Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Usebach informiert: Darum lehnen Arbeitgeber das Homeoffice ab

14. Mai 2025 -

Die Debatte um das Ende des Homeoffice und die Wiedereinführung verpflichtender Präsenzquoten gewinnt in deutschen Großkonzernen zunehmend an Fahrt. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass mittlerweile rund zwei Drittel der Unternehmen ihre Präsenzpflicht erhöhen, wobei insbesondere Banken, Handels- und Technologieunternehmen wie Deutsche Bank, Otto und Amazon vorpreschen. Arbeitgeber versprechen sich von mehr Büroanwesenheit intensiveren persönlichen Austausch, bessere Unternehmenskultur und effizientere Entscheidungsprozesse, während Arbeitnehmer Sorge um längere Pendelzeiten, geringere Flexibilität und mögliche Rechtsunsicherheiten haben. Gleichzeitig erlaubt das Direktionsrecht Arbeitgebern, Homeoffice einseitig zu beenden, solange keine tarif- oder betriebsverfassungsrechtlichen Vereinbarungen entgegenstehen. Im Folgenden werden die Hintergründe, rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Chancen und Risiken ausführlich beleuchtet.

Aktueller Trend: Zunahme der Präsenzquoten

Studien des ifo-Instituts und Befragungen von Handelsblatt zeigen, dass 64 Prozent der Unternehmen ihre Homeoffice-Regelungen bereits 2025 restriktiver gestalten und die Mindestpräsenz im Büro anheben wollen. So fordert die Deutsche Bank künftig mindestens drei Büro-Tage pro Woche für Mitarbeiter und vier für Führungskräfte – zuvor waren es zwei bzw. drei Tage. Auch der Otto-Konzern plant ab Januar 2025 eine verpflichtende Anwesenheit von 50 Prozent der Arbeitszeit vor Ort. Volkswagen reduziert seine Homeoffice-Tage auf nur noch zwei pro Woche für rund 24 000 Beschäftigte und begründet dies mit der Notwendigkeit, betriebliche Zusammenarbeit zu intensivieren und Entscheidungswege zu verkürzen.

Parallel dazu zeigt eine aktuelle Homeoffice-Studie der Universität Konstanz: Nur 19 Prozent der Beschäftigten berichten von einer verschärften Präsenzpflicht – ein leichter Rückgang gegenüber 2024, jedoch mit hoher Sichtbarkeit in Leitbranchen. Während also nicht flächendeckend alle Firmen zurückrudern, sind es gerade die größten deutschen Konzerne, die mit restriktiveren Office-Regelungen vorangehen und damit die öffentliche Debatte dominieren.

Beweggründe der Unternehmen

Förderung von Zusammenarbeit und Unternehmenskultur

Unternehmen argumentieren, dass spontane Absprachen, informeller Wissenstransfer und Teambuilding im Büro deutlich besser funktionieren. Die Deutsche Bank betont, dass physische Nähe zu mehr Kreativität und schnelleren Abstimmungsprozessen führt.

Steigerung von Effizienz und Kontrolle

Einige Firmen, darunter Amazon und Google, verweisen auf hybride Arbeitsmodelle als nicht optimal und sehen in Präsenz mehr Kontrolle über Arbeitsabläufe und Disziplin. Studien von Deskbird listen als Top-Gründe mangelndes Vertrauen in remote arbeitende Teams und Befürchtungen vor Produktivitätseinbußen auf.

Verbesserung von Nachwuchsgewinnung und -bindung

Führungskräfte argumentieren zudem, dass Nachwuchskräfte stärker an Bürokultur und Mentoring gebunden werden, wenn sie regelmäßig vor Ort sind. Gerade Trainees und Berufseinsteiger profitierten laut Business Insider von persönlicher Begleitung, was langfristig die Bindung ans Unternehmen erhöhe.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Direktionsrecht und betriebliche Regelungen

Arbeitgeber können nach § 106 GewO per Direktionsrecht Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung festlegen, sofern dies nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag eingeschränkt ist. Schuldrechtliche Homeoffice-Vereinbarungen in Verträgen oder Betriebsvereinbarungen (z. B. Volkswagen-Betriebsvereinbarung) dürfen einseitig durch Weisung angepasst oder beendet werden, müssen jedoch mitbestimmungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren beachten.

Mitbestimmung durch Betriebsrat

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer Mitbestimmungsrecht. Neue Präsenzquoten sind daher in der Regel zustimmungspflichtig und können Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein.

Kein grundsätzlicher Anspruch auf Homeoffice

In Deutschland gibt es bislang kein allgemeines Recht auf Homeoffice. Ein gesetzliches Anspruchsmodell wird diskutiert, wurde aber noch nicht verabschiedet. Arbeitnehmer können lediglich einen Antrag stellen; der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, diesem stattzugeben, sofern keine anderweitigen Vereinbarungen bestehen.

Chancen und Risiken für Arbeitnehmer

Chancen

  • Strukturierung der Arbeit: Klare Trennung von Beruf und Privatleben durch räumliche Trennung.
  • Karriereschancen: Höherer Sichtbarkeitsgrad und Austausch können Entwicklung fördern.

Risiken

  • Pendeldauer und Kosten: Höhere Anfahrtszeiten belasten Work-Life-Balance und Budget.
  • Verringerte Flexibilität: Weniger Möglichkeit, Familie, Pflege oder individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen).
  • Erhöhtes Kündigungsrisiko: Laut t3n kündigen Beschäftigte bei starker Büropflicht häufiger, wenn Alternative nicht attraktiv ist.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

  • Transparente Kommunikation: Gründe, Ziele und Ausnahmen klar darlegen und Rückmeldungen von Mitarbeitenden einholen.
  • Flexible Hybridmodelle: Präsenztage mit Homeoffice-Tagen kombinieren, z. B. Kernarbeitszeiten im Büro, für Routineaufgaben zu Hause.
  • Betriebsvereinbarungen gestalten: Mitbestimmung des Betriebsrats frühzeitig einbeziehen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
  • Arbeitsplatzausstattung und -bedingungen optimieren: Moderne Bürokonzepte, ergonomische Ausstattung und Angebote für Mobilität unterstützen die Akzeptanz.
  • Evaluierung und Anpassung: Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und Kennzahlen (z. B. Produktivität, Fluktuation) auswerten und Modelle iterativ verbessern.

Das Ende des Homeoffice ist nicht flächendeckend besiegelt, sondern variiert je nach Branche, Unternehmensgröße und Unternehmenskultur. Große Konzerne mit ausgeprägtem Betriebsrat und formalen Homeoffice-Vereinbarungen nutzen ihre Direktionsrechte, um Präsenzquoten zu erhöhen und Synergien im Büro zu forcieren. Arbeitnehmer sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und in Betriebsrats- und Vertragsänderungen eingebunden werden. Arbeitgeber tun gut daran, hybride Modelle flexibel zu gestalten und transparent zu kommunizieren, um die Balance zwischen betrieblichem Bedarf und Mitarbeiterinteressen zu wahren.