Bundesverfassungsgericht: Zur Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. April 2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 2649/20 zur Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausgeführt.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die gerichtliche Aufhebung eines Bescheids der Rechtsanwaltskammer, mit dem er als Syndikusrechtsanwalt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden war, sowie die diesem Urteil zugrundeliegenden Vorschriften.

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und als Angestellter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: Arbeitgeberin) mit der Regulierung von Schadensfällen befasst. Die Arbeitgeberin ist als Schadensregulierungsbüro tätig. Als solches bearbeitet sie Schadensfälle, die unter Beteiligung eines ausländischen Kraftfahrzeuges im Inland zustande gekommen sind. Sie wird für einen eingetragenen Verein tätig, der nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger als Teil eines internationalen Netzwerks Haftpflichtversicherungen für ausländische Kraftfahrzeuge erbringt. Unfallgeschädigte können den Verein direkt in Anspruch nehmen. Der Verein beauftragt mit der Schadensregulierung Dritte, zu denen auch die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers zählt.

Mit Bescheid vom 19. April 2017 ließ die Rechtsanwaltskammer den Beschwerdeführer zusätzlich zu seiner bestehenden Zulassung als Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der Arbeitgeberin als Syndikusrechtsanwalt zur Rechtsanwaltschaft zu. Eine gegen den Zulassungsbescheid gerichtete Klage der Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: Klägerin) wies der Anwaltsgerichtshof ab. Auf Antrag der Klägerin ließ der Bundesgerichtshof die Berufung gegen das Urteil zu.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 5. Oktober 2020 hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Anwaltsgerichtshofs und den Zulassungsbescheid der Rechtsanwaltskammer auf. Der Beschwerdeführer könne nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, da er entgegen § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nicht in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig sei. Rechtsangelegenheiten würden nicht dadurch zu Rechtsangelegenheiten eines Arbeitgebers, dass dieser vertraglich oder gesetzlich zur Befassung mit ihnen verpflichtet sei. So liege es hier, da die Arbeitgeberin Dienstleistungen in den Rechtsangelegenheiten des eingetragenen Vereins erbringe. Sie selbst sei jedoch nicht Partei des durch den jeweiligen Unfall entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses, gewähre nicht selbst Versicherungsschutz und habe für die Durchsetzung der Versicherungsansprüche auch nicht einzustehen.

Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass bereits die Vorschriften des § 46 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 BRAO verfassungswidrig seien. Die Beschränkung des Syndikusrechtsanwalts auf seinen eigenen Arbeitgeber als einzigen Mandanten beschränke ihn unverhältnismäßig in seiner Berufstätigkeit. Syndikusrechtsanwälte könnten ebenso wie sonstige Rechtsanwälte für sich in Anspruch nehmen, ihre Unabhängigkeit grundsätzlich selbst zu wahren und daher auch für „externe Mandanten“ tätig zu werden.

Davon abgesehen habe der Bundesgerichtshof die Tragweite der Berufsfreiheit verkannt. Er hätte den Begriff der „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ so auslegen müssen, dass davon die Tätigkeit des Beschwerdeführers erfasst werde. Das Erfordernis diene der Wahrung der Unabhängigkeit von Syndikusrechtsanwälten. Dass die Unabhängigkeit des Beschwerdeführers gegenüber seiner Arbeitgeberin gefährdet sei, habe der Bundesgerichtshof aber nicht erläutert.

Soweit der Beschwerdeführer von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Vorschriften § 46 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 BRAO ausgeht, setzt er sich nicht damit auseinander, dass eine Aufhebung der Beschränkung der Zulassung von Syndikusrechtsanwälten auf Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeber gerade das primäre gesetzliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Rechtsanwälten und Syndikusrechtsanwälten beseitigen würde. Letztlich geht es dem Beschwerdeführer daher nicht um die Ausweitung des Tätigkeitsbereichs von Syndikusrechtsanwälten, sondern um die Aufhebung der Beschränkung der für angestellte Rechtsanwälte in Frage kommenden Arbeitgeber auf den in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Kreis. Inwieweit dies verfassungsrechtlich geboten sein sollte, legt er jedoch nicht dar. Er gibt lediglich an, dass von Syndikusrechts-anwälten erwartet werden könne, ihre fachliche Unabhängigkeit gegenüber „externen Mandanten“ zu verteidigen (ähnlich für Tätigkeiten, die dem Arbeitgeber nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt sind, auch Henssler, JZ 2021, S. 212 <215 f.>). Allerdings geht der Beschwerdeführer nicht darauf ein, wie in diesem Zusammenhang zu bewerten ist, dass die dabei betroffenen geschäftlichen Interessen der Arbeitgeber von Syndikusrechtsanwälten im Regelfall außerhalb der Erbringung unabhängiger Rechtsdienstleistungen liegen (vgl. Wolf, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 46 Rn. 85).

Soweit der Beschwerdeführer Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anführt, in denen das Gericht statusbezogene Regelungen zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit aufgrund des Bestehens gleichgerichteter Berufspflichten als nicht verhältnismäßig angesehen hat, verhält er sich nicht zu den Unterschieden zum hier betroffenen Fall. In den angeführten Entscheidungen stand jeweils eine gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Berufsträgern im Raum, die ihrerseits an berufsrechtliche Regelungen gebunden waren (vgl. BVerfGE 135, 90 <119 Rn. 78>; 141, 82 <113 ff. Rn. 83 ff.>). Dagegen betreffen die hier mittelbar angegriffenen Vorschriften die Konstellation der abhängigen Beschäftigung bei einem nicht weiter begrenzten Kreis von Arbeitgebern.

Der Beschwerdeführer setzt such auch nicht hinreichend mit dem Eingriffsgewicht auseinander, das der Aufhebung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt in seinem Fall zukommt. Er geht nicht darauf ein, wie zu beurteilen ist, dass seine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten von der Aufhebung der Zulassung unberührt bleiben und er die gewählte Tätigkeit unabhängig von der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt im Wesentlichen in dem arbeitsvertraglichen Umfang ausüben kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17 -, Rn. 76). Dies gilt zwar nicht für die in einer Ergänzung des Arbeitsvertrags vereinbarte gerichtliche Vertretung seiner Arbeitgeberin. Insofern bleibt jedoch unklar, inwieweit damit tatsächlich belastende Auswirkungen für den Beschwerdeführer einhergehen. Denn sowohl nach den Feststellungen des angegriffenen Urteils als auch seinem eigenen Vortrag ist die Tätigkeit des Beschwerdeführers allein auf die Schadensregulierung für den eingetragenen Verein und nicht zumindest auch auf die gerichtliche Vertretung der Arbeitgeberin ausgerichtet. Den eingetragenen Verein könnte er aber abseits der Fälle des § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO auch im Falle der Aufrechterhaltung seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht gerichtlich vertreten (vgl. BTDrucks 18/5201, S. 30 f.). Dass einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, hat der Bundesgerichtshof vom Beschwerdeführer unwidersprochen verneint.

Auch befasst sich der Beschwerdeführer nicht mit dem Umstand, dass er parallel zu seiner angestellten nichtanwaltlichen Tätigkeit zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann, um als selbständiger Rechtsanwalt anwaltlich tätig zu sein und Dritte zu beraten (vgl. BTDrucks 18/5201, S. 19). Eine derartige Zulassung hat der Beschwerdeführer tatsächlich inne.

Die größte Belastung durch die Aufhebung der Zulassung des Beschwerdeführers als Syndikusrechtsanwalt dürfte in der Vorwirkung liegen, die dieser Entscheidung nach § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO für eine eventuelle Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zukommt. Eine Verletzung seiner Berufsfreiheit macht der Beschwerdeführer insoweit allerdings nicht geltend. Ob das Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Vorwirkung betroffen ist, wogegen spricht, dass schon die Begründung einer gesetzlichen Versicherungspflicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG in der Regel nicht berührt (vgl. BVerfGE 10, 354 <362 f.>; BVerfGK 11, 352 <353 f.>), kann daher dahinstehen. Andere Grundrechte rügt der Beschwerdeführer nicht als verletzt.