Bezeichnung des Landesverbandes der AfD als „Prüffall“ durch Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz unzulässig

Das Verwaltungsgericht Weimar hat mit Urteil vom 11.07.2021 zum Aktenzeichen 8 K 1151/19 We und 8 K 498/20 We entschieden, dass die öffentliche Äußerung des Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz im September 2018, dass er den Landesverband der AfD als Prüffall bearbeite, rechtswidrig ist. Es hat damit der auf Unterlassung dieser Äußerung gerichteten Klage des Landesverbandes Thüringen der Partei „Alternative für Deutschland“ stattgegeben.

Aus der Pressemitteilung des VG Weimar Nr. 4/2021 vom 12.07.2021 ergibt sich:

Am 06.09.2018 hatte der Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2017 geäußert: „Daher habe ich als Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen den Landesverband der AfD in Thüringen in der hiesigen Bearbeitung bei uns im Amt mit heutiger Wirkung als Prüffall eingestuft“. Über diese Äußerung wurde danach in der Presse berichtet. Mit seiner Klage vertritt der Landesverband der Partei die Auffassung, diese Äußerung greife in rechtswidriger Weise in sein Recht als politische Partei aus Art. 21 des Grundgesetzes ein, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle.

Zur Urteilsbegründung hat die 8. Kammer des Gerichts ausgeführt, dass die Klage zulässig und begründet sei. Mit der öffentlichen Äußerung habe der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in das Recht der AfD, als politische Partei gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen (Art. 21 Abs. 1 GG), eingegriffen. Sie sei geeignet gewesen, die Mitwirkung der Partei an der politischen Willensbildung des Volkes und ihre Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien negativ zu beeinflussen. Für diesen Eingriff habe es einer gesetzlichen Grundlage bedurft, an der es fehle. Insbesondere könne das Recht, eine politische Partei in der Öffentlichkeit als „Prüffall“ zu bezeichnen, nicht aus dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz hergeleitet werden. Soweit dieses in §§ 5 Abs. 2 Bestimmungen über die Veröffentlichung von Informationen enthalte, setzten diese voraus, dass entweder sichere Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten vorlägen oder zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Verdacht. Das Thüringer Verfassungsschutzgesetz enthalte jedoch keine Befugnis, bereits im Stadium des sog. „Prüffalls“ zu informieren.

Hierbei gehe es um Fälle, in denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen noch nicht vorlägen, sondern nur vermutet würden und deshalb erst ermittelt werden müssten. Dabei sei unstreitig, dass die Beobachtungs- und Ermittlungstätigkeit selbst auch auf dieser Stufe zulässig sei; sie habe allerdings außerhalb der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu erfolgen. Das streitgegenständliche Informationshandeln könne auch nicht auf das Thüringer Pressegesetz gestützt werden.

Denn der presserechtliche Auskunftsanspruch reiche nicht weiter als das verfassungsschutzrechtliche Informationsrecht, so dass der Beklagte verfassungsschutzrechtlich zum Stillschweigen verpflichtet gewesen sei. Die Äußerungen könnten auch nicht auf das allgemeine Recht zu staatlichem Informationshandeln gestützt werden.

Das Gericht hat mit dem Urteil lediglich die Frage der Rechtsgrundlage für die Bekanntgabe eines „Prüffalls“ geklärt. Damit war keine rechtliche Bewertung verbunden, ob der Thüringer Landesverband der AfD als „Prüffall“ behandelt werden darf oder nicht.

Eine weitere Klage einzelner Landtagsabgeordneter sowie der Landtagsfraktion der Partei wies das Gericht als unzulässig ab, weil den Klägern die Klagebefugnis fehle. Sie seien in der streitigen Äußerung nicht namentlich genannt und damit nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar von der Äußerung berührt.

Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.