Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 30. Oktober 2025 zwei wichtige Entscheidungen zum Massenentlassungsverfahren getroffen (verbundene Rechtssachen Tomann, C‑134/24 und Sewel, C‑402/24). Dabei stellte er klar, dass nicht jede fehlerhafte Massenentlassungsanzeige automatisch die Unwirksamkeit aller Kündigungen zur Folge hat. Allerdings müssen Arbeitgeber weiterhin äußerst sorgfältig vorgehen, denn viele Details des Sanktionssystems bleiben offen und Verfahrensfehler können nach wie vor erhebliche Risiken bergen. Im Folgenden fassen wir die Kernaussagen des EuGH-Urteils zusammen und geben praxisnahe Tipps – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.
Was der EuGH klargestellt hat
Der EuGH hat mit seinen Urteilen vom 30.10.2025 folgende Punkte klargestellt und bislang ungeklärte Fragen beantwortet:
- Kündigung erst nach 30 Tagen wirksam: Eine Kündigung im Rahmen einer anzeigepflichtigen Massenentlassung kann frühestens 30 Tage nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit wirksam werden. Ohne vorherige Anzeige beginnt diese gesetzliche Wartefrist (Sperrfrist) nicht zu laufen, sodass eine vorzeitig ausgesprochene Kündigung zunächst keine rechtliche Wirkung entfalten kann. Mit anderen Worten: Ohne Anzeige keine wirksame Kündigung.
 - Keine nachträgliche „Heilung“: Arbeitgeber können eine unterlassene Massenentlassungsanzeige nicht im Nachhinein nachholen, um damit die zuvor ausgesprochenen Kündigungen wirksam werden zu lassen. Der EuGH schließt eine solche nachträgliche Heilung ausdrücklich aus – eine später eingereichte Anzeige lässt die früher erteilten Kündigungen nicht einfach nach 30 Tagen wirksam werden. Gleiches gilt für das vorgelagerte Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat: Auch dieses muss vor Ausspruch der Kündigungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Versäumte Verfahrensschritte können nicht im Nachhinein korrigiert werden.
 - Strikte Reihenfolge der Schritte: Die EU-Massenentlassungsrichtlinie (98/59/EG) verlangt eine festgelegte Abfolge: zuerst Konsultation des Betriebsrats, dann Anzeige der geplanten Entlassungen an die zuständige Behörde (Agentur für Arbeit), und erst danach Ausspruch der Kündigungen. Diese Verfahrensschritte sind zwingend und dürfen nicht übersprungen oder parallelisiert werden. Der EuGH betont, dass diese Reihenfolge strikt einzuhalten ist, um den Schutzzweck der Richtlinie – nämlich den Arbeitnehmern Rechtssicherheit und Schutz vor übereilten Kündigungen – zu gewährleisten.
 - Fehlerhafte Anzeige wahrt den Schutzzweck nicht: Eine unvollständige oder fehlerhafte Massenentlassungsanzeige erfüllt nicht den Zweck der gesetzlichen Regelung, selbst wenn die Agentur für Arbeit sie nicht beanstandet oder sich fälschlich für ausreichend informiert hält. Der Hauptzweck der Anzeige besteht darin, der Behörde genügend Zeit (mindestens 30 Tage) zu geben, um Lösungen zur Milderung der Entlassungsfolgen zu suchen. Fehlen wichtige Angaben, muss die Agentur diese Informationen erst mühsam selbst ermitteln – Zeit, die von der 30-Tage-Frist abgeht und somit den Schutzzweck unterläuft. Ein Schweigen oder eine Bestätigung der Behörde ändert daran nichts; auch dann gilt die fehlerhafte/unvollständige Anzeige nicht als ordnungsgemäß erfolgt.
 - Mitgliedstaaten müssen wirksame Sanktionen vorsehen: Weder die Massenentlassungsrichtlinie noch das nationale Kündigungsschutzgesetz (KSchG) enthalten eine ausdrückliche Sanktion für Verstöße gegen die Anzeigepflicht. Der EuGH überlässt es daher grundsätzlich den Mitgliedstaaten, geeignete Rechtsfolgen festzulegen. Allerdings stellte der EuGH klar, dass die Sanktionen effektiv sein müssen: Sie sollen Arbeitgeber dazu anhalten, die Verfahrenspflichten (Konsultation und Anzeige) einzuhalten, und die praktische Wirksamkeit der Arbeitnehmerrechte sicherstellen. Insbesondere müsse gewährleistet sein, dass z.B. Entschädigungsansprüche der Arbeitnehmer nicht unterlaufen werden. Eine bloße Verschiebung des Kündigungstermins (etwa durch Aussetzen der Frist) reicht laut EuGH nicht aus, um die Anzeigepflicht effektiv durchzusetzen.
 
Was bleibt offen? – Ungeklärte Rechtsfragen
Trotz der Klarstellungen des EuGH sind einige Rechtsfragen weiterhin unbeantwortet, was sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern Rechtsunsicherheit lässt:
- Konkrete Sanktion im Fehlerfall: Der EuGH hat nicht eindeutig vorgegeben, welche konkrete Rechtsfolge bei Verstößen gegen die Anzeigepflicht gelten muss. Klar ist nur: Ohne vorherige Anzeige kann die Kündigung vor Ablauf von 30 Tagen keine Wirkung entfalten. Ob die Kündigung damit dauerhaft nichtig (von Anfang an unwirksam) ist oder ob es alternative Modelle gibt, bleibt abzuwarten. Das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG) erwägt, von seiner bisherigen strikten Linie der Nichtigkeit ex tunc (Unwirksamkeit von Anfang an) abzurücken. Denkbar diskutiert wurden z.B. Lösungen wie eine „schwebende Unwirksamkeit“ – also die Kündigung bleibt zunächst unwirksam und wird erst ex nunc (für die Zukunft) wirksam, sobald die Anzeige ordnungsgemäß nachgeholt ist und die Sperrfrist abgelaufen ist. Doch eine solche Lösung hat der EuGH in den Urteilsgründen skeptisch gesehen: Eine Aussetzung der Kündigungswirkung bis zur Nachholung der Anzeige erreicht den Richtlinienzweck nicht und genügt Art. 4 und Art. 6 der Richtlinie nicht. Ebenso hat der EuGH den alternativen Vorschlag (des 6. Senats des BAG), die Kündigungsfrist bei Fehlern automatisch um einen Monat (bzw. zwei Monate) zu verlängern, nicht aufgegriffen. Offen ist daher, welche Sanktion die deutschen Gerichte künftig wählen – bleibt es bei der vollständigen Unwirksamkeit der Kündigung oder wird ein neues Sanktionsmodell eingeführt? Diese Frage wird das BAG in den anstehenden Entscheidungen klären müssen.
 - Abstimmung innerhalb des BAG: Hintergrund der EuGH-Vorlagen war, dass sich zwei Senate des BAG uneinig waren: Der 2. Senat hatte an der bisherigen Nichtigkeits-Doktrin festgehalten, während der 6. Senat Zweifel äußerte, ob die strikte Unwirksamkeitsfolge angemessen ist. Nach dem EuGH-Urteil müssen sich die Senate nun auf eine Linie einigen. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG geschlossen an der bisherigen Rechtsprechung festhält oder einen „Mittelweg“ einschlägt, der vom EuGH akzeptiert wird. Diese innerdeutsche Klärung steht noch aus.
 - Gerichtliche Überprüfbarkeit der Anzeige: Ebenfalls ungeklärt ist, inwieweit Entscheidungen der Agentur für Arbeit über die Anzeige gerichtlich überprüft werden können. Eine der Vorlagefragen betraf die Situation, dass die Behörde die Anzeige als ordnungsgemäß entgegengenommen und die Sperrfrist berechnet hat – muss ein Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, diese behördliche Feststellung von einem Gericht prüfen zu lassen? Der EuGH hat diese Frage mangels Entscheidungserheblichkeit nicht beantwortet. Damit bleibt offen, ob ein Bescheid der Arbeitsagentur über den Ablauf der Sperrfrist für Gerichte bindend ist oder ob Arbeitnehmer trotz einer behördlich „abgenickten“ Anzeige vor Gericht geltend machen können, die Anzeige sei unvollständig gewesen. In der Praxis nehmen deutsche Arbeitsgerichte derzeit sehr wohl eine Überprüfung vor, indem sie im Kündigungsschutzprozess die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige selbständig beurteilen. Ob dies durch eventuelle neue Vorgaben geändert wird, bleibt abzuwarten.
 - Keine Aussage zu Bagatellfehlern: Schließlich hat der EuGH nicht klar definiert, welche Fehler “wesentlich” sind. Die Urteile legen nahe, dass jede nicht ordnungsgemäße Angabe – selbst, wenn die Behörde sich „hinreichend informiert“ fühlt – als Verfahrensverstoß gilt. Somit gibt es keine Entwarnung für kleinere Formfehler. Welche Abweichungen im Detail tolerierbar sind, ist weiterhin ein Risiko: Bis zur Klärung sollten Arbeitgeber davon ausgehen, dass schon geringfügige Fehler das Verfahren zweckwidrig machen können, und Arbeitnehmer können selbst bei scheinbar formalen Mängeln eine Anfechtung in Betracht ziehen.
 
Zusammengefasst: Der EuGH hat zwar die Grundlagen bestätigt (Anzeige zwingend vor Kündigung, keine Heilung ex post), aber die Ausgestaltung der Rechtsfolgen den nationalen Stellen überlassen – was nun in Deutschland für einige Unsicherheit sorgt. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten deshalb die weitere Entwicklung der Rechtsprechung aufmerksam verfolgen und bis zur endgültigen Klärung im Zweifel vom striktesten Fall ausgehen.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber bedeutet das EuGH-Urteil, dass sie nach wie vor äußerst sorgfältig vorgehen müssen. Hier sind konkrete Tipps, um rechtliche Risiken bei Massenentlassungen zu minimieren:
- Sorgfältige Planung & korrekte Durchführung: Planen Sie das Massenentlassungsverfahren frühzeitig und halten Sie sich strikt an die gesetzlichen Vorgaben. Informieren und konsultieren Sie den Betriebsrat umfassend, und erstatten Sie die Massenentlassungsanzeige vollständig, richtig und rechtzeitig bei der zuständigen Agentur für Arbeit – unbedingt vor Ausspruch der Kündigungen. Nur wenn Konsultation, Anzeige und Kündigungen in der richtigen Reihenfolge erfolgen, vermeiden Sie von vornherein etwaige Angriffspunkte. Prüfen Sie genau, ob alle erforderlichen Angaben (Gründe, Anzahl der Entlassungen, Zeitraum, Zahl der Beschäftigten usw.) in der Anzeige enthalten sind. Bei Unsicherheiten holen Sie frühzeitig fachlichen Rat ein, denn präventive Fehlervermeidung ist der beste Schutz.
 - Keine Abkürzungen oder Eigenmacht: Versuchen Sie nicht, das Verfahren zu beschleunigen, indem Sie z.B. Kündigungsschreiben vor der Anzeige verschicken oder die Anzeige verspätet „nachreichen“. Solche Abkürzungen führen ins Leere: Eine Kündigung ohne vorherige Anzeige entfaltet keine Wirkung und gilt als unwirksam. Eine nachträgliche Heilung ist ausgeschlossen – Sie müssten im Ernstfall das gesamte Kündigungsverfahren (Betriebsratanhörung, Anzeige, neue Kündigungsschreiben) erneut durchlaufen. Das kostet Zeit, Geld und gefährdet Ihre Personalplanungen. Halten Sie daher die Sperrfrist ein: Kündigungen dürfen erst wirksam werden, nachdem die Agentur für Arbeit Ihre Anzeige erhalten hat und mindestens 30 Tage verstrichen sind (bzw. länger, falls die Agentur die Frist verlängert).
 - Fehler konsequent vermeiden – auch kleine Details zählen: Seien Sie sich bewusst, dass jeder Verfahrensfehler ein hohes Risiko birgt. Auch scheinbar kleinere Unvollständigkeiten oder formale Fehler in der Anzeige können zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen. Selbst wenn die Behörde Ihren Fehler nicht bemerkt oder keine Beanstandung erhebt, bleibt die Anzeige materiell fehlerhaft – und damit sind die darauf basierenden Kündigungen anfechtbar. Der EuGH hat klar gemacht, dass es keine „Großzügigkeit“ bei Verfahrensfehlern gibt. Für Arbeitgeber ändert sich damit nichts an der bisherigen Rechtslage: Jeder Verstoß (ob fehlende oder falsche Angaben, verfrühte Kündigung etc.) kann die Kündigungen unwirksam machen. Deshalb: Kontrollieren Sie die Anzeige akribisch, und lassen Sie sich im Zweifel von Spezialisten (z.B. Fachanwalt für Arbeitsrecht) unterstützen, um Fehler auszuschließen.
 - Im Fehlerfall schnell handeln: Sollten Sie nachträglich feststellen, dass im Massenentlassungsverfahren etwas schiefgelaufen ist (z.B. eine erforderliche Angabe in der Anzeige vergessen wurde oder ein Verfahrensschritt zu spät erfolgte), suchen Sie umgehend Rechtsrat. Es kann ratsam sein, frühzeitig korrigierende Maßnahmen zu ergreifen – etwa das Verfahren korrekt nachzuholen und die Kündigungen vorsorglich noch einmal auszusprechen, um die Schäden zu begrenzen. Zwar ist eine verspätete Anzeige nicht geeignet, die erste Kündigung ex post zu validieren, aber sie kann Voraussetzung für neue Kündigungen sein. In jedem Fall sollten Sie bei bekannten Fehlern nicht untätig abwarten, sondern aktiv gegensteuern (ggf. mit Angeboten an die Betroffenen, Aufhebungsverträge oder Ähnliches auszuhandeln), um rechtliche und finanzielle Folgeschäden zu minimieren.
 - Dokumentation und Nachweis: Führen Sie gründliche Aufzeichnungen über jeden Schritt im Verfahren. Lassen Sie sich z.B. die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung schriftlich bestätigen und bewahren Sie Kopien der Anzeige sowie die Eingangsbestätigung der Arbeitsagentur sorgfältig auf. Diese Nachweise sind im Ernstfall vor Gericht entscheidend, um zu belegen, dass Sie das Verfahren eingehalten haben. Eine lückenhafte Dokumentation erschwert Ihre Position erheblich, falls ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt.
 
Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Auch für Arbeitnehmer, die von einer Massenentlassung betroffen sind oder eine Kündigung im Rahmen eines größeren Personalabbaus erhalten haben, ergeben sich aus dem EuGH-Urteil wichtige Hinweise. So können Sie Ihre Rechte wahren:
- Kündigung und Verfahren prüfen lassen: Nehmen Sie Ihre Kündigung genau unter die Lupe. Auch bei einer Massenentlassung hat jeder Arbeitnehmerin individuellen Kündigungsschutz. Lassen Sie sich nicht von der Tatsache beeindrucken, dass viele Kolleginnen gleichzeitig gekündigt wurden – jede Kündigung ist separat angreifbar. Achten Sie auf Hinweise im Kündigungsschreiben: Wird darin erwähnt, dass die Entlassung der Agentur für Arbeit angezeigt wurde? Wurde der Betriebsrat gehört? Falls Ihnen solche Informationen fehlen oder Zweifel kommen, lohnt es sich, die Wirksamkeit der Kündigung von einem Experten prüfen zu lassen. Oft weiß der Betriebsrat über die Einhaltung des Verfahrens Bescheid – scheuen Sie sich nicht, dort nachzufragen, ob das Konsultationsverfahren durchgeführt wurde. Tipp:* Dokumentieren Sie auffällige Umstände (z.B. wenn die Kündigung überraschend sofort ausgesprochen wurde, ohne dass erkennbar ein Betriebsrat konsultiert wurde). Diese Infos können Ihrem Anwalt helfen, einen Verfahrensverstoß aufzudecken.
 - Klagefrist unbedingt einhalten: Reagieren Sie schnell! Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, gilt auch in Fällen von Massenentlassungen die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG. Sie müssen innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, um sich auf Verfahrensfehler berufen zu können. Versäumen Sie diese Frist, wird die Kündigung – selbst wenn sie eigentlich rechtswidrig oder fehlerhaft war – bestandskräftig und kann nicht mehr angefochten werden. Zögern Sie also nicht: Im Zweifel sofort rechtlichen Rat einholen und die Klage vorbereiten. Eine spätere Berufung auf Mängel im Anzeigeverfahren ist prozessual wertlos, wenn die Klagefrist abgelaufen ist.
 - Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bei unwirksamer Kündigung: Lassen Sie sich nicht entmutigen – Verfahrensfehler können Ihre Kündigung ungültig machen. Wird gerichtlich festgestellt, dass Ihre Kündigung wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige unwirksam ist, bedeutet das: Ihr Arbeitsverhältnis besteht ununterbrochen fort, als hätte es die Kündigung nie gegeben. In diesem Fall muss der Arbeitgeber Sie weiterbeschäftigen und Ihnen grundsätzlich den entgangenen Lohn für die Zwischenzeit nachzahlen (sogenannter Annahmeverzugslohn). Das finanzielle Risiko liegt dann beim Arbeitgeber, nicht bei Ihnen. Beachten Sie jedoch: Sie sind gehalten, sich während des Kündigungsschutzverfahrens zumindest bemüht zu zeigen, eine anderweitige Beschäftigung zu finden, um Ihren Schaden gering zu halten – andernfalls kann der Lohnnachzahlungsanspruch unter Umständen gekürzt werden. Dennoch: Eine erfolgreiche Klage kann Ihnen Ihren Arbeitsplatz und finanzielle Ansprüche sichern.
 - Auf mögliche Neu-Kündigung einstellen: Wenn Ihre Kündigung wegen eines Verfahrensfehlers unwirksam war, kann der Arbeitgeber den Formfehler möglicherweise nachträglich beheben und Ihnen erneut kündigen (dann mit korrekter Konsultation/Anzeige). Das heißt, ein Sieg vor Gericht bedeutet nicht zwingend, dass die Stelle auf Dauer gerettet ist – aber Sie gewinnen Zeit und Verhandlungsposition. Oft führen solche Situationen zu Vergleichsverhandlungen: Der Arbeitgeber könnte bereit sein, Ihnen für den Verlust des Arbeitsplatzes eine höhere Abfindung zu zahlen, statt das gesamte Verfahren neu aufzurollen. Tipp: Nutzen Sie die Zeit bis zu einer eventuellen zweiten Kündigung, um Ihre Weiterbeschäftigung zu klären oder Ihre Zukunft zu planen. Sie können z.B. signalisieren, dass Sie trotz allem zur Weiterarbeit bereit sind – damit behalten Sie Anspruch auf Lohnzahlung bis zur endgültigen Klärung.
 - Fachkundigen Rat einholen: Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Zusammenspiel von kollektivem Verfahren (Anzeige, Konsultation) und individuellem Kündigungsschutz ist komplex und für Laien oft schwer zu durchschauen. Eine Fachanwältin für Arbeitsrecht kann feststellen, ob in Ihrem Fall ein Verfahrensfehler vorliegt, und die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen. Die Rechtsprechung ist im Fluss – umso wichtiger ist es, jemanden an der Seite zu haben, der auf dem neuesten Stand ist und alle Ihre Verteidigungsmöglichkeiten** ausschöpfen kann. Die Investition in rechtliche Beratung lohnt sich häufig, sei es um Ihre Weiterbeschäftigung zu sichern oder um eine angemessene Abfindung auszuhandeln.
 
Das EuGH-Urteil bringt Licht ins Dunkel, aber keinen völligen Durchbruch – “Fehlerhaft” heißt weiterhin gefährlich. Arbeitgeber sollten das Massenentlassungsverfahren nach wie vor mit höchster Sorgfalt betreiben, denn bis zur abschließenden Klärung durch das BAG gilt: Lieber kein Risiko eingehen. Arbeitnehmer wiederum sollten ihre Rechte kennen und aktiv wahrnehmen. Eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige bietet eine zusätzliche Chance, eine Kündigung anzufechten – doch nur, wenn man sie rechtzeitig nutzt. In dieser dynamischen Rechtslage ist es für beide Seiten ratsam, auf dem Laufenden zu bleiben und im Zweifel fachkundige Unterstützung hinzuzuziehen, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.