Erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Umwelt- und Naturschutzvereinigung gegen Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung eines Verkehrsflughafens

20. Juli 2021 -

Das Bundesverfassungsgericht hat am 01.06.2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 2374/15 eine Verfassungsbeschwerde einer anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigung nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Verkehrsflughafens München durch Anlage und Betrieb einer dritten Start- und Landebahn sowie gegen die dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen richtete.

Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 61/2021 vom 20.07.2021 ergibt sich:

Darüber hinaus hat die Kammer in vier weiteren Verfahren, die sich gegen Planfeststellungsbeschlüsse und dazu ergangene gerichtliche Entscheidungen betreffend die Flughäfen München und Frankfurt am Main richteten, die Verfassungsbeschwerden weiterer Beschwerdeführer nicht zur Entscheidung angenommen. Insoweit hat die zuständige Kammer gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung der Entscheidung abgesehen.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2374/15 ist eine anerkannte Umweltvereinigung und in Bayern anerkannte Naturschutzvereinigung sowie Eigentümer durch das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommener Grundstücke. Die Einwendungen des Beschwerdeführers richten sich unter anderem gegen das dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegende Luftverkehrsprognosegutachten sowie dessen gerichtliche Kontrolle. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verletze die Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

Der Verwaltungsgerichtshof habe die gerichtliche Kontrolle der Luftverkehrsprognose in der Sache nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend durchgeführt. Er habe nämlich den Prüfungsumfang bezüglich der Prognosemethodik eingeschränkt, obwohl die Frage, ob eine Prognose einwandfrei zustande gekommen sei, der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliege. Der Methode der Luftverkehrsprognose fehle es hier an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die der Prognose zugrundeliegende, sogenannte Quelle-Ziel-Matrix sowie bestimmte Datengrundlagen, wie Fluggastbefragungen, seien unter Berufung auf Betriebs- beziehungsweise Geschäftsgeheimnisse nicht offen gelegt worden. Die Prognose habe daher weder durch die Behörde oder deren Qualitätssicherer noch durch den Beschwerdeführer oder die Gerichte überprüft werden können.

Außerdem habe der Verwaltungsgerichtshof für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auf den Tag der Behördenentscheidung als entscheidungserheblichen Zeitpunkt abgestellt, obwohl die Planrechtfertigung danach ‒ aber noch während des gerichtlichen Verfahrens ‒ entfallen sei, weil die Erwartungen der Luftverkehrsprognose tatsächlich nicht eingetreten seien.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

  1. Die Möglichkeit einer Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 GG wegen einer unzureichenden Kontrolle der Grundlagen der Luftverkehrsprognose ist nicht hinreichend dargelegt. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, alle Schriftstücke, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Berechtigung der geltend gemachten Rüge erforderlich ist, mit der Verfassungsbeschwerde vorzulegen oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben. Die fehlenden Unterlagen wären hier erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob die Kenntnis der nicht öffentlich zugänglichen Datengrundlagen unter Berücksichtigung ihres Umfangs und ihrer Bedeutung für die volle gerichtliche Nachprüfung der Tatsachengrundlagen und der Geeignetheit der Methode der beanstandeten Prognose unentbehrlich war, oder aber in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG angenommen werden durfte, dass diese Kenntnis verzichtbar war.
  2. Eine Verletzung der Rechtsschutz- und Eigentumsgarantie von Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 GG ist auch nicht hinreichend dargelegt, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für die gerichtliche Nachprüfung und Beurteilung der Verkehrsprognose allein auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abgestellt und die nach diesem Zeitpunkt eingetretenen, vom Beschwerdeführer geltend gemachten und im Widerspruch zu der Prognose stehenden Entwicklungen nicht berücksichtigt hat. Wird bei der Entscheidung über die Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss auf den Zeitpunkt des Erlasses abgestellt, schließt das den Schutz eines Enteignungsbetroffenen für den Fall, dass seine – durch den Planfeststellungsbeschluss dem Grunde nach ermöglichte – Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde, nicht aus. Dass hier etwa ein verwaltungsverfahrensrechtlicher Schutz von vornherein nicht zu erlangen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, und dies ist auch nicht ersichtlich.