Zusatzurlaub

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub – pro Kalenderjahr sind es 5 Arbeitstage extra (bei einer 5-Tage-Woche). Das regelt § 208 SGB IX. Bei Teilzeit oder abweichender Verteilung der Wochenarbeitstage wird der Zusatzurlaub anteilig berechnet (z. B. bei einer 2-Tage-Woche stehen 2 zusätzliche Tage zu). Der Zusatzurlaub wird wie normaler Erholungsurlaub behandelt und dient der zusätzlichen Erholung und Gesundheit.

Keine automatische Gewährung: Der Arbeitgeber darf den Zusatzurlaub nur den tatsächlich Schwerbehinderten gewähren. Gleichgestellte sind hiervon ausgeschlossen – gleichgestellte Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf die 5 Extratage (§ 151 Abs. 3 SGB IX stellt das klar). Das bedeutet, GdB 50 oder höher ist die Voraussetzung für diesen Urlaubsvorteil.

In der Praxis sollten schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber der Personalabteilung ihren Status nachweisen (etwa durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises oder Bescheids), damit der Zusatzurlaub im Urlaubsplan berücksichtigt wird. Oft wird der Anspruch erst ab dem Zeitpunkt der Anerkennung wirksam (das heißt, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft im Laufe des Jahres festgestellt wird, entsteht der Zusatzurlaub anteilig ab diesem Datum).

Beispiel: Frau B. (GdB 50, anerkannt seit 01.07.) arbeitet 5 Tage/Woche. Für das laufende Kalenderjahr stehen ihr noch 2,5 Tage Zusatzurlaub zu (die Hälfte von 5), aufgerundet in der Regel auf 3 Tage. Ab dem Folgejahr dann volle 5 Tage zusätzlich.

Der Zusatzurlaub muss genauso beantragt und gewährt werden wie der reguläre Urlaub. Nicht genommener Zusatzurlaub kann verfallen – allerdings gelten auch hier die Grundsätze, z. B. die 15-Monats-Frist bei Langzeiterkrankung (laut Bundesarbeitsgericht verfällt Urlaub bei Krankheit erst nach 15 Monaten ins Folgejahr).

Hinweis: Es lohnt sich, den Schwerbehindertenausweis beim Arbeitgeber frühzeitig vorzulegen, damit Sie von Anfang an die Ihnen zustehenden freien Tage nutzen können. Der Zusatzurlaub ist kein „Gnadenakt“, sondern ein gesetzlicher Anspruch – er sollte also selbstverständlich Teil Ihrer Urlaubsplanung sein.

Arbeitszeit, Mehrarbeit und Schonfristen

Im Bereich Arbeitszeit genießen schwerbehinderte Menschen einige Erleichterungen. Wichtig ist § 207 SGB IX: Schwerbehinderte Beschäftigte haben auf Verlangen Anspruch, von Mehrarbeit freigestellt zu werden. „Mehrarbeit“ in diesem Sinne ist alle Arbeitszeit, die über 8 Stunden pro Werktag hinausgeht (denn nach Arbeitszeitgesetz sind bis zu 8 Stunden/Tag die Regelarbeitszeit). Konkret bedeutet das: Wenn Sie bereits 8 Stunden an einem Tag gearbeitet haben, dürfen Sie Überstunden ablehnen – Ihr Arbeitgeber kann Sie nicht zwingen, darüber hinaus zu arbeiten. Haben Sie allerdings vertraglich z.B. nur 6 Stunden täglich vereinbart, kann der Chef natürlich verlangen, dass Sie im Bedarfsfall bis zu 8 Stunden (also 2 Überstunden) leisten – erst ab der 9. Stunde greift Ihr Ablehnungsrecht.

Um dieses Recht effektiv auszuüben, empfiehlt es sich, proaktiv eine schriftliche Erklärung an den Arbeitgeber zu richten, dass Sie von Ihrem Recht auf Freistellung von Mehrarbeit Gebrauch machen. Damit ist dokumentiert, dass Sie keine über-8-Stunden-Tage wünschen. In der Praxis wird dies oft in Absprache mit dem Arbeitgeber gehandhabt; viele Arbeitgeber fragen von sich aus, ob Überstunden für die betroffene Person okay sind. Wichtig: Nachtarbeit oder Schichtarbeit kann man als Schwerbehinderter nicht pauschal verweigern. Es gibt zwar keinen generellen Anspruch auf “keine Nachtschicht”, aber in individuellen Fällen können gesundheitliche Gründe dazu führen, dass ein Wechsel auf eine Tagesschicht angeraten ist. Hier sollte man mit dem Arbeitgeber und Betriebsarzt Lösungen suchen – ein Rechtsanspruch besteht jedoch nur auf die Freistellung von Mehrarbeit, nicht von bestimmten Arbeitszeiten.

Darüber hinaus haben Schwerbehinderte gemäß § 164 Abs. 5 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeit, wenn eine kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Das bedeutet: Benötigen Sie aus gesundheitlichen Gründen eine Reduzierung Ihrer vertraglichen Stunden (z. B. dauerhaft nur halbtags arbeiten statt Vollzeit), muss der Arbeitgeber dem Wunsch entsprechen, sofern keine unverhältnismäßigen betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist erreicht, wenn die reduzierte Arbeitszeit den Betriebsablauf erheblich stören würde oder die Tätigkeit in Teilzeit schlicht unmöglich ist. In vielen Fällen lässt sich aber durch Umverteilung von Aufgaben eine Teilzeitbeschäftigung realisieren. Tipp: Sprechen Sie frühzeitig mit Ihrem Arbeitgeber, wenn Sie aus medizinischen Gründen kürzer treten müssen. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung können Sie dabei unterstützen, einen leidensgerechten Arbeitsplatz auszuhandeln – also etwa Anpassung der Aufgaben oder der Arbeitszeit, um Ihre Leistungsfähigkeit optimal einzusetzen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine solche Umsetzung innerhalb des bestehenden Arbeitsvertrags zu prüfen (Stichwort Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers).

Zusammengefasst: Überstunden dürfen Sie bei Erreichen von 8 Std./Tag ablehnen, und Teilzeit können Sie verlangen, wenn die Behinderung es erfordert. Nutzen Sie diese Rechte, um Überlastung vorzubeugen. Überlegen Sie sich am besten schriftlich oder mit Hilfe des SBV, wann und in welcher Form Sie vom Mehrarbeitsverzicht Gebrauch machen, damit es keine Missverständnisse gibt.

Behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung und Ausstattung

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, behinderte oder gleichgestellte Mitarbeiter so einzusetzen und auszustatten, dass ihre Fähigkeiten optimal genutzt werden können. Dazu zählt eine leidensgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsmittel und der Arbeitsumgebung. Konkret haben schwerbehinderte Beschäftigte Anspruch auf technische Hilfsmittel und Anpassungen, die erforderlich sind, um ihre Arbeit ausführen zu können. § 164 Abs. 4 SGB IX listet beispielhaft Pflichten des Arbeitgebers bzw. Rechte der Arbeitnehmer auf, unter anderem:

  • Einsatz auf einem geeigneten Arbeitsplatz, der weder über- noch unterfordert, damit Kenntnisse und Fähigkeiten voll ausgeschöpft werden können.
  • Bevorzugte Berücksichtigung bei Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im Betrieb – schwerbehinderte Menschen sollen besondere Förderung erfahren, um beruflich voranzukommen.
  • Barrierefreie, behinderungsgerechte Einrichtung der Arbeitsstätte: von baulichen Maßnahmen (z. B. Rampen, Aufzüge, angepasste Toilette) über Ergonomie am Arbeitsplatz (spezielle Büromöbel, orthopädischer Stuhl) bis hin zur technischen Ausstattung (Hilfsgeräte, Software für Sehbehinderte, Gebärdendolmetscher etc.).
  • Anpassung von Arbeitsorganisation und -zeit an die Bedürfnisse des Betroffenen (z. B. versetzte Arbeitszeiten bei Mobilitätseinschränkungen, Vermeidung besonders belastender Schichten).
  • Einrichtung eines Schonarbeitsplatzes: Wenn die Leistungsfähigkeit alters- oder behinderungsbedingt nachlässt, hat der Schwerbehinderte Anspruch auf eine zumutbare Umsetzung auf einen geeigneteren Arbeitsplatz, soweit vorhanden. Das heißt, der Arbeitgeber muss prüfen, ob er Ihnen andere Tätigkeiten geben kann, die Ihrer Gesundheit Rechnung tragen (ggf. mit weniger körperlicher Belastung, weniger Stress, keine Akkordarbeit etc.).

Diese Ansprüche gehen allerdings nur so weit, wie es dem Arbeitgeber zumutbar ist. Unzumutbar kann eine Maßnahme sein, wenn sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre oder technisch gar nicht realisierbar ist. Oft gibt es jedoch Fördermöglichkeiten (siehe nächster Abschnitt), die Kosten abfedern. Letztlich entscheidet im Streitfall das Arbeitsgericht, ob etwas zumutbar ist oder nicht. Die meisten großen und mittleren Unternehmen sind heute bemüht, Arbeitsplätze barrierefrei zu gestalten – teils schon aus Eigeninteresse, um qualifizierte Mitarbeitende nicht zu verlieren.

Tipp: Zögern Sie nicht, benötigte Hilfsmittel oder Anpassungen anzusprechen. Dokumentieren Sie am besten, welche Einschränkungen bestehen und wie man sie durch technische oder organisatorische Maßnahmen mildern kann. Der Arbeitgeber muss geeignete Vorkehrungen treffen, soweit keine unverhältnismäßige Belastung entsteht (dies folgt auch aus dem Benachteiligungsverbot des AGG in Verbindung mit der Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen). Unterstützung bekommen Sie hierbei vom Integrationsamt und ggf. Fachberater (z. B. Technischer Beratungsdienst).

Finanzielle Förderung: Arbeitgeber müssen notwendige Anpassungen nicht allein stemmen – Integrationsämter und Rehabilitationsträger können Zuschüsse leisten. Beispiele: Kosten für einen behindertengerechten Bürostuhl oder einen barrierefreien Computer-Arbeitsplatz können ganz oder teilweise übernommen werden. Auch Sie selbst können Leistungen erhalten, etwa Zuschüsse für Arbeitsassistenz (eine Person, die Sie bei bestimmten Handgriffen unterstützt) oder für Fahrtkosten zum Arbeitsplatz. Wichtig ist, solche Bedarfe frühzeitig zu melden (über SBV, Integrationsamt oder Agentur für Arbeit), damit die Hilfen organisiert werden können.

Besondere Förderung und Vorteile – auch für Arbeitgeber

Der Gesetzgeber hat ein ganzes Bündel an Förderinstrumenten geschaffen, um die Beschäftigung Schwerbehinderter zu fördern. Davon profitieren auch Arbeitgeber – was indirekt wiederum den betroffenen Arbeitnehmern zugutekommt (etwa durch erhöhte Bereitschaft zur Einstellung und längerfristigen Beschäftigung).

Beschäftigungspflicht & Ausgleichsabgabe: Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, mindestens 5 % dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 154 SGB IX). Werden zu wenige Schwerbehinderte beschäftigt, fällt pro unbesetztem Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe an. Diese „Strafabgabe“ liegt (je nach Erfüllungsquote) zwischen ca. 100 und 320 Euro pro Monat und unbesetzter Stelle (die genauen Sätze staffeln sich nach Quote). Die Ausgleichsabgabe ist keine Freikauf-Möglichkeit – der Arbeitgeber bleibt verpflichtet, die Quote zu erfüllen. Die Einnahmen aus der Abgabe fließen in einen Fonds, aus dem wiederum die Integrationsämter die oben erwähnten Hilfen finanzieren. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das: Größere Arbeitgeber haben einen Anreiz, schwerbehinderte Menschen einzustellen (um die Abgabe zu vermeiden), und Mittel für Unterstützung sind prinzipiell vorhanden.

Fördergelder und Zuschüsse: Arbeitgeber können bei Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines (schwer-)behinderten Menschen diverse Finanzhilfen erhalten. Beispiele sind Lohnkostenzuschüsse, wenn die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist (etwa Eingliederungszuschüsse durch die Agentur für Arbeit), oder Investitionshilfen, um den Arbeitsplatz auszustatten. Das Integrationsamt kann z. B. Zuschüsse zur behinderungsgerechten Einrichtung des Arbeitsplatzes zahlen. Auch Prämien für die Ausbildung Behinderter oder für vorbildliche Inklusionsvereinbarungen sind möglich. Kurz: Ein offener Umgang mit Ihrer Behinderung kann dem Arbeitgeber zeigen, dass er Unterstützung bekommen kann, statt alleine vor Kosten zu stehen.

Steuerliche Vorteile: Zwar nicht direkt arbeitsrechtlich, aber erwähnenswert: Schwerbehinderte genießen einige Steuererleichterungen (z. B. steuerlicher Pauschbetrag, der je nach GdB gestaffelt ist). Dies kommt indirekt auch dem Nettoeinkommen zugute. Gleichgestellte erhalten diesen Pauschbetrag jedoch nicht, da er an den GdB ≥ 50 geknüpft ist. Dennoch können auch behinderte Menschen <50 GdB einige Nachteilsausgleiche haben (z. B. Parkerleichterungen ab GdB 50, oder unentgeltliche Beförderung im ÖPNV ab GdB 50 mit Merkzeichen). Diese Punkte betreffen allerdings mehr das Privat- und Alltagsleben als das Arbeitsverhältnis.

Bevorzugung bei Bewerbungen (insbesondere öffentlicher Dienst): Ein sehr wichtiger Vorteil – v. a. im öffentlichen Sektor – ist die Pflicht, Schwerbehinderte bei Stellenbesetzungen bevorzugt zu berücksichtigen. Arbeitgeber (besonders öffentliche) müssen prüfen, ob freie Stellen mit Schwerbehinderten besetzt werden können und schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, sofern sie grundsätzlich geeignet sind (Ausnahme: offensichtliche fehlende Eignung). Unterlässt der öffentliche Arbeitgeber dies, verstößt er gegen § 165 SGB IX und das AGG. Selbst in der Privatwirtschaft gilt: Die Nicht-Beachtung eines klar geeigneten schwerbehinderten Bewerbers kann einen Entschädigungsanspruch nach AGG auslösen, wenn der Bewerber seine Behinderung offenbart hatte. Als Schwerbehinderter haben Sie also – wenn auch indirekt – eine bessere Startposition bei Bewerbungen, da Unternehmen ein Interesse haben sollten, Sie zumindest gleichberechtigt einzubeziehen. Gleichgestellte sind Schwerbehinderten hierbei formal gleichgestellt (ihre Bewerbung sollte ebenfalls entsprechend berücksichtigt werden, und sie zählen wie erwähnt auch auf die Quote).

Zusammengefasst: Arbeitgeber haben einerseits Pflichten (Quote erfüllen, Arbeitsplatz anpassen, Kündigungsschutz beachten), andererseits Möglichkeiten zur Unterstützung. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das: Ihre Einstellung und Beschäftigung werden durch ein Netz an Fördermaßnahmen begünstigt. Zögern Sie nicht, Ihren Arbeitgeber auch darauf hinzuweisen, wenn z. B. eine spezielle Ausstattung teuer ist – oft wissen Arbeitgeber gar nicht, dass Integrationsamt oder Agentur hierbei helfen. Durch aktive Nutzung Ihrer Rechte schaffen Sie letztlich eine Win-Win-Situation: Sie können Ihre Leistung erbringen, und der Arbeitgeber profitiert von Ihrer Mitarbeit ohne unverhältnismäßige Mehrkosten.

Unterstützung durch Integrationsamt, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung

Damit die besonderen Regelungen auch umgesetzt und überwacht werden, gibt es institutionelle Unterstützer: vor allem die Integrationsämter als staatliche Stellen sowie auf betrieblicher Ebene den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung. Diese spielen jeweils eine wichtige Rolle für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer.

Integrationsamt: Ihr Partner bei Kündigungsschutz und Teilhabe

Die Integrationsämter (in einigen Bundesländern auch Inklusionsamt genannt) sind spezialisierte Behörden, die alle Aufgaben rund um die berufliche Eingliederung Schwerbehinderter bündeln. Zentrale Aufgaben sind u. a.:

  • Kündigungsschutz-Verfahren: Das Integrationsamt ist die Stelle, die über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung entscheidet. Es prüft die Umstände der geplanten Kündigung und kann sie ablehnen, wenn z. B. ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Behinderung besteht oder wenn der Arbeitgeber Präventionsmaßnahmen nicht ausgeschöpft hat. Selbst bei Zustimmung kann es Auflagen geben (z. B. verlängerte Kündigungsfrist, Abfindungszahlung etc.). Für den Arbeitnehmer heißt das: Sie haben im Verfahren vor dem Integrationsamt die Möglichkeit, Ihre Sicht darzustellen – oft wird die Schwerbehindertenvertretung Sie dabei unterstützen. Die Zustimmung des Amtes ist keineswegs eine Formalie, viele Kündigungen werden nicht genehmigt, wenn sie als ungerechtfertigt erscheinen.
  • Begleitende Hilfe im Arbeitsleben: Das Integrationsamt bietet und koordiniert umfangreiche Hilfen, damit Schwerbehinderte erfolgreich im Betrieb arbeiten können. Es berät Arbeitgeber und Arbeitnehmer, fördert die berufliche Weiterentwicklung Schwerbehinderter und wacht darüber, dass diese nicht „abgedrängt“ werden. Zum Beispiel finanziert es Beratungsdienste (Integrationsfachdienste), die individuell unterstützen können, oder initiiert Schulungen für Arbeitgeber, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertreter. Ein Ziel ist, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz frühzeitig zu verhindern oder zu beseitigen – das Integrationsamt kann z. B. bei Konflikten moderierend eingreifen oder Maßnahmen vorschlagen.
  • Einsatz der Ausgleichsabgabe: Die Integrationsämter verwalten die Mittel aus der Ausgleichsabgabe. Aus diesen Geldern finanzieren sie Leistungen an Schwerbehinderte und Arbeitgeber. Beispiele: Zuschüsse für technische Arbeitshilfen (Arbeitsplatz-Umbau, Spezialmaschinen), Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz (eine personelle Hilfe für bestimmte Tätigkeiten), Mobilitätshilfen (Fahrtkosten) oder Zuschüsse an den Arbeitgeber zu außergewöhnlichen Belastungen. Auch Prämien, z. B. für die Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, können gewährt werden.
  • Beratung und Vernetzung: Das Integrationsamt bietet auch persönliche Beratung für Arbeitnehmer an. Man kann sich dort über seine Rechte informieren oder Rat holen, wie man eine Gleichstellung beantragt oder einen Antrag auf Hilfsmittel stellt. Die Ämter arbeiten eng mit der Bundesagentur für Arbeit und den Rehabilitationsträgern (z. B. Deutsche Rentenversicherung, Berufsgenossenschaften) zusammen, um jeden Fall an der richtigen Stelle zu unterstützen.

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer heißt das konkret: Das Integrationsamt ist nicht Ihr Gegner, sondern ein wichtiger Verbündeter. Es soll sicherstellen, dass die Schutzvorschriften praktisch greifen. Scheuen Sie sich nicht, bei Problemen das Integrationsamt zu kontaktieren. Gerade wenn Sie merken, dass es am Arbeitsplatz kriselt (z. B. häufige Abmahnungen wegen behinderungsbedingter Leistungsschwankungen), kann das Integrationsamt im Rahmen des sog. Präventionsverfahrens (§ 167 Abs. 1 SGB IX) hinzugezogen werden. Dieses Verfahren soll helfen, Lösungen zu finden, bevor es zur Kündigung kommt – unter Einbeziehung von Arbeitgeber, SBV und Betriebsrat. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei auftretenden Schwierigkeiten, die mit Ihrer Person oder Behinderung zusammenhängen, frühzeitig das Integrationsamt und die SBV einzuschalten, um gemeinsam nach Wegen zu suchen (z. B. Arbeitsplatzwechsel, Anpassungen, Gespräche) – so will es § 167 SGB IX.

Zusammengefasst: Das Integrationsamt wacht als externer Hüter über Ihren Kündigungsschutz und stellt Mittel bereit, um Ihren Arbeitsplatz behinderungsgerecht zu gestalten. Es lohnt sich, den Kontakt zu kennen: Die Adresse und Telefonnummer des zuständigen Integrationsamts kann Ihnen Ihre SBV oder das Internet (Integrationsämter-Website) geben. Viele Integrationsämter haben auch Informationsbroschüren („Merkblatt – Schwerbehinderte im Betrieb“), die kostenlos erhältlich sind.

Betriebsrat: Mitbestimmung und Schutz vor Benachteiligung

Der Betriebsrat (falls es einen im Unternehmen gibt) hat eine wichtige Überwachungs- und Unterstützungsfunktion für schwerbehinderte Arbeitnehmer. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) weist dem Betriebsrat ausdrücklich die Aufgabe zu, die Eingliederung Schwerbehinderter zu fördern und die Einhaltung der zugunsten Schwerbehinderter geltenden Vorschriften zu überwachen. Konkret bedeutet das:

  • Der Betriebsrat achtet darauf, dass der Arbeitgeber seine Pflichten nach SGB IX erfüllt – insbesondere die Beschäftigungspflichtquote (Meldepflicht an die Arbeitsagentur), die Prüfung bei Stellenausschreibungen, ob ein Schwerbehinderter eingestellt werden kann, die behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung sowie die Durchführung von Präventionsmaßnahmen bei Konflikten oder Leistungsminderung. Auch das Benachteiligungsverbot (§ 7 Abs. 1 AGG) gehört dazu.
  • Einstellung und Versetzung: Wird eine freie Stelle nicht mit einem Schwerbehinderten besetzt, obwohl das möglich gewesen wäre, kann der Betriebsrat in bestimmten Fällen seine Zustimmung zur Einstellung eines nichtbehinderten Bewerbers verweigern. § 99 Abs. 2 BetrVG erlaubt dem Betriebsrat, eine Einstellung abzulehnen, wenn der Arbeitgeber gesetzliche Normen nicht beachtet hat – und dazu zählt, dass die Pflicht zur bevorzugten Berücksichtigung Schwerbehinderter verletzt wurde. In der Praxis kommt das zwar selten zum Schwur, wirkt aber präventiv: Arbeitgeber werden sich bemühen, Schwerbehinderte zumindest einzuladen und zu prüfen, um keinen Konflikt mit dem Betriebsrat zu riskieren.
  • Arbeitszeit und Teilhabe: Der Betriebsrat soll die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen für Schwerbehinderte anregen. Er arbeitet eng mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (das ist eine vom Arbeitgeber benannte interne Ansprechperson für Schwerbehindertenangelegenheiten) und der Schwerbehindertenvertretung zusammen, um die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. Diese enge Kooperation ist in § 176 SGB IX geregelt und praktisch wichtig: Betriebsrat und SBV unterstützen sich gegenseitig, um optimale Lösungen für die Betroffenen zu finden.
  • Informationsrechte: Der Betriebsrat hat Anspruch darauf, vom Arbeitgeber über schwerbehinderte Beschäftigte und Bewerber informiert zu werden. Beispielsweise muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat (und der SBV) jede eingehende Bewerbung eines Schwerbehinderten unverzüglich zur Kenntnis geben. Zudem erhält der Betriebsrat jährlich eine Kopie der Anzeige an die Arbeitsagentur (der Meldung, wie viele Schwerbehinderte beschäftigt sind) und ein Verzeichnis der beschäftigten Schwerbehinderten. Dadurch weiß der Betriebsrat, wie gut die Beschäftigungspflicht erfüllt ist und kann ggf. Maßnahmen anmahnen.
  • Kündigungen: Im Falle einer Kündigung holt das Integrationsamt auch die Stellungnahme des Betriebsrats ein. Unabhängig davon muss natürlich nach allgemeinem Kündigungsrecht der Betriebsrat vor jeder Kündigung gehört werden (§ 102 BetrVG). Der Betriebsrat wird – in Abstimmung mit der SBV – dabei prüfen, ob die Kündigung vielleicht mit der Behinderung zusammenhängt oder ob der Arbeitgeber seine Präventionspflicht nach § 167 SGB IX vernachlässigt hat. Gegebenenfalls wird der Betriebsrat Widerspruch gegen die Kündigung einlegen, was Ihnen im Kündigungsschutzprozess helfen kann (z. B. Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum Prozessende).
  • Allgemeiner Schutz vor Benachteiligung: Der Betriebsrat ist ein Ansprechpartner, wenn Sie das Gefühl haben, aufgrund Ihrer Behinderung benachteiligt oder gemobbt zu werden. Nach dem AGG können Sie sich an eine betriebliche Beschwerdestelle wenden (§ 13 AGG) – oftmals übernimmt der Betriebsrat diese Funktion oder unterstützt Sie bei der Beschwerde. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber Abhilfe verlangen, wenn sich eine Diskriminierung im Betrieb zeigt.

Kurz gesagt: Der Betriebsrat hat Ihre Interessen als (schwer-)behinderter Arbeitnehmer im Blick. Nutzen Sie das! Suchen Sie bei Bedarf das Gespräch mit dem Betriebsratsmitglied Ihres Vertrauens. Insbesondere wenn es keine Schwerbehindertenvertretung im Betrieb gibt (weil z. B. weniger als 5 Schwerbehinderte beschäftigt sind), ist der Betriebsrat Ihr primärer betrieblicher Vertreter. Er kann zwar die SBV nicht vollständig ersetzen (diese hat spezielle Rechte und Expertise), aber er wird sich dennoch dafür einsetzen, dass Sie fair behandelt werden und alle zustehenden Leistungen erhalten – schon weil das BetrVG es ihm als Pflicht auferlegt.

Schwerbehindertenvertretung: Stimme der Betroffenen im Betrieb

Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist die gewählte Interessenvertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer in einem Betrieb oder einer Dienststelle. Ab 5 Schwerbehinderten (einschließlich Gleichgestellten) muss eine SBV gewählt werden. Sie besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens einem Stellvertreter (§ 177 SGB IX). Die SBV hat eine Fülle von Aufgaben gemäß § 178 SGB IX, die darauf abzielen, die Eingliederung zu fördern und Benachteiligungen zu verhindern. Einige ihrer wichtigsten Funktionen:

  • Beratung und Unterstützung der Arbeitnehmer: Die SBV berät Sie in allen Fragen rund um Ihre Behinderung im Job. Sie kennt die einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Vereinbarungen und wacht darüber, dass diese im Betrieb eingehalten werden. Bei persönlichen Problemen (etwa mit Vorgesetzten oder Kollegen im Zusammenhang mit Ihrer Behinderung) können Sie sich vertraulich an die SBV wenden. Sie nimmt Ihre Anregungen oder Beschwerden entgegen und hilft, sie mit dem Arbeitgeber zu klären. Beispielsweise, wenn Sie einen geeigneten Bürostuhl benötigen, kann die SBV den Antrag beim Arbeitgeber unterstützen und beim Integrationsamt auf Förderung drängen.
  • Interessenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber: Die SBV ist bei allen personellen und organisatorischen Maßnahmen zu beteiligen, die Schwerbehinderte betreffen. Der Arbeitgeber muss sie umfassend informieren und vor einer Entscheidung anhören – sei es bei Versetzungen, Eingruppierungen, Umgestaltungen des Arbeitsplatzes oder eben Kündigungen. Wichtig: Die Kündigung eines Schwerbehinderten, die ohne Beteiligung der SBV erfolgt, ist unwirksam. Das unterstreicht, wie zentral die SBV in solchen Prozessen ist. Sie muss nicht „zustimmen“ zur Kündigung, aber ihre vorherige Anhörung ist Pflicht, und sie kann Bedenken äußern, die das Integrationsamt und ggf. das Gericht berücksichtigen werden.
  • Unterstützung bei Behördenangelegenheiten: Die SBV hilft Schwerbehinderten auch bei Anträgen – z. B. auf Feststellung eines höheren GdB oder auf Gleichstellung. Sie hat Erfahrung mit den Formularen und Verfahren und kann zusammen mit Ihnen den Antrag vorbereiten. Auch bei Anträgen im Betrieb (z. B. Antrag auf Teilzeit aus Gesundheitsgründen) steht sie beratend zur Seite.
  • Teilnahme an Bewerbungsverfahren: Wenn schwerbehinderte Menschen sich bewerben, hat die SBV ein Recht, die Bewerbungsunterlagen einzusehen und an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen (sofern der Bewerber nichts dagegen hat). Das stellt sicher, dass Ihre Belange schon im Auswahlverfahren nicht übergangen werden und ggf. angemessene Fragen gestellt werden (z. B. was an Ausstattung nötig wäre).
  • Zusammenarbeit und Initiativen: Die SBV arbeitet eng mit dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber (bzw. dem Inklusionsbeauftragten) zusammen. Sie kann eigene Vorschläge machen, wie die Arbeitsbedingungen verbessert werden können, Präventionsmaßnahmen anstoßen, bevor es zu einer Kündigung kommt, und jährlich eine Versammlung aller (Schwer-)Behinderten im Betrieb einberufen, um Informationen auszutauschen (§ 178 Abs. 4, Abs. 6 SGB IX). Dort können z. B. aktuelle Entwicklungen besprochen oder Probleme gesammelt werden, die dann dem Arbeitgeber mitgeteilt werden.

Für Sie bedeutet das: Kennen Sie Ihre Schwerbehindertenvertretung! Sobald Sie schwerbehindert oder gleichgestellt sind, sollten Sie der SBV Bescheid geben (falls der Arbeitgeber das nicht ohnehin tut). Die SBV unterliegt der Schweigepflicht und wird Informationen nur mit Ihrem Einverständnis nutzen. Es ist sehr hilfreich, die SBV frühzeitig einzubeziehen – sei es beim Offenlegen Ihrer Behinderung im Betrieb, bei Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder wenn Sie einfach sicherstellen wollen, dass Sie alle zustehenden Vorteile erhalten. Die SBV ist quasi Ihr „Anwalt im Betrieb“ (ohne juristische Formalitäten). Sie kann auch mit Ihnen zusammen zum Personalgespräch gehen, wenn es um Ihre Belange geht, und hat in Sitzungen ein Rederecht für Themen, die Schwerbehinderte betreffen.

Falls Ihr Betrieb noch keine SBV hat, aber die Voraussetzungen erfüllt (mind. 5 Schwerbehinderte/Gleichgestellte), könnten Sie sogar die Initiative ergreifen, eine Wahl einzuleiten – dadurch stärken Sie langfristig die Rechte aller Betroffenen im Betrieb.

Zusammenfassung: Die SBV, der Betriebsrat und das Integrationsamt bilden ein starkes Unterstützer-Trio. Nutzen Sie dieses Netzwerk! Melden Sie sich bei der SBV an, damit sie Sie im Blick hat. Holen Sie Rat, bevor kleine Probleme groß werden. All diese Stellen sind dazu da, Ihren Arbeitsplatz zu sichern und zu verbessern. Und bedenken Sie: Je besser Sie Ihre Rechte kennen, desto souveräner können Sie auftreten – oft reicht schon der Hinweis, dass die SBV oder das Integrationsamt involviert werden muss, um Lösungen voranzutreiben.

Pflichten der Arbeitnehmer und Formalitäten: Was müssen Sie beachten?

Neben den Rechten gibt es auch einige Mitwirkungspflichten und Formalitäten, die als schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer wichtig sind. Hier die zentralen Punkte, die Sie beachten sollten:

Offenlegung der Behinderung gegenüber dem Arbeitgeber

Bin ich verpflichtet, meinem Arbeitgeber meine Behinderung mitzuteilen?Grundsätzlich nein. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht Ihrer Behinderung oder Schwerbehinderung. Sie als Arbeitnehmer dürfen selbst entscheiden, ob und wann Sie Ihren Arbeitgeber informieren. Insbesondere im Bewerbungsverfahren gilt: Fragen nach einer Schwerbehinderung sind unzulässig, solange die Behinderung die Durchführung der Arbeit nicht objektiv beeinträchtigt. Wird dennoch im Vorstellungsgespräch gefragt, dürfen Sie sogar unwahr antworten (Recht zur Lüge). Ausnahme: Wenn die Behinderung offensichtlich arbeitsrelevant ist, also wenn Sie wissen, dass Sie die geforderte Tätigkeit wegen Ihrer Behinderung gar nicht erfüllen können, müssen Sie von sich aus darauf hinweisen. Beispiel: Eine starke Sehbehinderung und die ausgeschriebene Stelle erfordert zwingend Adleraugen – hier sollten Sie ehrlich sein, um keine unlösbaren Erwartungen zu wecken. In allen anderen Fällen ist die Devise: Ihre Behinderung ist Ihre private Angelegenheit, bis Sie sie selbst offenlegen möchten.

Nach der Einstellung: Auch hier gilt: Es gibt keine Pflicht, dem Arbeitgeber unaufgefordert die anerkannte Schwerbehinderung mitzuteilen. Allerdings können Sie Ihre Rechte nur einfordern, wenn der Arbeitgeber von Ihrer Schwerbehinderung oder Gleichstellung weiß. Extra-Urlaub, Kündigungsschutz und Co. greifen nicht „automatisch im Hintergrund“. Es liegt also in Ihrem eigenen Interesse, Ihre Behinderung gegenüber dem Arbeitgeber zu offenbaren, sobald Sie die Schutzrechte in Anspruch nehmen möchten. Viele Arbeitnehmer warten die 6-monatige Probezeit ab – was verständlich ist, um erst einmal mit Leistung zu überzeugen. Rechtlich darf der Arbeitgeber in den ersten 6 Monaten auch nicht nach einer Schwerbehinderung fragen. Nach 6 Monaten entfällt dieses Fragverbot, weil dann der Sonderkündigungsschutz relevant wird – theoretisch könnte der Arbeitgeber Sie dann nach einem evtl. Schwerbehindertenstatus fragen. Aber auch dann müssen Sie nicht proaktiv antworten, wenn er nicht fragt. Empfehlenswert ist jedoch, spätestens nach der Probezeit offen mit Ihrer Behinderung umzugehen. Zum einen, damit Sie z. B. den Zusatzurlaub erhalten; zum anderen, um im Ernstfall geschützt zu sein (siehe Kündigungsschutz-Fristen oben). Viele Arbeitgeber reagieren verständnisvoll, wenn man das Gespräch sucht – oftmals lassen sich direkt Unterstützungsmaßnahmen vereinbaren.

Mitteilungspflicht im Kündigungsfall: Wie oben bereits erläutert, müssen Sie spätestens innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt einer Kündigung Ihren Status anzeigen, falls der Arbeitgeber diesen nicht kannte. Diese Frist ist existenziell wichtig, weil Sie sonst Ihren Sonderkündigungsschutz verlieren. Optimal ist es natürlich, es kommt gar nicht so weit, weil Sie schon vorher bekannt waren als Schwerbehinderter. Aber das Leben spielt manchmal anders – dann ist schnelles Handeln gefragt.

Gleichstellung mitteilen? Falls Sie gleichgestellt sind (GdB 30–49 mit Bescheid), besteht ebenfalls keine strikte Pflicht, dies dem Arbeitgeber zu sagen. Aber hier gilt analog: Nur wenn der Arbeitgeber Ihre Gleichstellung kennt, können Sie z. B. beim Kündigungsschutz profitieren. Außerdem zählt ein gleichgestellter Mitarbeiter auf die Schwerbehinderten-Quote des Betriebs – Ihr Arbeitgeber hat also auch ein Interesse, davon zu erfahren (es kann seine Ausgleichsabgabe reduzieren). Empfehlung: Teilen Sie eine erfolgte Gleichstellung dem Arbeitgeber formlos mit, z. B. durch Vorlage des Gleichstellungsbescheids, und weisen Sie darauf hin, dass damit der besondere Kündigungsschutz wie bei Schwerbehinderten gilt.

Diskretion und Datenschutz: Ihre Angaben zu Behinderung/GdB unterliegen dem Datenschutz. Der Arbeitgeber darf diese Information nur für legitime Zwecke verwenden (etwa um Ihren Zusatzurlaub und Schutz zu gewähren) und nicht willkürlich weitergeben. In größeren Firmen wissen meist nur HR und ggf. direkte Vorgesetzte Bescheid. Auch der Betriebsrat erfährt vom Arbeitgeber Zahlen, aber keine Gesundheitsdaten im Detail – außer Sie beziehen ihn selbst ein. Sie können zudem verlangen, dass im Personalakt Einträge dazu vertraulich behandelt werden.

Gleichstellungs-Antrag: Formalitäten und Fristen

Wenn Sie einen GdB von 30 oder 40 haben und feststellen, dass Sie ohne den besonderen Schutz Nachteile im Job haben, sollten Sie eine Gleichstellung in Betracht ziehen. Hier nochmals die wichtigsten Punkte zum Verfahren:

  • Antragsstellung: Zuständig ist die Agentur für Arbeit (nicht das Versorgungsamt). Den Antrag können Sie schriftlich, telefonisch oder online stellen. Es gibt ein Formular, aber ein formloses Schreiben genügt zunächst. Wichtig: Fügen Sie den Nachweis über Ihren GdB (z. B. den Bescheid mit „GdB 30“) bei. Begründen Sie kurz, warum die Gleichstellung nötig ist – z. B. „Mein Arbeitsplatz ist aufgrund häufiger krankheitsbedingter Ausfälle gefährdet“ oder „Ohne Gleichstellung habe ich Schwierigkeiten, eine Einstellung zu finden, da ich gewisse Einschränkungen habe“. Im Online-Formular werden solche Punkte abgefragt.
  • Kriterien: Die Agentur für Arbeit prüft drei Hauptvoraussetzungen: GdB 30–49 (unter 50, aber min. 30), rechtmäßiger Wohnsitz/Arbeitsplatz in Deutschland, und eine Gefährdung oder Erschwernis der beruflichen Situation aufgrund der Behinderung. Letzteres ist der Kern: Entweder Sie haben konkret einen gefährdeten Arbeitsplatz (z. B. bereits Abmahnungen wegen behinderungsbedingter Leistung, drohender Arbeitsplatzabbau, Schwierigkeiten, die ohne Schutz wohl zur Kündigung führen würden), oder Sie sind arbeitsuchend und finden keinen Job, obwohl Sie mit Schutz vielleicht eine Chance hätten. Typische Nachweise können ärztliche Unterlagen sein, die Ihre Leistungsfähigkeit einschränken, oder ein Schreiben Ihres Arbeitgebers, dass Ihr Arbeitsplatz wackelt. Aber auch eigene Schilderungen reichen oft, ggf. folgt eine Rückfrage der Agentur.
  • Verfahren & Dauer: Die Agentur wird ggf. Ihren Arbeitgeber, Betriebsrat und die SBV um eine Stellungnahme bitten, wenn es um die Sicherung eines aktuellen Arbeitsverhältnisses geht (nur mit Ihrer Einwilligung). Dadurch soll objektiviert werden, ob eine Gefährdung besteht. Keine Sorge: Die Anfrage an den Arbeitgeber wird in der Regel neutral formuliert („Herr X hat Gleichstellung beantragt, bitte teilen Sie uns mit, ob sein Arbeitsplatz aus Ihrer Sicht gefährdet ist.“). Viele Arbeitgeber befürworten den Antrag sogar, weil sie dann selbst Planungssicherheit durch den Kündigungsschutz bekommen. Die Bearbeitungsdauer ist unterschiedlich – sie kann wenige Wochen bis ein paar Monate betragen, je nach Einzelfall.
  • Bescheid & Widerspruch: Die Entscheidung erhalten Sie schriftlich. Bei Bewilligung: Der Bescheid enthält das Datum, ab dem Sie gleichgestellt sind (meist der Beginn des Monats, der auf die Entscheidung folgt, oder in speziellen Fällen rückwirkend zum Antragseingang – aber i.d.R. nicht rückwirkend vor Antrag). Bei Ablehnung: Es steht eine Rechtsbehelfsbelehrung drin – Sie haben in der Regel 1 Monat Zeit, Widerspruch einzulegen (das ist ein förmliches Schreiben an die Agentur, in dem Sie die Überprüfung fordern). Der Widerspruch nach SGB X wird dann von einer höheren Stelle geprüft. Lassen Sie sich im Ablehnungsfall von der SBV oder einem Anwalt helfen, ob ein Widerspruch Aussicht hat.
  • Nach der Gleichstellung: Mit dem Tag des Wirksamwerdens der Gleichstellung genießen Sie sofort den vollen Kündigungsschutz (wenn Sie schon länger als 6 Monate im Betrieb sind, sonst ab dem 7. Monat). Denken Sie daran, Ihren Arbeitgeber zu informieren – wie erwähnt, ist das keine Pflicht, aber sehr sinnvoll, damit Sie geschützt sind. Sie erhalten keinen Schwerbehindertenausweis (der wird nur ab GdB 50 ausgestellt). Sie können der SBV eine Kopie des Bescheids geben, dann weiß sie Bescheid und kann Sie künftig unterstützen. Ihre Gleichstellung kann übrigens erlöschen, wenn die Voraussetzungen wegfallen – z. B. wenn Ihr GdB unter 30 sinkt (nach Neufeststellung) oder wenn Sie längere Zeit arbeitslos sind. Aber während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bleibt sie normalerweise bestehen.

Effektive Wahrnehmung Ihrer Rechte – praktische Hinweise

1. Ansprüche anmelden: Rechte wie Zusatzurlaub, Teilzeit oder Hilfsmittel kommen nicht automatisch, Sie müssen sie schon geltend machen. Zögern Sie nicht, schriftlich beim zuständigen Ansprechpartner (Personalabteilung, Vorgesetzter mit Kopie an HR) Ihre Ansprüche anzumelden. Beispiel: „Hiermit beantrage ich meinen mir gemäß § 208 SGB IX zustehenden Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen für dieses Kalenderjahr.“ Oder: „Aufgrund meiner gesundheitlichen Situation (Schwerbehinderung, GdB 50) bitte ich um Prüfung einer behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung. Konkret benötige ich …“. Setzen Sie Fristen, bleiben Sie höflich, aber bestimmt. Sie haben gesetzliche Rechte, und ein seriöser Arbeitgeber wird Ihr Anliegen prüfen und (im Regelfall) erfüllen.

2. Kooperation beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM): Wenn Sie länger als 6 Wochen am Stück oder kumuliert im Jahr arbeitsunfähig waren, muss der Arbeitgeber Ihnen ein BEM anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX, gilt für alle Arbeitnehmer). Als Schwerbehinderter sind Sie oft prädestiniert für so ein BEM, weil längere Krankheitsphasen auftreten können. Nehmen Sie das Angebot an! Im BEM-Gespräch (unter Beteiligung von Betriebsrat/SBV, wenn Sie möchten) können Maßnahmen vereinbart werden, die Ihnen den Verbleib im Job erleichtern – z. B. stufenweise Wiederaufnahme, Anpassung der Arbeitszeiten, Versetzung auf einen leichten Arbeitsplatz. Alles, was dort besprochen wird, ist vertraulich und soll Ihnen helfen. Zudem gilt: Ein abgelehntes BEM kann dem Arbeitgeber im Kündigungsfall nicht mehr als Versäumnis vorgeworfen werden, daher stimmen Sie lieber zu und gestalten das Verfahren aktiv mit. Ein ordentlich durchgeführtes BEM kann Ihre Position enorm stärken, falls der Arbeitgeber doch einmal kündigen will (Gerichte fragen: „Warum wurde nicht im BEM eine Lösung gesucht?“).

3. Dokumentation: Führen Sie im Zweifel Aufzeichnungen über behindertenrelevante Vorgänge. Beispiel: Sie haben Ihrem Chef mündlich mitgeteilt, dass Sie schwerbehindert sind – halten Sie schriftlich fest, wann das war und wer es bezeugen könnte. Oder Sie merken, dass der Arbeitgeber Ihre Zusatzurlaubstage nicht gewährt – erinnern Sie schriftlich daran. Auch bei möglichen Diskriminierungen (siehe nächster Abschnitt) ist eine gute Dokumentation von Ereignissen (Datum, Uhrzeit, Inhalt, Zeugen) Gold wert. Diese Unterlagen brauchen Sie nur im Fall der Fälle, aber dann können Sie schlagkräftig auftreten.

4. Zusammenarbeit mit der SBV/Betriebsrat: Wie schon betont – ziehen Sie Ihre Interessenvertretung hinzu. Das ist keine „Beschwerde“ gegen den Chef, sondern eine normale Vorgehensweise. Die SBV etwa hat ein Recht, bei Ihrem Anliegen dabei zu sein und unterstützt Sie beratend. Wenn Sie z. B. ein Gespräch mit HR über Anpassungen führen, nehmen Sie ruhig die Vertrauensperson der SBV mit – zu zweit argumentiert es sich besser, und die SBV weiß genau, welche Hilfen man wo beantragen kann. Gleiches gilt bei Problemen: Der Betriebsrat/SBV kann informell oft klären, was in direkter Kommunikation schwierig wäre.

5. Fristen kennen und einhalten: Einige Rechte sind an Fristen gebunden:

  • Den AGG-Entschädigungsanspruch (bei Diskriminierung) müssen Sie innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend machen, sonst erlischt er (Details siehe unten).
  • Die Kündigungsschutzklage bei ungerechtfertigter Kündigung (z. B. ohne Integrationsamtszustimmung) muss innerhalb von 3 Wochen beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG). Versäumen Sie das, wird selbst eine eigentlich unwirksame Kündigung endgültig gültig! Daher: Nach Erhalt einer Kündigung sofort zum Anwalt oder zur Gewerkschaft und Klage einreichen. Kündigungen sind generell heikle Fristsachen.
  • Widerspruch/Anfechtung: Gegen Bescheide (z. B. Versorgungsamt-GdB-Feststellung oder Gleichstellungsablehnung) haben Sie in der Regel 1 Monat Zeit, Widerspruch einzulegen. Das steht immer in der Belehrung unten im Bescheid. Diese Frist sollten Sie notieren und einhalten – notfalls Widerspruch einlegen, um die Frist zu wahren, und dann begründen (man kann den Widerspruch zunächst „begründen wird nachgereicht“ abschicken).
  • Verlängerung Schwerbehindertenausweis: Viele Schwerbehindertenausweise sind befristet (z. B. auf 5 Jahre). Beantragen Sie eine Verlängerung bzw. Neufeststellung rechtzeitig (etwa 6 Monate vor Ablauf), damit kein „Statusbruch“ entsteht. Läuft Ihr Ausweis ab und Sie verpassen die Neubeantragung, könnten Sie Ihren Zusatzurlaub oder Kündigungsschutz zwischenzeitlich verlieren, bis ein neuer Bescheid da ist.

6. Weiterbildung nutzen: Informieren Sie sich über Weiterbildungsangebote, die speziell für Menschen mit Behinderung offenstehen. Manchmal finanzieren Integrationsämter z. B. Trainings für den Umgang mit bestimmten Softwarehilfen oder ähnliches. Auch die Bundesagentur bietet berufliche Reha-Maßnahmen an, falls Sie aufgrund Ihrer Behinderung den Job wechseln müssen. Halten Sie Kontakt zu Ihrem Rehaberater bei der Agentur (falls Sie einen haben) oder fragen Sie die SBV.

Durch diese aktive Herangehensweise stellen Sie sicher, dass Ihnen nichts entgeht, was Ihnen zusteht, und dass Sie Ihre Position im Betrieb festigen. Ihre Mitwirkung ist gefragt, denn nur Sie wissen letztlich am besten, was Sie brauchen und wo der Schuh drückt.

Schutz vor Diskriminierung: Rechte nach dem AGG und Vorgehensweisen

Neben den besonderen Regeln zu Kündigung, Urlaub etc. garantiert das deutsche Recht, dass niemand wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf – das schreibt schon das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 fest. Im Arbeitsleben wird dieses Diskriminierungsverbot insbesondere durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und § 164 Abs. 2 SGB IX durchgesetzt. Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Das umfasst alle Phasen des Arbeitsverhältnisses: Einstellung, Beförderung, Arbeitsbedingungen, Vergütung sowie Mobbing oder Belästigung am Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung.

Beispiele einer unzulässigen Benachteiligung könnten sein: Sie werden trotz gleicher Qualifikation nicht befördert, weil man Ihnen weniger zutraut aufgrund der Behinderung; Kollegen oder Vorgesetzte machen abfällige Bemerkungen („Bist du zu langsam dafür, oder was?“) – das kann eine Belästigung nach AGG darstellen; Ihnen werden systematisch weniger lohnintensive Schichten gegeben mit der Begründung Ihrer Behinderung, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt.

Das AGG gibt Ihnen folgende Werkzeuge in die Hand:

  • Beschwerderecht: Sie haben das Recht, sich intern zu beschweren (§ 13 AGG). Jeder Arbeitgeber muss eine Stelle benennen, bei der Beschwerden wegen Benachteiligung eingehen können – oft ist das die Personalabteilung oder der Betriebsrat. Ihre Beschwerde sollte das diskriminierende Verhalten oder die Benachteiligungshandlung genau schildern (wer, wann, was). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Ihrer Beschwerde nachzugehen und Abhilfe zu schaffen, falls sie berechtigt ist. Tipp: Legen Sie die Beschwerde schriftlich vor, so haben Sie einen Nachweis. Der Betriebsrat und die SBV können hierbei helfen oder sogar gemeinsam mit Ihnen die Beschwerde einreichen.
  • Anspruch auf Entschädigung/Schadensersatz: Erfahren Sie eine Diskriminierung, können Sie laut § 15 AGG Schadensersatz und/oder Entschädigung verlangen. Schadensersatz deckt materielle Einbußen (z. B. entgangener Lohn bei diskriminierender Nichtbeförderung), Entschädigung ist ein Ausgleich für immaterielle Schäden (z. B. seelische Belastung durch Mobbing). Bei Nicht-Einstellung aufgrund von Diskriminierung ist die Entschädigung auf maximal 3 Monatsgehälter begrenzt (§ 15 Abs. 2 AGG), in bestehenden Arbeitsverhältnissen gibt es theoretisch keine Deckelung, aber allzu hohe Summen sind in der Praxis selten.
  • WICHTIG: Fristen nach AGG – Das AGG kennt strenge Fristen. Ansprüche nach § 15 AGG müssen innerhalb von 2 Monaten geltend gemacht werden, gerechnet ab dem Zeitpunkt, in dem Sie von der Benachteiligung Kenntnis erlangt haben. Geltendmachung heißt: schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber den Anspruch auf Entschädigung erheben (am besten mit kurzem Sachverhalt und Nennung, dass Sie wegen Behinderung benachteiligt wurden und dafür Entschädigung fordern). Wenn Sie diese 2-Monats-Frist verstreichen lassen, ist der Anspruch leider weg. Zusätzlich müssen Sie, falls der Arbeitgeber nicht freiwillig zahlt, innerhalb weiterer 3 Monate Klage beim Arbeitsgericht einreichen (§ 61b ArbGG). In der Summe: Sehr kurze Zeitfenster! Daher bei Verdacht auf Diskriminierung sofort rechtlichen Rat suchen.
  • Beweislast-Erleichterung: Vor Gericht genügt es, wenn Sie Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wahrscheinlich machen – z. B. Sie waren überqualifiziert und wurden abgelehnt, der Personalchef hat im Gespräch eine unzulässige Frage zur Behinderung gestellt, der Job ging an jemand weniger Geeigneten ohne Behinderung. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß vorlag (§ 22 AGG). Lassen Sie sich davon aber nicht abschrecken: Viele AGG-Fälle werden schon außergerichtlich durch eine Abfindungszahlung erledigt, weil Arbeitgeber negative Publicity vermeiden wollen.
  • Schutz vor Maßregelung: Wenn Sie Ihre Rechte wahrnehmen (Beschwerde, Klage etc.), darf der Arbeitgeber Sie nicht benachteiligen, weil Sie sich gewehrt haben (§ 16 AGG). Eine Kündigung oder Schikane als Reaktion auf eine Diskriminierungsbeschwerde wäre also wiederum illegal – und vor Gericht angreifbar.

Praxis-Tipp: Sollte es zu Mobbing oder Diskriminierung im Alltag kommen, dokumentieren Sie jedes Vorkommnis (wer hat was gesagt/getan, Zeugen?). Wenden Sie sich frühzeitig an SBV oder Betriebsrat. Manchmal reicht ein Gespräch dieser Vertretungen mit dem Betreffenden oder Vorgesetzten, um die Sache zu bereinigen. Die meisten Arbeitgeber sind heute sensibilisiert, dass Diskriminierung teuer werden kann und das Betriebsklima schädigt.

Beispiel: Herr C. (schwerbehindert, GdB 70) wird von seinem direkten Vorgesetzten wiederholt vor Kollegen verhöhnt („Mit Ihrer Behinderung sind Sie halt nicht so leistungsfähig, haha“). Er notiert Daten und Inhalte der Vorfälle. Er informiert die SBV und beschwert sich schriftlich beim Arbeitgeber wegen Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG. Der Arbeitgeber muss jetzt handeln – vermutlich wird der Vorgesetzte ermahnt oder geschult. Ändert sich nichts, könnte Herr C. vor dem Arbeitsgericht eine Entschädigung einfordern. Da er die 2-Monats-Frist für jeden Vorfall im Blick behält und die Unterstützung des Betriebsrats hat, steht er rechtlich auf solidem Boden.

Abschließend sei gesagt: Rechtsdurchsetzung muss nicht immer klagen heißen. Nutzen Sie die internen Mittel, denn oft lässt sich eine Lösung finden, bevor das Verhältnis zerrüttet ist. Aber scheuen Sie sich nicht, zur Not auch vor Gericht zu ziehen, um Ihr Recht durchzusetzen – sei es Kündigungsschutz oder Entschädigung. Die Gesetze sind ausdrücklich auf Ihrer Seite. Viele Fachanwälte für Arbeitsrecht (so wie Dr. Usebach und Kollegen) sind erfahren in Schwerbehindertenangelegenheiten und dem AGG. Im Zweifel holen Sie sich früh juristischen Rat, damit keine Fristen verstreichen und Sie Ihre Ansprüche voll ausschöpfen können.

Informiert bleiben und Rechte selbstbewusst nutzen

Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer haben im deutschen Arbeitsrecht einen besonderen Schutzstatus, der Sie vor Arbeitsplatzverlust und Benachteiligung schützen soll. Wissen ist Macht: Je besser Sie über Ihre Rechte informiert sind, desto effektiver können Sie sie nutzen. Die wichtigsten Punkte, die Sie mitnehmen sollten:

  • Sonderrechte kennen: Vom Kündigungsschutz mit Integrationsamt-Zustimmung über Zusatzurlaub und Überstundenverweigerung bis zur Behindertenausstattung am Arbeitsplatz – machen Sie sich Ihre Ansprüche bewusst und melden Sie sie an, wenn nötig. Niemand muss „dankbar verzichten“, weil es vermeintlich Unannehmlichkeiten verursacht – diese Rechte sind gesetzlich garantiert, um Chancengleichheit herzustellen.
  • Pflichten nicht vergessen: Informieren Sie den Arbeitgeber rechtzeitig über Ihren Status, damit er die Regeln einhalten kann (z. B. vor einer Kündigung). Halten Sie wichtige Fristen (Kündigungsschutzklage, AGG-Ansprüche, Widersprüche) ein – notfalls lieber einmal zu viel einen Anwalt fragen als ein Fristversäumnis riskieren.
  • Netzwerk nutzen: Suchen Sie Unterstützung bei Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat und Integrationsamt. Diese stehen an Ihrer Seite und verfügen über Erfahrung, die Ihnen helfen kann. Gemeinsam lässt sich gegenüber dem Arbeitgeber auf Augenhöhe verhandeln. Alle Beteiligten – inklusive der Arbeitgeber – profitieren letztlich von einer gelungenen Inklusion am Arbeitsplatz.
  • Gleichstellung beantragen: Liegt Ihr GdB unter 50, aber Sie haben erhebliche Einschränkungen im Job, zögern Sie nicht, die Gleichstellung zu beantragen. Sie öffnet Ihnen den Zugang zum vollen Kündigungsschutz und zu vielen Hilfen im Arbeitsleben, ohne dass Sie Nachteile außerhalb des Jobs haben (kein „Stigma“ etwa durch einen Ausweis, da es keinen gibt). Viele Arbeitnehmer mit GdB 30–40 wissen gar nicht, dass diese Möglichkeit besteht – dabei kann sie im Ernstfall den Arbeitsplatz retten.
  • Selbstbewusst auftreten: Lassen Sie sich nicht verunsichern, dass Sie „Sonderrechte“ genießen. Diese Rechte sind nichts anderes als ein Ausgleich für die Nachteile, die eine Behinderung mit sich bringen kann. Sie haben das Recht, gleichgestellt und fair behandelt zu werden – dafür sorgen SGB IX und AGG. Wenn Sie gut argumentieren (zur Not mit juristischer Hilfe), werden die meisten Arbeitgeber einsehen, dass Kooperation besser ist als Konfrontation.

Zum Schluss: Die Rechtslage kann sich ändern, und jeder Fall ist individuell. Bleiben Sie daher informiert – zum Beispiel durch gute Ratgeber (wie diesen) oder aktuelle Hinweise Ihrer Schwerbehindertenvertretung / Betriebsrat. Und wenn Sie einmal unsicher sind, holen Sie sich fachkundigen Rat, bevor Sie wichtige Schritte gehen. Ein frühzeitiges Beratungsgespräch (etwa bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht) kann Streit oft verhindern oder zumindest dafür sorgen, dass Sie bestmöglich vorbereitet sind.

Mit dem Wissen um Ihre Rechte und der Unterstützung der genannten Stellen sind Sie bestens gerüstet, um Ihre Stellung im Arbeitsleben zu stärken. Schwerbehinderung oder Gleichstellung bedeuten nicht Schwäche, sondern geben Ihnen rechtliche Mittel an die Hand, die Sie unbedingt nutzen sollten, um erfolgreich und geschützt im Beruf zu stehen. Denn das Ziel all dieser Regelungen ist klar: volle Teilhabe, Kündigungsschutz und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld für Menschen mit Behinderung. In diesem Sinne: Bleiben Sie informiert, bleiben Sie selbstbewusst – und zögern Sie nicht, Ihre Rechte einzufordern, wenn es darauf ankommt. Sie haben es sich verdient.