Chromosomen-Screening ohne Zustimmung der Ethikkommission unzulässig

04. Dezember 2020 -

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 02.12.2020 zum Aktenzeichen 3 C 6.19 entschieden, dass genetische Untersuchungen an in vitro erzeugten Embryonen im Blastozystenstadium (fünf Tage nach der Befruchtung) auf numerische Chromosomenaberrationen die Voraussetzungen einer Präimplantationsdiagnostik nach dem Embryonenschutzgesetz erfüllen und daher nicht ohne zustimmende Bewertung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden dürfen.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 71/2020 vom 02.12.2020 ergibt sich:

Die Beklagte untersagte der Klägerin mit Bescheid vom 02.06.2015, in ihrer Zweigniederlassung in München Trophektodermdiagnostiken durchzuführen, ohne dass die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik (PID) in jedem Einzelfall eine zustimmende Bewertung abgegeben hat.

Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die von der Klägerin beabsichtigte Untersuchung von muralen Trophektodermzellen einer Blastozyste sei eine genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos i.S.v. § 3a Abs. 1 ESchG (Embryonenschutzgesetz) und unterliege damit gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ESchG dem Erfordernis der vorherigen zustimmenden Bewertung der Bayerischen Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik. Dass die Klägerin die Diagnostik vornehmen wolle, um festzustellen, ob die in vitro befruchtete Eizelle fähig sei, sich in der Gebärmutter einzunisten, und damit die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft trotz des ovariellen Alters der Eizelle zu erhöhen, ändere daran nichts.

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil des Bay. VGH zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BVerwG hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass es sich bei der Trophektodermdiagnostik der Klägerin um eine PID i.S.d. § 3a Abs. 1 ESchG handelt. Die Vorschrift definiere die PID als genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem Transfer in die Gebärmutter. Diese Voraussetzungen seien bei der Diagnostik der Klägerin erfüllt. Die Blastozysten, denen die muralen Trophektodermzellen entnommen werden sollten, seien Embryonen i.S.v. § 8 Abs. 1 ESchG. Danach gelte als Embryo die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an. Entwicklungsfähigkeit meine die Fähigkeit der befruchteten Eizelle zur Zellteilung. Unerheblich sei insoweit, ob die jeweilige Blastozyste die Fähigkeit zur Nidation habe.

Murale Trophektodermzellen seien unabhängig vom Grad ihrer Ausdifferenzierung Zellen eines Embryos i.S.d. § 3a Abs. 1 ESchG. Die Vorschrift solle den Embryo in vitro davor schützen, ohne rechtfertigenden Grund nicht in den Uterus transferiert zu werden. Für diesen Zweck komme es nicht darauf an, ob die untersuchten Zellen pluripotent oder nicht mehr pluripotent seien. Auch der von der Klägerin verfolgte Untersuchungszweck sei hierfür ohne Bedeutung. Schließlich seien die beabsichtigten Untersuchungen genetische Untersuchungen im Sinne der Vorschrift. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen handele es sich bei den von der Klägerin angewandten Untersuchungsverfahren um zytogenetische Verfahren, die der Feststellung chromosomaler Fehlverteilungen dienten.