Corona-Krise: Schwangere Asylsuchende muss nicht in Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wohnen

11. Mai 2020 -

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 07.05.2020 zum Aktenzeichen 6a L 365/20 in einem Eilverfahren entschieden, dass eine schwangere Asylsuchende wegen Corona-Ansteckungsgefahr nicht weiter in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge wohnen muss.

Aus der Pressemitteilung des VG Münster vom 11.05.2020 ergibt sich:

Die Antragsteller, ein Ehepaar, wurden aufgrund ihres Asylantrags verpflichtet, in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Rheine zu wohnen. Mit ihrem Eilantrag hatten sie im Wesentlichen geltend gemacht: Sie befürchteten, bei einem weiteren Aufenthalt in der Aufnahmeeinrichtung mit dem Coronavirus infiziert zu werden. Die Antragstellerin sei schwanger und müsse sich wiederholt in stationäre Behandlung begeben. In der Einrichtung sei ihnen aufgrund der beengten Wohnverhältnisse die Einhaltung des gebotenen Mindestabstands zwischen zwei Personen von 1,50 m nicht möglich. Sie müssten sich Sanitäranlagen mit anderen Bewohnern teilen. Auch stünden Reinigungsmittel nicht zur Verfügung. Daher sei ihre Verpflichtung, in der Einrichtung zu wohnen, zumindest vorübergehend zu beenden.

Das VG Münster hat dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Arnsberg, aufgegeben, die Verpflichtung der Asylsuchenden und ihres Ehemanns, in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Rheine zu wohnen, zum Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus vorläufig zu beenden.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beendigung der Wohnverpflichtung der Antragsteller nicht nur zur Seuchenprävention, sondern insbesondere zum Schutz der Antragsteller selbst vor Ansteckung mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 geboten. Die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen in der ab dem 07.05.2020 gültigen Fassung enthalte für verschiedene Lebensbereiche Abstandsregeln von mindestens 1,50 m zwischen Personen sowie weitere Regelungen etwa zu Kontaktbeschränkungen und des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen. Dies zeige, dass der Verordnungsgeber eine Ausbreitung des Virus durch das Zusammentreffen von Menschen bei Zusammenkünften und in Einrichtungen aller Art als besonders wahrscheinlich ansehe. Es würde einen Wertungswiderspruch zu den Regelungen der Verordnung darstellen, wollte man den Bereich der Asylbewerberunterkünfte anders behandeln. Nach den Angaben der Antragsteller, denen der Antragsgegner in der Sache nicht entgegengetreten sei, sei hier von unzureichenden Hygienezuständen auszugehen. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, die Antragsteller seien gehalten, bei der für den Betrieb der Einrichtung verantwortlichen Stelle auf Abhilfe zu drängen. Vielmehr sei es insbesondere angesichts der allgemein bekannten Pandemielage Aufgabe des Antragsgegners, über die Zustände vor Ort Kenntnis zu haben und bei Defiziten für Abhilfe zu sorgen. Hier habe der Antragsgegner jedoch nicht überzeugend dargelegt, dass und welche Maßnahmen in der Einrichtung zur Gewährleistung eines ausreichenden Ansteckungsschutzes vor dem Coronavirus getroffen worden seien. Daher sei es entsprechend dem individuellen Interesse der Antragsteller, vor einer Ansteckung geschützt zu werden, geboten, ihre Wohnverpflichtung vorläufig zu beenden. Dies gelte umso mehr, da die Antragstellerin aufgrund ihrer weit fortgeschrittenen Schwangerschaft zu einer als besonders vulnerabel anzusehenden Personengruppe gehöre.

Der Beschluss ist unanfechtbar.