DAV zutiefst besorgt über Konflikt zwischen Polen und EuGH

20. Juli 2021 -

Nach einem aktuellen Urteil des EuGH verstößt Polen mit seinem System zur Disziplinierung von Richterinnen und Richtern gegen EU-Recht.

Aus der Pressemitteilung des DAV vom 16.07.2021 ergibt sich:

Erst am Vortag hatte das polnische Verfassungsgericht wiederum geurteilt, dass einstweilige Verfügungen des EuGH nicht konform mit der polnischen Verfassung seien. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht diese Zuspitzung mit großer Sorge. In einem Joint Statement mit den Anwaltskammern von Paris und Warschau ruft der DAV die polnische Regierung zur Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien auf.

Laut EuGH-Urteil vom gestrigen Donnerstag bietet die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer „nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“. Die Disziplinarkammer, die jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen kann, ist das Herzstück der umstrittenen polnischen Justizreformen der nationalkonservativen PiS-Regierung. Der EuGH hatte bereits 2020 die Aussetzung der Tätigkeit der umstrittenen Disziplinarkammer per einstweiliger Verfügung beschlossen.

Nun hat das polnische Verfassungsgericht entschieden, dass einstweilige Anordnungen des EuGH zur polnischen Justiz nicht bindend seien, weil dies gegen die polnische Verfassung verstößt. Der DAV ist seit Langem ernsthaft besorgt über die Lage der Rechtstaatlichkeit in Polen. „Diese Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf die justizielle Zusammenarbeit und das gemeinsame Wertefundament in der Europäischen Union“, mahnt DAV-Präsidentin Edith Kindermann. „Eine unabhängige Richterschaft ist ein unverzichtbarer Teil des Rechtsstaats sowie des Zugangs zum Recht.“

Im Rahmen des 2019 ins Leben gerufenen Weimarer Dreiecks der Anwaltschaften haben der DAV sowie die Pariser und die Warschauer Anwaltskammer heute eine gemeinsame Erklärung verfasst, in der die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts verurteilt und die polnische Regierung zur Achtung rechtstaatlicher Prinzipien aufgerufen wird.

Die nationalkonservative PiS-Regierung hat in den vergangenen Jahren das Justizsystem in Polen nachhaltig umgekrempelt. Neben der Einrichtung der umstrittenen Disziplinarkammern gab es noch andere rechtsstaatlich problematische Reformen: Nach dem sogenannten „Maulkorbgesetz“, seit Februar 2020 in Kraft, müssen Richterinnen und Richter etwa Disziplinarverfahren befürchten, wenn sie Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einleiten. Dieses Verfahren kommt immer dann in Betracht, wenn in einem nationalen Gerichtsverfahren unklar ist, ob europäisches Recht zur Anwendung kommt oder wie es auszulegen ist. Die EU-Kommission hat bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren und EuGH-Klagen gegen die polnische Regierung auf den Weg gebracht. Es wird erwartet, dass das polnische Verfassungsgericht im August 2021 auch grundsätzlich den Vorrang des europäischen Rechts gegenüber polnischen Verfassung in Abrede stellen wird.