Entschädigungszahlung wegen überlanger Gerichtsverfahrensdauer ist kein Einkommen im Sinne des SGB II

Das Bundessozialgericht hat am 11.11.2021 zum Aktenzeichen B 14 AS 15/20 R entschieden, dass eine Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens aufgrund überlangen Gerichtsverfahrens – anders als vom beklagten Jobcenter und dem Landessozialgericht angenommen – nicht als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen ist.

Aus der Pressemitteilungen des BSG vom 08.11. und 11.11.2021 ergibt sich:

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten nach Abschluss eines Rechtsstreits Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz erhoben wegen der unangemessenen Dauer des Verfahrens. Dieser Rechtsstreit endete durch Vergleich. Das beklagte Land verpflichtete sich, an die Klägerin und ihren Ehemann jeweils eine Entschädigung für immaterielle Nachteile zu zahlen. Dem Girokonto der Klägerin wurden davon 3.000?Euro im Mai 2017 gutgeschrieben.

Das beklagte Jobcenter berücksichtigte die Zahlung als Einkommen und forderte bereits bewilligtes Arbeitslosengeld II zurück beziehungsweise lehnte dessen Erbringung wegen bedarfsdeckenden Einkommens ab.

In dem von der Klägerin hiergegen eingeleiteten Klageverfahren ist sie zunächst erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Zahlung wegen der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens, so das Landessozialgericht, sei anzurechnendes Einkommen.

Im Revisionsverfahren rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften zur Einkommensberücksichtigung im SGB II.

Das BSG hat entschieden, dass eine Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens aufgrund überlangen Gerichtsverfahrens – anders als vom beklagten Jobcenter und dem Landessozialgericht angenommen – nicht als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen ist.

Die Entschädigung wegen eines infolge der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens erlittenen immateriellen Nachteils nach § 198 Absatz 2 Gerichtsverfassungsgesetz ist nach § 11a Absatz 3 Satz 1 SGB II von der Einkommensberücksichtigung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II ausgenommen. Die Zahlung dient einem § 198 Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich zu entnehmenden Zweck – der Wiedergutmachung der Folgen eines überlangen Verfahrens. Auch ist keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II gegeben. Das SGB II sieht für immaterielle Schäden keine Leistungen vor.