EuGH-Generalanwalt zur Erdgas- und Stromrichtlinie: Keine ordnungsgemäße Umsetzung ins deutsche Recht

14. Januar 2021 -

Generalanwalt Giovanni Pitruzzella ist der Auffassung, dass Deutschland die Elektrizitätsrichtlinie 2009/72 und die Erdgasrichtlinie 2009/73 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 14.01.2021 ergibt sich:

Nach Ansicht der Kommission hat Deutschland verschiedene Vorschriften der Richtlinien 2009/72 und 2009/73 über den Elektrizitäts- bzw. den Erdgasbinnenmarkt nicht ordnungsgemäß ins deutsche Recht (konkret das Energiewirtschaftsgesetz, EnWG), umgesetzt. Diese Vorschriften

  • betreffen den Begriff ‚vertikal integriertes Unternehmen‘ (Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2009/72 und Art. 2 Nr. 20 der Richtlinie 2009/73), den das EnWG zu eng fasse, indem es ihn auf Unternehmen beschränke, die in der Union tätig seien. Der Grundsatz der tatsächlichen Trennung der Netzaktivitäten von den Versorgungs- und Erzeugungsaktivitäten in der gesamten Union müsse aber sowohl für Unionsunternehmen als auch für Nichtunionsunternehmen gelten.
  • sehen im Rahmen des Modells des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers insbesondere für die Führungskräfte und/oder Mitglieder der Verwaltungsorgane des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers Karenzzeiten vor, d.h. Zeiträume vor ihrer Ernennung, in denen sie im Wesentlichen keine Berufs- oder Geschäftsbeziehungen zu dem vertikal integrierten Unternehmen, einem seiner Unternehmensteile oder seinen Mehrheitsanteilseignern unterhalten haben dürften (Art. 19 Abs. 3 und 8 der Richtlinien). (RN 50 ff., 57)
  • sehen im Rahmen des Modells des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers vor, dass die Personen der Unternehmensleitung und/oder Mitglieder der Verwaltungsorgane und die Beschäftigten des Übertragungsnetzbetreibers grundsätzlich weder Beteiligungen an Unternehmensteilen des vertikal integrierten Unternehmens halten noch Zuwendungen von diesen erhalten dürften (Art. 19 Abs. 5 der Richtlinien), und
  • sehen ausschließliche Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörde vor (Art. 37 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a und b der Richtlinie 2009/72 sowie Art. 41 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a und b der Richtlinie 2009/73). Deutschland habe diese ausschließlichen Zuständigkeiten verletzt, indem es der Regierung Zuständigkeiten für die Festlegung der Übertragungs- und Verteilungstarife, der Bedingungen für den Zugang zu den nationalen Netzen und der Bedingungen für die Erbringung von Ausgleichsleistungen übertragen und eine Reihe von Regelungen über die Modalitäten der Wahrnehmung der Regulierungsaufgaben erlassen habe.

Generalanwalt Giovanni Pitruzzella hat in seinen Schlussanträgen vom 14.01.2021 dem EuGH vorgeschlagen, der Klage der Kommission stattzugeben und wie folgt zu entscheiden:

  1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG sowie der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG verstoßen, dass sie folgende Bestimmungen nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat:

– Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2009/72 und Art. 2 Nr. 20 der Richtlinie 2009/73;

– Art. 19 Abs. 3 und 8 der Richtlinien 2009/72 und 2009/73;

– Art. 19 Abs. 5 der Richtlinien 2009/72 und 2009/73;

– Art. 37 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a und b der Richtlinie 2009/72 und Art. 41 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 Buchst. a und b der Richtlinie 2009/73.

  1. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.