Erneuter Prüfungsversuch zur Bachelorarbeit bei der Universität Siegen wegen fehlerhafter Prüferbestellung

27. Mai 2020 -

Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat mit Vergleich vom 03.05.2019 zum Aktenzeichen 9 K 9925/17 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall einer Studentin Recht gegeben, die ihrer Bachelorarbeit endgültig bei der Universität Siegen nicht bestanden hatte.

Die Richter wiesen darauf hin, dass nicht unerhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Erstgutachter ordnungsgemäß für die von der Studentin angefertigte Bachelorarbeit bestellt wurde.

Nach § 19 Abs. 2 der Prüfungsordnung für das Bachelor-Studium der Universität Siegen beauftragt der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Erstgutachter der Bachelorarbeit, dem Kandidaten das Thema zu stellen. Erstgutachter soll ein in Forschung und Lehre tätiger Professor, ein Hochschuldozent oder habilitierter wissenschaftlicher Mitarbeiter, der das gewählte Kernfach oder das integrative Fach vertritt sein. In besonderen Fällen kann der Fachbereich auch einen promovierten und selbständig Lehrenden als Erstgutachter zulassen. Die Verleihung einer entsprechenden Prüfungsbefugnis muss schriftlich beim Akademischen Prüfungsamt vorgelegt werden.

Im konkreten Fall hatte der Erstgutachter im maßgeblichen Zeitraum nicht die Voraussetzungen von § 19 Abs. 2 Satz 2 PO erfüllt. Darüber hinaus lagen auch die Voraussetzungen von § 19 Abs. 2 Satz 3 PO nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass das zuständige Organ eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Die Zulassung durch die Vorsitzende des Fachlichen Prüfungsausschusses genügte den satzungsrechtlichen Vorgaben nicht.

Für die Zulassung eines promovierten und selbständig Lehrenden dürfte der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät originär zuständig gewesen sein. Die Fakultätsordnung bestimmt in § 3, dass Organe der Fakultät das Dekanat und der Fakultätsrat sind. Mangels entsprechender Aufgabenzuweisung an das Dekanat – vgl. § 5 FakultO – greift die gemäß § 10 Satz 1 FakultO bestehende Auffangzuständigkeit des Fakultätsrats. An einer Entscheidung des Fakultätsrats den Erstgutachter zuzulassen fehlte es hier.

Darüber hinaus kann vom Fakultätsrat zwar gemäß § 12 Satz 1 FakultO zur Vorbereitung und Unterstützung der Arbeit des Dekanats und des Fakultätsrats Ausschüsse und Kommission gebildet werden. Indes ist nicht ersichtlich, dass der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät einen Beschluss gefasst hat, wonach die Entscheidung über die Zulassung eines promovierten selbständig Lehrenden zum Erstgutachter für Bachelorarbeiten einem bestimmten Ausschuss übertragen wird.

Ungeachtet der Frage, ob der Fakultätsrat gestützt auf § 12 Satz 1 FakultO überhaupt eigene Befugnisse auf einen fachlichen Prüfungsausschuss übertragen kann, fehlt es an der konkreten Darlegung dazu, ob und wann der Fakultätsrat den Beschluss gefasst hat, die Entscheidung über die Zulassung eines promovierten selbständig Lehrenden zum Erstgutachter für Bachelorarbeiten diesem Ausschuss übertragen hat.

In einem solchen Fall bedürfte es im Übrigen eines weiteren Beschlusses dieses Prüfungsausschusses, dass die vorgenannte Aufgabe dem jeweiligen Ausschussvorsitzenden übertragen wird.

Dieser Verfahrensfehler ist auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Studentin entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 5 PO den Erstgutachter vorgeschlagen hat, unbeachtlich. Der Umstand, dass § 19 Abs. 2 Satz 5 PO ein Vorschlagsrecht des jeweiligen Prüflings hinsichtlich des Erst- und Zweitgutachters vorsieht, dürfte nicht dazu führen, dass der Prüfling das Risiko dafür trägt, ob ein bestimmter Prüfer überhaupt befähigt und bestellt ist. Vielmehr wird § 19 Abs. 2 Satz 5 PO unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift dahingehend auszulegen sein, dass der Prüfling aus einer vom Prüfungsamt geführten Liste aller befähigten und gleichzeitig bestellten Prüfer auswählen darf. Für den Fall, dass der Prüfling einen Prüfer vorschlägt, der nicht befähigt und/oder bestellt ist, dürfte es Aufgabe des Prüfungsamtes sein, ohne darauf aufmerksam zu machen und auf eine Änderung des Vorschlags hinzuwirken. Der Umstand, dass die Universität nach eigenem Vorbringen dem Vorschlag des jeweiligen Kandidaten ohne weitere Prüfung in ständiger Verwaltungspraxis folgt, dürfte zu keiner anderen Einschätzung führen. Denn diese Verwaltungspraxis findet unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen keine Grundlage in der Prüfungsordnung.

Das Gericht wies weiter darauf hin, dass auch Zweifel an der Zweitgutachterin bestanden, denn gemäß § 20 Abs. 2 PO soll der Zweigutachter ein promovierter und selbständig Lehrender sein. In besonderen Fällen kann der Fachbereich auch anderen Lehrenden die Prüfungsbefugnis verleihen.  Dass die Zweiprüferin die Voraussetzungen von § 20 Abs. 2 Satz 3 PO oder von § 20 Abs. 2 Satz 4 PO erfüllt hat, bedürfte weiterer Darlegung.

Mit Blick darauf, dass der Erstgutachter im Einklang mit § 19 Abs. 2 Satz 1 PO das Thema der Bachelor-Arbeit gestellt hat, dürfte die fehlerhafte Bestellung zu einem Wiederholungsversuch der Studentin führen.

Die Parteien schlossen sodann einen Vergleich, der der Studentin einen weiteren Versuch der endgültig nicht bestanden Bachelorarbeit einräumte und die Universität trug die Kosten des Rechtsstreits.