Durchsuchung zur Durchführung einer Abschiebung um 4.30 Uhr in der Regel unzulässig

20. November 2020 -

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 16.11.2020 zum Aktenzeichen 7 I 32/20 entschieden, dass die Ausländerbehörde der Stadt Duisburg nicht berechtigt ist, eine Wohnung um 4.30 Uhr morgens zu durchsuchen, um einen Ausländer zum Zweck seiner Abschiebung aufzufinden.

Aus der Pressemitteilung des VG Düsseldorf Nr. 46/2020 vom 17.11.2020 ergibt sich:

Das VG Düsseldorf hat den auf die zuletzt neu eingefügten Vorschriften des § 58 Abs. 6 bis 8 des Aufenthaltsgesetzes gestützten Durchsuchungsantrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Durchsuchungsantrag nicht alle für die Entscheidung notwendigen Angaben enthalten. Insbesondere müsse für die zu ergreifenden Personen dargelegt sein, warum diese vollziehbar ausreisepflichtig seien und keine zwingenden Duldungsgründe vorlägen. Die Durchsuchung einer Wohnung sei auch nicht schon dann erforderlich, wenn eine dem Ausländer gesetzte Ausreisefrist abgelaufen sei. Erforderlich seien darüber hinausgehende Umstände, etwa die Erklärung, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.

Auch dürfe die Wohnung im vorliegenden Fall nicht wie beantragt um 4:30 Uhr morgens durchsucht werden. Denn das Aufenthaltsgesetz lasse solche Vollstreckungsmaßnahmen zur Nachtzeit nur ausnahmsweise zu. Weil nach den heutigen Lebensgewohnheiten zumindest die Zeit zwischen 21 und 6 Uhr ganzjährig als Nachtzeit anzusehen sei, sei es auch von Verfassungs wegen geboten, dass sich der Schutz vor nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen im Regelfall ganzjährig auch auf die Zeit von 4 bis 6 Uhr morgens erstrecke. Soweit in § 104 Abs. 3 der StPO zur Bestimmung der Nachtzeit noch zwischen Sommer- und Wintermonaten differenzierend in der Sommerzeit (01.04. – 30.09.) die Nachtzeit auf den Zeitraum von 21 bis 4 Uhr bestimmt, sei diese Vorschrift nach dem Beschluss des BVerfG vom 12.03.2019 (2 BvR 675/14) nicht mehr anzuwenden. Die seit dem 01.10.1879 unveränderte Regelung der Nachtzeit in der StPO gehe auf die zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend agrarischen Lebensverhältnisse der Gesellschaft zurück. Sie sei insoweit nicht mehr zeitgemäß, als sie nicht berücksichtige, dass die Tageszeit heute für den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung auch zwischen April und September nicht schon um 4 Uhr morgens beginne.

Die beantragte Durchsuchung der Wohnung zur Nachtzeit sei hier auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keine Tatsachen vorlägen, aus denen zu schließen sei, dass die Abschiebung anderenfalls vereitelt würde. Insbesondere könne sich die Behörde insoweit nicht auf den frühen Start des Abschiebeflugs berufen. Bloße Organisationserwägungen rechtfertigten kein nächtliches Betreten oder gar Durchsuchen von Wohnungen. Die Ausländerbehörde müsse umgekehrt Planungen der Abschiebewege und -mittel an den rechtlichen Vorgaben ausrichten.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das OVG Münster entscheidet.