Eine Frau fertigte während der Beziehung mit ihrem damaligen Freund mehrere Nacktfotos von sich selbst an und schickte sie ihm „zur eigenen Nutzung“. Nach der Trennung leitete der Mann im Juni 2023 ohne ihre Einwilligung zwei dieser Bilder an einen Bekannten der Frau und acht weitere an eine andere Bekannte weiter. Das Landgericht Krefeld verurteilte den Mann daraufhin – neben einer Vergewaltigung – wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in zwei Fällen und wegen der Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen in Tateinheit (also beides gleichzeitig erfüllt). Konkret sah das Landgericht sowohl den Straftatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB (unbefugte Verwendung von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich) als auch den des § 184k Abs. 1 Nr. 3 StGB (sog. Upskirting-Paragraf, Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen) als erfüllt an. Es verhängte zwei Einzelstrafen zu je acht Monaten und eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Der Mann legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein – mit teilweise Erfolg. Im Beschluss vom 16.04.2025 (Az. 3 StR 40/25) stellte der 3. Strafsenat des BGH klar, dass § 184k StGB im vorliegenden Fall nicht greift, weil die Fotos in einer Wohnung entstanden und die abgebildeten Körperteile eben nicht durch Kleidung verdeckt waren. Die heimliche Weiterleitung dieser Bilder bleibt aber strafbar nach § 201a StGB. Dieser Rechtstipp erläutert die BGH-Argumentation und ordnet die Entscheidung ein.
BGH-Argumentation: Schutz „gegen Anblick“ vs. Schutz „gegen Einblick“
Der Kern der BGH-Entscheidung liegt in der Unterscheidung zweier Schutzkonzepte im Strafrecht des Bildmissbrauchs: „gegen den Anblick“ geschützt (textiler Sichtschutz) versus „gegen den Einblick“ geschützt (räumlicher Sichtschutz). Der BGH führte aus, dass § 184k StGB nur dann anwendbar ist, wenn intime Körperteile durch Kleidung oder andere am Körper getragene Barrieren verdeckt sind, also „gegen Anblick“ fremder Personen geschützt sind. Demgegenüber zielt § 201a StGB auf Fälle ab, in denen sich eine Person in einem geschützten Raum befindet (Wohnung, umschlossener Privatbereich) und damit vor fremden Blicken „gegen Einblick“ abgeschirmt ist. Vereinfacht gesagt: § 184k betrifft intime Aufnahmen „unter der Kleidung“, während § 201a Aufnahmen „hinter verschlossenen Türen“ erfasst.
Wortlaut und Wortsinn der Vorschriften
Zur Begründung stützt sich der BGH zunächst auf den Wortlaut der Normen. § 184k Abs. 1 Nr. 1 StGB verwendet bewusst die Formulierung „gegen Anblick geschützt“, während § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB von „gegen Einblick besonders geschützt“ spricht. Der Begriff Anblick deutet auf eine zweidimensionale, visuelle Perspektive hin – man entzieht Körperteile dem Anblick typischerweise durch Kleidung oder ähnliche Sichtschutzobjekte (z.B. Handtücher). Einblick hingegen meint den Blick von außen in einen Raum hinein – diesen wehrt man ab, indem man sich in einen räumlich abgeschirmten Bereich zurückzieht (z.B. Wohnung, Umkleide). Diese sprachliche Unterscheidung bringt klar zum Ausdruck, dass § 184k den textilen Schutz der Intimsphäre regelt, während § 201a den räumlichen Privatsphärenschutz gewährleistet.
Der BGH zitierte dazu auch die Fachliteratur, welche die Abgrenzung prägnant mit der Faustformel „unter der Kleidung statt hinter der Tür“ umschreibt. Im entschiedenen Fall waren die weitergegebenen Fotos zwar eindeutig intim (sie zeigten Genitalien, Gesäß und Brust der Frau). Allerdings fehlte hier das Merkmal „gegen Anblick geschützt“, da die Frau auf den Bildern nackt in ihrem privaten Schlafzimmer zu sehen war und keine Kleidung als Sichtbarriere trug. Stattdessen war ihre Intimsphäre durch den privaten Raum geschützt – ein Schutz, den § 201a StGB und nicht § 184k vermittelt. Folglich schied der Tatbestand des § 184k StGB aus Sicht des BGH aus.
Sinn und Zweck & historische Entwicklung (Upskirting-Gesetz)
Neben dem Wortlaut stützte der BGH seine Entscheidung maßgeblich auf den Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte von § 184k StGB. Diese Vorschrift wurde durch das 59. Strafrechtsänderungsgesetz vom 09.10.2020 neu geschaffen, um eine bis dahin bestehende Strafbarkeitslücke zu schließen. Der Gesetzgeber hatte damit insbesondere das heimliche Fotografieren unter Röcke oder in Blusenausschnitte (Upskirting bzw. Downblousing) im Blick. Solche Taten spielen häufig im öffentlichen Raum (z.B. auf Rolltreppen, in vollen Bahnen) und zeichnen sich dadurch aus, dass Täter gezielt die Kleidung als Barriere überwinden, um voyeuristische Aufnahmen der ansonsten bedeckten intimen Bereiche zu machen.
Die Gesetzesmaterialien formulierten, das Opfer dokumentiere durch seine Kleidung erkennbar den Willen, bestimmte Körperteile fremden Blicken zu entziehen, und gerade diese Barriere werde von Upskirting-Tätern technisch überwunden. Man stellte fest, dass solche Fälle vom früheren Recht nicht erfasst waren, weil § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nur unbefugte Aufnahmen aus Wohnungen oder ähnlich geschützten Räumen verbietet. Diese Lücke – intime Bilder trotz Kleidungsschutz – sollte durch die Einführung von § 184k StGB geschlossen werden.
Interessant ist, dass der Gesetzgeber zunächst erwogen hatte, Upskirting als Variante des § 201a StGB zu regeln. Letztlich entschied man sich aber bewusst für einen eigenen Straftatbestand § 184k StGB im Sexualstrafrecht, um den sexuellen Charakter dieser Handlungen hervorzuheben. Die Aufteilung sollte systematisch zwei getrennte, sich ergänzende Schutzbereiche schaffen, die nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Situationen abdecken. § 201a StGB schützt die Privatsphäre insgesamt (das Recht, nicht abgelichtet zu werden, wenn man sich räumlich zurückgezogen hat), während § 184k StGB speziell die Abbildung konkret definierter Körperteile (Genitalien, Gesäß, weibliche Brust) trotz Kleidungsschutz unter Strafe stellt.
Vergleichbare Fallgruppen – Was gilt wann?
Der BGH-Beschluss betont die dogmatische Trennlinie zwischen den Delikten und hilft bei der Einordnung ähnlicher Fälle. Zur Abgrenzung seien einige Fallgruppen betrachtet:
- Upskirting (Unter-den-Rock-Fotografieren in der Öffentlichkeit): Klassischer Anwendungsfall des § 184k StGB. Hier verschafft sich der Täter durch die Kamera einen Einblick, den das Auge normalerweise nicht hat, und fotografiert z.B. unter den Rock oder in den Ausschnitt. Die intimen Körperregionen sind von Kleidung bedeckt und somit gegen Anblick geschützt – das unerlaubte Ablichten erfüllt § 184k (Versuch, die textile Barriere zu überwinden). Beispiel: Ein Täter hält im Gedränge oder auf einer Rolltreppe unbemerkt sein Smartphone unter den Rock einer Frau, um deren Unterwäsche oder Intimbereich abzulichten. Solches Verhalten war vor 2020 nicht erfasst und ist nun ausdrücklich strafbar.
- Heimliche Aufnahmen in der Wohnung (oder einem privaten Raum): Hier greift § 201a StGB. Sobald sich das Opfer in einem gegen Einblick geschützten Bereich befindet – etwa in der eigenen Wohnung, einer abgeschlossenen Umkleidekabine oder Toilette – genießt es höchstpersönlichen Privatsphärenschutz. Unbefugte Fotos oder Videos in solchen Bereichen sind als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs strafbar. Beispiel: Jemand installiert heimlich eine Kamera im Schlafzimmer oder beobachtet eine Person beim Duschen in ihrem Badezimmer – das fällt unter § 201a StGB (selbst wenn die Person nackt ist, denn der Schutz folgt hier aus dem Raum, nicht aus Kleidung). Upskirting-Paragraph § 184k ist in solchen Szenarien nicht einschlägig, weil keine Kleidung überwunden wird – die Intimsphäre wird durch die räumliche Privatsphäre gewährleistet. Im BGH-Fall waren die Nacktaufnahmen in einer Wohnung entstanden, weshalb allein § 201a griff.
- Umkleidekabinen, öffentliche Toiletten, Saunen: Dies sind räumlich abgeschirmte Bereiche (ggf. öffentlich zugänglich, aber vom Opfer zur Privatsphäre genutzt). Fotos ohne Einwilligung dort fallen ebenfalls primär unter § 201a StGB (gegen Einblick geschützt). Etwa wenn jemand über die Trennwand einer Umkleidekabine fotografiert. Sollte allerdings der Täter dabei zusätzlich eine Kleidungsbarriere überwinden, können ausnahmsweise beide Tatbestände zusammentreffen. Der BGH nennt als Beispiel das „Upskirting in einer Wohnung oder Umkleidekabine“, wo sowohl ein räumlicher Schutz (Raum) als auch ein textiler Schutz (Kleidung) überwunden werden. In so einer Doppel-Konstellation wäre eine Idealkonkurrenz beider Delikte denkbar. Das sind aber seltene Ausnahmefälle – grundsätzlich schließen sich § 201a und § 184k gegenseitig aus, je nach Art des Schutzes.
- Schwimmbad, Strand und halböffentliche Bereiche: In öffentlichen Bädern oder am Strand gilt, dass Personen zwar teilweise entkleidet oder nur in Badekleidung sind, sich aber in keiner Wohnung oder ähnlich geschützten Räumlichkeit befinden. § 201a StGB greift hier nicht, da kein gegen Einblick geschützter Bereich vorliegt. § 184k StGB greift nur, wenn gezielt eine Kleidungsvorrichtung überwunden wird – etwa wenn jemand unter einem Handtuch oder unter den Badeanzug fotografiert. Aufnahmen von unbekleideten Personen im öffentlichen Raum (z.B. FKK-Bereich) oder von Menschen in Badekleidung ohne spezielle Ausnutzung eines Kleidungsblickwinkels sind derzeit nicht vom StGB erfasst. Das heißt: Filmt jemand eine unbekleidete Person am öffentlichen Strand oder eine Person im Bikini im Schwimmbad ohne deren Zustimmung, ist das nach aktueller Gesetzeslage nicht ausdrücklich strafbar (solange keine Hilfslosigkeit oder ein höchstpersönlicher Lebensbereich im Sinne anderer Normen gegeben ist). Die Strafbarkeit kann hier an Grenzen stoßen, was zu rechtlichen und politischen Diskussionen geführt hat. Einige Stimmen fordern eine Ausweitung des Strafschutzes auch auf solche Fälle, doch bislang bleibt dies eine Schutzlücke: Es gelten nur Hausordnungen oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche, aber kein einschlägiger Strafparagraph.
Reichweite des § 184k StGB nach dem Beschluss
Durch den BGH-Beschluss ist klargestellt, dass § 184k StGB ein eng umrissener Tatbestand ist. Er erfasst ausschließlich unbefugte Bildaufnahmen intimer Körperteile, die von Kleidung bedeckt sind. Typische Szenarien sind Upskirting (Unterwäsche/Genitalbereich unter einem Rock oder Kleid) und Downblousing (Fotografieren in den Ausschnitt einer Bluse oder unter ein Oberteil). Der Schutzbereich des § 184k ist damit die Intimsphäre gegen voyeuristische Blicke, wenn das Opfer seine Intimzonen aktiv durch Kleidung verborgen hält. Wichtig: Strafbar ist nach § 184k nicht nur die Herstellung solcher Fotos, sondern auch die Weitergabe oder Veröffentlichung solcher Aufnahmen (vgl. § 184k Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB). Allerdings müssen auch weitergegebene Bilder ursprünglich von der in Nr. 1 beschriebenen Art sein – also aus einem „Kleidungsdurchbruch“ stammen. Im aktuellen Fall war genau das nicht gegeben: Die Nacktaufnahmen wurden einvernehmlich und ohne Kleidungsbarriere erstellt, somit fehlte das Fundament für § 184k.
§ 201a StGB deckt demgegenüber alle Fälle ab, in denen die höchstpersönliche Privatsphäre betroffen ist, insbesondere in eigenen oder besonders abgeschirmten Räumen. Dazu zählt auch die unbefugte Verwendung ursprünglich befugt hergestellter Bilder (Vertrauensbruch) – wie hier, wo der Ex-Partner die einvernehmlich erhaltenen Bilder unbefugt weiterverbreitete. Der BGH betonte, dass es unerheblich ist, wer die Aufnahme gemacht hat – auch Selbstaufnahmen des Opfers fallen unter den Schutz, wenn sie gegen dessen Willen weitergegeben werden. Damit zeigt die Entscheidung, dass § 201a StGB gerade im digitalen Zeitalter ein wichtiges Instrument gegen „Revenge Porn“ und ähnliche Vertrauensbrüche ist.
Nach dem Beschluss steht fest: Beide Vorschriften – § 201a und § 184k – ergänzen sich, ohne einander zu überlappen. Jede hat ihren eigenen Anwendungsbereich. Nur in extremen Ausnahmefällen (gleichzeitiges Überwinden von Raum und Kleidung) kommen beide zugleich in Betracht. Durch diese klare Trennung wird in zukünftigen Fällen zu prüfen sein, welcher Schutzmechanismus verletzt wurde: War es die räumliche Privatsphäre? Dann ist ausschließlich § 201a einschlägig. War es der textile Sichtschutz der Kleidung? Dann nur § 184k. Überschneidungen soll es – dem Gesetzesziel entsprechend – nicht geben.
Bewertung der Entscheidung – Konsequenzen und offene Fragen
Schließt der BGH Schutzlücken – oder offenbart er welche?
Der BGH hat mit dieser Entscheidung keine neue Lücke geschaffen, sondern eine bestehende geschlossen gehalten. Das Gericht bestätigt letztlich die Absicht des Gesetzgebers, dass alle denkbaren Fälle abgedeckt sein sollen – allerdings jeweils nur durch einen der beiden Tatbestände, nicht doppelt. Schutzlücken im ursprünglich adressierten Bereich werden dadurch vermieden. So bleibt der Mann im konkreten Fall strafbar (über § 201a StGB), auch wenn § 184k nicht greift. Eine Straflosigkeit des Verhaltens besteht also nicht. Die Entscheidung verhindert aber, dass jemand für dieselbe Handlung doppelt bestraft wird, wenn es in Wirklichkeit nur ein Schutzkonzept verletzt (hier: die räumliche Privatsphäre der Frau, nicht eine Kleidungsbarriere). Dadurch wird Rechtsklarheit geschaffen und Überlagerungen der Delikte vermieden, was letztlich sowohl dem Beschuldigtenrecht (keine Doppelbestrafung für identische Intimsphäre-Verletzung) als auch dem Opferschutz dient (fokussierte Anklage auf den passenden Tatbestand).
Allerdings zeigt die Diskussion um Fälle außerhalb dieser Normbereiche, dass jenseits der beiden Paragraphen durchaus Schutzlücken verbleiben. Wie oben erwähnt, ist es nach geltendem Recht nicht strafbar, jemanden in der Öffentlichkeit unbekleidet oder in Badekleidung gegen seinen Willen zu fotografieren, solange keine „Kleidungsdurchbrechung“ oder kein geschützter Raum betroffen ist. Dies wird von Kritikern als Inkonsequenz im Gesetz empfunden. Der BGH-Beschluss thematisiert diese Konstellationen zwar nicht direkt, macht aber die Grenzen der aktuellen Gesetzeslage deutlich. Es bleibt eine rechtspolitische Frage, ob der Gesetzgeber hier nachbessern will (einige Bundesländer und Experten hatten in der Upskirting-Debatte gefordert, auch gezielte Nacktaufnahmen in der Öffentlichkeit unter Strafe zu stellen). Kurzum: In seinem eigenen Anwendungsbereich schließt das Urteil eine vermeintliche Lücke (durch klare Zuweisung zu § 201a), doch in Randbereichen (öffentlich-nackt) bestehen weiterhin Grauzonen, die der BGH mangels gesetzlicher Grundlage nicht ausfüllen kann.
Intimsphäre in digitalen Zeiten – Signalwirkung der Entscheidung
Die Entscheidung unterstreicht, dass das Strafrecht sich den Herausforderungen der digitalen Ära angepasst hat, indem neue Phänomene wie Upskirting und ungefragtes Verbreiten intimer Bilder erfasst werden. In Zeiten, in denen jedes Smartphone zur versteckten Kamera und jede Chat-Nachricht zum Distributionskanal werden kann, ist der Schutz der Intimsphäre wichtiger denn je. Der BGH-Beschluss bietet hier Orientierung: Er betont die Notwendigkeit, Tatbestände präzise anzuwenden, um die richtigen Handlungen zu bestrafen. Gleichzeitig zeigt er, dass Opfer von Bildmissbrauch nicht schutzlos sind – im Gegenteil, durch die Kombination von § 201a und § 184k besteht ein umfangreicher strafrechtlicher Schutz der Intimsphäre. Wer glaubt, durch eine Gesetzeslücke davonzukommen, irrt: Vertrauliche Nacktbilder weiterzugeben ist strafbar, und Voyeur-Aufnahmen unter der Kleidung sind es ebenfalls.
In der Praxis bedeutet dies auch: Sensibilität und Aufklärungsbedarf. Viele Laien wissen gar nicht, dass etwa das Weiterleiten von intimen Fotos des Ex-Partners einen Straftatbestand erfüllt. Das Urteil macht diese Strafbarkeit publik und sendet eine präventive Warnung: Die digitale Weitergabe fremder Intiminhalte kann erhebliche strafrechtliche Konsequenzen haben. Es verstärkt zudem das Bewusstsein, dass sexuelle Selbstbestimmung und Privatsphäre auch in der vernetzten Welt hohe Rechtsgüter sind. Insgesamt ist der BGH-Beschluss ein wichtiger Beitrag, um die strafrechtliche Bewertung intimer Kommunikationsformen in Einklang mit den technologischen Realitäten zu halten. Er sorgt für Klarheit, damit sowohl Strafverfolger als auch Gerichte und Beratungsstellen wissen, welche Mittel zum Schutz der Opfer zur Verfügung stehen – und wo ggf. noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Praxishinweise
Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 16.04.2025 unmissverständlich klargestellt: Heimliche Nacktfotos aus einer Wohnung fallen nicht unter den Upskirting-Paragraphen. Stattdessen ist hier allein § 201a StGB einschlägig, der die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sanktioniert. § 184k StGB bleibt auf Fälle beschränkt, in denen Kleidung als Sichtschutz überwunden wird. Diese klare Trennung schärft das Verständnis der beiden Normen und verhindert eine unsaubere Doppelverfolgung.
Abschließend einige Praxistipps – sowohl für die Strafverteidigung als auch für den Opferschutz:
- Für Strafverteidiger: Prüfen Sie bei Anklagen wegen Bilddelikten, welcher Tatbestand wirklich erfüllt ist. Wird Ihrem Mandanten sowohl § 201a als auch § 184k vorgeworfen, lohnt ein genauer Blick: Liegt keine „textile Barriere“ vor, sollte auf Grundlage dieses BGH-Beschlusses eine Einstellung des § 184k-Vorwurfs beantragt werden. Der Schuldspruch kann in solchen Fällen auf § 201a StGB beschränkt werden, was auch die Strafzumessung beeinflusst (kein strafschärfendes „Zwei Delikte in Tateinheit“). Außerdem: Machen Sie dem Gericht bewusst, dass selbst wenn intime Bilder gezeigt werden, § 184k nur greift, wenn sie unter Kleidung entstanden sind – liegt der Aufnahme ein Vertrauensbruch mit ursprünglich erlaubtem Bildmaterial zugrunde, ist allein § 201a einschlägig. Dieser Beschluss bietet also Argumentationshilfe, um überflüssige oder falsche Anklagepunkte abzuwehren und eine rechtssichere Einordnung zu erreichen.
- Für Opfer und ihre Vertreter (Opferschutzanwälte): Die Entscheidung zeigt, dass Opfer von „Revenge Porn“ und Upskirting effektiv geschützt werden – aber man muss die richtigen Strafnormen ziehen. Als Vertreter eines Opfers sollten Sie darauf achten, Anzeige nach § 201a StGB zu erstatten, wenn private Nacktaufnahmen unbefugt verbreitet wurden. Lassen Sie sich nicht verunsichern, falls § 184k nicht greift – das heißt nicht, dass das Verhalten legal ist, sondern nur, dass es unter eine andere Strafnorm fällt. Umgekehrt bei klassischen Voyeur-Fotos unter Rock oder Bluse: Hier zielt § 184k StGB direkt auf das Tatbild. Weisen Sie Mandantinnen und Mandanten darauf hin, dass jedes ungefragte Weiterleiten oder Aufnehmen intimer Bilder Konsequenzen haben kann. In der Beratung ist zudem wichtig: Beweissicherung (Screenshots, Zeugen) und schnelles Handeln (z.B. Plattformen zum Löschen von Bildern auffordern) sind entscheidend, da die digitale Verbreitung rasant sein kann. Dank der aktuellen Rechtslage können Sie aber darauf vertrauen, dass sowohl die räumliche Intimsphäre als auch die textile Intimsphäre unter dem Schutz des Strafrechts stehen – nutzen Sie diese Mittel konsequent zum Schutz der Betroffenen. Denn das Urteil bestärkt letztlich die Rechte der Opfer: Die intimste Privatsphäre – ob durch vier Wände oder durch Kleidung gewahrt – darf niemand ungestraft verletzen.