Richterablehnung nach Verfahrensabschluss?

05. Dezember 2020 -

Nach Erlass einer ungünstigen Entscheidung fragen sich oft Verfahrensbeteiligte und/oder auch Rechtsanwälte, ob der/die Richter als befangen abgelehnt werden können.

Das Grundrecht fordert den gesetzlichen Richter in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; das bedeutet, dass  der Rechtssuchende stets vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteiisch ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet.

Die Prozessordnungen enthalten nach ihrem Wortlaut keine zeitliche Beschränkung für das Ablehnungsrecht.

Der Zweck der Richterablehnung zielt aber darauf, eine Entscheidung unter Mitwirkung eines voreingenommenen Richters zu verhindern; sie gelten daher bis zum vollständigen Abschluss der Instanz für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt.

Es ist anerkannt, dass auch im Falle einer Klagerücknahme beispielsweise der/die Richter als Befangen abgelehnt werden können, weil diese noch den Streitwert festsetzen müssen und auch eine Kostenentscheidung zu treffen haben.

Im Fall einer Anhörungsrüge hingegen, wird es abgelehnt, dass die Richter, die die verfahrensbeendende Ausgangsentscheidung getroffen haben, noch im Anhörungsrügeverfahren abgelehnt werden können.

 

Rechtsprechung dazu:

BVerwG, Urteil vom 30.10.1969 – VIII CB 129, 130.67, VIII CB 129.67, VIII CB 130.67

BFH, Beschluss vom 17.08.1989, VII B 70/89

BSG, Urteil vom 27.01.1993 – Az6 RKa 2/91

nach Urteilserlass: BGH, Urteil vom 08.02.2001 – III ZR 45/00

BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 02.05.2007 – 2 BvR 2655/06

BSG, Beschluss vom 06.06.2007 – B 8 KN 8/07 B

offenlassend BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.06.2007 – 2 BvR 746/07

nach Urteilserlass: BGH, Beschluss vom 11.07.2007 – IV ZB 38/06

BVerwG, Beschluss vom 28.05.2009 – 5 PKH 6.09

offengelassen vgl. BSG, Beschluss vom 19.01.2010 – B 11 AL 13/09 C

BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.04.2011 – 1 BvR 2411/10

zu § 25 StPO BGH, Beschluss vom 24.01.2012 – 4 StR 469/11

bei Anhörungsrüge: LSG München, Beschluss vom 20.08.2015 – L 15 SF 238/15 AB

VGH Mannheim, Beschluss vom 08.06.2016 – 1 S 783/16

VGH München, Beschluss vom 07.11.2016 – 10 BV 16.962

BVerwG Beschluss vom 12.12.2016 – 5 C 10.15 D

OVG Weimar, Beschluss vom 02.06.2017 – 3 SO 79/17

bei Anhörungsrüge: BVerwG, Beschluss vom 29.11.2018 – 9 B 26.18

 

Literatur dazu:

Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 152a Rn. 28

Musielak/Heinrich, ZPO, § 44 Rdn. 3

Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 42 Rdn. 6