Das Thüringer Oberlandesgericht beschließt die Enthebung vom Schöffenamt

Das Thüringer Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 09.03.2023 zum Aktenzeichen S AR 5/23 entschieden, dass eine Schöffin, die in der Schöffenliste des Landgerichts Erfurt eingetragen war, des Schöffenamtes enthoben wird.

Aus der Pressemitteilung des Thür. OLG vom 16.03.2023 ergibt sich:

Ein Schöffe ist nach § 51 Abs. 1 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) des Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat. Für die Entscheidung ist ein Strafsenat am Oberlandesgericht zuständig (§ 51 Abs. 2 Satz 1 GVG).

Der 1. Strafsenat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Schöffin gegen das auch für ehrenamtliche Richter geltende Mäßigungsgebot verstoßen hat. Bereits wegen dieses Verstoßes war die Enthebung von dem Schöffenamt unumgänglich, so dass der Senat nicht mehr über die Frage entscheiden musste, ob Zweifel an der besonderen Verfassungstreue der Schöffin bestehen.

Das Mäßigungsgebot verlangt von Richtern und auch von ehrenamtlichen Richtern, dass sie alles unterlassen müssen, was nach außen den Eindruck der Voreingenommenheit oder Unsachlichkeit entstehen lassen kann. Ein Richter darf sich zwar politisch betätigen, muss dabei aber stets das Mäßigungsgebot beachten. Die Akzeptanz und das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Justiz werden durch die Wahrung der Neutralität des Richters abgesichert. Sind das Verhalten und die Meinungen eines Richters bei aktuellen politischer Auseinandersetzungen aus objektiver Sicht geeignet, dieses Vertrauen zu erschüttern, ist das Mäßigungsverbot verletzt. Dies gilt vor allem dann, wenn ein außerdienstliches Verhalten Auswirkungen auf die dienstliche Tätigkeit des Richters haben kann.

Von einem solchen Fall ist der Strafsenat ausgegangen: Das erhebliche politische Engagement der Schöffin in der Öffentlichkeit, über das auch ausführlich in der Presse berichtet wurde, war auf eine breite Außenwirkung angelegt. Es betraf stark umstrittene Fragen nach dem Umgang mit der Pandemie sowie nach dem darauf bezogenen Handeln des Gesetzgebers. Bei der weiteren Ausübung des Richteramts durch die Schöffin hätte es zu zahlreichen Berührungspunkten zwischen deren außerdienstlichen Aktivitäten bzw. den darin zum Ausdruck kommenden politischen Meinungen mit Verfahren kommen können, die im Zusammenhang mit dem Pandemiegeschehen stehen. Das sind zum Beispiel Straf- und Bußgeldverfahren, bei denen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und ähnliche Fragen beurteilt werden müssen. Aus objektiver Sicht von Verfahrensbeteiligten ist daher bei der Schöffin in Anbetracht ihrer Aktivitäten die Unparteilichkeit eines Richters nicht mehr gewährleistet. Der Strafsenat hat das Verhalten der Schöffin auch als einen besonders groben Verstoß gegen das Mäßigungsgebot bewertet. Die Amtsenthebung war nach Auffassung der Richter auch verhältnismäßig, weil hier der Grundsatz der Unparteilichkeit der Rechtspflege dem Recht auf Meinungsfreiheit vorgeht.

Die Schöffin kann gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel einlegen (§ 51 Abs. 2 Satz 2 GVG).