EuGH-Generalanwalt zur Aufhebung der kostenlosen Zuteilung von Luftverkehrsemissionszertifikaten nach Einstellung der Luftverkehrstätigkeit

23. September 2021 -

Generalanwalt Hogan hat am 23.09.2021 vor dem Europäischen Gerichtshof zum Verfahren C-165/20 seine Schlussanträge zu der Frage vorgelegt, wie Treibhausgasemissionszertifikate, die einem Luftfahrzeugbetreiber zugeteilt waren, in einem Insolvenzverfahren zu behandeln sind, nachdem dieser Betreiber seine Geschäftstätigkeit eingestellt hat.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 23.09.2021 ergibt sich:

Der Insolvenzverwalter von Air Berlin beanstandet vor dem Verwaltungsgericht Berlin den Bescheid der Deutschen Emissionshandelsstelle vom 28. Februar 2018, mit dem die Air Berlin zuvor für die Jahre 2018 bis 2020 gewährte kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten zurückgenommen wurde. Die Rücknahme wurde damit begründet, dass Air Berlin im Oktober 2017 ihre Luftverkehrstätigkeit wegen Insolvenz eingestellt habe. Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der Richtlinie 2003/87 über den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten ersucht.

Generalanwalt Hogan schlägt in seinen Schlussanträgen vom 23.090.2021 dem Gerichtshof vor, dem Verwaltungsgericht Berlin wie folgt zu antworten:

Art. 2 Abs. 1, Art. 3a, Art. 3 Buchst. o, Art. 3e Abs. 1, Art. 3e Abs. 5, Art. 12 Abs. 2a und Art. 28a Abs. 1 und 2 sowie Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates stehen der jährlichen Ausgabe kostenlos zugeteilter Luftverkehrszertifikate an einen Luftfahrzeugbetreiber im Fall der Einstellung der Luftverkehrstätigkeit durch diesen Betreiber entgegen.

Nach Ansicht des Generalanwalts darf an Air Berlin nach der Einstellung ihrer Luftverkehrstätigkeit keine jährliche Ausgabe kostenlos zugeteilter Luftverkehrszertifikate gemäß Art. 3e Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 erfolgen. Da Air Berlin ihre Luftfahrttätigkeit in Bezug auf die Handelsperiode 2018 bis 2020 zudem endgültig eingestellt habe, reiche für die vorliegenden Zwecke die Feststellung, dass die Handelsstelle den Bestimmungen der Richtlinie 2003/87, insbesondere deren Art. 3e Abs. 5, volle Wirkung verleihen könne, indem sie die ursprüngliche Zuteilungsentscheidung in Bezug auf diese Handelsperiode nach ihrem nationalen Recht aufhebe oder ändere.

Da die betreffenden Zertifikate aufgrund einer unionsrechtlichen Regelung kostenlos zugeteilt worden seien und nicht aus dem Vermögen oder der Geschäftstätigkeit eines Luftverkehrsbetreibers, vorliegend Air Berlin, stammten, stellten sie keine durch die Unionsrechtsordnung geschützten Eigentumsrechte dar. Das Emissionshandelssystem sei lediglich ein Mechanismus, der Anreize für ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten (nämlich die Reduktion von Treibhausgasen) schaffen solle. Die Zertifikate hätten zwar gehandelt werden können und seien auch gehandelt worden, dies sei jedoch im Kontext von Unternehmen zulässig, die noch eine anderweitige wirtschaftliche Tätigkeit ausübten (wie etwa Luftverkehr), die zwangsläufig geeignet gewesen sei, zur Umweltverschmutzung beizutragen. Es sei zu keinem Zeitpunkt vorgesehen gewesen, dass diese Zertifikate selbst unabhängig von dieser wirtschaftlichen Tätigkeit monetarisiert werden könnten oder dass sie eine währungsähnliche Form annehmen und im Falle einer Insolvenz als liquider Vermögenswert behandelt werden könnten.

Nach Meinung des Generalanwalts würde es die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2003/87 unterlaufen, mit der Umweltschutz und wirtschaftliche Fortentwicklung in Einklang gebracht werden sollen, wenn kostenlos zugeteilte Luftverkehrszertifikate von der Handelsstelle an den Kläger, den Insolvenzverwalter von Air Berlin, für den Zeitraum 2018 bis 2020 ausgegeben würden, in dem dieser Luftfahrzeugbetreiber seine Tätigkeit eingestellt habe und nicht mehr der Emissionshandelspflicht unterliege. Unter diesen Umständen sei der gesamte Sinn und Zweck der Zuteilung und Vergabe kostenloser Zertifikate an Air Berlin im Rahmen des Emissionshandelssystems entfallen, so dass dem Kläger lediglich ein Zufallsgewinn zulasten des Emissionshandelssystems entstünde.