EuGH-Generalanwältin: Unionsrechtsverstoß durch übermäßige Entnahme von Grundwasser im Naturraum Doñana

04. Dezember 2020 -

Nach Ansicht von Generalanwältin Juliane Kokott verstößt die übermäßige Entnahme von Grundwasser im andalusischen Naturraum Doñana gegen Unionsrecht.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 152/2020 vom 03.12.2020 ergibt sich:

Diese Entnahme verstoße zwar nicht gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie, die dadurch verursachte Beeinträchtigung von drei Schutzgebieten von europäischer Bedeutung verstoße aber gegen die Habitatrichtlinie, so die Generalanwältin.

Der Naturraum Doñana im südspanischen Andalusien umfasst unter anderem den Doñana-Nationalpark und den Doñana-Naturpark. 2006 wurden in diesem Naturraum drei wichtige Schutzgebiete von europäischer Bedeutung nach der Habitatrichtlinie (ABl. 2013, L 158, 193) ausgewiesen: Doñana (bereits seit 1987 Vogelschutzgebiet), Doñana Norte y Oeste und Dehesa del Estero y Montes de Moguer. Im Naturraum Doñana, zumeist außerhalb dieser Schutzgebiete, befinden sich aber auch die wichtigsten europäischen Anbaugebiete für „rote Früchte“, insbesondere Erdbeeren, für deren Bewässerung in erheblichem Umfang Grundwasser entnommen wird. Diese Entnahme überschreitet zumindest in bestimmten Bereichen die Neubildung von Grundwasser, so dass dort der Grundwasserspiegel seit vielen Jahren sinkt. Die Kommission sieht darin einen Verstoß gegen das Unionsrecht, nämlich gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie (ABl. 2014, L 311, 32) und im Hinblick auf verschiedene Lebensräume in den Schutzgebieten, die aufgrund des sinkenden Grundwasserspiegels austrockneten, auch gegen das Verschlechterungsverbot der Habitatrichtlinie. Sie hat daher eine Vertragsverletzungsklage gegen Spanien vor dem Gerichtshof erhoben.

Generalanwältin Juliane Kokott hat in ihren Schlussanträgen vom 03.12.2020 dem EuGH vorgeschlagen, der Klage der Kommission teilweise stattzugeben.

Hinsichtlich der Wasserrahmenrichtlinie weist die Generalanwältin darauf hin, dass diese für Grundwasser sowohl ein Verschlechterungsverbot (und zwar seit Ende 2009) als auch ein Verbesserungsgebot vorsehe (grundsätzlich war bis Ende 2015 überall ein guter Zustand zu erreichen, Spanien hat jedoch eine Verlängerung bis 2027 in Anspruch genommen). Die Kommission rüge allerdings nur eine Verletzung des Verschlechterungsverbots.

Das Verschlechterungsverbot verlange jedoch nicht, die Entnahme von Grundwasser so weit zu verringern, dass weniger Wasser entnommen werde als neu entstehe, sondern nur, dass die übermäßige Nutzung nicht zunehme. Die einfache Absenkung des Grundwasserspiegels, also die Verminderung der Grundwasservorräte, sei daher noch nicht als Verschlechterung anzusehen. Die Beendigung der übermäßigen Entnahme von Grundwasser sei vielmehr das Ziel des Verbesserungsgebots, dessen Verletzung die Kommission nicht geltend mache. Nach Ansicht von Generalanwältin Kokott hat die Kommission eine Zunahme der übermäßigen Nutzung und folglich einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nicht nachgewiesen.

Spanien habe jedoch insoweit gegen die Wasserrahmenrichtlinie verstoßen, als es im Rahmen der erforderlichen Überprüfung der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf den Zustand des Grundwassers im Naturraum Doñana bei der Schätzung der Grundwasserentnahme die Entnahme von Trinkwasser (diese entspreche immerhin 4-5% der legalen Entnahme für landwirtschaftliche Zwecke) und die illegale Entnahme nicht berücksichtigt habe. Ohne diese Faktoren könne jedoch weder der Zustand des Grundwassers richtig beurteilt werden, noch sei absehbar, ob die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Entnahme ausreichten. Den Vorwurf, dass es zu wenige Messpunkte gebe, habe die Kommission hingegen nicht hinreichend untermauert. Ein weiterer Verstoß gegen die Wasserrahmenrichtlinie liege darin, dass Spanien im Bewirtschaftungsplan 2016-2021 für den Fluss Guadalquivir keine Maßnahmen vorgesehen habe, um die Beeinträchtigung geschützter Lebensraumtypen im Schutzgebiet Doñana durch die Wasserentnahme für den Bedarf des in unmittelbarer Nähe liegenden Touristenorts Matalascañas zu verhindern.

Hinsichtlich der Habitatrichtlinie vertritt Generalanwältin Kokott die Ansicht, dass die Kommission hinreichend die Wahrscheinlichkeit nachgewiesen habe, dass die gegenwärtig im Naturraum Doñana praktizierte Entnahme von Grundwasser seit Mitte 2006 (seitdem gelte das Verschlechterungsverbot der Habitatrichtlinie) geschützte Lebensräume in den drei Schutzgebieten Doñana, Doñana Norte y Oeste und Dehesa del Estero y Montes de Moguer erheblich beeinträchtige. Da Spanien dieses Vorbringen nicht habe entkräften können und eine etwaige Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Schutzgebiete mit sozioökonomischen Interessen schon allein daran scheitere, dass es an einer angemessenen Prüfung der Auswirkungen der Grundwasserentnahme auf diese Gebiete fehle, habe Spanien gegen das Verschlechterungsverbot der Habitatrichtlinie verstoßen.