Fiktive Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen bei Leistungen nach SGB II

11. Januar 2021 -

Das Sozialgericht Gießen hat am 04.12.2020 zum Aktenzeichen S 29 AS 700/19 entschieden, dass eine hilfebedürftige Alleinerziehende im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten dem Jobcenter gegenüber den Namen des ihr bekannten Kindesvaters nennen muss, damit mögliche Unterhaltsansprüche realisiert werden können.

Aus der Pressemitteilung des SG Gießen vom 11.01.2021 ergibt sich:

Dem stehe weder das Persönlichkeitsrecht noch eine eingegangene Verpflichtung der alleinerziehenden Kindesmutter entgegen, den Namen des Kindesvaters nicht zu nennen, so das Sozialgericht.

Streitig ist die Höhe von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Anrechnung von Unterhaltsleistungen. Die 1971 geborene, im Lahn-Dill-Kreis lebende alleinerziehende Klägerin steht beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 22.07.2019 versagte der Beklagte die Leistungen ab August 2019 teilweise i.H.v. 660 Euro monatlich und legte der Berechnung hierbei einen Unterhaltsanspruch des 2007 geborenen Sohnes der Klägerin nach der Düsseldorfer Tabelle i.H.v. 660 Euro gegen den Kindesvater zugrunde. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.10.2019).

Das SG Gießen hat der dagegen gerichteten Klage teilweise stattgegeben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts war zunächst grundsätzlich zu bestätigen, dass fiktive Unterhaltszahlungen auf den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen sind, solange die Klägerin ihren Mitwirkungsverpflichtungen durch die Benennung des Kindesvaters nicht nachkommt. Der Beklagte habe zurecht die Leistungen nach §§ 60, 66 SGB I teilweise versagt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch kein Recht, die Auskunft über den Namen des leiblichen Vaters ihres Sohnes zu verweigern. Es bestehe kein überragend schützenwertes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Vaterschaftsauskunft, welches die hochrangigen Kindesinteressen, die Interessen des leiblichen Vaters sowie die gesetzlich ausdrücklich geschützten fiskalischen Interessen der nur subsidiär zahlungspflichtigen staatlichen Gemeinschaft deutlich überwiegen würde. Gleichwohl könne der Beklagte nicht von der höchsten Stufe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 5.101-5.500 Euro monatlich) bei der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen ausgehen. Abzustellen sei viel mehr auf den durchschnittlichen Nettoarbeitslohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, sodass Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen zwischen 1.901 und 2.300 Euro monatlich) zugrunde zu legen sei. Das SG Gießen ist zu dem Ergebnis gelangt, dass statt des von dem Beklagten angerechneten fiktiven Unterhalts i.H.v. 660 Euro monatlich lediglich ein Betrag von 427 Euro monatlich anzurechnen sei.

Der Gerichtsbescheid ist nicht rechtskräftig.