Fetter Anwalt & Rumpelstilzchen sind von Meinungsäußerung gedeckt

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. November 2023 zum Aktenzeichen 1 BvR 1962/23 entschieden, dass die Bezeichnung im Kampf um das Recht Äußerungen wie „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ zulässig sind.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen ihre im Wege der einstweiligen Verfügung ergangene Verurteilung, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite „(…)“ über die Inhalte der nichtöffentlichen Sitzung eines Familiengerichts zu berichten, für die sie am 16. November 2021 als Verfahrensbeistand zugelassen worden war, und einen darin auftretenden Rechtsanwalt – den Verfügungskläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Verfügungskläger) – als „fetten Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ zu bezeichnen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Maßgeblich ist hierfür der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Diese Anforderungen verfehlen die Ausgangsgerichte bereits insoweit, als es den angegriffenen Entscheidungen sowohl an einer Betrachtung des Kontextes der auf der Internetseite „(…)“ veröffentlichten Äußerungen ermangelt, wie schon an jeglichen kontextbezogenen Feststellungen.

Ebensowenig in Einklang zu bringen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es überdies, wenn das Amtsgericht seine Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB allein darauf stützt, die Bezeichnungen „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ seien „ein Werturteil, welches ehrverletzenden Charakter“ habe, und das Landgericht ausführt, das Verhalten der Beschwerdeführerin verletze den Verfügungskläger „wie zutreffend erstinstanzlich ausgeführt“ in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Damit lassen die Ausgangsgerichte jede Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen vermissen, die aber nur ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn sich eine Äußerung als Schmähung oder Schmähkritik im verfassungsrechtlichen Sinne, als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung darstellt. Einen solchen Fall haben die Ausgangsgerichte indes nicht angenommen.

Aus dem Blick verloren haben die Ausgangsgerichte zudem, dass die untersagten Äußerungen im Kontext eines gerichtlichen Verfahrens gefallen sind, in dem die Beschwerdeführerin als Verfahrensbeistand bestellt worden war. Den Ausgangsgerichten war es daher verwehrt, eine Ehrverletzung des Verfügungsklägers anzunehmen, ohne zuvor auch nur in Erwägung zu ziehen, dass es unter dem Gesichtspunkt des sogenannten „Kampfs um das Recht“ im Kontext rechtlicher Auseinandersetzungen grundsätzlich erlaubt ist, auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen.