DAV gegen Vielklägergebühr in sozialgerichtlichen Verfahren

16. Februar 2021 -

Das Land Hessen hat im Bundesrat einen Antrag eingebracht, in sozialgerichtlichen Verfahren eine sogenannte „Vielklägergebühr“ einzuführen.

Aus der Pressemitteilung des DAV vom 15.02.2021 ergibt sich:

Ansatzpunkt soll die Größe von zehn Verfahren innerhalb von zehn Jahren sein. Das Vorhaben wird aktuell im Rechtsausschuss des Bundesrates diskutiert. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert bereits die Grundannahme als fehlerhaft und das Vorhaben selbst als unnötig. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass sozialgerichtliche Klagen auch durchaus Erfolg haben.

Ziel des hessischen Vorstoßes soll die Ressourcenschonung der Justiz sein. Notwendig mache dies laut Antrag eine Vielzahl aussichtsloser Anliegen „ohne berechtigtes Rechtsschutzinteresse“, die die Gerichte unnötig belasten. Hierfür sieht der Gesetzesentwurf die Einführung einer besonderen Verfahrensgebühr vor, die von sogenannten „Vielklägern“ gezahlt werden muss, bevor weitere Verfahren bearbeitet werden.

Nach dem Antrag Hessens soll als Vielkläger angesehen werden, wer innerhalb der letzten zehn Jahre bereits zehn oder mehr Verfahren in einem Land angestrengt hat. Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Vorsitzender des Ausschusses Sozialrecht des DAV, kritisiert die daran anknüpfende Vermutung eines Rechtsmissbrauchs: „Zehn Verfahren in zehn Jahren sind etwa im Bereich der Grundsicherung keine Seltenheit – und rechtfertigen auch keine Sanktion. Zehn Verfahren in zehn Jahren kann es auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geben, etwa beim Streit um Kostenerstattung für Behandlungen, die sich halbjährlich wiederholen, aber immer wieder neue Verwaltungsverfahren erfordern.“

Auch die Kombination von einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren könne leicht zu einer solchen Summierung führen. „Sollte die Gebühr eingeführt werden, bestünde die Gefahr, dass Bürgerinnen und Bürger abgeschreckt werden, den Klageweg überhaupt einzuschlagen“, warnt Plagemann. Gerade im Bereich des Sozialrechts mit seinen sensiblen, oft existenziellen Fragen sei dies mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz schwer vereinbar.

Nach Ansicht des DAV sollte der Gesetzgeber handwerklich bessere Gesetze verfassen, die leichter angewendet werden können. Dann müssten sich nicht so viele Betroffene später – erfolgreich – dagegen zur Wehr setzen. Für die seltenen Fälle, in denen die Gerichte eindeutig missbraucht werden, hat die Justiz überdies genügend Instrumente, dagegen vorzugehen, etwa mit der Sanktionsmöglichkeit des § 192 SGG.