Erschießung eines nächtlichen Einbrechers in Lübeck muss neu verhandelt werden

01. Juni 2022 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Mai 2022 zum Aktenzeichen 5 StR 99/22 auf die Revision des Angeklagten ein Urteil des Landgerichts Lübeck aufgehoben. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 075/2022 vom 01.06.2022 ergibt sich:

Nach den Urteilsfeststellungen brachen zwei Freunde in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 2020 in ein vermeintlich leerstehendes verwahrlostes Haus ein. Dort lebte der alkoholabhängige Angeklagte, ein ehemaliger Unteroffizier der Bundeswehr, sozial völlig zurückgezogen in mit Müll und Unrat vollgestellter Umgebung. Der Angeklagte, der in seinem Haus auch Schusswaffen und Munition aufbewahrte, war nach zwei Tagen Alkoholentzuges noch wach und überraschte die Einbrecher gegen 3.30 Uhr. Als sie flohen, setzte er nach und schoss einem der beiden dreimal in den Rücken, wodurch dieser später verstarb. Das Landgericht ist entgegen der Auffassung der psychiatrischen Sachverständigen von einer uneingeschränkt erhalten gebliebenen Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgegangen, hat eine Rechtfertigung wegen Notwehr verneint und die Voraussetzungen des § 33 StGB (Überschreitung der Notwehr) wegen des planvollen Vorgehens des Angeklagten nicht geprüft.

Der Bundesgerichtshof hat die Prüfung der Schuldfähigkeit beanstandet, weil sich das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei mit der Diagnose der Sachverständigen auseinandergesetzt hat, wonach der Angeklagte an einer alkoholbedingten organischen Wesensveränderung (krankhafte seelische Störung) leidet, die sich auch durch Verminderung hemmender psychischer Mechanismen auszeichne. Zudem wurden die Auswirkungen des zweitägigen Entzuges nicht berücksichtigt. Diese Mängel schlagen auf den Schuldspruch durch, weil eine Neubewertung der psychischen Verfasstheit des Angeklagten auch zu einer neuen Prüfung von § 33 StGB Anlass geben kann.

Die Sache muss deshalb noch einmal neu verhandelt und entschieden werden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 212 StGB Totschlag

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

§ 33 StGB

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.