Dienstverbot wegen rechtsextremer TikTok-Videos

Hintergrund: Eine Hamburger Steueranwärterin (Beamtenverhältnis auf Widerruf) ist wegen rechtsextremer Inhalte in sozialen Medien vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Auf der Plattform TikTok veröffentlichte sie unter einem Pseudonym ein Video, in dem sie zu dem als rechtsextrem eingestuften Lied „Türke, Türke“ tanzte. Das Video trug den Titel „Nur die wahren kennen den Text auswendig“ – der Songtext war zwar nicht hörbar, aber aus den Kommentaren leicht zu identifizieren. Weitere Beiträge auf ihrem Profil – das sie teils sogar mit dienstlichem Bezug („[Beamtin]“) versehen hatte – zeigten u.a. einen Ausschnitt des Liedes „Deutsche Wut“ der Neonazi-Band Landser sowie das Tragen eines Fred-Perry-Poloshirts als Erkennungszeichen der rechten Szene. Eine Kollegin meldete diesen TikTok-Auftritt anonym dem Dienstherrn, woraufhin der Beamtin am 31.01.2025 vorläufig die Führung der Dienstgeschäfte verboten und die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme angeordnet wurde. Gegen das Dienstgeschäftsverbot legte die Anwärterin Widerspruch ein und suchte im Eilverfahren Rechtsschutz – ohne Erfolg.

Gerichtliche Entscheidung: Sofortige Suspendierung rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Eilantrag der Beamtin abgelehnt und das vorläufige Dienstverbot bestätigt. Nach § 39 BeamtStG kann Beamtinnen aus zwingenden dienstlichen Gründen die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt werden. Diese hohe Schwelle sah das Gericht hier als überschritten an, da der TikTok-Auftritt geeignet sei, das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Verwaltung zu erschüttern und den innerdienstlichen Frieden zu gefährden. Als dienstliche Gründe führte das VG insbesondere an: erhebliche Konflikte innerhalb der Behörde (andere Beschäftigte könnten die Zusammenarbeit mit der Anwärterin verweigern – eine Kollegin habe dies bereits getan); die Gefahr, dass sie Bürgerinnen mit Migrationshintergrund nicht mit der gebotenen Neutralität behandeln würde; sowie drohende Vertrauens- und Imageschäden für die Finanzverwaltung. Angesichts dieser Umstände überwog das öffentliche Interesse an der sofortigen Entfernung der Beamtin vom Dienst das Interesse der Antragstellerin an einer Weiterbeschäftigung deutlich. Mit anderen Worten: Die Integrität der Verwaltung und der Schutz des Dienstbetriebs waren wichtiger als das persönliche Fortkommen der Beamtin.

Das VG Hamburg betonte in diesem Zusammenhang, dass der öffentliche Dienst auf die Loyalität und Integrität seiner Mitglieder angewiesen ist. Wenn – wie hier – verfassungsfeindliche Bezüge öffentlich und eindeutig mit einer Beamtenperson verknüpft sind, ist ein sofortiges Einschreiten des Dienstherrn nicht nur zulässig, sondern geboten. Die Wahrung des Vertrauens der Allgemeinheit in eine unparteiische und verfassungstreue Verwaltung wiegt schwerer als das individuelle Interesse der Beamtin an ihrer Beschäftigung. Folglich durfte (und musste) die Dienstbehörde hier schnell handeln.

Verstoß gegen Wohlverhaltens- und Verfassungstreuepflichten

Das Gericht stellte klar, dass die Anwärterin durch ihr Social-Media-Verhalten grundlegende beamtenrechtliche Pflichten verletzt hat. Insbesondere liege ein Bruch der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG) vor. Beamtinnen und Beamte müssen sich auch außerhalb des Dienstes so verhalten, dass Achtung und Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werden. Vor allem ist jeglicher Anschein zu vermeiden, man identifiziere sich mit verfassungsfeindlichem Gedankengut. Schon das Erwecken eines solchen Anscheins, rechtsextreme oder menschenverachtende Einstellungen zu teilen, kann dienstrechtlich sanktioniert werden – selbst wenn keine strafbare Handlung vorliegt.

Mit ihren TikTok-Videos hat die Beamtin nach Ansicht der Kammer genau einen solchen Anschein hervorgerufen und damit die Wohlverhaltenspflicht verletzt. Durch ihre Selbstdarstellung entstand der plausible Eindruck, dass sie Menschen mit Migrationshintergrund verachtet und rechtsextreme Haltungen teilt. Weder im betreffenden Video noch anderweitig hat sie sich von den Liedinhalten distanziert – im Gegenteil impliziert der Videotitel „Nur die Wahren kennen den Text auswendig“ sogar eine zustimmende Haltung zu dem volksverhetzenden Liedgut. Damit wurde das für Beamt*innen erforderliche Vertrauen in ihre Persönlichkeit erheblich beschädigt.

Zudem verletzte die Anwärterin ihre Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG). Beamtinnen und Beamte müssen durch ihr gesamtes Verhalten die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) bejahen und für deren Erhalt eintreten. Bereits ein fehlendes eindeutiges Bekenntnis zur FDGO – etwa indem man es unterlässt, sich klar von verfassungsfeindlichen Äußerungen oder Gruppen zu distanzieren – genügt, um Zweifel an der Eignung für den Beamtenberuf zu begründen. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es der Antragstellerin an diesem Bekenntnis: Stattdessen zeigte sie durch ihre Beiträge eine Nähe zum Rechtsextremismus, was mit der Treue zur Verfassung unvereinbar ist. Die Verwendung gerade des Liedes „Türke, Türke“ wertete das VG Hamburg als bewusstes Zeichen dafür, dass die Beamtin diesem ausländerfeindlichen Gedankengut zustimmt. Auch wenn ihr Verhalten für sich genommen (außerdienstlich und online) möglicherweise nicht strafbar war, schließt dies dienstrechtliche Konsequenzen keineswegs aus. Ein Beamter darf also nicht darauf vertrauen, dass im Privatleben alles erlaubt ist, solange es keine Straftat darstellt – maßgeblich ist, ob das Verhalten mit der Stellung als Beamter vereinbar ist.

Meinungsfreiheit vs. Treuepflicht

Im Verfahren argumentierte die Anwärterin, ihr Auftreten in sozialen Medien sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Doch das Gericht ließ dieses Argument nicht gelten. Zwar haben auch Beamte selbstverständlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses findet jedoch seine Grenzen, wo die beamtenrechtliche Treuepflicht verletzt wird. Das Grundrecht aus Art. 5 GG muss im Lichte von Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums, inklusive Verfassungstreue) gesehen werden. Konkret bedeutet das: Verhaltensweisen, die auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung hindeuten, können zwar äußerlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein, stehen aber dennoch im Widerspruch zu der von Beamten geforderten Verfassungstreue.

Für Beamtinnen und Beamte gilt daher: Selbst wenn jemand persönlich keine extremistische Überzeugung hegt, macht er sich dienstrechtlich angreifbar, sobald er – etwa aus Übermut, Provokation oder vermeintlichem Spaß – nach außen den Anschein erweckt, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu unterstützen, ohne sich eindeutig davon zu distanzieren. Diese Maßstäbe gelten ausdrücklich auch für das Privatleben eines Beamten. Im vorliegenden Fall lieferten die festgestellten TikTok-Inhalte starke Anhaltspunkte dafür, dass die Steueranwärterin nicht voll hinter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, sondern im Gegenteil rechtsextremem Gedankengut zuneigt. Folglich musste ihr Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Freistellung vom Dienst abgelehnt werden.

Dieser Beschluss des VG Hamburg verdeutlicht, dass der öffentliche Dienst unbedingte Loyalität von seinen Angehörigen verlangt. Der Dienstherr muss sich auf verfassungstreue Beamte verlassen können – bestehen ernsthafte Zweifel daran, darf und muss er konsequent eingreifen. Die Bewahrung des Vertrauens der Allgemeinheit in eine politisch neutrale und verfassungstreue Verwaltung hat Vorrang vor dem individuellen Weiterbeschäftigungsinteresse des betroffenen Beamten.

Beamtinnen und Beamte sollten daher auch in ihrer Freizeit genau darauf achten, welche Inhalte sie in der Öffentlichkeit (z.B. in sozialen Medien) verbreiten. Privat heißt nicht folgenlos: Wer erkennbar mit verfassungsfeindlichen Liedern, Symbolen oder Parolen sympathisiert – sei es auch „nur zum Spaß“ – riskiert gravierende dienstrechtliche Konsequenzen. Diese reichen von einer sofortigen Suspendierung vom Dienst bis hin zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.